Von den Schwierigkeiten geschlechtersensibler Sprache
Von Jonas Jakubowski und Johanna Kornell
Aus feministischen Kreisen heraus haben sich Schreibweisen für geschlechtersensible Sprache entwickelt, die inzwischen an Hochschulen und in wissenschaftlichen Veröffentlichungen größtenteils etabliert wurden. Am meisten verbreitet sind dabei die Schreibweisen mit * oder _, die als Gender-Gap bezeichnet werden. Beispielsweise: Student*innen oder Student_innen. Dabei werden sowohl die männlichen als auch die weiblichen Identitäten angesprochen. Darüber hinaus sollen damit auch alle die Personen, die sich nicht in einem binären Geschlechtersystem, also einem zweigeschlechtlichen System zuordnen wollen oder können mit angesprochen werden. Der Stern oder der Unterstrich schafft dabei eine sprachliche Lücke, die dies sicht- als auch hörbar macht.
Seit 2019 wird vermehrt ein Doppelpunkt anstelle des Sternchens oder des Unterstrichs eingesetzt. Dies soll bei Screenreadern eine verbesserte Lesbarkeit erzeugen, so dass in der Sehfähigkeit eingeschränkten Personen der Zugang erleichtert wird. Daran gibt es von feministischer Seite Kritik. Die Redakteurin des Missy-Magazins Marie Hecht kritisierte den Gender-Doppelpunkt Mitte 2020, da dieser für die gewollte Dekonstruktion zweigeschlechtlich gedachter Sprache nicht geeignet sei, „denn man kann ihn schnell überlesen [… er] kann den inklusiven Charakter des Gendersternchens bisher nicht ersetzen.“[1]
Bei einigen Wörtern treten dabei aber Probleme auf. So zum Beispiel bei dem Wort Jüd_innen, das die männliche Form auslässt. Der Berliner Blogs Latkes*Berlin erklärt hier genauer, warum die Form Juden_Jüdinnen vorerst als sinnvolle Schreibweise erscheint.[2]
In einigen Fällen bietet sich die Verwendung geschlechterneutraler Wörter an, beispielsweise: Studierende. Problematisch daran ist zum einen, dass dies nicht in allen Fällen funktioniert. Beispielsweise lässt sich kein genderneutraler Begriff für Journalist_innen finden. Zum anderen wird die gewollte Dekonstruktion der zweigeschlechtlichen Sprache umgangen.
Für Historiker_innen stellt sich die Frage der gendersensiblen Sprache noch auf eine andere Art. Wenn Historiker_innen alle personenbezogenen Begriffe gendern würden, verzerrte dies meistens die historischen Realitäten. Bezogen auf den Nationalsozialismus kommt gendersensible Sprache an ihre Grenzen, wenn sie dabei die von dieser Ideologie präferierte Zweigeschlechtlichkeit verschleiert. Die Nationalsozialisten und Nationalsozialistinnen lehnten jede Diversität der Geschlechter ab und waren in klassischen Vorstellungen von eindeutig männlichen und eindeutig weiblichen Geschlechtern verhaftet. Zudem verfolgten sie gnadenlos Menschen, die aus der vorgegebenen heterosexuellen Zweigeschlechtlichkeit ausbrachen. Wir schlagen daher vor Begriffe wie „Nationalsozialist“ nur in der männlichen und der weiblichen Form abzubilden. Die nachträgliche Konstruktion von vermeintlich diversen und überzeugten „Nationalsozialist_innen“ durch das Gender-Gap ist ahistorisch.
In anderen Fällen historischer Darstellungen, wie beispielsweise der Arbeiter_innenbewegung, die nicht nur aus männlichen Akteuren bestand und zudem emanzipatorische Ansprüche vertrat, muss jeweils am Einzelfall geprüft werden, ob das Gendern die historischen Realitäten abbildet. Konkret schlagen wir vor, zu überprüfen, ob es nicht-männliche Akteur_innen in der untersuchten Gruppe gab und die Schreibweise dementsprechend anzupassen.
Quellen und Literatur
[1] https://www.neues-deutschland.de/artikel/1136464.gendersensible-sprache-wo-bleibt-der-freiraum.html
[2] https://latkesberlin.wordpress.com/2020/10/24/juden-gendern/