Persönliche Themen

Frage

Ich erlebe Schmerz (körperlichen oder psychischen) als Leiden. Wie ist die buddhistische Perspektive dazu?

Antwort

Wenn die Sinne Kontakt mit einem Objekt aufnehmen, entsteht natürlicherweise unmittelbar eine Empfindung von vedana - von "angenehm", "unangenehm" oder "neutral" (= indifferent). Dies ist ein biologischer Mechanismus, der uns grundlegend dazu befähigt, unser Überleben zu sichern.

Die jeweilige Empfindung ist individuell verschieden und hängt unter anderem mit unterschiedlicher Sozialisation zusammen. Wenn wir einen Schmerz wahrnehmen, so ist die erste biologische Reaktion meist: "unangehm". Auf vedana haben wir keinen willentlichen Einfluss - die Wahrnehmung von vedana ist an sich auch kein Problem. Die Empfindung von "unangenehm" löst jedoch bei den meisten Menschen direkt eine zweite, willentliche, meist zutiefst gewohnheitsmässige Reaktion aus von Nicht-Habenwollen, verbunden mit Versuchen der Manipulation, indem wir dieses Ungangenehme irgendwie wegzumachen suchen. Das erst ist das Leiden im Sinne des Buddha: Unsere Reaktion auf die Empfindung von Schmerz und von vedana.

Der Buddha hat deshalb grossen Wert darauf gelegt, dass wir lernen, vedana zu erkennen: Dies ermöglicht eine Reaktion ohne Habenwollen in Form von Gier oder von Nicht-Habenwollen in Form von Wegschieben, Manipulation, Kontrolle usw. Wenn wir es schaffen, eine "Knautschzone" zwischen dem Erleben von vedana und der Reaktion darauf zu entwickeln, - wenn wir also erkennen, dass die automatische, zugreifende oder abwehrende Reaktion bei nicht lebensbedrohlichen Empfindungen nicht mehr nötig ist -, liegt darin eine enorme Freiheit. Wenn wir vedana hingegen übersehen, müssen wir uns mit der Reaktion befassen, die die ganze Palette von Emotionen (Angst, Ärger, Gier, Aversion usw.) und, darauf basierend, Aktionen umfasst. Hier haben wir eine weitere Chance auszusteigen. Das Erkennen von vedana ist jedoch ein sehr direkt möglicher Ausstieg aus dem nachfolgenden Leiden.

Die hier kurz skizzierte Praxis ist der Inhalt des Sutra der Vier Grundlagen der Achtsamkeit (satipatthana)._