Aktive Bürger sind nicht allein

Josef Schöffel, Retter des Wienerwalds, hat viele Erben

Neues Buch: Wiener Bürgerinitiativen stellen sich vor

„Ich wünsche mir nur, dass, wenn der Wienerwald, was nicht unmöglich ist, wieder einmal von Spekulanten bedroht werden sollte, sich zur rechten Zeit ein Mann finde, der denselben mit Erfolg verteidigt.“

Quelle: Wikipedia, Josef Schöffel (1832 Brünn – 1910 Mödling)

Prognostizierte Bevölkerungszuwächse wurden und werden von Politik, Grundbesitzern und Bauwirtschaft gerne bemüht, wenn es wieder einmal darum ging oder geht, vermeintlich wertloses Grünland in möglichst kurzfristig profitables Bauland umzuwidmen.

Üppige Vegetation des ehemaligen Schlössl-Gartens (aufgenommen 2009).

Ab 2013 werden hier bis zu fünfgeschoßige Wohnblöcke stehen. Das ebenerdige

Schlössl wird gar nicht mehr, der Kirchturm vielleicht gerade noch zu sehen sein.

Wien werde von rund 1,7 Millionen Einwohnern auf drei Millionen anwachsen, hieß es anno 1870 – durch Zuwanderer aus allen Teilen der Monarchie. Für den Bau von Wohnraum sollten große Teile des Wienerwaldes gerodet werden. Dagegen setzte sich Josef Schöffel, Retter des Wienerwalds, letztlich erfolgreich mit Argumenten zur Wehr, die dem Heute entstammen könnten. Er wies u.a. auf den Nutzen dieses Naturraums für „Temperatur, Regen und Feuchtigkeitsverhältnisse“ hin und darauf, dass dieser Wald „ein wichtiger Faktor für das Klima und die Fruchtbarkeit“ sei. Er ließ sich auch durch Bestechungsversuch und Mordkomplott nicht beirren. Am Ende setzten sich er und seine Helfer in damaligen Tageszeitungen gegen Politik und Geschäftsleute durch. Der Wienerwald blieb erhalten, und Wien wuchs auch nie auf drei Millionen Bewohner an.

Am Beginn des 21. Jahrhunderts wurden und werden neuerlich beachtliche Wachstumsprognosen (bei Bevölkerung und Verkehr) für die österreichische Bundeshauptstadt bemüht, um teils enorme Wohn- und Straßenbautätigkeit auch durch Umwidmungen von Grünland zu Bauland zu rechtfertigen. Mangels einer österreichisch-ungarischen Monarchie müssten diese Zuwanderer nun wohl primär aus den übrigen EU-Staaten nach Wien kommen, zumal innerstädtischer Wohnortwechsel ja grob geschätzt pro bezogener, neuer Wohnung auch eine freigewordene bedeutete. Massiver Bedarf an neuem Wohnraum für Ströme von Zuwanderern aus Drittländern außerhalb der EU war und ist immerhin mit Sicherheit auszuschließen, wofür schon das stetig weiter verschärfte Fremdenrecht Österreichs garantiert.

Ob diese Prognosen halten oder sich als Prognoseleichen erweisen werden, kann und wird die Zukunft zeigen. Sicher ist in jedem Fall, dass Naturräume und auch Kulturschätze für immer vernichtet und damit die noch recht hohe Lebensqualität in dieser Stadt für alle heutigen und allfällige, künftige Bewohner schwer beeinträchtigt wird. Verluste an Grünbereichen im verbauten Gebiet sowie in Randlagen werden die ohnedies in Ballungsräumen bereits erhöhten Durchschnittstemperaturen weiter ansteigen lassen. Immer häufigere und immer heißere Hochsommerperioden sind zu gewärtigen – die Hitzetoten von Paris im tropisch heißen Sommer 2003 waren nur eine Vorwarnung, nicht nur für Frankreichs Hauptstadt. Immer häufigere und immer heftigere Unwetter mit schweren Schäden als Begleiteffekt sind ebenfalls zu erwarten.

Hagelschaden vom Juli 2009 in Wien-Floridsdorf

Zunehmend beginnen Bürgerinnen und Bürger, im unmittelbaren und mittelbaren Umfeld gegen zerstörerische Entwicklungen und Projekte aktiv zu werden. Als Einzelkämpfer werden sie gerne von Politik und Wirtschaft des Querulantentums oder des Egoismus geziehen. Wenn sie sich zu Bürgerinitiativen zusammenschließen, werden diese Abwertung und die Gesprächsverweigerung bereits etwas schwieriger, wenn auch nicht unmöglich. Immer noch können diese Gruppen freilich von den Mächtigen gegeneinander ausgespielt statt ernst genommen und in Entscheidungsprozesse einbezogen zu werden. Aber, Bürgerinitiativen können sich auch überparteilich vernetzen und dadurch ihr Gewicht und das ihrer Argumente etwas weiter erhöhen. Das ist noch immer keine Erfolgsgarantie, doch das Forum der in den letzten Jahren in Wien entstandenen Aktion 21 – Pro Bürgerbeteiligung stellt einen wesentlichen Schritt zu demokratischer Partizipation bei Weichenstellungen auch für künftige Generationen dar.

Gute 40 solcher Bürgerinitiativen haben sich in diesem Forum vernetzt und präsentieren ihre Anliegen und ihre Kritik im Internet (http://www.aktion21.at/). Nun haben sie auch auf ein klassisches Informationsmedium zurückgegriffen: Das Buch.

Unter dem Titel „Raus aus der Sackgasse, Bürgerinitiativen und Bürgerbeteiligung in Wien“ (Paperback, 280 Seiten, Sonderzahl Verlag, 19,90 Euro, ISBN 978 3 85449 324 2) stellen sich 38 dieser Gruppen interessierten Lesern vor. Immerhin sechs von ihnen kämpfen in Transdanubien – gegen fortschreitende Natur- und Kulturzerstörung durch immer neue Wohnblock-Siedlungen sowie gegen Lärm- und Abgasbelastung durch stetig wachsenden Kfz-Verkehr in Floridsdorf und Donaustadt. Die ehemalige BI Jedlesee und die Verkehrsinitiative Donaufeld (http://donaufeld.a21.at/) sind bzw. waren (siehe unten) in Floridsdorf - auch gemeinsam - aktiv.

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Die BI Jedlesee hörte mit dem 23. November 2009 praktisch zu existieren auf. An diesem Tag endete das Mediationsverfahren im Sinne der Pläne des Stiftes Klosterneuburg. Alle Beteiligten stimmten der Umwidmung der Schlössl-Gründe zu Bauland und der Realisierung des Wohnblöcke-Projekts des Stifts mit geringfügig vermindertem Bauvolumen (rund 140 statt 180 Wohneinheiten) zu. Die mit voraussichtlich fünf Geschoßen höchsten dieser Blöcke (Bauklasse II) werden laut Plan direkt hinter dem ebenerdigen Maria Theresien-Schlössl im alten Ortskern von Jedlesee errichtet. Immerhin soll nun - irgendwann, spätestens bis Ende 2017 (!), sowie ohne Finanzierungszusage - sogar das desolate Schlössl vom Stift saniert werden, wenn es bis dahin noch steht. Auch die BI-Vertreter, deren von rund 2.300 Unterzeichnern gestützte Forderung auf Erhalt der Grünlandwidmung gelautet hatte, unterschrieben bis auf eine aus Protest dagegen ausgeschiedene Person in klarem Widerspruch zu ihrem Mandat das Abschlusspapier zugunsten der Verbauung. Sie wollten damit nach eigenen Angaben Schlimmeres verhindern. Jede Form von Rückkoppelung zu den Unterstützern vor der Unterschriftsleistung war ihnen gemäß der Arbeitsvereinbarung für das Mediationsverfahren untersagt gewesen.

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Es hat sich, dem Wunsch Josef Schöffels gemäß, knapp anderthalb Jahrhunderte später also nicht nur „ein Mann“ zur Verteidigung des „Wienerwalds“ gefunden. Es sind sogar sehr viele Frauen und Männer geworden, die in dieser Stadt für deren Natur- und Kulturerbe sowie die Erhaltung der Lebensqualität initiativ wurden und werden - wenn auch nicht immer erfolgreich.