Martina und der Tod

Fünfzehn Jahre lebte Nils alleine als Yogi in der Einsamkeit. Dann erhielt er eine Mail von einer Frau. Sie litt unter Depressionen und hoffte, dass Nils ihr helfen kann. Sie hielt Nils für einen erleuchteten Guru mit großen spirituellen Kräften. Leider war Nils weder erleuchtet noch besaß er große übersinnliche Kräfte. Er konnte ihr nur etwas mit seinem Wissen aus seiner Zeit als Psychotherapeut helfen. Psychotherapeuten hatte die Frau jedoch schon viele aufgesucht. Keiner hatte ihr helfen können. 

Die Frau hieß Martina und war etwa fünfzig Jahre alt. Sie stammte aus einem sehr reichen Elternhaus, in dem es jedoch viele Egoprobleme und Machtkämpfe gab, insbesondere um die Anteile am Unternehmensbesitz. Sie war das schwarze Schaf in der Familie und litt bereits seit ihrer Jugend an Depressionen. Depressionen zogen sich durch ihr ganzes Leben. Allerdings hatte sie auch drei Erleuchtungserfahrungen, die ihr zeigten, dass es ein Leben jenseits der Depressionen gab.

Martina war eine schöne Frau. Und sie war sehr humorvoll und geistreich, wenn sie nicht gerade depressiv war.  Nils versuchte ihr zu helfen. Fast jeden Tag telefonierten sie miteinander. Das milderte ihre Depression etwas, weil sie jemandem zu reden hatte. Es tat ihr gut, jeden Tag jemanden zum reden zu haben. Zuerst versuchte Nils sie vom positiven Denken zu überzeugen. Wer positiv denkt, bekommt positive Gefühle. Für Nils war das der Weg gewesen seine Depression zu überwinden. Aber Martina wollte nicht positiv denken. Sie hatte an jedem positiven Gedanken etwas auszusetzen. Ihr fielen immer irgendwelche Gegenargumente ein. Therapieversuche mit dem positiven Denken erwiesen sich als fruchtlos. Martina hatte weder die Kraft noch den Willen an ihren Gedanken zu arbeiten.

Einzig die Gespräche und die Präsenz von Nils waren hilfreich für Martina. Sie telefonierten ein halbes Jahr fast täglich. Martina half Nils etwas seine Einsamkeitsgefühle zu überwinden. Und Nils half Martina mit ihrer Depression klarzukommen und zeitweilig auch ihre Depression zu überwinden. 

Nach einem halben Jahr beschloss Martina Nils für eine Woche zu besuchen. Sie wohnte in einer entfernten Stadt und hatte eine weite Reise mit der Bahn. Als sie sich am Bahnhof trafen, sprang sofort der Funke der Liebe über. Beide hatten eine schöne Woche. Die Depression von Martina war verschwunden. Aber als Martina zurück in ihre Wohnung reiste, kam die Depression leider wieder. 

Martina besuchte Nils noch ein weiteres Mal für eine Woche. Auch in dieser Zeit verschwand die Depression wieder. Da beide spirituell interessiert waren, besuchten sie gemeinsam einen Satsang von Samarpan in der Hamburger Innenstadt. Martina war begeistert von Samarpan und wurde sofort seine Anhängerin. Ihre große Liebe richtete sich jetzt auf Samarpan. Er war ihr großer Retter. Durch die Liebe zu ihrem Guru konnte sie tatsächlich ihre Depression überwinden. 

Leider hatte sie jetzt nicht mehr viel Liebe für Nils übrig, so dass ihre Beziehung endete. Sie blieben aber weiterhin freundschaftlich in Kontakt. Das ging so zwei Jahre, dann erkrankte Martina an Lungenkrebs. Sie war Zeit ihres Lebens eine starke Raucherin gewesen. Zwar war sie vor vielen Jahren auf E-Zigaretten umgestiegen, aber das hatte ihren Krebs nicht verhindert. Martina quälte sich ein Jahr mit ihrer Krebserkrankung ab. Dann kam sie in ein Hospiz. 

Martina wurde kränker und kränker. Sie telefonierten noch oft miteinder, bis Martina keine Kraft mehr zum Telefonieren hatte. Ihr letzter Satz war: "Ich leide so." Dieser Satz hat Nils sehr erschüttert. Er haderte damit, dass das Hospiz Martina nicht mehr von ihren Schmerzen befreien und ihr einen angenehmen Tod bescheren konnte. 

Nils dachte außerdem, dass ihr spiritueller Meister ihr den Tod erleichtern würde. Aber vermutlich war das Leid beim Sterben Teil ihres spirituellen Weges. Auch am Leid kann man wachsen, weil es einen zwingt bestimmte Chakren zu aktivieren. Das hilft beim spirituellen Aufstieg nach dem Tod. 

Wie Martina genau gestorben ist, weiß Nils nicht. Aber vier Wochen nach dem letzten Telefongespräch hatte Nils plötzlich den starken inneren Impuls Martina wieder anzurufen. Das Hospiz stellte ihn zu ihrem Pfleger durch. Dort wurde ihm mitgeteilt, dass Martina gerade gestorben ist. Das hat Nils offensichtlich über die große Entfernung gespürt.  

Wenn ein Mensch gerade gestorben ist, ist sein Bewusstsein noch formbar. Es ergibt sich die große Möglichkeit ihm durch ein Mantra, ein Gebet oder eine Meditation beim Aufstieg ins Licht zu helfen. Diese Möglichkeit wurde Nils durch seine innere Stimme gegeben. Nils nutzte die große Chance und sang ein Mantra für Martina. Er praktizierte ein Sterberitual, dessen Abschluss ein kleines Grabmal in seinem heiligen Wald war. Dieses Grabmal sehen wir auf dem obigen Foto. 

Als Nils wieder zuhause war und das Bild Martinas betrachtete, spürte er plötzlich, dass sie eins waren. Ihr Bewusstsein hatte sich verbunden. Sie trafen sich in einem erleuchteten Einheitsbewusstsein. Da wusste Nils, dass seine Mantren von Erfolg gekrönt und Martina im Licht angekommen war. 

Der Tod Martinas machte Nils sehr deutlich, dass die Zeit des Lebens begrenzt ist. Wir sollten uns dieser Begrenztheit bewusst sein und unser Leben gut nutzen. Die erleuchteten Meister lehren: "Nutze deine Lebenszeit. Verschwende keine Minute deines Lebens. Zeit ist ein kostbares Geschenk." Letztlich hatte Martina ihre Lebenszeit doch gut genutzt, auch wenn sie einen schweren Weg für sich gewählt hat.