Auf deutsch: "Das" Sozialversicherungssystem. Warum es sowohl besser als auch schlechter ist, als wir es uns vorstellen können.
Vortrag gehalten am 27.12.2018 auf dem Chaos Communication Congress in Leipzig.
Hier mit der deutschen Synchron-Übersetzung.
Antonia Hmaidi ist Doktorandin im Fach Ost-Asien-Ökonomie an der Uni Duisburg-Essen. Sie studiert/untersucht "den" chinesischen Social Index, indem sie die agentenbasierte Modellierung anwendet und schaut, wie sich die Agenten verhalten, wenn sie mit einem solchen Index reguliert werden.
In einer agentenbasierte Modellierung, kurz ABM, besteht ein sogenannter "Agent" aus einem Stück Programmcode, das die Entscheidungen und Handlungen des Agenten einerseits und die Kommunikation der Agenten untereinander andererseits beschreibt. In der Simulation ändert man die Umweltparameter und schaut, wie sich die Agenten im Durchschnitt verhalten. Anmerkung von Peter Addor.
Den chinesischen Sozialindex gibt es nicht. Es gibt vielmehr über 70 verschiedene Ansätze und Piloten. Im Jahre 2020 soll ein System landesweit ausgerollt werden.
Viele chinesische Bürger wissen noch gar nichts von diesem Index, die meisten interessieren sich einfach nicht sehr dafür und warten ab.
Viele Bürger, die mit der Idee vertraut sind, sind nicht sehr beunruhigt und argumentieren, dass sie nichts zu verbergen haben und die Regierung ohnehin schon alles weiss.
Kernthema ist "Vertrauen".
Die Befürworter und Entwickler dieses Social Scoring Systems sind der Meinung, dass sie Vertrauen schaffen und daher für alle ein Gewinn sind.
In China ist Vertrauen in den Mitbürger nicht sehr hoch. (Vielleicht, weil Korruption weitverbretet ist. PA).
Man glaubt, dass Social Index Systeme (SCS) auch zu mehr Lebenseffizienz und -qualität führt.
Folgende Ziele sollen erreicht werden
"Der Sozialindex ist eine Reihe von Anstrengungen der Partei, Marktsicherung und öffentlichen Sicherheit zu garantieren, indem sie die Rechtschaffenheit und das gegenseitige Vertrauen der Bürger erhöht."
Unternehmen haben ihre eigenen SCS, ebenso Städte und Regionen und natürlich die Partei.
All diese Systeme sind hierarchisch gegliedert und geben ihre Daten an die höhere Ebene weiter.
Da auch Unternehmen und Städte gemessen werden, führt die Hierarchie zu einer Erosion des Index, denn ein Unternehmen kriegt Punkte, wenn seine Mitarbeiter einen hohen Index haben.
Also setzen die Unternehmen die Schwellen tiefer, für die es Punkte gibt, damit ihre Mitarbeiter hohe Indizes haben. Auf dieselbe Weise konkurrenzieren sich auch Städte und Regionen.
Toni untersucht drei wichtige und bekannte SCS
Rongchen
Es gibt einen Katalog der Taten und ihren Tarifen.
Z.B. hat "auf der Strasse laufen, wo's einen Gehsteig gibt" den Tarif -5 Punkte, also 5 Punkte Abzug.
Einen Kredit nicht rechtzeitig bedienen gibt -50 Punkte.
Eine Spende von so uns so vielen Geldeinheiten gibt +50 Punkte.
Letzteres führt zu einer Art Ablasshandel: Ich muss einfach so und soviel spenden, dann kann ich damit fast jedes Vergehen abfedern.
Sesame Credit
Ist das SCS der Alibaba-Group.
Es nutzt unter anderem Daten von Alibaba-Dienstleistungen, um hinsichtlich der Kunden eine Punktzahl zu errechnen, und gibt diese an staatliche Behörden weiter.
Anders als bei herkömmlichen Rating-Systemen wird nicht nur die Kreditwürdigkeit, sondern auch anderes Verhalten einer Person erfasst.
Hierzu zählen politische Äußerungen in Sozialen Medien oder eine Präferenz für inländische oder ausländische Produkte. Wer mit WeChat bezahlt, statt mit Alipay, kriegt Abzug.
Suining
Punktekatalog, Fokus auf Bestrafung, zentralistisch.
Gescheitert wegen schlechtem Image.
Die Piloten werden ungenügend dokumentiert und sehr "agil"durchgeführt.
Es ist zu befürchten, dass nach Einführung eines Systems, 2020, unvorhergesehene Nebenwirkungen entstehen und kleine Veränderungen grosse gesellschaftliche Auswirkungen haben.
Ein Student in Tonis Umfeld sagte: Mit den Social Index Systemen entzieht China ihren Bürgern kritisches und unabhängiges Denken.
Das mag zwar nicht das Primärziel sein, ist aber ein Nebeneffekt.