AKADEMISCHE ANALYSE

Schlössl-Gründe Jedlesee - wissenschaftlich betrachtet

Masterarbeit zu Raumplanung an der Universität für Bodenkultur 2012

Vorweg – im Stift Klosterneuburg, in der örtlichen Pfarre und bei den Baugesellschaften haben sich trotz Ersuchen keine Auskunftspersonen gefunden. Dennoch hat Gudrun Wielander aus schriftlichen und aus verfügbaren, mündlichen Quellen eine gut dokumentierte und objektive, wissenschaftliche Auswertung der umstrittenen Umwidmung (2010) des Stifts-Grünlands und der Verbauung dieser Schlössl-Gründe (fertig 2013) in Jedlesee erstellt. Ihre Masterarbeit am Institut für Raumplanung und ländliche Neuordnung der Universität für Bodenkultur in Wien wurde Ende 2012 mit ausgezeichnetem Erfolg approbiert.

Über den Ortsteil Jedlesee und den Bezirk Wien-Floridsdorf hinaus hat die Arbeit für Österreichs Bundeshauptstadt Relevanz – vielleicht sogar für Stadtplanung und -entwicklung insgesamt. Nicht zuletzt ist in Sachen Bürgerbeteiligung bei Wohnbauprojekten einiges daraus zu lernen.

Der Titel lautet: „Siedlungsräumliche Konsequenzen des neuen Wohnbaus im Umfeld des Wiener Wald- und Wiesengürtels – dargestellt am Beispiel der Schlössl-Gründe in Floridsdorf Jedlesee“ (110 Seiten, 36 Abbildungen). Die Autorin schloss damit den Masterstudiengang „Landschaftsplanung und Landschaftsarchitektur“ ab. Betreut wurde Wielander bei der wissenschaftlichen Aufarbeitung des Konflikts von Institutsleiterin Univ.Prof. DI Dr. techn. Gerlind Weber sowie DI Dr. Lore Abart-Heriszt.

Neuer Wohnraum vor allem in Transdanubien nötig

Prinzipiell konzediert die Verfasserin aufgrund des für Wien prognostizierten Bevölkerungszuwachses (Stadtentwicklungsplan 2005 – STEP05, Statistik Austria) die Notwendigkeit intensiven Wohnbaus insbesondere in Transdanubien. Hier würden große, landwirtschaftliche Flächen als potenzielle Erweiterungsgebiete gesehen. Gerade die Schlössl-Gründe wären allerdings als Zielgebiet aus Sicht der Stadtplanung objektiv nicht dringend zu verbauen gewesen – aus der Sicht des Stifts als Grundbesitzer wegen der erwünschten Pachteinnahmen hingegen sehr wohl.

Die neue Siedlung ist mit knapp 140 Wohneinheiten vergleichsweise klein und außerdem im Wesentlichen in ein bestehendes, infrastrukturelles Umfeld (etwa Verkehr, Einkaufsmöglichkeiten, Schulen, medizinische Versorgung) eingebettet. Daher rechnet die Autorin auch nicht mit gravierenden, negativen Auswirkungen durch den Zuzug von rund 300 Personen (statistisch werden je Wohneinheit 2,1 neue Bewohner erwartet).

Wielander räumt ein, dass mit der Umwidmung des zwei Hektar großen Grünlands zu Bauland Grünraum direkt am Schutzgebiet des Wald- und Wiesengürtels durch Bodenversiegelung verloren ging. Allerdings werde durch die Rückwidmung eines kleinen Randteils des Grundstücks an eben dieses Schutzgebiet auch etwas Grün gewonnen. Einen relativen Vorteil sieht die junge Wissenschaftlerin zudem darin, dass das zuvor (als Tennisplatz und nach dessen Schließung) eingezäunt gewesene Grundstück über einen Weg durch die neue Siedlung auch zu betreten bzw. von Fußgängern zu passieren sein werde.

Mediation: Baulandwidmung stand von vornherein fest

Dass die Mediation des Jahres 2009 de facto eine Farce war, wird durch die Arbeit nun auch wissenschaftlich bestätigt – wenngleich die Autorin diesen Ausdruck nicht verwendet. Gudrun Wielander schreibt:

„Im Gespräch mit verschiedenen Teilnehmern des Mediationsverfahrens sowie mit den Mediatoren wird deutlich, dass subjektive Wahrnehmungen und Eindrücke der Gesprächsrunden wie auch die Zufriedenheit mit dem Mediationsergebnis sehr unterschiedlich waren. Ein wesentlicher Punkt lag darin, dass die Vertreter der Bürgerinitiative von einem runden Tisch mit offenem Ausgang erwartet hatten, auch die Alternative zur Umwidmung, die Erhaltung der Grünlandwidmung, würde zur Diskussion stehen. Ebenso lag darin aus Sicht der Mediatoren eine Schwäche des Verfahrens, letztendlich aber stand die Entscheidung des Grundeigentümers, an der geplanten Umwidmung festzuhalten, schon während der Mediation fest. Die Beibehaltung der Grünland-Widmung lag daher aus Sicht des Grundeigentümers nicht im Verhandlungsspielraum. Da auch alle Parteien hinter der gewünschten Umwidmung standen, war schon die Bereitschaft des Stifts Klosterneuburg, in Verhandlungen mit der Bürgerinitiative zu treten, als Entgegenkommen zu sehen (MÜNDLICHE AUSKUNFT MEDIATIONSLEITUNG, 2012).“

In ihrem Resümee hält Wielander fest, es bleibe offen, ob dem Wunsch des Stifts nach Baulandwidmung „zu schnell nachgegeben wurde“. Ohne die Stadt Wien wäre die Umwidmung nicht zustande gekommen. Es habe sich bei dem Areal nicht um eine der wichtigen Stadterweiterungsflächen gehandelt. Entsprechender Wohnraum hätte „auch an anderer Stelle“ gefunden werden können. Der Druck des Eigentümers habe „vermutlich einiges zum schnellen Fortschritt des Projekts beigetragen“. Es scheine „nicht mit großem Nachdruck“ nach Alternativen unter Beibehaltung der Grünlandwidmung gesucht worden zu sein.

Grundsätzlich sollte künftig bei Wohnbauvorhaben die örtliche Bevölkerung frühzeitig und aktiv informiert und in die Planungen einbezogen werden, meint die Forscherin. „Bereits im Zuge von Veränderungen der Flächenwidmung sollte vermehrte Bürgerinformation zur standardmäßigen Vorgehensweise zählen. Idealerweise können schon in der frühen Planungsphase Vorbereitungen für Partizipation der Bevölkerung getroffen werden.“

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In Jedlesee jedenfalls wurde die Bevölkerung überfahren – nicht zuletzt unter Ausnutzung der Kooperationsbereitschaft von Bürgervertretern, die von einem Verhandlungstisch nicht höflich, aber bestimmt, aufgestanden sind, an dem der von ihnen zu vertretende Bürgerwunsch von Anfang an als Thema unzulässig war. Dieses Faktum wurde freilich vor jedweder Öffentlichkeit konsequent verborgen. Sogar jene rund 200 Interessenten, die der BI-Jedlesee ihre Mailadressen angeben hatten, um laufend informiert zu werden, erfuhren bis zum Ende des Verfahrens nichts vom 180-Grad-Schwenk ihrer vermeintlichen Vertreter, den diese gleich zu Beginn der Mediation vollzogen hatten.

Mit nicht geringer Chuzpe wurde schließlich 2013 genau diese bürgerverachtende und weitere Proteste ausschaltende Informationspolitik durch den damaligen Floridsdorfer SP-Klubobmann und nunmehrigen Bezirksvorsteher Georg Papai angesichts neuer, empörter Anrainer als "Erfolgsfaktor" gewürdigt, als sich diese gegen mittelbare Folgen der Verbauung der Schlössl-Gründe auf der Lorettowiese zur Wehr setzten:

Auszug aus dem offiziellen Protokoll der 2. Gesprächsrunde vom 16. Jänner 2013, gezeichnet von

Harald Pilz und Maria Köck-Röck, die sich bereits bei den Schlössl-Gründen

als Mediatoren in diesem Sinne bewährt hatten.

Georg Papais politischem Fortkommen tat dies selbstverständlich keinen Abbruch. 2014 wurde er Floridsdorfer Bezirksvorsteher.

Sissy Danninger