Petra, die Künstlerin 

Petra war eine Künstlerin. Sie war 36 Jahre alt und lebte alleine mit ihrem kleinen Sohn in einem schönen Stadtviertel in Hamburg. Sie besaß eine große Kellerwohnung mit alten Möbeln. An den Wänden hingen selbstgemalte Bilder in zarten Tönen, mit viel Silber und Weiß. 38 Petra lebte in einer Traumwelt des Schönen, Reinen und Spirituellen. Sie sah sich als eine Prinzessin. Sie war der Meinung, dass sie in einem früheren Leben als Prinzessin auf einer Burg gelebt hätte. Schöne alte Häuser mit kleinen Türmen und verwinkelten Fernstern zogen sie magisch an. Petra liebte schöne Kleider. Sie hörte klassische Musik und Meditationsmusik. Sie konnte wunderschön singen. Einmal standen Petra und Nils um Mitternacht in einem menschenleeren UBahnhof. Petra begann aus einer Laune heraus zu singen. In der großen Bahnhofshalle klang ihre Stimme wie in einem Konzertsaal. Nils hätte tagelang ihrem schönen Gesang lauschen können. Petra ernährte sich vegetarisch, meditierte jeden Tag und las in den Schriften von Yogananda. Yogananda war ihr spiritueller Meister. Er hatte als einer der ersten den Yoga in den Westen gebracht hatte. Wenn Nils und Petra Sex hatten, hängte Petra immer ein großes Tuch über das Bild von Yogananda. Damit ihr Meister nicht sehen konnte, was sonst noch in den heiligen Hallen geschah. Nils war ganz anders als Petra. Statt edler Kleidung trug er Jogginghosen und alte Pullover. Statt klassischer Musik hörte Nils Rock aus dem Radio. Nils kam sich neben Petra vor wie ein einfacher Bauer vom Land. Die große Unterschiedlichkeit bewirkte am Anfang eine große gegenseitige Anziehung. Petra liebte in Nils das Natürliche, Einfache und Lebensbejahende. Nils liebte in Petra das völlig Fremde, das Unbekannte und das Urweibliche. Petra war für Nils eine Verkörperung des unfassbaren und ewig geheimnisvollen Weiblichen. Hier trafen Shiva und Shakti aufeinander. Hier fanden sich zwei Gegensätze und verschmolzen zu einer dynamischen Einheit. Nils lernte Petra am Anfang des Jahres 1988 kennen. Er war damals noch Rechtsanwalt. Er vertrat Petra bei der Scheidung von ihrem Ehemann. Sie kamen ins Gespräch und stellten fest, dass sie sich beide für die Spiritualität interessierten. Sie vereinbarten ein privates Treffen in der Wohnung von Petra, um sich einmal abseits der Rechtsangelegenheiten ausgiebig unterhalten zu können. Sie konnten gut miteinander reden, auch wenn sie in vielem unterschiedlicher Ansicht waren. Nach dem ersten Abend umarmte Nils Petra leicht. Er dachte sich nichts dabei. Aber bei Petra brachen spontan aufgestaute Sehnsüchte nach Liebe und Zärtlichkeit auf. Sie zog Nils eng an sich heran. Dabei funkte es zwischen den beiden. Zuerst begriffen Nils und Petra noch gar nicht richtig, was zwischen ihnen geschehen war. Sie trafen sich einige Male und kamen sich langsam näher. Irgendwann wurde dann aus der Umarmung eine Verschmelzung. Zwei Münder fanden einander, sie streichelten sich zärtlich und landeten kurz darauf im Bett von Petra. Nils entdeckte seine tantrischen Fähigkeiten. Sie tauchten ein in eine Welt der Liebe und der Sinnenfreude. Yoga schenkt den Menschen auch die Fähigkeit zu einer erfüllten Sexualität. Es ist eine große Gnade, wenn zwei Partner spirituell Übende sind. Durch die spirituellen Übungen hatte sich der Körper von Nils verändert. Nils war in der Lage die Sexualität auf eine ganz andere Weise zu praktizieren als vorher. Früher ging es meistens relativ schnell. Jetzt konnte Nils plötzlich seinen Samenerguss kontrollieren und die Erregungsenergie 39 bewusst steuern. Dadurch konnte er mit Petra so lange Sex haben, wie sie es wollten. Sie schliefen oft stundenlang miteinander. Es entstand eine große Glücksenergie. Nils und Petra trafen sich jeden Tag vormittags in Petras Wohnung. Dann war ihr kleiner Sohn im Kindergarten und sie hatten viel Zeit für sich. Ein Dreivierteljahr liebten sie sich jeden Tag zwei bis drei Stunden. Durch den tantrischen Yoga entstanden Wärme- und Energieprozesse, die oft stundenlang andauerten. Wenn Nils in sein Rechtsanwaltsbüro kam, glühte er manchmal so vor Energie, dass er innerlich erst einige Stunden abkühlen musste, bevor er sich voll auf seine Arbeit konzentrieren konnte. Vor Petra hatte Nils die Neurose, dass er niemals genug Sex kriegen würde. Diese Neurose löste sich nach einem Dreivierteljahr auf. Durch Petra kam Nils an seinen Sättigungspunkt. Seine tiefe Angst, nie genug zu kriegen, löste sich auf. Es war ein großer Moment der Befreiung von einer tiefsitzenden Sexsucht. Nils mochte Sex zwar weiterhin gerne. Aber er konnte es tun und er konnte auch darauf verzichten. Er war irgendwie unabhängiger vom Sex geworden. Er konnte jetzt mehr im Sein leben. Er konnte besser die Dinge so annehmen, wie sie gerade kamen. Bis zu diesem Zeitpunkt hielt Nils insgeheim Sex für das Wichtigste im Leben. Gerade, weil er nie ganz satt wurde. Etwas in ihm schrie immer nach mehr. Dieses Geschrei verstummte. Sex war plötzlich nicht mehr so wichtig. Er dominierte nicht mehr aus dem Unterbewusstsein heraus sein ganzes Denken. Als Hauptweg der Befreiung von Süchten wird im Yoga der Weg der Enthaltsamkeit empfohlen. Dieser Weg muss mit einer sensiblen und langfristigen Arbeit an den Suchtgedanken verbunden werden. Die Suchtgedanken dürfen nicht verdrängt werden. Sie müssen frei fließen und sich im Laufe der Jahre von selbst auflösen. Die zentrale Technik dabei ist das Beobachten der Gefühle. Manchmal helfen auch positives Denken und Trauerarbeit. Irgendwann entsteht inneres Glück. Dann wird man frei von seinen Süchten. Eine Möglichkeit der Suchtbefreiung besteht aber auch darin, einen Wunsch einmal oder längere Zeit ausreichend zu leben. Dieses kann bei der Sexualität durch das tatsächliche Praktizieren (der sogenannte linkshändige Tantra-Weg) oder durch Vorstellungsübungen (der rechtshändige TantraWeg) erreicht werden. Nils brauchte einmal in seinem Leben das vollständige Ausleben der Sexualität, um den Kern seiner Sexsucht auflösen zu können. Danach konnte er den Schwerpunkt seiner spirituellen Arbeit auf die Gedankenarbeit legen. Nils ist Petra unendlich dankbar dafür, dass sie ihm die Erfahrung der sexuellen Sättigung geschenkt hat. Sie hat ihm sehr geholfen, sich von seiner Sexsucht zu befreien. Der Kosmos hat hier im richtigen Moment die beiden richtigen Menschen zusammengeführt. Auch Petra hat viel von Nils gelernt. Sie hat insbesondere gelernt, die Dinge des Lebens etwas gelassener und lockerer zu sehen. Nils hätte aber gewünscht, dass Petra noch mehr das positive Denken von ihm übernommen hätte. Dann hätte ihre Beziehung sehr lange dauern und sehr glücklich werden können. 40 Das Geheimnis des Tantra-Yoga Beim Tantra-Yoga leben wir im Spannungsfeld des äußeren und des inneren Glücks. Beide Wege verlaufen genau entgegengesetzt. Der Weg des äußeren Glücks führt grundsätzlich zum Wachsen der inneren Anhaftungstendenzen und zur Verstärkung der Verspannungen. Je mehr wir die äußeren Genüsse leben, desto größer werden die Anhaftungen. Die inneren Verspannungen wachsen und das innere Glück schrumpft. Wir verlieren immer mehr unseren inneren Frieden, unsere innere Kraft und unser seelisches Wohlbefinden. Auf dem Weg des inneren Glücks löst man systematisch alle inneren Verspannungen. Man befreit sich von allen Anhaftungen an äußere Dinge. Man befreit sich letztlich von der gesamten äußeren Welt. Und kann dadurch in allen Lebenslagen sein inneres Glück bewahren. Je weniger innere Verspannungen wir haben, desto größer wird das innere Glück. Bis wir dauerhaft im Licht, in der Einheit des Kosmos und in der Erleuchtung leben. Wir können sagen, dass es die Egoverwirklichung und die Selbstverwirklichung gibt. Die Egoverwirklichung führt grundsätzlich langfristig ins innere Unglück und die Selbstverwirklichung ins innere Glück. Die Egoverwirklichung ist am Anfang leicht und am Ende leidvoll. Die Selbstverwirklichung ist am Anfang schwer und am Ende eine unfassbare Gnade. Die Egoverwirklichung besteht aus gutem Essen, schönen Reisen und vielem äußeren Konsum. Sie strebt nach äußerem Reichtum, Anerkennung und beruflicher Karriere. Sie folgt der Faulheit (Tamas) oder der übertriebenen Aktivität (Rajas). Die Selbstverwirklichung besteht aus täglicher konsequenter Arbeit an sich selbst. Sie löst alle inneren Verspannungen durch Yoga, Meditation und beständige Gedankenarbeit auf. Sie stellt nicht das Ego (die Ängste und die Süchte), sondern das Selbst (die befreite Psyche) in den Mittelpunkt des Lebens. Im Tantra-Yoga lösen wir den Konflikt zwischen dem äußeren und dem inneren Weg, indem wir weise mit den Dingen des Lebens fließen. Wir leben alle Genüsse so, dass sie uns beim Wachstum ins Licht voranbringen. Wir leben sie sensibel, im richtigen Maß und mit der richtigen Geisteshaltung. Wir verankern uns im Schwerpunkt unseres Lebens im spirituellen Ziel. Wir nutzen das positive Potential der äußeren Genüsse, ohne uns darin zu verlieren. Wir lösen alle Anhaftungen immer wieder auf und gelangen immer wieder ins Licht. Wir leben primär in der Ruhe und im spirituellen Üben. Wenn wir das Problem der Genussanhaftung nicht sehen, gehen wir in die große Falle des TantraYoga. Wir verstärken unsere Genussanhaftung und blockieren unsere Erleuchtung. Wir geraten in die Eigendynamik der Genusssucht. Unsere Wünsche werden immer größer, wir sehen immer mehr das Negative am Partner, und unsere Zufriedenheit mit der Beziehung nimmt immer mehr ab. So geschah es auch mit Petra und Nils. Sie redeten zwar viel über Spiritualität. Gemeinsam praktizierten sie aber nur die Sexualität. Sie übten nicht bewusst und systematisch das positive Denken. Sie achteten nicht beständig auf ihre negativen Gedanken und ersetzten sie nicht durch positive Gedanken. Sie ehrten sich nicht als zukünftige Buddhas und erleuchtete Yogis (Gott und Göttin). 41 Sie waren vorrangig auf den Körper und nicht auf die Seele konzentriert. Sie wollten vom anderen Liebe haben und nicht Liebe geben. Sie lebten nicht primär aus dem Sein, dem spirituellen Üben und dem Geben heraus. Je intensiver die Sexualität gelebt wird, umso intensiver muss auch das positive Denken geübt werden. Sonst ist die Entfaltung der Genussanhaftung und der Negativität nicht beherrschbar. Langfristig holt die Negativität das Paar ein. Wie wir es im Westen bei den meisten Paaren beobachten können. Selbst wenn sie am Anfang sehr verliebt sind, wird die Liebe nach einiger Zeit durch das negative Denken zerstört. Dieser Prozess kann nur durch die konsequente Verankerung im täglichen spirituellen Üben und im positiven Denken aufgehalten werden. Wir müssen das gemeinsame Wachstum ins Erleuchtungsbewusstsein in den Mittelpunkt unserer Beziehung stellen. Wir müssen uns als Yogi-Team auf dem Weg zur Erleuchtung begreifen, das sich gegenseitig auf dem schwierigen Weg der Heilung und Heiligung hilft. Dann wird unsere Sexualität gelingen. Dann enden wir im großen dauerhaften Glück. Hin und Her Petra entwickelte tausend Wünsche, die Nils alle erfüllen sollte. Sie hatte ständig etwas an Nils zu kritisieren. Und vor allem wollte sie der Chef in der Beziehung sein. Machtkämpfe begannen. Im Laufe der Zeit stritten sie sich immer mehr. Petra dachte, dass sie glücklich werden würde, wenn alle ihre Wünsche weitgehend erfüllt werden. Petra bedachte nicht, dass Wünsche auch wachsen können. Sie erkannte insbesondere nicht, dass das Hauptproblem ihrer ständigen Unzufriedenheit in ihrer eigenen Psyche lag. Hatte Nils einen ihrer Wünsche erfüllt, entstanden in Petras Geist sofort mindestens zwei neue Wünsche. Tief in Petras Psyche saß etwas Negatives. Dieses Negative stammte aus ihrer Kindheit. Petra war auf einer tiefen Ebene von ihren Eltern nicht gewollt. Ihre Eltern hatten bereits eine Tochter und wünschten sich als zweites Kind einen Sohn. Statt dessen kam eine zweite Tochter. Ihre Eltern waren enttäuscht und lehnten Petra ab. Petra spürte das und wurde zu einem kleinen Teufel. Sie ärgerte beständig ihre Eltern und ihre Schwester. Dafür wurde sie oft hart bestraft. Das hat ihrer Seele nicht gut getan. Petras Schwester war die Liebe und Gute. Und Petra war das schwarze Schaf in der Familie. Später fand Petra über den Weg der Kunst dahin, ihr Anderssein zu bejahen. In einem tiefen Winkel ihrer Seele lehnte sie sich jedoch weiterhin ab. Sie war destruktiv zu sich, ihrem Sohn und auch zu Nils. Negative Gedanken steuerten ihr Verhalten. Diese Gedanken waren oft schwer zu erkennen. Sie tarnten sich hinter hohen spirituellen Grundsätzen. Man kann positive spirituelle Grundsätze auch negativ leben, indem man sie im falschen Moment und mit der falschen Motivation lebt. Das ist das Problem des religiösen Dogmatismus. Religiöse Dogmatiker benutzen die spirituellen Ideale, um ihre Mitmenschen damit zu erschlagen. Sie führen im Namen der Liebe grausame Religionskriege. Sie ängstigen ihre Mitmenschen mit der Hölle, um persönlich Macht über sie ausüben zu können. Sie halten insbesondere sich und ihre Überzeugung für den einzigen Weg zu Gott. Sie werden ein Opfer ihrer geistigen Fehlhaltungen und ihres Egos. Sie bringen sich und ihre Mitmenschen in die 42 Dunkelheit, weil sie ihre eigene Psyche nicht durchschauen und kein wirkliches Gespür für den Weg des Lichts haben. Petra war sehr dogmatisch. Sie terrorisierte mit ihren spirituellen Dogmen ihre Mitmenschen. Und machte auch sich selbst damit das Leben schwer. Insbesondere fühlte sie sich oft zerrissen zwischen ihren spirituellen und ihren körperlichen Bedürfnissen. Sie liebte es mit Nils zu schlafen. Aber eine Stimme sagte ihr immer wieder, dass Sexualität etwas Schlechtes sei. Petra hatte deshalb oft ein schlechtes Gewissen, wenn sie mit Nils lustvoll ihre Sexualität ausgelebt hatte. Statt sich über die wundervolle Harmonie ihrer Körper zu freuen, machte sich Petra im nachhinein schlecht und dachte über ein Leben der sexuellen Enthaltsamkeit nach. Nils konnte solche Gedanken schwer nachvollziehen. Bei ihren psychischen Problemen konnte er Petra nur wenig helfen. Petra hätte selbst ihre innere Negativität und Unzufriedenheit überwinden müssen. Sie hätte sich konsequent im positiven Denken üben müssen. Sie hätte toleranter mit sich selbst umgehen müssen. Sie hätte es lernen müssen, sensibel ihre wahren Bedürfnisse zu erspüren und ihren eigenen Weg der Weisheit zu finden. Aber dazu war Petra innerlich zu stark blockiert. Sie war zu stark auf sich und ihren reinen Weg der Wahrheit fixiert. Sie konnte den Körper und die Liebe von Nils annehmen, aber nicht seine spirituelle Lehre. So entwickelten sich Petra und Nils geistig langsam immer mehr auseinander. Ihre Körper harmonierten die ganze Zeit über wunderbar. Aber geistig entfernten sie sich von einander. Petra schwankte hin und her, ob sie mit Nils eine Beziehung haben sollte oder nicht. Sie hatte keine klare Linie. Nils war eineinhalb Jahre mit Petra zusammen. Dann trennte sich Petra von ihm. Und kam kurze Zeit wieder bei ihm an. Sie liebten sich wieder und waren wieder zusammen. Aber die Beziehung blieb schwierig. Der Sex war gut und das Reden war schlecht. Petra trennte sich wieder von Nils. Diesmal suchte sie ihr Glück bei anderen Männern. Sie lernte einige andere Männer kennen. Aber glücklich wurde sie auch dort nicht. Alle Beziehungen hielten nur eine kurze Zeit. Elf Jahre später rief Petra wieder bei Nils an: "Ob sie es noch einmal miteinander versuchen könnten?" Das sagte Petra zwar nicht am Telefon, aber Nils spürte deutlich ihre tiefere Absicht. Er überlegte, wie er sich verhalten sollte. Es wäre schön, Petra nach so langer Zeit wiederzusehen. Außerdem wäre es gut ihre vergangene Beziehung noch einmal aufzuarbeiten und sich die vielen zugefügten Verletzungen zu verzeihen. Eine Beziehung zu Petra wollte Nils aber nicht. Er hatte sich jetzt an das Alleinleben als Yogi gewöhnt. Eine Beziehung zu Petra wäre ihm erheblich zu anstrengend gewesen. Auch hatte er das Gefühl, dass er selbst jetzt noch nicht in der Lage war eine positive Beziehung mit Petra zu leben. Einige Tage später besuchte er Petra. Bevor er losfuhr, bat er seine Meister um Schutz und Hilfe, damit er sich nicht verlor. Diese Anrufung war dann auch sehr notwendig. 43 Petra freute sich als Nils kam. Sie gingen einige Stunden an der Außenalster spazieren und aßen in einem gemütlichen Restaurant. Sie sprachen über sich und ihre Beziehung. Sie verstanden sich gut. Aber Nils merkte, dass Petra immer noch eine sehr schwierige Frau war. Zum Schluss fragte er sie, welche Erwartungen sie an eine Beziehung mit ihm gehabt hätte. Als Petra aufzählte, was sie sich alles von ihm gewünscht hätte, wurde ihm vollends klar, dass er eine dauerhafte Beziehung mit ihr nicht leben konnte. Das sagte er Petra auch. Nach dem Essen im Restaurant brachte er Petra zu ihrer Wohnung. Petra bat ihn auf eine Tasse Tee hereinzukommen. Sie setzten sich an ihren kleinen Tisch und betrieben noch etwas belanglose Konversation. Dann wollte Nils gehen. Plötzlich veränderte sich die Atmosphäre. Petra räkelte sich verführerisch. Sie mochte Nils nicht so einfach gehen lassen. Sie bewegte sich sanft hin und her. Sie streckte ihre Brüste hervor. Eine große Menge Sexualenergie floss zu Nils. In kürzester Zeit war er vollständig angefüllt mit Gedanken der Liebe und der Sexsucht. Er saß bewegungsunfähig da. Er wollte gehen und konnte es doch nicht. Er saß vor Petra wie ein Kaninchen vor der Schlange. Die Situation eskalierte. Nils wurde klar, dass Petra mit ihm schlafen wollte. Er erinnerte sich an die vielen Stunden mit gutem Sex, die sie in der Vergangenheit gehabt hatten. Welcher Mann hätte da widerstehen können? Aber ein Yogi muss sich über seine körperlichen Bedürfnisse erheben. Er muss die starken energetischen Kräfte beherrschen, mit denen er auf seinem Yogaweg immer wieder konfrontiert wird. Er muss fähig sein klar den Weg der Weisheit zu gehen. Der Körper von Nils schrie: "Ich will Sex!" Zaghaft meldete sich seine innere Weisheit: "Der Sinn des Lebens ist das innere und nicht das äußere Glück." Nils fand die Argumentation seiner Vernunft nicht besonders überzeugend. Um ein Haar wäre er untergegangen. Da hörte er plötzlich eine kleine Stimme, die ihm befahl: "Mach einen guten Abschluss. Steh auf. Zieh deinen Mantel an. Geh jetzt!" War das die Stimme seiner Meister? Oder war es die Stimme seiner eigenen Vernunft? Nils konnte das nicht klar entscheiden. Wahrscheinlich war es beides in einem. Fast mechanisch stand er auf, verabschiedete sich von Petra und fuhr mit seinem Motorroller nach Hause. Zuhause in seiner Yogihütte machte er einige spirituelle Übungen und sein Geist war wieder klar. Er war gerettet. Er wusste jetzt wieder wo der Weg ist und wo er nicht ist. Demut erfüllte ihn. Wie schwach er doch noch auf seinem spirituellen Weg war. Andererseits konnte man die Dinge auch positiv sehen. Er hatte gesiegt. Er war nicht untergegangen. Der Abend mit Petra war erfolgreich verlaufen. Sie hatten viele Dinge geklärt und einen guten Abschluss für ihre Beziehung gefunden. Sie waren zum großen Verzeihen gelangt. Stolz war Nils nicht auf sich. Dazu war er zu knapp einer Katastrophe entgangen. Im nachhinein war er sehr froh, dass er den Weg der Weisheit gegangen war. Dadurch hatte er sich viele Schwierigkeiten erspart.