033. Ergebnisse des Gipfels.... / Kompetenzüberschreitung des Bundesverfassungsgerichtes in Sachen Grundgesetz?

III.16 Ergebnisse des Gipfels des Europäischen Rats vom 24.+25.03.2011

Die Schlussfolgerungen des Europäischen Rats von dessen Gipfel am 24.+25.03.2011 finden sich unter dem Link:

www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/en/ec/120296.pdf

Darunter am wichtigsten für diese Verfassungsbeschwerden ist Abs. 16, wonach der Europäische Rat durch Beschluss über die Annahme des Art. 136 Abs. 3 AEUV die Arbeitsschritte auf EU-Ebene zu dessen Einfügung abgeschlossen hat und die Mitgliedsstaaten aufgefordert hat, die Zustimmungsverfahren auf nationaler Ebene so schnell wie möglich einzuleiten.

Bereits Abs. 2 der Präambel der Schlussfolgerungen bringt Klarheit, dass die unbedingte Erforderlichkeit zur Stabilisierung des Euro-Währungsgebiets als Ganzes (Art. 136 Abs. 3 S. 1 AEUV) bzgl. der Aktivierung sämtlicher auf Art. 136 Abs. 3 AEUV gestützter Mechanismen keine ernsthafte Hürde darstellt, denn dort wird gesagt:

„Obwohl die wirtschaftliche Erholung in Europa nunmehr greift, bestehen nach wie vor Risiken, und wir müssen weiterhin entschlossen handeln. Wir haben heute ein umfassendes Maßnahmenpaket verabschiedet, das es uns ermöglichen sollte, die Finanzkrise endgültig zu überwinden und zu einem nachhaltigen Wirtschaftswachstum zurückzukehren.“

Wie nun zusätzlich zu Art. 136 Abs. 3 AEUV der Fiskalpakt entworfen wurde, erläutern die Abschnitte III.1 und V.1 dieser Verfassungsbeschwerden.

Und nach Abs. 3 der Schlussfolgerungen des Europäischen Rats vom 16./17.12.2010 sollte die Aktivierung zumindest des ESM ja bereits im Falle „eines Risikos für die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt“ erfolgen. Genau das Vorliegen solch eines Risikos hat der Europäische Rat in Abs. 2 der Präambel seiner Schlussfolgerungen vom 24./25.03.2011 bestätigt.

Nach Abs. 14 der Schlussfolgerungen ist weitere Bankenrettung vorgesehen, und zwar bzgl. gefährdeter Kreditinstitute neben der Finanzierung am Markt und der Veräußerung von Aktiva auch ein solider „Rahmen für staatliche Stützungsmaßnahmen im Einklang mit den Regeln für staatliche Beihilfen“. Also EU-rechtlich harmonisierte Regeln für präventive Bankenrettungsfonds auf nationaler Ebene. Das beweist umso mehr das Übermaß an Bankenrettung. Das Übermaß an Bankenrettung auf Kosten der Realwirtschaft und des Sozialen (siehe Abschnitt XI. dieser Verfassungsbeschwerden) und die daraus resultierende Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 GG) wird dadurch verschärft.

Die Abs. 9 + 10 bekräftigen unter der Überschrift „Stärkung der wirtschaftspolitischen Steuerung“ ausdrücklich den Wunsch des Europäischen Rats, dass die „sechs Gesetzgebungsvorschläge“ der Kommission (die eine Richtlinie und die in Abschnitt V. dieser Verfassungsbeschwerden erläuterten Verordnungsentwürfe (Abschnitte V.3 – V.7 dieser Verfassungsbeschwerden) im Juni 2011 verabschiedet werden sollten und am 28.09.2011 beschlossen worden sind.

Außerdem wurde der Euro-Plus-Pakt verabschiedet und den Schlussfolgerungen vom 24/25.03. 2011 als Anlage I beigefügt (siehe Abschnitt III.15 dieser Verfassungsbeschwerden).

Und es wurde weitere Klarheit über die Merkmale des ESM erzielt und den Schlussfolgerungen vom 24/25.03.2011 als Anlage II beigefügt (Abschnitt IV.6.2.4 dieser Verfassungsbeschwerden).

Abs. 3 der Schlussfolgerungen des Europäischen Rats vom 24./25.03.2011 sagt zum Schuldenabbau auf ein langfristig tragbares Niveau:

„Dazu wird in den meisten Fällen eine strukturelle Haushaltsanpassung von deutlich mehr als 0,5% pro Jahr erforderlich sein.“

Es ist also vorgesehen, jährlich die Haushaltsdefizite um mehr als 0,5% abzubauen. Nach der Rede der deutschen Bundeskanzlerin Frau Dr. Angela Merkel vom 24.03.2011 sollen es 5% pro Jahr sein. Es scheint sich bei den 5% um einen deutschen Vorschlag für den Gipfel vom 24./25.03.2011 bzgl. der Reduzierung des Haushaltsdefitzits zu handeln. Konkretisiert wurde der Vorstoß als 5% der Differenz zwischen 60% des BIP und der tatsächlichen Gesamtverschuldung im Verhältnis zum BIP, welche p. a. abzubauen sind, in Art. 4 Fiskalpakt. Die Rede befindet sich unter dem Link:

www.bundesregierung.de/nn_1272/Content/DE/Bulletin/2011/03/32-1-bk-bt.html

III.17 Volksabstimmungen über alle Grundgesetzänderungen, Kompetenzüberschreitung des Bundesverfassungsgerichts im Falle der gerichtlichen Anordnung einer Volksabstimmung zum Aufbrechen der Ewigkeitsgarantie

Wie in Abschnitt III.10.1 dieser Verfassungsbeschwerden dargelegt, wollte der Parlamentarische Rat dem Gesetzgeber nach Überzeugung der Beschwerdeführerin einen weiten Spielraum zur Schaffung von Volksabstimmungen auf Bundesebene lassen, ohne dass dafür grundgesetzändernde Mehrheiten erforderlich wären, den Gesetzgeber auf Volksabstimmungen im Grundgesetz verpflichten aber allein bzgl. der in Art. 29 GG und in Art. 146 GG genannten Fälle. Das Höchstmaß an mit dem Grundgesetz vereinbarer direkter Demokratie wäre nach Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin, jedes Gesetz auf Bundesebene zusätzlich einer Volksabstimmung zu unterwerfen, solange gleichzeitig die Hürden für die Initiierung von Gesetzentwürfen direkt über Volksbegehren hoch genug wären, um einen angemessenen Vorsprung der Parlamentarier bei der Initiierung legislativer Akte zu wahren und so eine Aushöhlung des Wahlrechts durch die direkte Demokratie zu verhindern.

Zumindest bzgl. Rechtsakten von vergleichbar großer Tragweite wie in Art. 29 GG oder Art. 146 GG besteht damit auch ein weiter Spielraum des Bundesverfassungsgerichts, den Gesetzgeber auf die Durchführung von Volksabstimmungen zu verpflichten. Nach Art. 31 GG bricht Bundesrecht Landesrecht. Selbst einfache Gesetze des Bundes stehen vom Rang über Landesverfassungen, umso mehr sämtliches für Deutschland geltendes Völkerrecht und vor allem das Grundgesetz. Grundgesetzänderungen haben damit offensichtlich eine größere Tragweite als die Neugliederung von Bundesländern, für welche Art. 29 GG eine Volksabstimmung vorschreibt. Damit besteht offensichtlich ein Spielraum des Bundesverfassungsgerichts, den Gesetzgeber auf die Durchführung von Volksabstimmungen zu allen Grundgesetzänderungen zu verpflichten.

Wie in Abschnitt IV.5.3 dieser Verfassungsbeschwerden dargelegt, ist Griechenland als Kreditauflage im Rahmen der sog. Griechenlandhilfe dazu verpflichtet worden, seine Verfassung zur Einfügung einer Schuldenbremse zu ändern. Das wurde auch noch als Modell auf dem Weltwirtschaftsforum präsentiert, sodass davon ausgegangen werden kann, dass das gleiche zumindest auch allen Staaten, welche in die Mühlen des europäischen Finanzierungsmechanismus geraten, zur Auflage gemacht werden wird.

Laut Abs. 3 der Schlussfolgerungen des Europäischen Rats vom 11.03.2011 (siehe Abschnitt III.13 dieser Verfassungsbeschwerden) hat sich außer Griechenland auch Irland zur Einführung eines „strengen und stabilen fiskalischen Rahmenwerks“ mit der „stärkest möglichen Rechtsgrundlage“ verpflichtet, hat Irland sich also im Rahmen des EFSM zur Verfassungsänderung verpflichtet.

Dass damit keine Schuldenbremse wie bisher in Art. 109 GG gemeint ist, sondern dass es um das totale Aufbrechen der nationalen Verfassungen gegenüber dem Stabilitäts- und Wachstumspakt geht ist, und um die Instrumentalisierbarkeit jeweils der gesamten Exekutive und Judikative zur Durchsetzung auch aller Rechtsakte aus dem Stabilitäts- und Wachstumspakt, erläutert Abschnitt V.1 dieser Verfassungsbeschwerden.

Beim Euro-Plus-Pakt haben sich direkt alle Regierungschefs (nicht die gesamten Regierungen, ge- schweige denn die Parlamente oder die Völker) der am Euro-Plus-Pakt teilnehmenden Staaten verpflichtet, die Regelungen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes entweder in ihre Verfassung oder in ein Rahmengesetz zu übernehmen (siehe Abschnitt III.15 dieser Verfassungsbeschwerden).

Allem Anschein nach haben die Griechenland und Irland aufgezwungenen Verfassungsänderungen also nicht nur den Inhalt, die Neuverschuldung im Sinne einer Schuldenbremse zu begrenzen oder zu verbieten, sondern zusätzlich auch noch die Vorschriften der nationalen Verfassung, welche jeweils der Umsetzung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes und damit der Macht der EU-Wirtschaftsregierung wirksame Grenzen setzen, auszuhebeln.

Wie in Abschnitt III.12 dieser Verfassungsbeschwerden anhand von Rn. 28 des Hypothekensicherungsgesetzurteils bewiesen, hat in der Weimarer Republik bereits das Ermächtigungsgesetz, welches die Umgehung des erhöhten parlamentarischen Abstimmungsquorums für Verfassungsänderungen ermöglichte, zum rangmäßigen Absturz der Weimarer Reichsverfassung geführt, was nicht zu verwechseln ist mit der Delegitimierung der Naziherrschaft, welche die Grundlage für die Berechtigung zur Schaffung des Grundgesetzes auch losgelöst von den Formvorschriften der Weimarer Reichsverfassung war (Rn. 29 des Hypothekensicherungsgesetzurteils).

Wenn nun über Auflagen im Rahmen des europäischen Finanzierungsmechanismus der IWF (zusammen mit EU-Kommission und EZB) bzw. sogar die privaten Gläubiger (beim Staateninsolvenzverfahren im Rahmen des zum europäischen Finanzierungsmechanismus gehörenden ESM) Deutschland per Kreditauflage zur Verfassungsänderung zwingen könnten, könnte dies den Rang des Grundgesetzes zum Absturz bringen.

Der Absturz des Grundgesetzes droht auch zu geschehen durch ein Urteil des EUGH gem. Art. 8 Fiskalpakt, welches den Abgeordneten auferlegen würden, das Grundgesetz entsprechend dem Urteil des EUGH zu ändern (Abschnitte III.12 und V.1 dieser Verfassungsbeschwerden). Und selbst Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert sorgt sich kein bisschen um das Grundgesetz; stattdessen ist er in Sorge, dass alle Staaten, die ihre Verfassung nicht wie von der Kommission gewünscht auf-brechen, auch bloß alle verklagt werden. Wenn selbst der Bundestagspräsident derart geschichtsvergessen ist bzgl. der Absturzgefahr des Grundgesetzes, ist das ein entscheidendes Indiz dafür, dass die heutigen Bundestagsabgeordneten zumindest mehrheitlich für den Schutz unseres Grundgesetzes vollkommen überfordert und ohne die Hilfe des Volkes dieser Aufgabe nicht mehr gewachsen sind.

www.google.com/hostednews/afp/article/ALeqM5goESvyDMURYi7ptF128h5UkBLcSO?docId=CNG.02762ff719adf2815972ed71018e2112.741

www.finanz.de/news/12-02-/lammert-fordert-klageregelung-im-fiskalpakt-spa10526/

Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass vor lauter Bankenrettungseuphorie oder vor lauter Angst auf Grund unvollständiger Informierung bzgl. der Tragweite Bundestag und Bundesrat den auf den Fiskalpakt zu stützen unternommenen Mechanismen durch Grundgesetzänderungen freiwillig Bahn brechen würden. Freiwillige Grundgesetzänderungen würden zwar die Absturzgefahr vermeiden, es bestünde jedoch die Gefahr, dass per Auflage erzwungene Änderungen öffentlich als freiwillige dargestellt würden, dass dadurch rechtzeitige Verfassungsbeschwerden unterbleiben würden, und die Änderungen sich hinterher doch als erzwungene herausstellen könnten, der rangmäßige Absturz des Grundgesetzes dann möglicherweise geschehen wäre.

Außerdem sind vor einschränkenden Änderungen des Grundgesetzes mit Zweidrittelmehrheit nur die kompletten Art. 1 GG und 20 GG sowie die Wesensgehalte der Grundrechte und grundrechts-gleichen Rechte offensichtlich geschützt. Daher besteht die Gefahr, dass durch erzwungene Grundgesetzänderungen sämtliche nicht in Art. 1 GG oder Art. 20 GG enthaltenen Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte (also alle bis auf die Menschenwürde und das grundrechtsgleiche Widerstandsrecht) verringert werden könnten. Das wäre nach Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin allerdings mit der Unveräußerlichkeit und Unverletztlichkeit der Menschenrechte nach Art. 1 Abs. 2 GG unvereinbar.

Damit ist es offensichtlich, zusätzlich zur Untersagung der Zustimmung zu Fiskalpakt und ESM und zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit des StabMechG, erforderlich, den Gesetzgeber zu verpflichten, sämtliche Grundgesetzänderungen einer Volksabstimmung zu unterwerfen. Das Volk als Ganzes kann man nicht per Kreditauflagen zu irgendetwas zwingen, schon gar nicht zu Verfassungsänderungen. Solch einem Zwang unterwerfen sich nur Politiker, die es sich gefallen lassen, dass ihr Blickwinkel entsprechend eingeengt wird. Nur die Unterwerfung jeder Grundgesetzänderung unter eine Volksabstimmung zusätzlich zur erforderlichen Zweidrittelmehrheit im Parlament kann das Grundgesetz wirksam vor seinem rangmäßigen Absturz sichern, und kann den heutigen Schutzumfang sämtlicher Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte sichern.

Grundgesetzänderungen bedürfen im Parlament einer Zweidrittelmehrheit (Art. 79 Abs. 2 GG). Damit die Balance zwischen der unantastbaren Demokratie und der unantastbaren Rechtsstaatlichkeit (Rn. 216+217 des Lissabonurteils) gewahrt bleibt, ist offensichtlich auch bei den zusätzlichen Volksabstimmungen bei Grundgesetzänderungen eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Allerdings scheint angesichts heutiger Erfahrungen mit Wahlbeteiligungen eine Zweidrittelmehrheit der Wahlberechtigten bei Volksabstimmungen nahezu unerreichbar und würde damit beinahe jegliche noch so sehr von einer Zweidrittelmehrheit des Volkes gewollte Grundgesetzänderung verhindern. Darum ist die Beschwerdeführerin der Auffassung, dass eine Zweidrittelmehrheit der Abstimmenden bei Volksabstimmungen über Grundgesetzänderungen das einzig angemessene Quorum sein kann.

Angesichts der Gefahr der ultra-vires-mäßigen Einflussnahme mit unmittelbarer Zwangsgewalt, z. B. militärischer oder polizeilicher, auf Volksabstimmungen über Grundgesetzänderungen auf Grundlage von Art. 3 Abs. 2 Fiskalpakt, welcher in seiner neuesten und am 02.03.2012 beschlossenen Fassung den Zugriff der Kommission auf die gesamte Exekutive und Judikative der Mitgliedsstaaten im Gegensatz zum Fiskalpakt 5 „nur“ noch zur Durchsetzung der Empfehlungen aus dem Stabilitäts- und Wachstumspakt erlauben würde (Abschnitt V.1 dieser Verfassungsbeschwerden) hält die Beschwerdeführerin außerdem eine Klarstellung des Bundesverfassungsgerichts für erforderlich, dass unter Zwang erwirkte Volksabstimmungsergebnisse unwirksam sind.

Die Dissertation von Hauke Möller „Die verfassungsgebende Gewalt und die Schranken der Verfassungsrevision: Eine Untersuchung zu Art. 79 Abs. 3 GG und zur verfassungsgebenden Gewalt nach dem Grundgesetz“ (Verlag im Internet GmbH) zeigt die Bedeutung der Ewigkeitsgarantie auf.

Demnach habe der Hauptausschuss des Parlamentarischen Rats seinen Entwurf damit begründet,

„dass dieses Grundgesetz nicht die Hand reichen darf zu seiner eigenen Totalbeseitigung oder -vernichtung, insbesondere dazu, dass ggf. eine revolutionäre antidemokratische Bewegung mit demokratischen Mitteln auf scheinbar legalem Wege die hier normierte demokratisch rechtsstaatliche Grundordnung in ihr Gegenteil verkehrt.“

Dr. Thomas Dehler (FDP) wird in der Sitzung vom 11.01.1949 des Allgem. Redaktionsausschusses (ARA) des Parlamentarischen Rats zitiert, einem Revolutionär solle nicht die Möglichkeit gegeben werden, zu behaupten, die Verfassung sei auf legalem Wege außer Kraft gesetzt worden.

In der Hauptausschuss-Sitzung vom 12.01.1949 hat er gesagt:

„Auf jeden Fall halte ich es für notwendig, dass wir eine Barriere errichten, nicht in dem Glauben, dass wir dadurch einer Revolution begegnen können, aber doch in dem Willen, einer Revolution die Maske der Legalität zu nehmen.“

Darum ist auch jeder Verstoß gegen die Ewigkeitsgarantie ein Übergriff in die verfassungsgebende Gewalt des Volkes (Rn. 217 Lissabonurteil).

Wie das am 19.09.2011 veröffentlichte Interview „keine europäische Wirtschaftsregierung ohne Änderung des Grundgesetzes“ der Süddeutschen Zeitung mit Herrn BVR Prof. Dr. Peter Michael Huber beweist, gab es innerhalb des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts die Überlegung, dass man mittels einer auf Art. 146 GG gestützten Volksabstimmung die Ewigkeitsgarantie des Grundgesetzes zu Gunsten einer EU-Wirtschaftsregierung aufbrechen könnte. Dabei dachte er damals an ein neues Grundgesetz, welches aussehen könnte wie das bisherige, nur mit einem entsprechend aufgebrochenen Art. 79 GG und einem entsprechend geänderten Art. 23 GG. Das kann gefährliche Begehrlichkeiten zu Lasten des Grundgesetzes wecken, sodass im Rahmen der hier vorliegenden Verfassungsbeschwerden darauf eingegangen werden muss.

Die Rede des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Herrn Prof. Dr. Andreas Voßkuhle, zum 60. Geburtstag des Bundesverfassungsgerichts am 28.09.2011, deutet auf die damalige Überlegung hin, das Volk über eine neue Verfassung abstimmen zu lassen, welche dann die Möglichkeit eines Beitritts Deutschlands zu einem Staat EU eröffnen würde. Denn er hat gesagt, die Mitgliedsstaaten blieben „bis auf weiteres“ die Herren der Verträge.

www.bundesverfassungsgericht.de/aktuell/60jahre-rede-praesident.html

Das deutsche Volk in einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu einer solchen Volksabstimmung über eine neue Verfassung zu verurteilen, würde jedoch die Kompetenzen des Bundesverfassungsgerichts in dessen Eigenschaft als Organ i. S. v. Art. 20 Abs. 2 S. 2 Alt. 3 GG bei weitem übersteigen.

Zunächst einmal ist das Bundesverfassungsgericht formal ein Organ der Judikative i. S. v. Art. 20 Abs. 2 S. 2 Alt. 3 GG. Da Wahlen und Abstimmungen (nicht aber Legislative, Exekutive und Judikative) nach Rn. 211 des Lissabonurteils den Kerrn des insgesamt unantastbaren und vorverfassungsrechtlichen (Rn. 179 + 216 Lissabonurteil) Demokratieprinzips ausmachen (siehe auch Abschnitte III.10.1 und X.1 dieser Verfassungsbeschwerden), würde es die vom Grundgesetz vorgesehene Kompetenz des Bundesverfassungsgericht deutlich überschreiten, wenn es solch eine Volksabstimmung anordnen würde, um zu klären, ob das Volk ein Aufbrechen der Verfassungsidentität zu Gunsten einer EU-Wirtschaftsregierung will.

Darüber hinaus ist die „verfasste Gewalt“ an das Grundgesetz gebunden (Art. 1 Abs. 3 GG, Art. 20 Abs. 2+3 GG). Es wäre ein aktiver Verstoß des Bundesverfassungsgerichts selbst gegen die Ewigkeitsgarantie des Grundgesetzes, wenn es statt seiner ureigensten Aufgabe, diese zu schützen, es das Volk einfach abstimmen lassen würde, ob man diese Ewigkeitsgarantie nicht lieber aufbrechen sollte.

Es wäre zugleich eine Abstimmung darüber, nicht nur die Demokratie, sondern auch Grundrechte wie die auf körperliche Unversehrtheit und auf Leben (Art. 2 Abs. 2 GG) und auf Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) unter den Vorbehalt der sanktionsbewehrten und über EU-Verordnungen 2011/385 (COD) (Abschnitt VI.2.1 dieser Verfassungsbeschwerden) auf iwf-artige (also vollkommen menschenrechtsblinde) Strenge verpflichteten Empfehlungen zu stellen, also darüber, das eigene Volk (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG), von welchem doch in der Welt des Grundgesetzes alle Staatsgewalt auszugehen hat, vollkommen schutzlos einer EU-primärrechtlich über Erwägungsgrund 3 der EU-Verordnung 2011/385 (COD) zur Grausamkeit verpflichteten Wirtschaftsregierung auszuliefern.

Und es wäre sehr wahrscheinlich, dass bei solch einer Volksabstimmung das deutsche Volk nicht die ganze Tragweite seiner Entscheidung erfassen würde. Denn welches Volk würde schon sehen-den Auges seine Rechte auf Leben und auf Würde absichtlich gegenüber einer zur Grausamkeit verpflichteten Institution öffnen?

Wenn man eine neue Verfassung anstelle des Grundgesetzes wollte, müsste außerdem eine verfassungsgebende Versammlung dafür gewählt werden. Dem deutschen Volk müsste die Möglichkeit gegeben werden, in diese verfassungsgebende Versammlung auch andere Kandidaten als in den Bundestag zu wählen. Keines der Organe im Sinne von Art. 20 Abs. 2 S. 2 Alt. 3 GG kann ein anderes Organ im Sinne von Art. 20 Abs. 2 S. 2 Alt. 3 GG zur verfassungsgebenden Versammlung aufwerten. Der Bundestag kann höchstens mit Zweidrittelmehrheit beschließen, dass es eine vom Volk zu wählende verfassungsgebende Versammlung ohne Fünf-Prozent-Hürde oder Fraktionszwang gibt, welche dann, und nicht etwa der Bundestag, die privaten Gläubiger, die EU-Kommission oder der IWF, einen Verfassungsentwurf selbst zu erarbeiten hätte. Nach Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin wäre aber bereits die Frage, ob eine neue Verfassung gewünscht wird, erst einmal gesondert von einer Volksabstimmung legitimieren zu lassen. Erst mit der Ermächtigung per Volksabstimmung, dass eine neue Verfassung zu erstellen wäre, hätte der Bundestag die Legitimation, zu beschließen, dass eine verfassungsgebende Versammlung zu wählen wäre.

Es ist Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, insbesondere die Verfassung zu schützen, und nicht, das Volk dazu zu verurteilen, über das Aufbrechen der Ewigkeitsgarantie abzustimmen oder über eine neue Verfassung abzustimmen, welche es den Organen (Art. 20 Abs. 2 S. 2 Alt. 3 GG) erlauben würde, Deutschland zu einem Bundesland eines Staates EU zu machen.

Darum kann die Lösung nur sein, alle Grundgesetzänderungen ab sofort jeweils einer Volksabstimmung zu unterwerfen. Das würde auch das Bewusstsein über den Wert des Grundgesetzes in einem Maße steigern, dass die Zahl der erforderlichen Verfassungsbeschwerden zurückgehen würde.

Fortsetzung: https://sites.google.com/site/euradevormwald/02-esm/034-europapolitik