Treibstoffversorgung
Artikel aus den Weezer-Uedemer Mitteilungen
Ein Flugplatz, der für ca. 60 Militärjets geplant und ausgerüstet ist, der zudem eine größere Zahl von Gastflugzeugen versorgen muss, muss zwangsläufig mit einer größeren Menge Kraftstoff ständig und störungsfrei versorgt werden. Anfangs gab es unterschiedliche Pläne, die Versorgung durchzuführen. Gegen einen der ursprünglichen Pläne, den Bahnhof Weeze für den Benzin-Umschlag zu nutzen, regte sich bereits im Monat der Aufnahme des Flugbetriebs (Oktober 1954) Protest seitens des Weezer Gemeinderates. Das Umfüllen und der Transport per Tankwagen zum Flughafen (ca. 6km) wurde für zu gefährlich erachtet. Der Zeitungsartikel aus den Weezer-Uedemer Mitteilungen nannte weitere Gründe: Wasserverseuchung - in der Nachbarschaft gelegene Molkerei mit hohem Wasserverbrauch - in der Nachbarschaft gelegenes Sägewerk (Feuergefahr). Im unten zu sehenden Foto aus dieser Zeit ist deutlich die räumliche Nähe des Bahnhofs und der Gleise zur direkt darüber liegenden Molkerei zu sehen. Auch das Sägewerk Geenen liegt in einer eventuellen Gefahrenzone. Die Weller Straße
verläuft von links unten (Bahnübergang) nach rechts unten Richtung Ortsausgang und Flughafen (ca. 6 km entfernt).
Auch aus den Stationsprotokollen (Oktober 1954) lässt sich entnehmen, dass angedacht war, für den Kerosintransport ein Gleis (railway siding) zum Flughafen zu verlegen: "No information has been received concerning the decision to build a railway siding at Weeze for the delivery of fuel to the station."
Angemahnt wird "An early decision concerning the building of a railway siding at Weeze for the off-loading of Avgas, Avtag and Avtur."
Auf dem Hintergrund der von Anfang an laufenden Diskussionen um Zweckmäßigkeit und Sicherheit des Straßentransports der Laarbrucher Treibstoffe vom Bahnhof Uedem über Weeze nach Laarbruch hat es Verwaltungsinitiativen zur Verbesserung dieser Situation gegeben. Zwei davon haben Spuren in Form von Dokumenten hinterlassen:
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Herstellung eines Besatzungs-Gleisanschlusses vom Bahnhof Weeze zum Flugplatz Laarbruch
Schreiben des Landkreis Geldern vom 16.11.1953 im Zusammenhang mit der Einladung zu einem Erörterungstermin am 26.11.1953 im Rathaus Weeze zu dem genannten Projekt an die Herren Graf von Loe, Johs. Broekmann, Gerhard Kannenberg und Peter Treker. "Herstellung eines Besatzungs-Gleisanschlusses vom Bahnhof Weeze zum Flugplatz Laarbruch"
"Zu dem am Donnerstag, dem 26.November 1953, vormittags 10:00 Uhr im Sitzungssaale des Rathauses Weeze stattfindenden Erörterungstermin betr. Herstellung eines Besatzungs-Gleisanschlusses vom Bahnhof Weeze zum Flugplatz Laarbruch werden Sie hiermit eingeladen".
Treibstoffumfüllanlage am Grafscher Weg und Rohrleitung nach Laarbruch
Am Grafscher Weg, in Sichtweite der Höfe Großer Graf und Kleiner Graf, wurde eine Treibstoffumfüllanlage mit Pumpstation überlegt, um von dort aus die per Eisenbahn-Tankwagen ankommenden Treibstoffe über eine Rohrleitung nach Laarbruch zu pumpen, mit Anschluss an das dortige Staffel-Tanklager T2 (BFI T2), siehe Skizze links
Dazu gehört eine Erklärung vom 12.8.1955 der Freiherrlich von Vittinghoff-Schell’schen Verwaltung und weiterer Grundstückeigentümer, in der diese sich damit einverstanden erklärt / erklären, dass deren in Frage kommenden Grundstücke in den Bezirken Wemb – Hees – Im Veen für die Verlegung einer Versorgungsleitung in der von der Gemeindeverwaltung Weeze in etwa angegebenen Umfang in Anspruch genommen werden können.
Das Projekt wurde nicht realisiert. In einer Vorlage der Verwaltung zur Treibstoffumfüllanlage am Grafscher Weg zur Sitzung am 4.6.1957 wird unter Punkt 3. Vorschlag, eventueller Beschlußentwurf mitgeteilt: „Gemeindevertretung nimmt davon Kenntnis, daß das Projekt nicht zur Ausführung kommt.
Planungsskizze erstellt von Finanzbauamt Wesel
Weeze – Einmütig protestierte der Hauptausschuß des Weezer Gemeinderates auf seiner letzten Sitzung gegen das jetzt bekanntgewordene Vorhaben der alliierten Luftstreitkräfte, für die Versorgung der Einheiten auf dem Flugplatz Laarbruch eine Benzin-Umschlagstelle auf dem Gelände des Weezer Bahnhofs zu errichten.
Die Vertreter der Weezer Öffentlichkeit gingen dabei von der Tatsache aus, daß Flugbenzin mit zu den höchstexplosiven Stoffen zählt und eine Umfüllung von Tankwagen der Bahn in Kraftfahrzeug-Tankwagen oder auch nur eine Abzapfung durch eine evtl. zu errichtende Rohrleitung (pipe line) zum Flugplatz hin größte Gefahren für den Zivilverkehr auf dem Weezer Bahnhof wie auch für die angrenzenden Betriebe mit sich bringt.
So hat auch das Sägewerk Heinrich Geenen gegen dieses Vorhaben schärfstens protestiert.
Aber es gibt noch andere Gründe, die es ratsam erscheinen lassen, diesem Projekt gegenüber von vornherein allen gebotenen Widerstand zu leisten. So teilte das Wasserwirtschaftsamt mit, daß durch ein Liter in den Boden geleitetes und bis zum Grundwasser vordringendes Flugzeugbenzin 500000 Liter Wasser für den menschlichen Genuß unbrauchbar würden.
Was das heißt in Zeiten, da Weeze eine zentrale Wasserversorgung ausbaut und in Anbetracht dessen, daß die Molkerei (mit ihrem bekannt hohen Wasserverbrauch) in unmittelbarer Nähe liegt, braucht wohl nicht näher erläutert zu werden.
Unterstützung findet der Weezer Protest auf jeden Fall bei den Behörden des Kreises wie auch des Landes, sodaß zu erwarten bleibt, daß sich die Herren des Flugplatzes auf ihren ursprünglichen Plan besinnen und ein Geleis bis auf das Gelände selbst legen lassen, oder aber den benötigten Sprit durch eine Pump-Linie aus Tankschiffen der Maas beziehen.
Noch vor Ende des Monats hatte der Protest des Weezer Gemeinderates Erfolg. Kreis und Land schlossen sich an. Die Briten mussten neue Möglichkeiten der Treibstoffversorgung suchen.
Gefahr gebannt Weezer-Uedemer-Nachrichten v. 23. Okt. 1954
Weeze – Wie verlautet, hatte der Protest des Weezer Gemeinderates gegen das Vorhaben der RAF auf dem Bahnhof eine Umschlagstelle für Flugplatz Benzin einzurichten, Erfolg gehabt.
Diesem Protest schlossen sich die Behörden des Kreises und des Landes an, und da auch der interministerielle Ausschuß seine Zustimmung verweigerte, ist man jetzt dabei, nach neuen Möglichkeiten einer Versorgung des Flugplatzes mit Benzin Ausschau zu halten.
Zudem gab es Bedenken, die Roggenstraße zu einer neuen Ost-West-Durchfahrt auszubauen. Schon zu diesem Zeitpunkt Mitte der 50er Jahre wurde die Möglichkeit einer Südumgehung Weezes angedacht.
Gemeinde setzt sich durch (Weeze) Weezer-Uedemer-Nachrichten v. 20. Nov. 1954
Weeze – Der Regierungspräsident in Düsseldorf hat sich in einer von ihm abgegebenen Stellungnahme, die dem Rat der Gemeinde abschriftlich zugeleitet wurde, die Argumente zu eigen gemacht, die auch die Gemeindeverwaltung veranlaßte, sich mit allen Mitteln dem Bau einer Benzin-Umschlagstelle auf dem Weezer Bahngelände zu widersetzen.
Damit dürfte das Vorhaben so gut wie vereitelt sein.
Ebensowenig dürften sich die Pläne verwirklichen lassen, die gehegt worden waren im Hinblick auf den Ausbau der Roggenstraße zu einer neuen Ost-West-Ortsdurchfahrt. Eine Ortsbesichtigung, wie sie von den beteiligten Instanzen zusammen mit den Vertretern von Rat und Verwaltung vorgenommen wurde, hatte eine weitgehende Annäherung der beiderseitigen Standpunkte zum Ergebnis. Dem Vorschlag der Gemeinde folgend, soll jetzt vor allem noch einmal die Möglichkeit einer nach Süden geleiteten Umgehung erörtert werden.
Ein sogenannter "dritter Weg" kam im November zur Sprache. Die auch einmal angedachte Version, von der Bahnstrecke Kevelaer - Weeze ab etwa Schloss Wissen über die Hahnenstraße ein Stichgleis bis zum Flughafen abzuzweigen, wurde verworfen. Über den "dritten Weg" gab es vorerst nur Spekulationen.
Dritter-Weg (Weeze) Weezer-Uedemer-Nachrichten v. 27. Nov. 1954
Weeze – Dem jetzigen Stand der Verhandlungen und Planungen nach wird voraussichtlich weder das von deutscher Seite heftig bekämpfte Projekt einer Benzin-Umschlagstelle auf dem Bahnhof verwirklicht werden noch ist an ein Wiederaufleben des alten Planes, wonach am Hahnenweg eine Stichbahn zum Flugplatz gebaut werden soll, gedacht worden. Die Versorgung des Flugplatzes mit dem benötigten Treibstoff wird wahrscheinlich auf anderem Wege vor sich gehen.
Anfang 1955 kam Uedem ins Spiel. Weezes etwa 7 km entfernte Nachbargemeinde hatte an seiner Westgrenze einen Bahnhof der sogenannten Boxteler Bahn. Dort wurde nun nach einer etwas umständlichen Bahnanlieferung der Jet-Treibstoff in britische Militärtankwagen umgefüllt und über die Straße nach und durch Weeze bis zum Flughafen geliefert. Der Bahntransport war zuvor über die Bundesbahnstrecke von Köln bis Goch als normaler Gütertransport (Dampfloks) gerollt. Am Gocher Bahnhof wurden die Tankwaggons umgekuppelt und mit einer Kleinlok (KÖF) über das Gleis der Boxteler Bahn bis Uedem gezogen.
Die Bedenken der Uedemer Bürger versuchten die Bahnbehörden zu beschwichtigen, indem man die Anzahl gleichzeitig zu löschender Kesselwagen auf vier begrenzte. Trotzdem regte sich verständlicherweise bei den Uedemer Anliegern Widerstand, wobei der Gemeinderat das Problem anfangs als nicht so dringend ansah.
Uedem – ein etwas ungewöhnliches Bild bietet sich zur Zeit auf dem Uedemer Bahnhof. Um eine Reihe von Tankwagen, die auf einem Nebengleis abgestellt sind, drängen sich grüngestrichene Militärfahrzeuge, die offenbar den Inhalt der großen Kessel in ihre eigenen Tanks aufnehmen und weitertransportieren.
Des Rätsels Lösung: In Uedem wird das Benzin für den Weezer Flugplatz umgeladen, so absurd das auch klingen mag. Denn die Tankwagen der Bahn rollen natürlich vom Ruhrgebiet über Krefeld nach Weeze, von dort weiter nach Goch, werden umgeleitet nach Uedem, hier entladen und zurück geht die Fahrt nach Weeze.
Ein wenig umständlich, sollte man meinen. Aber gegen die höhere Weisheit eines K?-Offiziers kommt eben niemand auf. Dem hatte nämlich der Weezer Gemeinderat viel Ärger gemacht mit seinem Beschluß, sich mit allen Mitteln dem Bau einer Entladeeinrichtung für Flugzeugbenzin zu widersetzen. Die Weezer Ratsherren trauten dem Braten nicht recht und waren von der Harmlosigkeit des Düsenjägertreibstoffs zu überzeugen. Ihrem Protest schloß sich übrigens der Kreistag in Geldern wie auch der Regierungspräsident in Düsseldorf an, der auch in dieser Umfüllung des Treibstoffs in der Nähe von Wohnhäusern und Fabriken eine akute Gefahr erblickte.
Da bot sich nur Uedem als Ausweg an. Durch die Umleitung der Waggons entstanden nicht einmal Mehrkosten, da die Berechnung nach dem Tarif der alten, zur Zeit stillgelegten Strecke Goch – Wesel erfolgt. Und entgehen lassen wollte sich die Bahn diesen fetten Auftrag natürlich auch nicht. So rollten also die ersten Tankwagen an die Verladerampe in Uedem, ohne daß irgendjemand außer den direkt Beteiligten davon Kenntnis gehabt hätte. Erst die Aufmerksamkeit eines Bahnhofsnachbarn führte dazu, daß sich die Uedemer Behörden mit diesen Vorgängen, die ja nicht nur eine bahninterne Maßnahme darstellen, befaßten. Doch hatte man es hier keinesfalls so eilig wie in Weeze und bis zur Stunde hat der Gemeinderat zu diesen Dingen auch noch nicht Stellung genommen.
Vielleicht ist er durch die bahnamtliche Versicherung beruhigt worden, daß alles geschehen sei, um Explosionen zu verhüten und daß Fachleute die Entfernung von der Ausladestelle bis zu den nächsten Gebäuden als genügende Sicherheit anerkannten. Damit hat dann natürlich auch die Bahn die volle Schadensersatzpflicht bei etwaigen Unfällen übernommen. Die Argumentation, mit der die Bahn ihr wirtschaftliches Interesse zu umkleiden versucht, ist jedoch mehr als dürftig. Denn daß natürlich alle Straßenanlieger gefährdet und in dem Augenblick, wo ein Tankfahrzeug passiert, kann schlecht als Beruhigung dienen für die Uedemer, in deren Nachbarschaft jetzt ständig der Treibstoff umgefüllt wird. Trotzdem steht die Bahn auf dem Standpunkt „Geht’s nicht über die Schiene, geht’s bestimmt über die Straße“ und unausgesprochen: wobei wir dann nichts verdienen.
Eine Endlösung stellt dieser Umschlag in Uedem natürlich nicht dar. Denn die Sicherheits-bestimmungen gestatten nur eine Abstellung von vier Waggons mit Düsenjägersprit auf den Bahnhofanlagen. In dem Augenblick aber, da der volle Flugverkehr einsetzt, dürfte der Inhalt dieser vier Kessel nicht einmal einen Bruchteil des benötigten Treibstoffs ausmachen.
Ob die RAF nun wieder zu ihrem alten Vorhaben, dem Bau einer Stichbahn zum Flugplatz zurückkehrt oder sich mit einer Pipe-Line behilft, ist in erster Linie Sorge der Militärs, die Uedem jedoch hoffentlich mit Projekten ähnlicher Art in Zukunft verschonen werden.
Das große NATO Luftmanöver 'Carte Blanche' im Juni 1955 brachte für den Niederrhein nicht nur erhöhten Fluglärm, sondern für die Uedemer (und Weezer) Bevölkerung wiederum Ängste wegen des Kerosintransports vom Bahnhof Uedem zum Flugplatz Laarbruch. Mittlerweile hatte auch der Uedemer Gemeinderat genau wie Kreisverwaltung und Oberfinanzdirektion Protest erhoben. Uedem fühlte sich besonders stark durch die militärischen Maßnahmen betroffen, da auf Uedemer Gebiet auch der Flugschießplatz der Royal Air Force eingerichtet werden sollte. [Dieser Plan zerschlug sich später aus verschiedenen Gründen.]Dass die Verantwortlichen des Flugplatzes mit der Treibstoffversorgung selbst unzufrieden waren, zeigte eine kurze Meldung vom 9. Juli. (s.u.)
Langsam reicht es – Uedem fährt fort zu protestieren Weezer-Uedemer-Nachrichten v. 2. Juli 1955
Uedem – Die großen Luftmanöver, die in diesen Tagen zuende gingen, brachten für die Gemeinde Uedem eine Reihe Unzuträglichkeiten und Gefährnisse mit sich, die sich nicht nur auf den donnernden Lärm der tieffliegenden Düsenjäger und – bomber bezogen. Da auf dem Flugplatz Laarbruch Hochbetrieb herrschte, stieg der Bedarf an Treibstoff für die dort landenden Flugzeuge sprunghaft an. Über die Straße konnten die benötigten Mengen keinesfalls herangeführt werden. So entsann man sich der im vergangenen Jahr genutzten Möglichkeit, den Schienenverkehr zu benutzen und den Umschlag des hochexplosiven Brennstoffs in Uedem vorzunehmen.
Damit setzten sich die Militärs über sämtliche Proteste hinweg, die seinerzeit bei dem ersten Versuch, ein solches Verfahren zur ständigen Einrichtung zu machen, von den deutschen Zivilbehörden erhoben worden waren. In den letzten vierzehn Tagen rollte ein Tankwagen nach dem anderen in Uedem an die Rampe und flossen Tausende von Litern Düsenjäger-Treibstoff in die Kesselwagen des RAF-Kraftfahrzeugparks über.
Das Argument, mit dem man bisher alle Einwände abtat: „Es ist ja nicht das Geringste dabei passiert.“ Besitzt wenig Überzeugungskraft. Denn ihm Berechtigung einzuräumen, hieße nichts anderes als sämtliche Vorsichtsmaßregeln abhängig zu machen von einer Katastrophe, die sich erst einmal ereignen müßte.
Den Protesten der Gemeinde und des Amtes Uedem haben sich sowohl die Kreisverwaltung wie auch die Oberfinanzdirektion angeschlossen. Zur Zeit liegen die Einsprüche beim interministeriellen Ausschuß, dem der Name Uedem langsam vertraut werden müßte, hat er doch bereits dreimal auf der Tagesordnung seiner
Verhandlungen mit britischen Dienststellen gestanden (Protest Schießstand Reichswald, Protest Objekt Paulsberg und Protest Objekt Gochfortsberg und Roter Berg). Jetzt liegt also in Sachen Benzin-Umschlag der nächste Einspruch vor. Es bleibt allerdings die große Frage, ob dem jüngsten Schritt der Uedemer Verwaltung derselbe – negative – Erfolg beschieden ist wie den bisher ergriffenen Maßnahmen. Man sollte jedoch annehmen, daß einer Gemeinde, die in einem solchen Ausmaße durch militärische Vorhaben der verschiedensten Art in Mitleidenschaft gezogen wurde, zumindest die Sorge erspart bliebe, nun auch noch ihreMilchversorgung durch Tropfbenzin gefährdet zu sehen (die Molkerei liegt wenige Meter von der Verladestelle entfern) oder es gar zu erleben, daß eine Explosion eines der größten Werke des Ortes (das nur durch die Bahngeleise selbst von der Umtankstelle getrennt ist) zerstört.
Selbst die Regel, daß nicht mehr als drei gefüllte Tankwagen gleichzeitig entleert werden dürfen, vermag da wenig Beruhigung zu geben.
Wünsche decken sich (Uedem) Weezer-Uedemer-Nachrichten v. 9. Juli 1955
Uedem – Nach einer Mitteilung der RAF – die uns auf unseren letzten Artikel über die Gefahr bei dem Benzin-Umschlag auf dem Uedemer Bahnhof erreicht – sind die technischen Instanzen des Flugplatzes selbst keineswegs von dieser Lösung angetan. Es dürfte also kaum bei der jetzigen Gepflogenheit bleiben.
Als Anekdote am Rande zeigte ein Bericht vom 20. August, dass es auch immer einige Zeitgenossen gab, die von dieser Situation profitierten. In Zusammenarbeit mit einigen britischen Luftwaffensoldaten zweigten Uedemer Diebe eine große Menge normales Autobenzin ab, das neben dem für den Normalverbraucher unnützen Kerosin auch in einigen Kesselwaggons angeliefert wurde. Die Briten mussten mit scharfen Maßnahmen seitens des Militärtribunals rechnen.
Billige Versorgungsquelle versiegte Weezer-Uedemer-Nachrichten v. 20. August 1955
Uedem – Eine größere Anzahl Uedemer Bürger ist in den Skandal über das bei der Umfüllung von der Schiene auf die Straße entwendete RAF-Benzin verwickelt. Während der gewöhnlich in Uedem umgeschlagene Sprit als Düsenjägertreibstoff für den zivilen Verbraucher völlig wertlos ist, befanden sich unter den Lieferungen auch einige Waggons Fahrbenzin, die von den Falschen „angezapft“ wurden. Die genaue Menge des entwendeten Treibstoffs ist bislang noch nicht bekannt, doch muß es sich nach den bisherigen Ermittlungen um recht beachtliche Bestände handeln.
Außer den an diesem Coup beteiligten deutschen Zivilisten sehen auch eine Reihe „eingeweihter“ Engländer ihrer Bestrafung entgegen.
Erinnerung Werner Verfürth
Mein Vater war beim Bahnhof Goch im Rangierdienst beschäftigt. Der erzählte mal über die Handhabung der Beförderung der Kesselwagen von Goch nach Uedem.
Die Kleinlok (Köf), die keine große Zugkraft und auch keine Druckluftbremse hatte, durfte nur eine begrenzte Last mitnehmen. Da aber der Flugplatz in Laarbruch sehr viel Sprit benötigte und man nicht öfter am Tag fahren wollte, (in dieser Zeit war noch viel Arbeit an der Bahn) nahm man schon mal etwas mehr mit als man durfte.
Es gab aber eine Schwierigkeit: Vor dem Bahnhof Uedem stieg die Strecke an, und die Kleinlok schaffte den Anstieg nicht. Das Problem wurde gelöst in dem ein Teil der Kesselwagen, in Höhe der Haltestelle Buckholt [Sandheider Weg] abgehängt wurde. (Absprache mit Fahrdienstleiter Goch in Zugpause) Den ersten Teil brachte man zur Ladestraße in Uedem, danach wurde der zweite Teil geholt.
Ich selber kann mich noch daran erinnern, dass im Bahnhof Goch sehr viele Kesselwagen standen.
Auch Ende Oktober 1955 wurde das für den Flugbetrieb auf RAF Laarbruch benötigte Kerosin weiterhin auf dem Bahnhof Uedem umgefüllt. Erste Pläne für eine Versorgung per Pipeline wurden in den Räten von Weeze und Uedem bekannt. Gemutmaßt wurde, dass die Pipeline von Holland kommend an den Flughafen angebunden werden sollte. Auf dem Flughafen selbst gab es bereits für jeden der vier Staffelbereiche ein Tanklager, von dem aus die Flugzeuge versorgt wurden. Früher diskutierte Pläne einer direkten Bahnanbindung des Flughafens waren somit vom Tisch.
Kein Benzin-Umschlag mehr in Uedem Weezer-Uedemer-Nachrichten v. 27. Okt. 1955
Uedem – Die Bestrebungen der deutschen und britischen Behörden, zu einer endgültigen und alle Teile befriedigenden Lösung hinsichtlich des Problems der Spritversorgung für den Flugplatz Laarbruch zu kommen, scheinen einen ersten Erfolg gezeitigt zu haben. Bekanntlich wird der von den in Weeze stationierten Flugzeugen benötigte Treibstoff nach wie vor in Uedem umgeschlagen. Die ankommenden Tankwagen mit dem hochexplosiven Kerosin wurden auf Lastwagen umgefüllt, und über die Straßen geht die Versorgung des Flugplatzes dann vor sich. Ein sehr umständliches und unsicheres Verfahren, das weder die Militärs noch die deutschen Kommunalbehörden zu befriedigen vermochte, da die Gefahr einer Explosion stets wie ein Damoklesschwert über den Häuptern derer schwebt, die in der Umgebung des Bahnhofs zu tun oder dort Haus und Hof in Besitz haben.
Jetzt soll ein für allemal durch den Bau einer Pipe-Line zum Flugplatz Rat geschafft werden. Damit fällt auch das anfangs *** Projekt Bahnanschluß für den Flugplatz weg. Die Pipe-Line wird voraussichtlich von Holland aus den unmittelbar an der Grenze gelegenen Flugplatz erreichen.
Bereits zwei Wochen später wurde berichtet, dass die Pipeline bereits im Bau sei.
Dies lässt die Vermutung zu, dass die britische Besatzungsmacht die deutschen Behörden aus Geheimhaltungsgründen nicht komplett über ihre Vorhaben unterrichtet hatte. In diesen frühen Jahren wurden die Vorhaben zur NATO-Treibstoffversorgung noch als Besatzungsbauten unter Lenkung der Besatzungsstreitkräfte ausgeführt, wobei keine deutsche Behörde ein Aufsichtsrecht hatte. Aus dem Kölner Raum kommend sollten die vier britischen Clutch Stations nahe der niederländischen Grenze (Wildenrath, Geilenkirchen, Brüggen und Laarbruch) mit Treibstoff versorgt werden. Weiteres dazu im separaten Abschnitt "Pipelines".
Rohrleitung versorgt den Flugplatz Weezer-Uedemer-Nachrichten v. 12. Nov. 1955
Weeze – Die Pipe-Line, die zur Spritversorgung des Flugplatzes angelegt wird (und die deutschen Behörden der Notwendigkeit entheben dürfte, eine Eisenbahn-Verbindung zum Flugplatz herzustellen) ist im Bau. Sie wird aus dem Kölner Raum kommend die RAF-Fluplätze Elmpt, Geilenkirchen, etc. erreichen und von dort bis Laarbruch weitergeleitet. Von dem Gemeindegebiet Weeze aus wird die Leitung durch Holland hindurch bis zur Nordsee weitergeführt werden. Mit dieser Lösung des Treibstoff-Versorgungsproblems dürfte auch der hier noch immer übliche Transport des hochexplosiven Kerosins über die Straße von Uedem aus nach Laarbruch hinfällig werden.
Der Pressebericht ist etwas ungenau, denn die 6 Zoll Pipeline (ca. 15 cm Durchmesser) verlief / verläuft als Abzweigung einer bestehenden West-Ost-Pipeline von Würselen 53 km Richtung Norden bis Laarbruch. Die Flugplätze Geilenkirchen (Nr 6), Wildenrath (Nr 5) und Brüggen-Elmpt (Nr 3) wurden über Stichleitungen versorgt. Laarbruch ist auf der Karte als Nr 1 gekennzeichnet. Das "Tanklager Goch" (so genannt, aber in Lüllingen positioniert) wurde erst einige Jahre später seiner Bestimmung übergeben.
Weeze – Die seit langem angekündigte Rohrleitung, die dem Weezer RAF-Flugplatz Laarbruch den benötigten Düsenjäger-Treibstoff zuführen wird, ist jetzt fertiggestellt worden. Laarbruch ist damit an das große Netz der von der Nordseeküste aus unmittelbar gespeisten Pipe-Line angeschlossen. Die Leitung verläuft über Twisteden und Wemb auf deutschem Boden und beschreibt dann von Laarbruch aus einen Bogen ins Holländische hinein.
Damit dürfte das seit Jahren diskutierte Problem der Versorgung des Flugplatzes mit dem wichtigsten Gut gelöst sein. Die Herstellung einer Eisenbahn-Stichlinie am Hahnenweg bis zum Flugplatz ist dadurch ebensowenig mehr notwendig wie auch der Benzintransport über die Straße fortfallen dürfte. Vor allem die Uedemer können mit dieser Entwicklung einverstanden sein, eröffnen sich doch dadurch für sie Möglichkeiten, ihre Bahnanlagen wieder ausschließlich für die Zwecke des zivilen Güterumschlags zu nutzen. Die seit Jahren drohende Gefahr, daß bei der Abfüllung des Düsenjäger-Treibstoffs sich einmal eine Explosion ereignen würde, ist somit wohl endgültig gebannt.
Ende September machte der Weiterbau der Pipeline Richtung Rhein noch einmal Schlagzeilen in der örtlichen Presse. Wie in der rechts stehenden Karte auch zu sehen ist, sollte die Pipeline von Lüllingen (Tanklager Goch) an Laarbruch vorbei weiter Richtung Westen geführt werden. Die Felder der betroffenen Landwirte konnten kurz nach dem Verlegen der Pipeline ohne Einschränkung wieder benutzt werde.
Erstaunlich war jedoch, dass man dem Artikel entnehmen konnte, dass die Verladung des Kerosins am Bahnhof Uedem noch nicht gestoppt war. Leider existieren keine Fotos von diesen Aktionen.
Benzin-Umschlag überflüssig geworden Weezer-Uedemer-Nachrichten v. 4. Feb. 1956
Uedem – Frohe Nachricht für die Bewohner des Schusterstädtchens. Der Albdruck, der seit über einem Jahr auf ihnen lastete, ist genommen. Von der RAF-Station Laarbruch wird bekannt, daß die seit längerer Zeit projektierte Pipe-Line jetzt bis zum nördlichsten NATO-Flugplatz in Westdeutschland fertiggestellt ist. Damit ist wohl auch das wichtigste Versorgungsproblem des Flugplatzes gelöst. Für Uedem hat diese Nachricht deshalb besondere Bedeutung, weil damit die bisherige Gepflogenheit, nach der auf dem Uedemer Bahnhof der Sprit-Umschlag von der Schiene auf die Straße erfolgte, hinfällig geworden sein dürfte. In Zukunft werden demnach keine Tankwagen der britischen Luftstreitkräfte mehr von Uedem aus in Richtung Weeze rollen und besteht kein Grund mehr zu der Befürchtung, daß eines Tages durch unvorsichtiges Hantieren mit dem hochexplosiven Düsenjäger-Treibstoff eine Katastrophe sich ereignen könne, die ganz Uedem in Mitleidenschaft ziehen würde.
Uedem – Zwar bemühte man sich um möglichst vollständige Geheimhaltung des ganzen Unternehmens, doch kann man nicht verhindern, daß die Landwirte zumindest wissen wollen, wer da auf ihren Feldern zu buddeln anfängt. Unter dem Siegel tiefster Verschwiegenheit wird ihnen mitgeteilt, daß es sich um eine wichtige militärische Maßnahme handelt (dergleichen ja der Uedemer Ratsbezirk mit seinen Schießständen und Radarstationen in den letzten Jahren genügend kennengelernt hat). Diesmal geht es allerdings um eine andere militärtechnische Einrichtung, die deshalb nicht geringeren strategischen Wert besitzt.
Von Laarbruch kommend führt die jüngste Pipe-Line am Niederrhein über Kevelaer und Kervenheim durch das Gebiet der Gemeinde Uedemerbruch und wird dann in Richtung auf den Rhein weitergeführt. Diese unterirdische Versorgungsleitung steht in Verbindung mit dem weitverzweigten Netz der Treibstoffkanäle, die alle NATO-Flugplätze untereinander verbinden und in den großen Seehäfen am Atlantik enden. Von Laarbruch geht bekanntlich eine solche Leitung auch direkt nach Holland und nunmehr also ebenfalls nach Osten in Richtung auf den Rhein zu, was die ursprünglichen Pläne eines weiteren Baus von Flugplätzen der vorgeschobenen Formationen jenseits des Rheins (in Wesel, Rees, Dinslaken) zu bestätigen scheint.
Die Uedemerbrucher Bauern beruhigten sich allerdings schnell wieder über diese auf ihrem Grund und Boden ausgehobenen Schächte. Sie wurden unmittelbar nach Verlegung der Rohre wieder zugeworfen und stören die Landwirte in Zukunft überhaupt nicht. Evtl. aufgetretene Schäden an noch bestehenden Kulturen wurden zudem ersetzt.
Die Hoffnungen, die an diese und frühere Nachrichten über den Anschluß des Weezer Flughafens an das Pipe-Line Netz von den Anwohnern des Schusterstädtchens geknüpft wurden, erwiesen sich jedoch als irrig. Diese Anlagen stellen ausschließlich strategische Einrichtungen dar, die also nicht der normalen Versorgung dienen, sondern nur im Ernstfall in Benutzung genommen werden. Aus diesem Grund – und weil der Flugplatz außerdem mehrere Sorten von Treibstoff benötigt – wird es vorerst bei der bisher gepflogenen Gewohnheit bleiben, wonach der größte Teil des auf Laarbruch benötigten Sprits auf dem Uedemer Bahnhof umgeschlagen wird.
In einem längeren Artikel ging es am 29. März 1958 (fast anderthalb Jahre später) um die Rentabilität der Bahnlinie "Goch - Uedem". Die Bundesbahn hatte ihre Pläne bekannt gegeben, diese Strecke, da unrentabel, in Kürze zu schließen. Vom Uedemer Gemeinderat gab es schärfsten Protest, der jedoch nichts nützte. Ab dem 1. Juni 1958 wurde die Strecke Goch - Uedem vorerst für den Personenverkehr stillgelegt. Anfang November 1966 wurde auch der Güterzugverkehr komplett eingestellt. Dem Abschnitt lässt sich entnehmen, dass die Treibstoffabfüllanlage zum Zeitpunkt Juni 1958 nicht mehr im Betrieb war. Dies passt auch zu den Angaben, die vom Staatliche Bauamt Köln zu erfahren waren. Eine Fertigstellung der Pipelines und ein Betrieb war erst möglich, nachdem die komplette Anlage samt Tanklägern und Pumpstationen betriebsklar war. Im Laufe des Monats Juni 1958 wurde der erste Probebetrieb aufgenommen. Das Tanklager Goch (Lüllingen) war sogar erst im August 1962 baulich fertiggestellt und konnte am 31. Oktober 1962 an den Nutznießer übergeben werden.
Einstimmig dagegen Weezer-Uedemer-Nachrichten v. 29. März 1958
.....
Wie Amtsdirektor Bruns noch ergänzend mitteilte, trug das Beseitigen der Treibstoffabfüllanlage am Uedemer Bahnhof nicht zu dem Vorhaben der Bundesbahn bei. Wie sie selbst schrieb, wäre die Strecke sowieso stillgelegt worden, eben weil sie überholungsbedürftig sei, und dafür kein Geld zur Verfügung stehe.
Zur Pipeline, Treibstoffversorgung auf dem Flughafen und den Treibstofflagern T1 bis T5 demnächst mehr
Im März 1957 vermelden die Stationsprotokolle F540: "... changeover of Canberra aircraft from Avtur to Avtag completed - no problems"
Erklärung:
AVTUR = Aviation Turbine
Entspricht der britischen Militärspezifikation, die weitgehend die gleichen Grenzwerte wie die amerikanische Spezifikation für Jet A-1 aufweist . (NATO Bezeichnung: F-35)
Fuel F-34 is a military kerosene type aviation turbine fuel with Fuel System Icing Inhibitor (FSII) (NOTE 1) used by land based military gas turbine engined aircraft in all NATO countries. (NOTE 2) Also known as JP-8 or AVTUR/FSII. - JET A-1 or AVTUR + Additives (NOTE 3) = JP-8 or AVTUR/FSII.
AVTAG = Aviation Turbine Gasoline
Fuel F-40 is a military wide cut type aviation turbine fuel with FSII used by land based military gas turbine engined aircraft (NOTE 2). Also known as JP-4 or AVTAG/FSII. Within NATO it is an emergency substitute for F-34/F-35.
Quellen:
Broschüre "50 Jahre POL vom Staatlichen Bauamt Köln"
Dank an Hans W. Zenz und die anderen Mitglieder des Teams vom Staatlichen Bauamt Köln III (FB Pipelinetechnik) für die Erörterungen und die Fotos.
Dank auch an Volker Müller und Thomas Holzhausen von der Fernleitungs-Betriebsgesellschaft.
Bahnhof Uedem - Gleisanlage um 1940 Bahnhof Weeze - Gleisanlage um 1940
(beide Gleisanlagen sahen aber vom Grundsatz her Mitte der 50er identisch aus.)
(in Anlehnung an eine Kartendarstellung aus www.bahnen-am-niederrhein.de)
Die Weezer Gemeindeverwaltung hatte mit ihrem Protest gegen einen Kerosinumschlag am Weezer Bahnhof Erfolg.
Die Kartendarstellung macht jedoch deutlich, dass der gefährliche Kerosintransport trotz allem mitten durch den Ortskern von Weeze führt.
Von Uedem kommend über Fährsteg - Roggenstraße - Kardinal-Galen-Straße - Bahnstraße (am Bahnhof vorbei) - Weller Straße - Richtung Laarbruch. (blau eingezeichnet)
Kundernhof: Uedems schmutzige Vergangenheit
Vor 29 Jahren (im Jahr 1984) lief aus einer Pipeline an der Labbecker Straße Kerosin aus. 15 Tonnen Schadstoff abgetragen.
Uedem (lukra)..Die Labbecker Straße (L77) ist eine von den Gemeindependlern zwischen Uedem und Xanten häufig genutzte Straße. Doch nur wenige von ihnen wissen: Täglich kommen sie an einer Stelle vorbei, an der sich vor 29 Jahren eine kleine Umweltkatastrophe ereignet hat, deren Auswirkungen noch heute messbar sind. Ein Absperrzaun umringt dort, kurz vor einem Wäldchen, das Grundstück. Wer hier zu Fuß vorbeikommt und sich das Gelände näher ansieht, stößt auf ein Warnschild: „Betreten verboten“. Und auf ein monotones Summen. Das Summen von Maschinen, die Tonnen von Schadstoffen aus dem Boden abtragen. Als in den 1980er Jahren der Kalte Krieg herrschte, hatte das auch Auswirkungen auf den Niederrhein. Von Goch aus führte eine NATO-Fernleitung nach Markelo und Bocholt. Durch die Pipeline floss „JET-A1“ – Kerosin. Bis 1984, als auf dem Grundstück des Kundernhofs an der Labbecker Straße in Uedem ein Grundwasserschaden angezeigt wurde. Durch ein Leck in der Pipeline war der Treibstoff ausgetreten und verunreinigte sowohl den Boden als auch das Grundwasser des Hofs. Vor Ort wurde schnell klar: Die Sanierung des Schadens würde sehr umfangreich werden. Also entschied die Bundeswehr, das Grundstück zu kaufen. „Zur Vermeidung wirtschaftlicher Schäden für den Vorbesitzer. Über den Kaufpreis wurde damals Stillschweigen vereinbart“, sagt ein Sprecher der Bundeswehr heute. Den Hof ließ man abreißen, Grundwasser-Messstellen errichten. Die Hauptaufgabe sei „Sanierung von kontaminiertem Erdreich und die Überwachung des Grundwasers“. Der Kreis ist mit eingebunden, in welchem Umfang weiter saniert werden soll, wird regelmäßig abgestimmt. Zumindest die Bewohner der in der Nähe liegenden Höfe konnten beruhigt werden. Gutachten zufolge ist die Grundwasserbelastung jenseits der Grundstücksgrenzen nicht mehr feststellbar. Der Schaden ist also auf den Kundernhof begrenzt.
Wie lange des Grundwasser unter dem Boden in Sichtweite des Uedemerbrucher Kirchturms noch überprüft werden muss, ist unklar. (Rheinische Post vom 26.6.2013 – RP-Foto Evers)
Zur Lage des Kundernhofs:
Kerosin - das gefährliche Erbe der Briten
2015 sollen die Briten die Javelin Barracks verlassen. Unter dem Gelände des Militärflughafens wurde eine dicke Schicht Kerosin entdeckt. FOTO:Busch
Kreis Viersen. Mindestens 140.000 Liter Flugbenzin sind aus einer Leitung der Royal-Air-Force-Basis in Elmpt ins Grundwasser gelaufen.
Von Christian Schwerdtfeger - RP vom 22. Mai 2013
Noch wohnen britische Soldaten mit ihren Familien in den Kasernen und Häusern der Javelin Barracks, dem streng bewachten Militärgelände im Örtchen Elmpt nahe der niederländischen Grenze. Wie viele Militärangehörige es genau sind, weiß von den deutschen Behörden niemand so richtig.
"Die Briten lassen sich da nicht in die Karten schauen. Aber wir schätzen, dass es noch rund 1000 sind, die dort wohnen und arbeiten", sagt Axel Küppers, Sprecher des Kreises Viersen. Die Militärbasis mit dem Flughafen wird gerade aufgelöst. Bis 2015 wollen die Briten abgezogen sein. Hinterlassen werden sie – das steht heute schon fest – einen kontaminierten Boden. Mindestens 140.000 Liter Kerosin sind in die Erde gesickert. "Das ist ein Millionenschaden", sagt Küppers.
Ausgelaufen ist das Flugbenzin aus einer leckgeschlagenen Leitung. Das Kerosin hat sich 20 Meter tief im Boden in einer dicken Schicht über das Grund-wasser gelegt. Die tatsächliche Größe des Kerosinsees ist noch nicht bekannt. "Die Untersuchungen dauern an.
Aber die Fläche ist wohl kleiner, als von unseren Experten erwartet worden ist", sagt Küppers. "Wir müssen aber damit rechnen, dass es weiter unangenehme Überraschungen geben wird."
Die Royal Air Force (RAF) hat das Gelände nach dem Zweiten Weltkrieg vom Bund zur Verfügung gestellt bekommen und dort einen Flughafen errichtet. Der Stützpunkt ist hermetisch abgeriegelt. Es existieren nur wenige Fotos von der Basis – sowohl von außen als auch von innen. Denn zu Zeiten des Kalten Krieges wurden auf dem Stützpunkt unter anderem Atombomben gelagert. Erst als feststand, dass der Stützpunkt aufgelöst werden würde, lockerte die RAF ihre Sicherheitsbestimmungen etwas und ließ externe Behördenvertreter und Politiker auf das Gelände.
Umweltexperten des Kreises Viersen konnten deswegen erst vor einem Jahr mit ihren "orientierenden Untersuchungen" des mittlerweile stillgelegten Flug-hafens beginnen. In den Jahrzehnten davor konnten wegen des Militärgeheimnisses keine Bodenproben genommen werden. Dabei hätte die Umwelt-katastrophe vermutlich verhindert werden können. Denn schon vor einigen Jahren soll auf dem Militärflughafen unter einem Tanklager eine undichte Stelle in einer Leitung entdeckt worden sein, die an eine Pipeline angeschlossen war. Doch das Leck, aus dem jetzt das Kerosin austrat, wurde bei der Kontrolle offenbar übersehen oder nicht repariert. Der Sache werde jetzt nachgegangen, heißt es beim Kreis Viersen.
Die zuständige Aufsichtsbehörde ist die Bezirksregierung Düsseldorf. Beim Umweltministerium erfuhr man erst Dienstagnachmittag von dem Kerosinsee unter dem Airport. "Uns war das bislang nicht bekannt", sagte ein Sprecher. "Wir kennen bisher nur den Fall unter dem Shell-Werk." Er meint damit einen der größten Umweltskandale in den vergangenen Jahren in NRW. Unter der Raffinerie in Wesseling bei Köln liefen mindestens 1,2 Millionen Liter Flugbenzin aus defekten Pipelines in die Erde. Unter dem Werk befindet sich seit-dem etwa sieben Meter unter der Erdoberfläche ein gigantischer See aus Flugbenzin, der aufwendig abgepumpt wird.
Der Schaden für die Umwelt ist wie in Elmpt immens: Das Grundwasser ist kontaminiert. "Wir stellen uns auf langwierige Sanierungen ein, die Jahre dauern können", sagt Axel Küppers.
Nach dem Abzug der Briten fällt das Areal wieder zurück an den Bund. Der Kreis Viersen führt im Auftrag der Bundesregierung die sogenannten Konversionsgespräche. Darin besprochen wird auch, wer für den finanziellen Schaden aufkommen wird, der durch das ausgesickerte Flugbenzin entstanden ist. Die derzeitigen Untersuchungen, die auf drei Jahre ausgelegt sind, finanzieren das Land NRW, der Kreis Viersen und die Gemeinde Niederkrüchten, zu der Elmpt gehört.
Die Gesamtkosten allein für diese Untersuchungen: rund 750.000 Euro. Die Briten haben bisher einen siebenstelligen Betrag für die Sanierung gezahlt. "Wir wissen aber nicht, ob sie auch nach ihrem Abzug weiterzahlen werden", sagt der Kreissprecher. "Es ist abzuwarten, wer am Ende auf diesem Schaden sitzen bleiben wird." Die Briten haben sich zu dem Thema bislang nicht geäußert.
(RP/anch/rl)
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