Schlössl-Gründe: Erinnerungen des Ex-Pächters

„Die Kirche hat uns umgebracht“

Ex-Chef des Floridsdorfer Tennisclubs starb verbittert 2005

Nicht nur das hohe Alter von 88 Jahren, sondern mittelbar auch Verbitterung über das finanzielle Aus für den Floridsdorfer Tennisclub zwei Jahre zuvor habe im Jahr 2005 zum Tod seines Vaters beigetragen. Davon ist jedenfalls Helmut Riemer, der Sohn des ehemaligen Club-Chefs, überzeugt, und er zitiert den Verstorbenen: „Die Kirche hat uns umgebracht“.

Gemeint seien damit, so der Sohn, die insbesondere in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre exorbitant hohen Pachtforderungen des Liegenschaftseigentümers Stift Klosterneuburg. Sie hätten einen Spitzenwert von 1,350.000 Schilling inkl. Mwst. (umgerechnet knapp 100.000 Euro) jährlich erreicht gehabt, die schlicht und ergreifend vom Platzbetreiber nicht mehr zu finanzieren waren.

Vorsprachen und Bitten beim Stift führten dann, so berichtet Riemer, ab 1998 quasi im Gnadenweg zu einer Reduzierung dieser Jahrespacht auf allerdings immer noch beträchtliche 800.000 Schilling (knapp 60.000 Euro). Doch der finanzielle Niedergang war zuletzt auch durch eine neuerliche Pachtreduktion auf 600.000 Schilling (rund 43.000 Euro) jährlich von 2000 bis 2003 nicht mehr abzuwehren.

Dabei hatte alles im Jahr 1969 recht vielversprechend begonnen, als ihm sein Vater zum ersten Mal Jedlesee und das alte Barockschlössl auf dem Lorettoplatz zeigte. Vater und Sohn waren von der dörflichen Atmosphäre sofort begeistert, und sie ließen sich von ihrem Tennisclub-Projekt nicht einmal durch den desolaten Zustand des ursprünglich aus der Mitte des 17. Jahrhunderts stammenden Gebäudes abschrecken.

Das alte schwarz-weiße Bild lässt den Zustand samt abgeblättertem

Verputz und frei sichtbarem Ziegelwerk unter dem Fenster erahnen

Es wurde zugepackt – größtenteils mit den eigenen Händen und, wo unvermeidlich, mit Hilfe von Professionisten. Nebenbei galt es, für das hinter dem Schlössl in einer Holzbaracke lebende Paar eine Ersatz-Unterkunft zu suchen und zu finden, um die Leute nicht obdachlos werden zu lassen. Nicht nur das alte Gemäuer musste außen und innen instand gesetzt, auch die zwei Hektar des ehemaligen Schlössl-Gartens mussten erst einmal für Tennisspieler benützbar gemacht werden. Nach rund einem Jahr war es geschafft – der Floridsdorfer Tennisclub konnte seine Pforten öffnen.

Die Perspektive war vorerst auch in finanzieller Hinsicht nicht schlecht. Das Stift hatte die jährliche Pacht mit einstweilen fiktiven 100.000 Schilling (zirka 7.000 Euro) veranschlagt. Als Gegenleistung für die Renovierung und Revitalisierung der Liegenschaft wurde den Pächtern diese Forderung für die ersten fünf Jahre erlassen. Aber schon 1975 gab es, wie sich Riemer jr. erinnert, ein erstes, noch unterschätztes Warnsignal. Nun wurde nach dem Ende der Schonfrist die erste Pachtzahlung fällig. Die Forderung des Augustiner Chorherrenstifts betrug jetzt jedoch nicht mehr die vom Pächter erwarteten 100.000 Schilling pro Jahr, sondern 170.000 Schilling.

Ein Teil der Tennisplätze, aufgenommen vom Dach der im August 2010 geschleiften

Halle, die mit ihren zwei auch unter winterlichen Bedingungen nutzbaren Plätzen

die Finanzen nicht retten konnte.

Mitte August 2010 wurde mit der Abtragung des Dachs der ehemaligen Tennishalle

begonnen. Am Ende des Monats war sie dem Erdboden gleichgemacht.

Dieser Trend hielt in den folgenden Jahren an. Die Höhe der Pacht war, so Riemer, an den Index für Bauhilfsarbeiter gekoppelt – den mit Abstand höchsten im Lande. Um diese stetig steigenden Forderungen zu bezahlen sowie gleichzeitig das Schlössl und die schließlich 17 Tennisplätze in Schuss zu halten, musste nach und nach neben dem, was der Betrieb einbrachte, auch privates Geld in beträchtlichem Ausmaß investiert werden. Die Pacht war zu überweisen, auch, wenn bei winterlichen Wetterverhältnissen nur die zwei Tennisplätze in der Halle bespielt und damit finanziell genützt werden konnten.

Im Jahr 2003 ging es nicht mehr. Neuerliche Vorsprachen beim Grundherren brachten keinen Ausweg mehr, der den weiteren Betrieb ermöglicht hätte. Das Stift hatte nach fast 35 Jahren nur noch einen Rat für seine Pächter, erinnert sich Riemer: „Dann gehen Sie weg!“ Und genau das war auch das Ende.

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Das Gespräch mit Helmut Riemer wurde Anfang Jänner 2010 geführt. Noch einmal einen Blick auf „sein“ Schlössl samt den Baucontainern im Vorgarten zu werfen, weigerte er sich. Der Anblick schien ihm zu schmerzlich, ebenso jener der seit 2003 ohne Rücksicht auf die alten Strukturen hinzugekommenen, weiteren Wohnblöcke-Siedlungen im Ortskern von Jedlesee.