062. IX.6 Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 GG) (i. V. m. Art. 38 GG) / X.7 Funktionsvorbehalt

IX.6 Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 GG) (i. V. m. Art. 38 GG)

Nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG wird das Eigentum gewährleistet. Sein Inhalt und seine Schranken

werden nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG nicht nur durch andere Grundrechte, sondern auch bereits durch einfache Gesetze, festgelegt. Der Gesetzesvorbehalt lässt jedoch den Schutz des Wesensgehalts des Eigentumsrechts unberührt. Das Grundrecht auf Eigentum differenziert auch nicht nach der Art des Eigentums, schützt zumindest hinsichtlich des Wesensgehalts das Eigentum an körperlichen Gegenständen genauso wie das geistige Eigentum.

Art. 14 Abs. 2 GG bestimmt: “Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der

Allgemeinheit dienen.” Diese Schranke des Eigentumsrechts, die sog. “Sozialpflichtigkeit des Eigentums”, ist nicht nur von entscheidender Bedeutung als Rechtsgrundlage für die Finanzierung des Staates und der Sozialversicherung sowie gegen für die Allgemeinheit gefährliche Verwendungen von Eigentum. Sie schützt zugleich auch die Menschenwürde (Art. 1 GG) und das Sozialstaatsgebot (Art. 20 Abs. 1 GG) davor, durch Überdehnung des Eigentumsrechts verletzt zu werden.

Darüber hinaus lässt, angesichts von Art. 1 Abs. 2 GG, die Sozialpflichtigkeit des Eigentums aus Art. 14 Abs. 2 GG auch Raum für die Verwirklichung der sozialen Menschenrechte aus internationaler, darunter vor allem aus universeller, Rechtsquelle.

Je sozialer der Zweck, je hochrangiger das Menschenrecht, in welchem dieser verankert ist, und je weniger dieses Menschenrecht bisher erfüllt ist, desto tiefer darf der Eingriff nicht nur in die Erträge, sondern auch in die Substanz des Eigentums sein.

Alle Eingriffe in das Grundrecht auf Eigentum, welche das über Art. 14 Abs. 2 GG oder das über andere Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte, insbesondere über die unantastbare Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) rechtsfertigbare Maß überschreiten, sind gem. Art. 14 Abs. 3 GG als enteignend zu werten und damit entschädigungspflichtig.

Die Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG), welche die wesentlichste Rechtsgrundlage im Grundgesetz dafür ist, dass der Staat in das Eigentum der Einwohner eingreifen darf, um seine Aufgaben zu finanzieren, hat aber auch quantitative und qualitative Grenzen. Es darf nicht alles erdenkliche, zumindest nicht alles erdenkliche in unbeschränktem Ausmaß, aus Steuermitteln gefördert werden.

Die Förderung der Spekulation wird von der Mehrheit der Bevölkerung meist nicht, zumindest nicht in erster Linie, als ein originär soziales Anliegen empfunden. Im Gegenteil wird die Spekulation, am deutlichsten sichtbar vielleicht, soweit sie auf dem Lebensmittel- und auf dem Wohnungsmarkt in ihren Auswirkungen sichtbar wird, als oft eher als der vollen Verwirklichung gerade sozialer universeller Menschenrechte wie der auf Nahrung und auf Wohnung (Art. 11 UNO-Sozialpakt) entgegenlaufend erfahren.

Darüber hinaus tendiert die Spekulation dazu, wie seit spätestens 2008 unübersehbar am Beispiel der Spekulation mit verbrieften Hypothekenkreditforderungen, dazu, unsoziale Ergebnisse auf Kosten von Unternehmern der Realwirtschaft, Arbeitnehmern und Sozialleistungsempfängern zu schaffen. Die Beschwerdeführerin ist daher der Rechtsauffassung, dass jegliche Spekulationsförderung

aus Steuermitteln mit dem Grundrecht auf Eigentum unvereinbar ist, weil es einfach kein sozialer Zweck ist, und damit von Art. 14 Abs. 2 GG nicht gedeckt sein kann.

Das gilt in besonderem Maße angesichts der Bankenrettungstradition des IWF (Abschnitt XI.21 dieser Verfassungsbeschwerden) und der Ausgerichtetheit von EFSF und ESM auf das Hinausschieben des Versicherungsfalls der von bestimmten Großbanken eingegangenen CDS (FTD – Artikel „Die Angst der Amerikaner“ vom 03.11.2011, Abschnitt III.23 dieser Verfassungsbeschwerden).

Darum ist der gesamte europäische Finanzierungsmechanismus mit dem Grundrecht auf Eigentum spätestens ab der Erhöhung der EFSF unvereinbar. Das Urteil vom 07.09.2011 befand zwar die Summe der deutschen Beteiligung an Griechenlandhilfe und EFSF damals noch als verfassungsgemäß, aber damals hatte das Bundesverfassungsgericht die Beweise für die Ausgerichtetheit des europäischen Finanzierungsmechanismus auf Spekulationsförderung und Bankenrettung noch nicht vorliegen (Abschnitt XI.20 sowie zur Definition und zum Vorrang der „Finanzstabilität“ innerhalb dieser Mechanismen Abschnitte III.15 und III.22 dieser Verfassungsbeschwerden).

Nun könnte man natürlich argumentieren, dass die Bankenrettung nicht nur der Spekulationsförderung, sondern auch der Finanzierung der Realwirtschaft dient, und damit, losgelöst von der Frage, welche Art von Kreditauflagen menschenrechtlich zulässig sind, die Bankenrettung aus Steuermitteln auf die Sozialpflichtigkeit des Eigentums zumindest dem Grunde nach Art. 14 Abs. 2 GG gestützt werden könnte. Das wäre dann jedoch durch die übrigen Grund- und Menschenrechte beschränkt. Und da Art. 14 Abs. 2 GG bereits durch die 480,- Mrd. € für die Soffin sehr weit ausgeschöpft, wenn nicht gar überdehnt worden ist, bleibt nach dem Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG) bereits quantitativ kein weiterer Raum mehr für weitere offene oder verdeckte Bankenrettung (siehe Abschnitt IX.3 dieser Verfassungsbeschwerden).

Umso mehr kollidiert auch der ESM-Vertrag angesichts von dessen Umfang von 720,21916 Mrd. € (für eine Verleihkapazität von 500,- Mrd. €) mit dem Grundrecht auf Eigentum, darüber hinaus durch die Möglichkeit des ESM, sein Kapital immer weiter zu erhöhen ohne jegliche weitere Zustimmung der nationalen Parlamente auf Grund der leichten Aushebelbarkeit von Art. 10 Abs. 1 S. 3 ESM-Vertrag, durch die Möglichkeit des ESM zum Kauf von Staatsanleihen auf dem Primärmarkt (Art. 17 ESM-Vertrag) und durch die Möglichkeit des ESM, selbst über die Ausweitung seines Instrumentariums zu entscheiden (Art. 19 ESM-Vertrag), womit sich jederzeit wieder neue scheinbare Sachzwänge zur Kapitalerhöhung des ESM schaffen ließen.

Auch Art. 15 ESM-Vertrag ist unvereinbar mit dem Grundrecht auf Eigentum, weil dieser beinhaltet (vgl. Erklärung der Regierungschefs der Staaten der Eurozone zum Gipfel vom 21.07.2011, Abschnitt III.22 dieser Verfassungsbeschwerden) Kredite an Staaten zu gewähren, damit diese das Geld weiter verschenken an Banken. Was man erst mit Griechenland testweise gemacht hat (Abschnitt XI.5 dieser Verfassungsbeschwerden), soll über den ESM nun für alle Staaten der Eurozone ermöglicht werden. Den Steuerzahlern in beliebiger Höhe Schulden aufzubürden, um in entsprechender Höhe Geschenke an Banken zu machen, ist offensichtlich unsozial und damit von der Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) nicht gedeckt.

Darüber hinaus verstoßen Art. 5 Abs. 3 EFSF-Rahmenvertrag und Art. 19 ESM-Vertrag gegen Art. 14 GG, weil sich auf diese auch die Einführung von Eurobonds stützen ließen (abgesehen von der Verfassungswidrigkeit jeglicher Blankett-Ermächtigung). Eurobonds allein wären dem Grunde nach noch mit dem Grundgesetz vereinbar (Abschnitt III.21 dieser Verfassungsbeschwerden), solange sie betragsmäßig eng genug begrenzt bleiben würden, da sie dem Staatsauftrag europäische Integration (Art. 23 GG) förderlich sind. Angesichts des Ausmaßes, in welchem die deutschen Steuerzahler bereits für die offene und verdeckte Bankenrettung in Anspruch genommen worden sind, lässt jedoch Art. 14 GG rein quantitativ keinen Raum mehr, jetzt auch zusätzlich die auf die deutschen Staatsanleihen zu zahlenden Zinsen mit Eurobonds in die Höhe zu treiben.

Die Ausweitung des Instrumentariums ohne erneutes Zustimmungsgesetz (Art. 19 ESM-Vertrag und die Kapitalerhöhung ohne parlamentarische Zustimmung versuchen Art. 10 Abs. 1 S. 3 ESM-Vertrag und Art. 2 Abs. 1 + 2 des Zustimmungsgesetzes zwar zu unterbinden, was durch eine deutsche Stimmrechtsaussetzung (Art. 4 ESM-Vertrag) und die Anwendung der Selbständerungsklausel

(Art. 44 ESM-Vertrag) aber leicht zu umgehen ist.

Auch die Rekapitalisierung von Banken aus Steuermitteln über EFSF oder ESM, welche der IWF verlangt in Zusammenhang mit den Stresstests (Abschnitt XI.19 dieser Verfassungsbeschwerden), und welche laut der Erklärung zum Gipfel vom 21.07.2011 (Abschnitt III.22 dieser Verfassungsbeschwerden) auch von den Regierungschefs zumindest dem Grunde nach gewollt und lediglich auf nach Inkrafttreten des ESM aufgeschoben worden ist, ist unvereinbar mit dem Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 GG), weil das mit dem Eigentumsrecht noch vereinbare Maß an Bankenrettung bereits mit der Soffin in vollem Umfang ausgeschöpft worden ist.

Selbst das Argument mit der Rolle der Banken für die Finanzierung der Realwirtschaft trägt nicht mehr seit dem Gipfel vom 26.10.2011, wo beschlossen wurde, dass die Staaten der Eurozone nun auch noch die ganz normale Vergabe von Krediten mit mittlerer Laufzeit von Banken an die Realwirtschaft mit Bürgschaften über einen Teilbetrag der Kredite subventionieren. Außerdem wurde beschlossen die Rekapitalisierung der Banken der Eurozone aus Steuermitteln. Für beides erhalten die Staaten der Eurozone dann zum Dank auch noch zusätzliche Auflagen. Siehe dazu auch Abschnitte XI.5.2 – XI.5.4 dieser Verfassungsbeschwerden zu Griechenland.

Auch das bewusste Hinauszögern eines souverän bewältigten griechischen Staatsbankrotts in der Absicht, das Land unter den ESM zu zwingen, wo es erst nach seinem totalen Ausverkauf seine Zahlungen einstellen könnte, und in der Absicht, einige US-amerikanische und französische Großbanken vor dem Kreditereignis, bei welchem sie ihre gigantischen CDS-Wetten einlösen müssen, zu bewahren, sind keine sozialen Zwecke und damit von der Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) offensichtlich nicht gedeckt. Für solche Zwecke dürfen von der Beschwerdeführerin gezahlte Steuern nicht verwendet werden.

Art. 3 Abs. 2 Fiskalpakt ist mit dem Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 GG) unvereinbar, weil die EU-Kommission die Staaten damit auch dazu zwingen würde, die vorrangige Bedienung der Gläubiger (incl. Sperrkonto) in ihre Verfassung zu schreiben (Abschnitt IV.5.3 dieser Verfassungsbeschwerden), wodurch der Haushaltsgesetzgeber nicht mehr in der Lage wäre, sicherzustellen, dass die Staatseinnahmen auf eine Weise verteilt werden, die noch sozial ausgewogen genug ist, um im Rahmen der Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) die staatlichen Eingriffe in das Eigentum tragen zu können.

Unvereinbar mit dem Grundrecht auf Eigentum ist auch, dass nach Art. 2 Abs. 4 lit. b, Art. 4 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 3 des geänderten Rahmenvertrags der EFSF die privaten Gläubiger selbst die Bürgschaften von den Schuldnerstaaten ziehen können, sobald die EFSF einmal nicht pünktlich zahlt.

Unvereinbar mit dem Grundrecht auf Eigentum ist desweiteren, dass Art. 6 Abs. 5 + 6 des Rahmenvertrags jeden Sicherungsgeber bevollmächtigt, bei jeder Ziehung einer Bürgschaft ohne Prüfung der Rechtmäßigkeit des Anspruchs zu leisten und alle dabei etwa entstehenden Schäden von der EFSF, also letztlich auch von der Beschwerdeführerin in deren Eigenschaft als Steuerzahlerin, ersetzt zu bekommen. Damit lässt sich, soweit nur ein Sicherungsgeber mitspielt, die EFSF selbst durch die bloße Behauptung, Ansprüche gegenüber einem Schuldnerstaat zu haben, ausnehmen.

In besonders schwerem Maße verstößt der europäische Finanzierungsmechanismus gegen das Grundrecht auf Eigentum jedoch dadurch, dass gerade im Rahmen des europäischen Finanzierungsmechanismus sämtliche Auflagen IWF-artig sind (Art. 136 Abs. 3 S. 2 AEUV, Präambel EFSF-Rahmenvertrag, Erwägungsgründe 2, 3 und 6 sowie Art. 3 und Art. 12 ESM-Vertrag, Schlussfolgerungen des Ecofin-Rats vom 10.05.2010, Erklärung der Eurogruppe vom 28.11.2010, Nr. 49 des Berichts der Task Force vom 21.10.2010 (Abschnitt III.14 dieser Verfassungsbeschwerden) und Nr. 17 der Stellungnahme zum Euro-Gipfel vom 26.10.2011 (Abschnitt III.23 dieser Verfassungsbeschwerden)), und dass gleichzeitig Steuermittel für diese Mechanismen aufgewendet werden.

Dabei würde Art. 136 Abs. 3 S. 2 AEUV die IWF-artige Strenge für alle Finanzhilfen sogar mit eu-primärrechtlichem Rang normieren.

Da IWF-Artigkeit nichts anderes bedeutet als die Ignorierung sämtlicher Grund- und Menschen-rechte der Einwohner der Schuldnerländer, vor allem zu Lasten der Verwirklichung der sozialen Rechte, ist der Einsatz von Steuermitteln für den europäischen Finanzierungsmechanismus in vollem Umfang unvereinbar mit dem Grundrecht auf Eigentum. Art. 14 Abs. 2 GG ist die Rechtsgrundlage für die Erhebung von Steuern durch den Staat. Es muss für die von der Gewaltenverschränkung gewollte Balance zwischen Legislative, Exekutive, Judikative und Volk (Art. 1 Abs. 3 GG, Art. 20 Abs. 2+3 GG) natürlich ein hinreichender Spielraum bleiben, dass wechselnde parlamentarische Mehrheiten und Regierungen auch wechselnde Bevölkerungsgruppen stärker subventionieren. Aber der Einsatz von Steuermitteln für Mechanismen, die absolut sozialwidrig oder gar sozialfeindlich sind, wie dies auf Grund der Verpflichtung zur IWF-Artigkeit aller Auflagen im europäischen Finanzierungsmechanismus der Fall ist, ist offensichtlich nicht durch Art. 14 Abs. 2 GG gedeckt und damit eine unheilbare Verletzung des Grundrechts auf Eigentum.

Das gleiche gilt für die sozialwidrigen Auflagen, welche man an aus Steuermitteln finanzierte EU-Fördermittel knüpfen will (siehe Abschnitte VI.1.1, VI.1.2, VI.2.1 und X.4 dieser Verfassungsbeschwerden), sowohl hinsichtlich der Agrarsubventionen als auch bzgl. der Kohäsions- und der Strukturmittel der EU. Die Beschwerdeführerin wendet sich in keiner Weise gegen die genannten EU-Fördermittel. Da diese aber aus deutschen Steuermitteln stammen, dürfen sie nach Art. 14 Abs. 2 GG nicht als Druckmittel für sozialwidrige Auflagen verwendet werden. Der wichtigste Unterschied zwischen den Auflagen des IWF und denen der Kommission wäre, dass die Auflagen von der EU-Kommission (alias EU-Wirtschaftsregierung) kämen, und daher einen anderen Schwerpunkt hätten (siehe Abschnitt V. dieser Verfassungsbeschwerden), nämlich noch viel radikaler auf totale Privatisierung, Kommerzialisierung und Patentierung (über die Gentechnik) sowie schrittweise die Marginalisierung der gesamten Sozialversicherung ausgerichtet würden, und nicht so sehr auf die Erzeugung von Hunger durch den Ausverkauf der Nahrungsmittelnotreserven und auf die Marginalisierung direkt des ganzen Gesundheitswesens wie beim IWF. Sie wären aber gleichermaßen sozialwidrig bis sozialfeindlich, und ihre Verknüpfung mit steuerfinanzierten EU-Fördermitteln ist daher mit dem Grundrecht auf Eigentum der Beschwerdeführerin in deren Eigenschaft als Steuerzahlerin unvereinbar.

Durch das Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG) geschützt sind auch die von der Beschwerdeführerin erworbenen Ansprüche gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung sowie die Ansprüche aus ihrer Privatrente, aus ihrer Kapitallebensversicherung und ihrer Rürup-Rente. Sämtliche Einwendungen dieser Verfassungsbeschwerden bzgl. des universellen Menschenrechts auf soziale Sicherheit und Sozialversicherung (siehe Abschnitt IX.9 dieser Verfassungsbeschwerden) werden, soweit sie sich auf die die im vorigen Satz genannten Versicherungen beziehen, hiermit gleichermaßen auch als Verletzungen des Grundrechts auf Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG) geltend gemacht. Dabei ist zu beachten, dass das Grundrecht auf Eigentum für Deutschland auf dem höchsten rechtlichen Rang steht, noch um mehrere Stufen höher als die universellen Menschenrechte.

In besonderem Maße, quantitativ wie qualitativ unvereinbar mit dem Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 GG) ist die Einbeziehung der Sozialversicherung in die Beurteilung der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen im Rahmen der rigorosen Schuldentragfähigkeitsanalyse für die Entscheidung über die Frage, ob ein Staat innerhalb des ESM in das Staateninsolvenzverfahren gezwungen wird. Das würde den Staat entscheidend unter Druck setzen, Ersparnisse der Sozialversicherung für die Bezahlung der Gläubiger von Bund, Ländern und Gemeinden zu verwenden bis hin zur Einbeziehung der Sozialversicherung in die Insolvenzmasse des Staates (Art. 12 und Art. 13 ESM-Vertrag, Abschnitte IV.6.2.4 und IV.6.2.5 dieser Verfassungsbeschwerden).

Dass die entschädigungslose Enteignung der Ansprüche an die private Rentenversicherung und damit aller Voraussicht nach auch aus der Rürup-Rente und der Kapitallebensversicherung schon im Rahmen des Defizitverfahrens geplant ist, beweisen das Beispiel Ungarns und die Reaktion des Ministerrats darauf vom 24.01.2012 (Abschnitt V.22 dieser Verfassungsbeschwerden). Umso mehr droht diese grundgesetzwidrige Enteignung im europäischen Finanzierungsmechanismus, wo es um die Liquiditätsprobleme geht.

Das ESMFinG verstößt gegen Art. 14 GG, weil es nun auch noch Einzahlungsverpflichtungen für den ESM zustimmt, obwohl das nach Art. 14 GG erlaubte Maß der Bankenrettung bereits mit Soffin 1, Griechenlandhilfe und EFSF mit Stand vom 07.09.2011 ausgeschöpft war. Außerdem verstößt das ESMFinG gegen Art 14 GG, weil sein Inkrafttreten das Inkrafttreten des Zustimmungsgesetzes zum ESM ermöglichen würde (Abschnitte IV.6.2.6 + IV.6.2.7 dieser Verfassungsbeschwerden).

Das Gesetz zur Änderung des BSchuWG (Abschnitt IV.6.2.8 dieser Verfassungsbeschwerden) verstößt gegen Art. 14 GG, weil dieses auf der einfachgesetzlichen Ebene die Strukturen schaffen würde für die Wiener Initiative und das Staateninsolvenzverfahren, und das unabhängig davon, ob der ESM je in Kraft tritt.

In besonders schwerem Maße verletzt Art. 136 Abs. 3 AEUV das Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 GG), weil auf diese Blankett-Ermächtigung immer neue EU-sekundärrechtliche und intergouvernementale Mechanismen zur Bankenrettung („Finanzstabilität“) gestützt werden könnten (Abschnitt III.1 dieser Verfassungsbeschwerden).

Die Beschwerdeführerin wird durch das StabMechG und würde durch die Verkündung und noch schwerer bei Inkrafttreten des ESMFinG, des Gesetzes zur Änderung des BSchuWG sowie der Zustimmungsgesetze zum Fiskalpakt, zu Art. 136 Abs. 3 AEUV und zum ESM-Vertrag selbst, gegenwärtig und unmittelbar in ihrem Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 GG) verletzt.

Sie wäre als Steuerzahlerin und als gesetzlich und privat Rentenversicherte und Lebensversicherte selbst betroffen durch die von Art. 14 Abs. 2 GG nicht gedeckte Spekulationsförderung, durch das von Art. 14 Abs. 2 GG nicht gedeckte gleichheitswidrige Übermaß an Bankenrettung, durch die dem Art. 14 Abs. 2 GG diametral entgegengesetzte Verknüpfung von Steuermitteln mit sozialwidrigen bis sozialfeindlichen Auflagen und durch mit dem Recht auf Eigentum unvereinbaren Eingriffen in die Rentenansprüche der Beschwerdeführerin. Sie wäre betroffen als gesetzlich Rentenversicherte durch die im europäischen Finanzierungsmechanismus zu erwartenden nicht wieder zurück fließenden Darlehen aus der Rentenversicherung zur Bankenrettung (wie in Irland, siehe Abschnitt XI.4 dieser Verfassungsbeschwerden), durch die Senkung der Rentenansprüche über IWF-Auflagen (wie in Lettland und Rumänien, siehe Abschnitte IV.5.5 und VII.4 dieser Verfassungsbeschwerden), durch die Reduzierung der gesamten solidarischen Sozialversicherung auf eine Mindestversorgung über den mittels der Sanktionsbewehrung der präventiven Komponente erzwungenen Wechsel zu Mehrsäulensystemen (Abschnitte V.4, V.6 und V.15 dieser Verfassungsbeschwerden) und in besonderem Maße durch die Einberechnung der gesamten Sozialversicherung in die rigorose Schuldentragfähigkeitsanalyse und daraus resultierendem Druck zur Einbeziehung der gesamten Sozialversicherung in die staatliche Insolvenzmasse (Abschnitt IV.6.2.4 + IV.6.2.5 dieser Verfassungsbeschwerden).

All dies würde erfolgen, wie oben dargestellt, durch EFSF-Rahmenvertrag, ESM, Fiskalpakt und die an diese anknüpfenden EU-Verordnungen (Abschnitte V.3 – V.7 und VI.2 dieser Verfassungsbeschwerden).

Sie wäre bei Verkündung und noch schwerer bei Inkrafttreten der Zustimmungsgesetze unmittelbar (ohne weiteren vorherigen Rechtsakt) und gegenwärtig (sofort bei Inkrafttreten) betroffen, da bereits bei Inkrafttreten sich die Verletzung des Grundrechts auf Eigentum (Art. 14 GG) ereignen würde.

Auch durch die Verkündung im Bundesgesetzblatt des geänderten StabMechG ist die Beschwerdeführerin selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen. Denn §3 Abs. 2 Nr. 3 StabMechG ermächtigt den Bundestag, Änderungen des EFSF-Rahmenvertrags durch einfachen Beschluss zuzustimmen. Der geänderte EFSF-Rahmenvertrag enthält bereits so gut wie alle Grausamkeiten des ESM bis auf die Ermächtigung der privaten Gläubiger zu verbindlichen politischen Auflagen und die rigorose Schuldentragfähigkeitsanalyse (siehe Abschnitte IV.3.2 und IV.6.2.5 dieser Verfassungsbeschwerden).

Die Beschwerdeführerin macht die Verletzung des Eigentumsrechts i. V. m. dem grundrechtsgleichen Wahlrecht (Art. 38 GG) geltend, auch soweit es die Kompetenz der Bundestagsabgeordneten angeht, ihre Rechte zu schützen.

IX.7 Funktionsvorbehalt (Art. 33 Abs. 4 GG) (i. V. m. Art. 38 GG)

Das grundrechtsgleiche Recht auf den Funktionsvorbehalt (Art. 33 Abs. 4 GG) bestimmt, dass hoheitliche Aufgaben als ständige Aufgaben grundsätzlich nur von Personen ausgeübt werden dürfen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treuverhältnis stehen. Entscheidend ist dabei, dass die Personen, die hoheitliche Macht ausüben, auf die Verfassung vereidigt werden, und sie vor allem abhängig beschäftigt sind direkt beim Staat, ohne dass ein privater Arbeitgeber dazwischen ist. Die Sicherheit des Arbeitsverhältnisses muss von der Loyalität zur Verfassung und zum Staat abhängen, nicht von der Loyalität zu einem privaten Arbeitgeber. Der grundrechtsgleiche Funktionsvorbehalt hat den Sinn, die Einwohner und Bürger des Landes vor jeglicher Durchtrennung der demokratischen Legitimationskette und vor jeglicher Willkür zu schützen. Der Funktionsvorbehalt setzt besonders enge Grenzen gegen jegliche Privatisierung hoheitlicher Aufgaben. Das Urteil im Pilotverfahren vom 07.09.2011 hat bestätigt, dass die grundrechtsgleichen Rechte für Deutschland den gleichen Rang haben wie die Grundrechte und Strukturprinzipien des Grundgesetzes (Abschnitt VII.5 dieser Verfassungsbeschwerden). Sie würden also auch dann weiterhin über den Kreditauflagen des IWF und über den Auflagen mit IWF-typischer Strenge stehen, wenn diese mit dem Rang des EU-Sekundärrechts transportierbar würden.

Nach Rn. 216+217 des Lissabonurteils garantiert das Grundgesetz die Staatlichkeit Deutschlands. Nach Art. 20 Abs. 1 GG ist Deutschland ein Staat. Dazu gehört auch, dass die staatlichen Organe (Art. 20 Abs. 2 S. 2 Alt. 3 GG) ihre Handlungsfähigkeit behalten. Art. 33 Abs. 4 GG schützt somit indirekt auch die Staatlichkeit Deutschlands.

Nach Rn. 212 des Lissabon-Urteils, dürfen die Bürger „keiner politischen Gewalt unterworfen“ werden, „der sie nicht ausweichen können und die sie nicht prinzipiell personell und sachlich zu gleichem Anteil in Freiheit zu bestimmen vermögen.“

Auch darum hat das Lissabonurteil das staatliche Gewaltmonopol, sowohl das militärische, als auch das polizeiliche und das zivile, bestätigt (siehe Abschnitt VIII.2 dieser Verfassungsbeschwerden).

Nach Rn. 252 des Lissabonurteils sind gerade auch das militärische und das polizeiliche Gewaltmonopol menschenrechtlich besonders sensibel.

Nach S. 2 des Art. 136 Abs. 3 AEUV unterliegen alle auf die Blankett-Ermächtigung des Art. 136 Abs. 3 AEUV gestützten Finanzhilfen strengen Auflagen, wobei mit „streng“ IWF-artig gemeint ist (Präambel EFSF-Rahmenvertrag, Schlussfolgerungen des Ecofin-Rates vom 10.05.2010, Erklärung der Eurogruppe vom 28.11. 2010, Nr. 17 der Stellungnahme zum Euro-Gipfel vom 26.10.2011 (Abschnitt III.23 dieser Verfassungsbeschwerden) und Nr. 49 des Berichts der Task Force vom 21.10.2010) . Im Rahmen des gesamten europäischen Finanzierungsmechanismus werden „Finanzhilfen“ gewährt, seien es Notfallkredite an die Staaten der Eurozone mit akuten Liquiditätsproblemen, da mit diese ihre alten Gläubiger (wie in Griechenland) oder noch mehr Bankenrettung (wie in Irland) bezahlen können, oder seien es teilweise Schuldenerlasse im Rahmen des Staateninsolvenzverfahrens der Eurozone im Rahmen des ESM. Das Wort „Finanzhilfen“ erfordert von seiner Definition her nicht, dass der, dem die Notfallkredite zugute kommen, der sein muss, welcher die Auflagen zu erfüllen hat. Die Verpflichtung auf die IWF-artige Strenge (Abschnitt III.4 dieser Verfassungsbeschwerden) ist in Art. 136 Abs. 3 AEUV mit EU-primärrechtlichem Rang sowie in Erwägungsgründen 2+3, Art. 3 und Art. 12 ESM-Vertrag sowie in Erwägungsgrund 3 von EU-Verordnung 2011/385 (COD) enthalten (Abschnitte IV.6.2.5 und VI.2.1 dieser Verfassungsbeschwerden).

Wie in Abschnitt IV.5.4 dieser Verfassungsbeschwerden dargelegt, hat der IWF bereits zahlreichen Ländern Auflagen gemacht hat zur Behördenprivatisierung, so z. B. gegenüber Jamaica sowie Trinidad und Tobago. Argentinien hat für den IWF den Zoll privatisiert, von der Türkei hat der IWF die Privatisierung einer Bundesfinanzbehörde verlangt.

Und in Griechenland will man schon die Vollstreckungsstellen der Finanzbehörden funktionell privatisieren (Abschnitt IV.5.3 dieser Verfassungsbeschwerden), was wohl kaum ohne den Druck der Troika geschehen würde.

Wie in den Abschnitten V.5 und V.7 dieser Verfassungsbeschwerden dargelegt, würden die auf Art. 9 Fiskalpakt (zusätzlich zur Blankett-Ermächtigung des Art. 136 Abs. 3 AEUV) gestützten Ungleichgewichtsverfahren von der EU-Kommission (alias „EU-Wirtschaftsregierung“) dazu genutzt, den Staaten der Eurozone bußgeldbewehrte Empfehlungen zu machen für „signifikante Veränderungen der relativen Preise und Kosten sowie eine Reallokation von Angebot und Nachfrage zwischen dem Sektor nichthandelbarer Güter und der Exportwirtschaft“. Die EU-Kommission will mit den beiden EU-Verordnungen für die Ungleichgewichtsverfahren also nicht weniger als die weitere Blankett-Ermächtigung, verbindliche Empfehlungen machen zu können zur Exportierbarmachung all dessen, was bisher noch nicht handelbar ist. Durch den Lissabonvertrag wurden ins EU-Primärrecht die grundsätzliche funktionelle Privatisierung der Daseinsvorsorge (Art. 14 AEUV) und auch der hoheitlichen Aufgaben (Art. 2 von Protokoll 26) der EU-Mitgliedsstaaten eingefügt, begrenzt vom Umfang her innerhalb des EU-Primärrechts allein durch Art. 4 EUV, sodass also aus Sicht des EU-Rechts bereits nationale Sicherheit (also Militär, Geheimdienst, Diplomaten u. a.), öffentliche Ordnung (Polizei, Ordnungsamt u. a.) und grundlegende Strukturen der Mitgliedsstaaten (Regierung, Parlament, oberste Gerichte, aber wieviel darüber hinaus ?) von der grundlegenden Privatisierungspflicht ausgenommen sind.

Das Lissabonurteil bestätigte demgegenüber nicht nur das militärische und das polizeiliche Gewaltmonopol, was sich bereits aus Art. 4 EUV ergibt, sondern auch das zivile Gewaltmonopol, welches für Deutschland durch den grundrechtsgleichen Funktionsvorbehalt (Art. 33 Abs. 4 GG) geschützt ist. Daraus folgt, dass die grundrechtsgleichen Rechte ebenso wie die Grundrechte über dem EU-Recht stehen (siehe auch Abschnitte VII.1 und VII.5 dieser Verfassungsbeschwerden).

Die Begründung der Verordnungsentwürfe zum Ungleichgewichtsverfahren sehen hingegen keine einzige explizite Ausnahme bei der Exportierbarmachung der bisher nicht handelbaren Güter vor, sodass nicht einmal die nationale Sicherheit, die öffentliche Ordnung und die grundlegenden Strukturen Deutschlands aus Sicht von Art. 136 Abs. 3 AEUVbzw. Art. 9 Fiskalpakt und des daran anknüpfenden Ungleichgewichtsverfahrens davon ausgenommen wären.

Auch die Pflicht zur Privatisierung der makroökonomischen Prognosen gem. Art. 2 Abs. 2 von EU-Verordnung 2011/0386 (COD) ist unvereinbar mit Art. 33 Abs. 4 GG, weil gem. Art. 3 Abs. 1 der gleichen Verordnung eben diese Prognosen zur verbindlichen betragsmäßigen Grundlage für den Rahmen der mehrjährigen Finanzplanung der Mitgliedsstaaten der Eurozone machen würde, sodass ungewählte Private die Grundlagen für diesen mehrjährigen Rahmen vorgeben würden (Abschnitt VI.2.2 dieser Verfassungsbeschwerden).

Ebenso wie die Outsourcebarkeit nahezu aller Aufgaben der EFSF ist auch die Übertragbarkeit aller Aufgaben des ESM-Gouverneursrats auf dessen Direktorium, deren Mitglieder weder vom Volk noch von Parlamentariern gewählt sind, mit Art. 33 Abs. 4 GG unvereinbar.

Wie insbesondere in den Abschnitten VI.1.1 und VI.1.3 dieser Verfassungsbeschwerden dargelegt, will die EU-Kommission, gestützt auf den Fiskalpakt und auf Art. 136 Abs. 3 AEUV , als EU-Wirtschaftsregierung auch direkt den Bundesländern Auflagen machen können. Nur mit der Besonderheit, dass die Bundesländer bei Ungehorsam dann statt Bußgeldern Kürzungen der EU-Fördermittel bekämen. Es liegt angesichts der ebenfalls an Art. 136 Abs. 3 AEUV bzw. Art. 9 Fiskalpakt anknüpfenden Ungleichgewichts-verfahren auf der Hand, dass die Kommission auch gegenüber den Bundesländern versuchen wird, diese zum Ausverkauf von Behörden zu zwingen. Da in Deutschland ein besonders hoher Anteil der Behörden auf Landesebene angesiedelt ist, würde hierüber nach Inkrafttreten des Art. 9 Fiskalpakt oder des Art. 136 Abs. 3 AEUV ein besonders kräftiger quantitativer Entstaatlichungsschub erfolgen.

Außerdem wird vor jeder ESM-Finanzhilfe die Tragfähigkeit von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherung rigoros untersucht, sodass der Bundesregierung auch vom ESM IWF-artig strenge Auflagen zu Lasten der Länder erteilt würden.

Ein besonders starker Schub zur Behördenprivatisierung dürfte auch davon ausgehen, wenn das Ziel des Euro-Plus-Paktes einer Senkung der Ertragsteuern umgesetzt werden sollte (Abschnitte III.15, III.16 und VIII.4 dieser Verfassungsbeschwerden).

Welche Risiken es birgt, wenn die Arbeitsplatzsicherheit der hoheitliche Macht ausübenden Beschäftigten mehr von der Treue zu ihrer Firma als von der Treue zur Verfassung abhängt, wird vor allem in den Abschnitten VIII.8 und VIII.9 dieser Verfassungsbeschwerden verdeutlicht. Gerade die funktionale Privatisierung im militärischen und im polizeilichen Bereich kann zu strafrechtspflegefreien Räumen, zur deutlichen Zunahme der Verletzung vor allem bürgerlicher Menschenrechte, zur Erhöhung der Putschgefahr und zur Gefährdung des friedlichen Zusammenlebens der Völker führen. Auch bereits die Privatisierung eines Gefängnisses kann zu einer korruptiven Versuchung führen, wie der in Abschnitt VIII.8 zitierte Artikel zeigt. Die funktionale Privatisierung der Rechtsprechung würde zu Urteilen führen, in denen sich geltendes Recht mit den Interessen der Rechtsprechungsfirmen mischt. Die Vergabe der Wahlämter würde die Stimmauszählung mit Profitinteressen mischbar machen.

Auch die Instrumentalisierbarkeit sämtlicher Organe der Exekutive und der Judikative gem. Art. 3 Abs. 2 Fiskalpakt zur Erzwingung der Empfehlungen aus dem Stabilitäts- und Wachstumspakt ist mit Art. 33 Abs. 4 GG unvereinbar, weil das Treuverhältnis incl. Diensteid in erster Linie auf das Grundgesetz ist, und Beschäftigte von Bund, Ländern und Gemeinden, soweit Art. 33 Abs. 4 GG deren zweckgebundene Ausleihung an ausländische oder internationale Herrschaftsverbände überhaupt als Ausnahme zulässt, so jedenfalls nicht für gegen das Grundgesetz gerichtete Zwecke (wie z. B. militärischer Zwang bzgl. Stimmverhalten der Abgeordneten. Alle gegen das Grundgesetz gerichteten Handlungen unter Inanspruchnahme von öffentlichen Bediensteten Deutschlands sind zugleich auch gegen das Dienst- und Treuverhältnis gerichtet.

Art. 12 der EFSF-Rahmenvereinbarung sieht die Möglichkeit vor, dass der EFSF-Vorstand beschließen kann, weitreichendste Aufgaben innerhalb der Befugnisse der EFSF outzusourcen an Behörden der Mitgliedsstaaten, an Kreditinstitute oder auch an beliebige Einzelpersonen (siehe Abschnitt IV.3.2 dieser Verfassungsbeschwerden). Besonders sensibel im Falle der Vergabe an privat scheinen der Beschwerdeführerin darunter die Verwaltung der Geldmittel der EFSF (Art. 12 Abs. 1 lit. a – c), die Innenrevision der EFSF (Art. 12 Abs. 1 lit. d) sowie gleich aller beliebigen Aufgaben der EFSF (Art. 12 Abs. 4), deren Outsourcing der EFSF-Vorstand im Interesse der effizienten Aufgabenerfüllung befürwortet.

Auch wenn die sensibelsten Aufgaben wie die Entscheidung über die Kreditbedingungen und die Entscheidung über die Folgen von deren Nichteinhaltung nicht auf der Ebene der EFSF liegen (Art. 3 Abs. 1 der Rahmenvereinbarung), so gehören zu den Aufgaben der EFSF durchaus auch solche, die als hoheitlich angesehen werden können, und die deshalb nicht an privat vergeben werden dürfen (Art. 33 Abs. 4 GG, i. V. m. Art. 38 GG).

Wenn ein privates Kreditinstitut die tatsächliche Kontrolle über die Geldmittel der EFSF erlangen würde, die Einforderung der zugesagten Staatsbürgschaften übernehmen könnte, oder gar die EFSF-Aufgabe übertragen bekäme, über die Einhaltung der Darlehenskonditionen zu wachen (Art. 9 Abs. 1 der Rahmenvereinbarung), dann würde dieses, abgesehen von Insiderwissen und Wettbewerbsvorteilen, damit eine so große Macht erhalten, dass dies mit dem grundrechtsgleichen Wahlrecht (Art. 38 GG) unvereinbar wäre. Auch mit dem Funktionsvorbehalt (Art. 33 Abs. 4 GG, hier in Verbindung mit Art. 38 GG) ist die Vergabe hoheitlicher Aufgaben an Private unvereinbar. Privatfirmen dürfen nicht die faktische Macht erhalten, ob sie Informationen über die Einhaltung von Kreditauflagen durch Staaten an die bei der EFSF zuständigen Organe weitergeben oder nicht.

Die Grenzen, welche der Vergabe hoheitlicher Befugnisse durch das Grundgesetz gesetzt sind, sind gleichermaßen anzuwenden gegenüber der Vergabe der hoheitlichen Befugnisse internationaler Gesellschaften wie der EFSF, zumindest insoweit, wie diese hoheitliche Aufgaben erfüllen.

Die Beschwerdeführerin möchte betonen, dass Art. 33 Abs. 4 GG nicht erst greift, wenn die Dienstaufsicht über eine Behörde, ein Gericht oder ein Sicherheitsorgan verloren geht, oder wenn Machtmissbrauch geschieht, wenn geltendes Recht mit wirtschaftlichen oder politischen Interessen vermengt wird.

Art. 33 Abs. 4 GG ist vielmehr ein präventives grundrechtsgleiches Recht, welches, wenn überhaupt, die Vergabe hoheitlicher Macht nur zeitlich bzw. inhaltlich sehr begrenzt zulässt, und keineswegs in sensiblen Bereichen. Die Beschwerdeführerin ist der Rechtsauffassung, dass Art. 33 Abs. 4 GG als Ausnahmen vom öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treuverhältnis allein die Beschäftigung auch von Angestellten und Arbeitern im öffentlichen Dienst ermöglichen wollte, aber in keiner Weise die Vergabe hoheitlicher Macht an die Privatwirtschaft.

Fiskalpakt, EFSF-Rahmenvertrag, ESM und die an diese anknüpfenden EU-Verordnungen (Abschnitte V.3 – V.7 und VI.2 dieser Verfassungsbeschwerden) würden, wie oben dargelegt, die Grundlage schaffen für die funktionale Privatisierung buchstäblich aller hoheitlichen Aufgaben und für die Instrumentalisierung der gesamten Exekutive und Judikative zur Erzwingung der von der Kommission vorgeschlagenen Änderungen der nationalen Verfassungen sowie aller Empfehlungen aus dem Stabilitäts- und Wachstumspakt, würden Deutschland transformieren von einer Demokratie in eine Mischung aus Diktatur und Konzernaristokratie. Das ist mit Art. 33 Abs. 4 GG offensichtlich unvereinbar. Darum ist die Zustimmung zu ESM und Fiskalpakt bereits zum Schutz des grundrechtsgleichen Funktionsvorbehalts in vollem Umfang als verfassungswidrig zu verwerfen.

Unvereinbar mit Art. 33 Abs. 4 GG ist auch das Staateninsolvenzverfahren, egal ob über ESM oder über nach Art. 10 Abs. 5 lit. EFSF-Rahmenvertrag umgebaute EFSF, da die Behörden mit in die Staateninsolvenzmasse gepackt würden, denn sie stehen im Eigentum von Bund, Ländern bzw. Gemeinden.

Das ESMFinG verstößt gegen Art. 33 Abs. 4 GG, weil es nun auch noch Einzahlungsverpflichtungen für den ESM zustimmt, denn sein Inkrafttreten würde das Inkrafttreten des Zustimmungsgesetzes zum ESM-Vertrag und damit auch des ESM-Vertrags selbst ermöglichen (Abschnitte IV.6.2.6 und IV.6.2.7 dieser Verfassungsbeschwerden). Im Rahmen des ESM wiederum würden die hoheit- lichen staatlichen Institutionen spätestens als Teil der Staateninsolvenzmasse ausverkauft.

Das Gesetz zur Änderung des BSchuWG verstößt gegen Art. 33 Abs. 4 GG, weil durch dieses mit oder ohne ESM die Wiener Initiative und das Staateninsolvenzverfahren einfachgesetzlich normiert würden, und weil die staatlichen Behörden dabei ebenso wie die Sozialversicherung in der Staateninsolvenzmasse landen würden.

Art. 136 Abs. 3 AEUV ist unvereinbar mit Art. 33 Abs. 4 GG, weil dieser blankettartig immer neue Mechanismen zur Absicherung der Großbanken („Finanzstabilität“) ermöglichen würde, wobei die Privatisierung der hoheitlichen Einrichtungen des Staates eine der größeren Finanzquellen wäre.

Die Beschwerdeführerin wird durch das StabMechG und würde durch die Verkündung und noch schwerer bei Inkrafttreten des ESMFinG, des Gesetzes zur Änderung des BSchuWG sowie der Zustimmungsgesetze zum Fiskalpakt, zu Art. 136 Abs. 3 AEUV und zum ESM selbst, gegenwärtig und unmittelbar in ihrem grundrechtsgleichen Recht auf den Funktionsvorbehalt (Art. 33 Abs. 4 GG) verletzt.

Sie wäre als Wahlberechtigte und Abstimmungsberechtigte (Art. 20 Abs. 2 S. 2 Alt. 1+2 GG) sowie als Einwohnerin und Bürgerin Deutschlands gegenüber den hoheitlichen Organen Deutschlands

selbst betroffen durch die Privatisierung hoheitlicher Aufgaben im Rahmen der Ungleichgewichtsverfahren und als Auflagen im Rahmen von Finanzhilfen i. S. v. Art. 136 Abs. 3 S. 2 AEUV sowie durch die Outsourcebarkeit nahezu aller Aufgaben der EFSF und durch die Übertragbarkeit aller Aufgaben des ESM auf dessen ungewähltes Direktorium sowie durch die Unterstellbarkeit der gesamten Exekutive und Judikative unter die Kommission über Art. 3 Abs. 2 Fiskalpakt betroffen.

Sie wäre bei Verkündung und noch schwerer bei Inkrafttreten des Zustimmungsgesetzes unmittelbar (ohne weiteren vorherigen Rechtsakt) und gegenwärtig (sofort bei Verkündung bzw. Inkrafttreten) betroffen, da bereits bei Verkündung und noch schwerer bei Inkrafttreten sich die Aushebelung ihres grundrechtsgleichen Rechts auf den Funktionsvorbehalt (Art. 33 Abs. 4 GG) ereignen würde.

Auch durch die Verkündung im Bundesgesetzblatt des geänderten StabMechG ist die Beschwerdeführerin selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen. Denn §3 Abs. 2 Nr. 3 StabMechG ermächtigt den Bundestag, Änderungen des EFSF-Rahmenvertrags durch einfachen Beschluss zuzustimmen. Der geänderte EFSF-Rahmenvertrag enthält bereits so gut wie alle Grausamkeiten des ESM bis auf die Ermächtigung der privaten Gläubiger zu verbindlichen politischen Auflagen und die rigorose Schuldentragfähigkeitsanalyse (siehe Abschnitte IV.3.2 und IV.6.2.5 dieser Verfassungsbeschwerden).

Die Beschwerdeführerin macht die Verletzung des Funktionsvorbehalts (Art. 33 Abs. 4 GG) in Verbindung mit dem grundrechtsgleichen Wahlrecht (Art. 38 GG) geltend, auch soweit es die Kompetenz der Bundestagsabgeordneten angeht, ihre Rechte zu schützen.

Fortsetzungen: https://sites.google.com/site/euradevormwald/02-esm/063-wahlrecht