Thea Gabi Halm: Der Weg zurück zu den Büchern

Eine kurze Erzählung: Der Weg zurück zu den Büchern

Thea Gabi Halm saß mit ihrem Laptop an einem wackeligen Küchentisch und starrte auf den leeren Bildschirm. Die Worte wollten einfach nicht kommen. Wieder hatte sie eine Deadline verpasst, wieder würde ihre Kolumne nicht erscheinen. Es war, als ob der Druck, etwas Bedeutendes zu schreiben, ihr jede Kreativität raubte. Dabei hatte sie geglaubt, dass sie nach der Scheidung einen Neuanfang wagen könnte – als Journalistin, als Romanautorin. Aber die Realität hatte ihr eine andere Geschichte geschrieben: Absagen, ausbleibende Zahlungen und eine Wohnung, die nach billigem Kaffee und Verzweiflung roch.

Was Thea jedoch hatte, waren Follower – fast 200.000 auf ihrer Social-Media-Seite. Jeden Tag postete sie kleine Buchrezensionen, Gedanken zur Literatur und ab und an auch Schnappschüsse von ihrem chaotischen Schreibtisch. Ihre Community liebte sie dafür. Doch die Likes und Kommentare fühlten sich oft hohl an. Es war nicht das Leben, das sie sich vorgestellt hatte.

Eines regnerischen Abends, während sie gerade überlegte, ob sie noch eine Tasse Kaffee oder lieber gleich ein Glas Wein holen sollte, ploppte eine Nachricht auf ihrem Bildschirm auf. Es war von einer Followerin namens Amelie, die schrieb: "Deine Beiträge haben mir in einer schweren Zeit geholfen. Danke, dass du die Liebe zu Büchern so leidenschaftlich teilst. Vielleicht könntest du mal einen Buchclub starten? Ich würde sofort mitmachen!"

Thea lächelte schwach. Ein Buchclub? Die Idee war charmant, aber sie war doch gescheitert. Wieso sollte jemand auf sie hören? Doch in dieser Nacht konnte sie den Gedanken nicht abschütteln. Vielleicht war es Zeit, sich wieder mit dem zu verbinden, was sie wirklich liebte: Bücher und Menschen.

Am nächsten Morgen startete sie einen Aufruf: "Was haltet ihr von einem virtuellen Buchclub? Wir könnten gemeinsam lesen und diskutieren!" Innerhalb von Stunden explodierten die Kommentare. Ihre Follower waren begeistert, und schon bald hatte sie über 500 Anmeldungen.

Der erste Livestream des Buchclubs war eine Katastrophe. Die Verbindung brach ab, und Thea hatte Schwierigkeiten, ihre Gedanken zu sortieren. Doch die Teilnehmer waren geduldig und unterstützten sie. Mit der Zeit wurde sie sicherer. Jede Woche wählten sie gemeinsam ein Buch aus, und Thea leitete die Diskussionen mit einer Begeisterung, die sie lange nicht mehr gespürt hatte. Ihre Leidenschaft war ansteckend.

Eines Tages meldete sich ein kleiner, unabhängiger Verlag bei ihr. Sie hatten von ihrem Buchclub gehört und boten ihr an, eine Sammlung ihrer besten Rezensionen als Buch herauszubringen. Thea war sprachlos. Es war kein Roman, wie sie ihn sich erträumt hatte, aber es war ein Anfang. Und dieses Mal wagte sie den Schritt.

Das Buch wurde ein Erfolg, und Thea wurde zu Lesungen eingeladen. In einer kleinen Buchhandlung – ironischerweise einer, die sie früher als Konkurrentin angesehen hatte – stand sie eines Abends vor einem Publikum, das ihr mit leuchtenden Augen zuhörte. Es fühlte sich an wie nach Hause kommen.

Am Ende des Abends, als die letzten Gäste gegangen waren, blieb sie noch einen Moment im Laden stehen, atmete tief ein und ließ den vertrauten Duft von Papier und Tinte auf sich wirken. Die Buchhändlerin in ihr hatte nie aufgehört zu existieren, aber jetzt war sie auch Autorin, Journalistin – und vor allem eine Frau, die ihren Weg gefunden hatte.

Vielleicht war es nicht das Leben, das sie sich erträumt hatte, aber es war ihr eigenes. Und das war doch mehr als genug!


Der Schatten hinter den Buchstaben

Thea Gabi Halm schob sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und blickte auf die leeren Regale ihrer kleinen Buchhandlung. "Kapitel & Kaffee" hatte einmal gebrummt vor Leben und Gesprächen. Doch die letzten Jahre waren wie eine langsame Erosion gewesen: Kunden wanderten zu den großen Onlinehändlern ab, und ihre Scheidung hatte die Geschäftsfinanzen vollends ruiniert. Mit der Verzweiflung einer Schiffbrüchigen hatte sie sich als Journalistin versucht, aber die wenigen Artikel, die sie verkauft hatte, waren nicht genug, um die Miete zu zahlen. Auch ihr Versuch, einen Liebesroman zu schreiben, lag seit Monaten auf Eis.

Was blieb, war ihre Social-Media-Präsenz. Mit fast 200.000 Followern war sie ein kleiner Star in der Literaturszene. Ihre Buchempfehlungen und pointierten Posts zogen eine treue Community an. Doch Likes und Kommentare bezahlten keine Rechnungen. An diesem verschneiten Dezembernachmittag, als das gedämpfte Klingeln von Weihnachtsmusik aus dem Radio kam, erschien die Nachricht, die alles ändern sollte.

Ein gewisser Marc Fürst schrieb ihr: „Ich bin ein großer Fan Ihrer Buchbesprechungen. Ihre Leidenschaft für Literatur ist inspirierend. Vielleicht wäre das hier etwas für Sie: Ein exklusiver Rechercheauftrag. Bezahlung inklusive.“
Thea runzelte die Stirn. Ein Rechercheauftrag? Sie war keine Journalistin mit großem Namen. Doch als sie seine Nachricht weiterlas, wurde sie neugierig. Marc, angeblich ein Kunsthändler, suchte jemanden, der das Verschwinden eines seltenen Manuskripts untersuchte.
Ein verschollener Briefwechsel zwischen Goethe und Schiller sollte vor Jahren bei einem Nachlasshändler in Stuttgart aufgetaucht sein – nur um dann spurlos zu verschwinden. Marcs Botschaft klang wie die Einleitung eines Thrillers. Und seine Erwähnung eines Honorars brachte ihre finanzielle Notlage ins Gedächtnis.

Eine Woche später saß Thea in einem schick dekorierten Café in Stuttgart, das von glitzernden Weihnachtslichtern erhellt wurde, und wartete auf Marc. Als er erschien, war sie überrascht. Er war hübscher, als sie erwartet hatte – groß, dunkles Haar, ein verschmitztes Lächeln. Seine Augen blitzten, als er sie begrüßte.
„Thea Halm, die Frau hinter den Buchstaben,“ sagte er und hielt ihre Hand einen Moment zu lang. „Ich hoffe, Sie sind bereit für ein Abenteuer.“

Das Gespräch verlief flüssig. Marc erklärte, dass das Manuskript Millionen wert sei – und dass es Gerüchte gab, ein einflussreicher Sammler halte es unter Verschluss. Als er Thea ein Foto des letzten bekannten Besitzers zeigte, stockte ihr der Atem. Es war Robert, ihr Ex-Mann.

In den Tagen darauf durchforstete Thea ihre alten Kontakte. Sie erinnerte sich, dass Robert ein Faible für seltene Bücher gehabt hatte, aber er war nie ein Sammler im großen Stil gewesen. Trotzdem hatte sie das Gefühl, dass Marc recht haben könnte. Ihre Recherchen führten sie in zwielichtige Antiquariate, zu Bücherfälschern und schließlich zu einer geheimnisvollen Frau namens Helene, die angeblich für einen elitären Zirkel von Kunsthändlern arbeitete. Bei einem Treffen mit Helene in einer Bar wurde Thea klar, dass die Sache gefährlicher war, als sie gedacht hatte.
Helene beugte sich über den Tisch, ihr roter Lippenstift leuchtete im schummrigen Licht. „Du solltest wissen, dass Leute für weniger als ein Goethe-Manuskript gestorben sind, Liebes.“
Thea schluckte. Ihre Finger zitterten leicht, als sie an ihrem Glas nippen wollte. Doch sie konnte nicht mehr zurück. Sie musste wissen, ob Robert in diese Affäre verwickelt war – und warum er sie nie eingeweiht hatte.

Währenddessen begann die Spannung zwischen ihr und Marc zu knistern. Ihre Treffen wurden persönlicher, ihre Gespräche intimer. Eines Abends, als sie zusammen durch einen Weihnachtsmarkt streiften, hält er plötzlich an, zog sie in eine Ecke und küsste sie unter einem Mistelzweig. Die Küsse waren hungrig, ihr Verlangen unstillbar. Doch Thea konnte sich nicht vollständig fallen lassen. Im Hinterkopf nagte der Gedanke, dass Marc etwas verheimlichte.
Am Morgen nach einer durchwachten Nacht lag er neben ihr und zeichnete mit dem Finger sanft Muster auf ihren Rücken. „Thea,“ sagte er leise, „ich muss dir etwas gestehen. Ich bin nicht nur ein Kunsthändler. Ich arbeite undercover, um diesen illegalen Markt aufzudecken.“

Thea sprang auf. „Du hast mich benutzt?“ Ihre Stimme bebte.

„Nein, nie!“ Marc setzte sich auf. „Aber ich brauchte deine Expertise. Ohne dich wäre ich nie so weit gekommen.

Es war dieser Moment, der Thea klarmachte, dass sie die Sache zu Ende bringen musste – für sich selbst. Mit Marcs Hilfe stellte sie eine Falle.
Sie lockten Helene und ihren Zirkel zu einer angeblichen Versteigerung, die in Wahrheit von der Polizei überwacht wurde. Der Plan ging auf. Helene wurde verhaftet, und das Manuskript tauchte tatsächlich auf – in Roberts Besitz.
Das Wiedersehen mit Robert war bittersüß. Er gestand, dass er das Manuskript gestohlen hatte, um sich finanziell abzusichern, nachdem ihre Ehe gescheitert war. Trotz des Verrats verspürte Thea keine Wut mehr – nur Erleichterung, dass dieses Kapitel endlich abgeschlossen war.

Ein Jahr später saß Thea wieder in ihrer Buchhandlung. „Kapitel & Kaffee“ hatte durch die mediale Aufmerksamkeit eine Renaissance erlebt, und ihre Social-Media-Seite florierte wie nie zuvor. Die Buchhandlung war nun warm geschmückt mit Kränzen aus Tannenzweigen und Lichtern, und durch die Fenster sah man den Schneefall wie in einer perfekten Postkarte. Sie hatte ihre Erfahrungen in einem Buch verarbeitet – ein Mix aus Krimi, Liebesgeschichte und Memoiren. Es war ein Bestseller geworden.

Als die Tür aufging und Marc hereinkam, spürte Thea, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte. Er hielt ein kleines Päckchen in der Hand, eingewickelt in goldenes Papier. „Frohe Weihnachten, Thea,“ sagte er und reichte es ihr.
Sie öffnete es und fand ein altes Buch mit einem geheimnisvollen Symbol auf dem Cover. „Hast du Lust auf ein neues Abenteuer?“ fragte er und lächelte verschmitzt.
Thea lachte.
Dieses Mal war sie bereit.