Praxis allgemein

Frage

Warum gibt es im Zen so viele Rituale, Instrumente und Rezitationen? Ist dies überhaupt notwendig, um den Weg zum Erwachen zu gehen?

Antwort

Die zweite Frage kann man sicher mit "nein" beantworten. Für die Befreiung wären im Grunde genommen nur wenige Dinge notwendig. Doch für die meisten Menschen ist es sinnvoll und hilfreich, verschiedene Hilfsmittel zu kennen und zu nutzen. Der Buddha hat nicht umsonst von einem Achtfachen Pfad gesprochen. Wenn wir unsere Praxis mit einem Orchester vergleichen, so spielen da verschiedene Musikerinnen und Musiker mit ihren jeweiligen Instrumenten zusammen. Wenn dies gelingt, so ergibt sich eine Harmonie, die weit über das einzelne Instrument, weit über den/die einzelne/n Musiker/in hinausgeht. Auf dem Weg dorthin begegnen uns aber all die Hindernisse, die es zu erkennen und überwinden gilt: Wenn es dabei z. B. ständig ein Gerangel gäbe, wer "die erste Geige spielt", so würde da kaum je Harmonie entstehen. Um mit unserer Egozentrik zu arbeiten, machen verschiedene Methoden durchaus Sinn. Am auffälligsten wird es, wenn wir in aller Klarheit unsere Vorlieben und Aversionen dabei entdecken. Die Instrumente sind also nur die Hilfsmittel, die die Musik hervorbringen. Doch plötzlich kann es geschehen, dieses Mysterium: Die Musiker und Musikerinnen spielen in guten Momenten wie "selbstvergessen". Dabei verlieren sie sich nicht in Tagträumen und Fantasien, sie werden einfach Musik.

Vielleicht könnte man eher fragen: Gibt es in diesem Orchester Musiker/innen, die Angst haben, selbst zur Musik zu werden?

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Frage

Warum wird im Haus Tao das Rakusu (kleine Robe) genäht und getragen? Hat Sati-Zen eine Verbindung zum japanischen Zen?

Antwort

Das Rakusu ist nicht auf das japanische Zen beschränkt. Wie nahezu alles, was Kultur, Kunst und Buddhismus in Japan angeht, stammt es ursprünglich aus China. Man geht heute davon aus, dass es dort in den Zeiten der Buddhismusverfolgung (8. Jh.) entstanden ist, als die Nonnen und Mönche gezwungen wurden, die Robe abzulegen.

Das Rakusu selbst ist wie all die Hilfsmittel der Praxis ein Ausdruck der Praxis von sati. D. h. wir erinnern uns beim Nähen und Tragen des Rakusu an unser innewohnendes Potential zu umfassender Freiheit, an den Praxis-Weg mit und für alle Wesen und - als Quelle der Inspiration - an die Lehrerinnen und Lehrer unserer Traditionslinie bis zurück zum Buddha. Das Rakusu ist für uns kein Aushängeschild oder "Statussymbol", sondern vielmehr eine Erinnerung an die Praxis des Weges.

Das Rakusu ist nicht das einzige hilfreiche Mittel (upaya), das wir im Sati-Zen aus dem Japanischen bzw. Chinesischen übernommen haben. So ist unsere Schule auch eine sogenannte "Bodhisattva-Schule", deren Ursprünge auf das 6. Jh. in China zurückgehen. Das bedeutet, dass es seit dieser Zeit nebst den vollordinierten Mönchen und Nonnen eine sogenannte Laienordination mit 48 Gelübden gab bzw. gibt. Heute sind nahezu alle Zen-Mönche und Zen-Nonnen in einer Traditionslinie dieser Bodhisattva-Schulen.

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Frage

An den Retreats im Haus Tao werden die Lehrenden nicht über die Kurspreise entlohnt. Warum habt ihr im Haus Tao diese "Dana-Praxis"? Für mich wären fixe Kurspreise wesentlich einfacher.

Antwort

Du sprichst das freie und grosszügige Geben an, die Praxis von Dana. Wenn alles schon vorgegeben und bestimmt ist, z. B. eben bei den Kosten, müssen wir zwar nicht mehr darüber nachdenken. Doch können wir dadurch auch nicht mit der wertvollen Praxis von Grosszügigkeit (dana) in Verbindung kommen. Wir haben im Buddhismus 6 bzw. 10 Praktiken (du findest sie im Internet unter dem Begriff "paramita", Übungen zur Vollendung von heilsamen Herzens- und Geistesqualitäten), die für die umfassende Kultivierung von Herz und Geist wichtig sind. Man sieht dabei schnell einmal, dass sie je nach Lebenssituation wirklich sinnvoll sind bzw. wären: Manchmal brauchen wir z. B. mehr Geduld, ein andermal mehr Tatkraft usw. Interessanterweise steht "Dana", also die Gebefreudigkeit, an erster Stelle der Paramitas.

Die Paramitas widerspiegeln ganz direkt unser jeweiliges Verständnis des Weges. Wir können in Gedanken, in Diskussionen oder Büchern noch so kenntnisreich sein: die paramitas zielen direkt auf unsere Taten. Somit sind sie ein Gradmesser und eine Überprüfung für unser eigenes Verständnis.

Im Geben erkennen wir schnell einmal unseren Geiz, unsere Angst, zu viel oder zu wenig zu geben, unsere Ich-Bezogenheit. Geben ist eine Kunst. Es gibt für jede Zeit und jede Situation das richtige Mass. Dieses Mass den jeweiligen individuellen und situativen Umständen entprechend zu finden, ist eine wichtige und anspruchsvolle Übung!

Spannend ist auch, dass diese Übung für beide Seiten gilt: Nicht nur die/der Gebende muss sich mit seiner Grosszügigkeit oder seinem Geiz auseinander setzen, sondern auch das Gegenüber! Wie reagiere ich, wenn ich für eine Arbeit "zu wenig" oder nach meinem Ermessen "zu viel" bekomme? In den Landeskirchen werden die Geistlichen beispielsweise direkt entlohnt. Damit fällt die Übung des Gebens und Empfangens im Sinne von Dana natürlich leider weg. Und in weltlichen Berufen sowieso.

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