Meditation

Frage

Wozu braucht es stilles Sitzen in Meditation? Genügt nicht die blosse Achtsamkeit?

Antwort

Ohne Achtsamkeit scheint jede Art von Meditation nahezu unmöglich. Nun gibt es jedoch viele Ebenen von Achtsamkeit. Heute sprechen beinahe alle davon; meistens ist dabei von der allgemeinsten Ebene der Achtsamkeit die Rede, im Sinne von: "bei allem was wir tun, einigermassen präsent und nicht in Gedanken verloren zu sein". Das allein ist sicher schon einiges. Doch der Buddha weist beim Begriff sati, der für "Achtsamkeit" steht, weit darüber hinaus: sati - im Sinn von samma sati - umfasst all die Ebenen, die wir in Kapitel 4. Ganzheit erläutert haben.

Doch wie gelangen wir zu dieser vollumfänglichen Achtsamkeit in einer so betriebsamen Welt? Uns nur ein-, zweimal im Jahr von der Geschäftigkeit des Alltags zurückzuziehen und möglichst still auf einem Kissen zu sitzen, bringt natürlich nicht die Freiheit mit sich, von der der Buddha spricht. Hier stimmt auch der Vergleich mit einem Orchester geübter Musikerinnen und Musiker (vgl. die Erläuterungen zu den Ritualen bei den Fragen zur "Praxis allgemein"): Wir kommen nicht "eben mal kurz" zusammen, um virtuos, harmonisch und "selbtvergessen" zu musizieren.

Im formellen Sitzen haben wir eine ganz besondere Chance, unseren Geist in zweifacher Hinsicht zu untersuchen: Zum einen erleben wir all seine Wellen und lernen, diesen nicht ständig zu folgen. Zum anderen tritt mit der Zeit immer deutlicher so etwas wie "die Tiefe des Geistes" in Erscheinung. So wie das Meer seine stille und unbewegte Tiefe hat, die sich nicht ständig nach den Wellen richtet, hat auch der Geist eine stille, ruhige Qualität.

Nach und nach lernen wir durch die meditative Praxis auch, diese Aspekte von Stille und umfassender Achtsamkeit mit immer grösserer Klarheit in den Alltag hineinzutragen. Ja, diese Entwicklung zeigt und bewährt sich sogar erst im Alltag und darüber hinaus werden die Dinge des Alltags immer mehr zu den Instrumenten, die unsere Musik zum Klingen bringen.

Frage

Im Sutta über die Vier Grundlagen der Achtsamkeit gibt es einen Refrain: "Alle Wünsche und Sorgen hinsichtlich der Welt aufzugeben". Was bedeutet das? Da tue ich mich etwas schwer, ich hätte es gern besser hier auf diesem Planeten, wünsche mir bessere Zustände, einen besseren Umgang miteinander. Oder ist dieser Aspekt hier nicht gemeint, sondern nur der persönliche, hinsichtlich des eigenen Vorteils?

Antwort

"Alle Wünsche und Sorgen hinsichtlich der Welt aufgeben" bedeutet ja nicht Lethargie oder Indifferenz. Vielmehr geht es um eine Haltung von Nicht-Verwickeltsein. Aus dieser Haltung zu agieren, ist sicher weiser als aus einer Haltung des Ärgers, der Sorge usw. Wenn wir uns wirklich verbunden fühlen mit anderen, mit der Gesellschaft und der Umwelt, dann ist jedes Handeln in tiefem Mitgefühl gegründet. Und Mitgefühl hat immer einen aktiven, handelnden Aspekt.

Der Refrain im Sutta deutet also darauf hin, dass wir in der Meditation unsere Zeit vergeuden, wenn wir nur dasitzen und uns in Gedanken und Emotionen verlieren. Es ist ein entscheidender Unterschied, ob wir uns einer Emotion bewusst sind oder uns damit längst identifiziert haben und vielleicht sogar auf dieser Basis handeln. Wenn z. B. ein/e Meditations-Anfänger/in denkt: "Dieses stille Sitzen ist nichts für mich", und langsam unruhig und ärgerlich wird, so beginnt er/sie allmählich daran zu glauben, dass seine/ihre Gedanken und Empfindungen wahr sind. Wenn wir jedoch sehen können, dass da einfach diese Wellen im Geist und Körper auftauchen - etwa Ärger, Ungeduld oder körperliche Schmerzen -, sind wir nicht darin verwickelt.

Wie sollen wir der Welt wirklich dienen können, wenn wir uns in all den Gedanken und persönlichen Emotionen so sehr verlieren? "Alle Wünsche und Sorgen hinsichtlich der Welt aufzugeben" weist auf diese Möglichkeit hin: dass wir unser Verwickeltsein in Gedanken, Gefühle und Empfindungen lösen können und dabei - oder gerade dadurch - in direkten Kontakt mit der Welt treten.