Bedarf an Neubauwohnungen in Wien auf Alt-Jedlsee umgelegt

7.000 neue Wohnungen pro Jahr in Wien nötig“

Mitteilung des Büros der Geschäftsgruppe Stadtentwicklung und Verkehr im Wiener Rathaus vom 19. Mai 2010:

„Etwa 7.000 Wohnungen müssen derzeit jährlich errichtet werden, um den Bedarf zu decken und der großen Anzahl an wohnungssuchenden BürgerInnen dieser Stadt mit leistbaren, qualitätsvollen Wohnungen Rechnung zu tragen. Dieser Wohnraum sollte in Bereichen zur Verfügung gestellt werden, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln erschlossen sind und über eine entsprechende Versorgung mit technischer und sozialer Infrastruktur verfügen.“

Nachgerechnet: Auf Alt-Jedlesee kommen so statistisch maximal fünf

Allein die Bautätigkeit 2010 deckt Bedarf für mindestens sieben Jahre

Die offiziell von den Stadtverantwortlichen immer wieder genannte Anzahl von 7.000 jährlich nötigen, neuen Wohnungen in Wien sei hier einfach hingenommen, ohne nach Berechnungsgrundlagen zu fragen. Auch als apodiktische Vorgabe kann sie allerdings zum überschlagsmäßigen, statistischen Nachrechnen reizen:

Wien hat eine Gesamtfläche von 414,65 Quadratkilometern, abgerundet also 400 km2. Rund die Hälfte davon wird wohl (hoffentlich!) mit öffentlichen Verkehrsmitteln erschlossen sein sowie über entsprechende Versorgung mit technischer und sozialer Infrastruktur verfügen. Das ergibt also eine Basis von 200 km2 bzw. 20.000 Hektar. Auf diese wären jährlich rund 7.000 Neubauwohnungen zu verteilen.

Daraus resultiert pro Hektar und Jahr somit statistisch ein Bedarf an 0,35 Wohnungen/einer Drittelwohnung.

Der aktuelle Entwurf für die neue Flächenwidmung (MA 21 B - Plan Nr. 7964) zugunsten der Errichtung noch einer Wohnblöcke-Siedlung auf den Schlössl-Gründen in Alt-Jedlesee umfasst insgesamt sieben Hektar. 0,35 mal 7 macht 2,45 – anteilig wären somit pro Jahr in diesem Grätzl zweieinhalb neue Wohnungen bereitzustellen.

Direkt neben dem umstrittenen Areal, in der Anton Boschgasse 1, werden soeben auf dem Grundstück eines ehemaligen Einfamilienhauses mit Garten 38 Miet- und Eigentumswohnungen gebaut. Mit dieser Anzahl wäre das Plansoll hier für die nächsten 15 Jahre (38 minus eins für das geschleifte Einfamilienhaus, also 37 dividiert durch 2,45) erfüllt.

Aber – vielleicht ist ja auch nur ein Viertel der Wiener Fläche ausreichend infrastrukturell erschlossen? Okay. Nehmen wir also nur 100 km2 bzw. 10.000 Hektar als Statistik-Grundlage. Damit verdoppelt sich der Bedarf je Hektar auf 0,7 Neuwohnungen im Jahr. Auf die sieben Hektar des Grätzls von Alt-Jedlesee hochgerechnet sind es dann fünf statt zweieinhalb jährlich nötigen, neuen Wohneinheiten.

Immer noch wäre damit durch die Bautätigkeit in der Boschgasse das Soll für sieben Jahre abgedeckt.*) Die vom Grundbesitzer Stift Klosterneuburg und der Wiener SPÖ gewünschten 140 Neubauwohnungen auf noch bestehendem Grünland erscheinen vor diesem Hintergrund als reine Fleißaufgabe.

Auch Totschlagszahlen dürfen nachgerechnet werden, sagt der Hausverstand.

*) Nicht berücksichtigt, weil auf der gegenüberliegenden Seite des Kammelwegs (Nr. 8) außerhalb des aktuellen Umwidmungsareals errichtet, sind 44 geförderte Mietwohnungen, die im Mai 2010 von Bezirksvorsteher Ing. Lehner und Wohnbaustadtrat Ludwig bei der Schlüsselübergabe gefeiert wurden.

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Alt-Jedlesee wurde und wird von einen Würgeband aus Wohnblöcken erstickt

Zum Vergrößern bitte anklicken (Foto privat)

Dieses etwa 1971 aufgenommene Luftbild illustriert drastisch, in welch gewaltigem Ausmaß Jedlesee inwischen bis an den alten Ortskern mit neuen, gesichtslosen Wohnblöcke-Siedlungen zugepflastert wurde - soeben, im ersten Jahrzehnt des dritten Jahrtausends, ganz besonders forciert. Einem Würgeband ähnlich wird diese überwiegend architektonisch unverträgliche Umklammerung demnächst auch noch bis an die Rückseite des Schlössls reichen.

Die "alten Bauten am Kammelweg" (oben im Bild) sind inzwischen großflächig (bis an die Prager Straße) Wohnblöcken mit bis zu acht Geschoßen gewichen. Eine weitere Wohnblöcke-Siedlung entstand im vergangenen Jahrzehnt auf den ehemaligen Dittrich-Gründen. Großräumig waren schon davor die Lutzky-Gründe verbaut worden, diese als einzige immerhin in Bauhöhen und -stil der Umgebung einigermaßen angepasst. Neue Wohnblöcke wurden zudem entlang der gesamten, hier nicht komplett sichtbaren Lorettowiese (unten im Bild) weit über den alten Lagerplatz hinaus errichtet.

An der Adresse Anton Bosch-Gasse 1 - bis vor kurzem ein Einfamilienhaus mit Garten direkt neben dem Schlössl und dessen ehemaligem Garten - wurden 2010/11 Blöcke für 38 Wohnungen aufgestellt.

Ein weiteres Stück jenes Flairs, das gerade Wien positiv von anderen Großstädten unterscheidet und von Gästen aus dem In- und Ausland ebenso wie den alteingesessenen Bewohnern geschätzt wurde, wird in den kommenden zwei, drei Jahren durch die komplette Verbauung der Schlössl-Gründe für immer vernichtet sein. Statt dessen wird es rundum in "Alt-Jedlesee" neue 08/15 Zweckbauten in Satelliten-Siedlungen geben, wie sie überall in Europa und darüber hinaus anzutreffen sind - wachsende, soziale Spannungen bis hin zu vermehrter Jugendkriminalität inklusive.