Der Gedanke zu einer eigenen Seite zum Thema Signal-/Störabstand beschäftigte mich schon seit längerem. Ein wirklich schwieriges Thema, weil es gilt vielen Interessen, Meinungen und Regelungen gerecht zu werden, ist es zudem ein recht farbloses und textlastiges Kapitel meiner Homepage. Insofern möchte ich das Thema pragmatisch angehen und nur von meinen Beobachtungen der letzten vier Jahrzehnte und meinen Gedanken dazu berichten.
Kurz erklärt:
Der Begriff Pragmatismus hat seinen Ursprung im griechischen pragmatikós (tüchtig). Das Adjektiv pragmatisch bedeutet sachbezogen oder praxisbezogen. Also im Sinne einer Sache oder einer Zielsetzung praktisches und lösungsorientiertes Handeln. Als pragmatisches Handeln wird allgemein bezeichnet, wenn jemand etwas macht, was nötig ist und das erwiesenermaßen in der Realität auch funktioniert. Der Pragmatismus ist von Ideologien und Theorien weitestgehend unbestimmt.
Über einen doch recht langen Zeitraum habe ich allgemein beobachten können, dass die HF-Signale auf den für den Amateurfunk zugewiesenen Bändern, gleich ob „bestimmbare“ oder „störende“ Signale, in Summe betrachtet an Signalstärke deutlich zugenommen haben. Was meine ich eigentlich mit „bestimmbaren“ Signalen? Dabei handelt es sich i. d. R. um solche Signale, welche ich einer bestimmten Betriebsart zuordnen und bei Bedarf decodieren kann. Mit „störenden“ Signalen beschreibe ich jene Signale, die ich weder einer spezifischen Betriebsart zuordnen noch decodieren kann.
Der Signal-/Störabstand oder auch „Signal to Noise Ratio“ (SNR) gibt das Verhältnis der Feldstärke zwischen zwei Signalen an. Also zwischen dem eigentlichen Nutzsignal (bestimmbaren Signal) und dem eigentlichem Störsignal (Störpegel). Für eine klassische SSB-Aussendung im Amateurfunkbereich gelten weitläufig mindestens 10 dB SNR (Feldstärkeabstand) als erforderlich, damit ein SSB-Signal vom Empfänger (Funkamateur*in) als solches verständlich wahrgenommen wird. Diese pauschalisierte Aussage hinkt jedoch ein wenig, gilt es doch die Gesamtfeldstärke, also den Summenpegel aus SNR und Störsignal zu betrachten. Was ist darunter zu verstehen? Wenn nun ein Nutzsignal mit 10 dB SNR im Verhältnis zu einem -140 dB Störsignal (fiktiver Nullpegel, Eigenrauschen des Empfängers) betrachtet wird, dann entspricht dieses Nutzsignal der 10-fachen Signalleistung des Störsignals (Nullpegels). Ein Nutzsignal, das im Verhältnis um 10 dB SNR stärker ist als ein -110 dB Störsignal, das entspricht nur 1/4 der Gesamtfeldstärke (-140 dB Empfängereigenrauschen minus -110 dB = 30 dB Störpegel +10 SNR = 40 dB Summenpegel) und bei einem -90 dB Störsignal sind es nur noch 1/6 der Gesamtfeldstärke (-140 dB Empfängereigenrauschen minus -90 dB = 50 dB Störpegel +10 SNR = 60 dB Summenpegel). Daraus wird ersichtlich, dass mit zunehmender Gesamtfeldstärke (Summenpegel) sich das Feldstärkeverhältnis zu Gunsten des Störsignals verändert. Mit gleichbleibendem SNR und zunehmender Feldstärke des Störsignals verschlechtert sich die Decodierbarkeit des Nutzsignals für das menschliche Ohr (Gehirn) merklich. Ein einfacher Selbstversuch in einer stillen Nacht wird aufzeigen, dass selbst ein Geräusch sehr geringer Lautstärke von nur 10 dB SNR - z. B. leichtes Blätterrascheln - erkennbar zu hören ist. Während ein nächtlicher Discobesuch mit einem Lärmpegel von 110 dB aufzeigen wird, dass das gleiche Blätterrascheln nun aber mit einer Lautstärke von 120 dB, also immer noch mit 10 dB SNR, nicht mehr als Blätterrascheln wahrnehmbar ist. Übrigens, digitale Betriebsarten und Decodierungssysteme werden i. d. R. nicht von der Verhältnismäßigkeit, sondern nur vom realen Signal-/Störabstand in ihrer Leistungsfähigkeit (Decodierbarkeit) begrenzt. Dieses erklärt vereinfacht, warum digitale Betriebsarten so effektiv sind.
Vielfach auf den Bändern gehört: Ein HF-Leistungsverstärker wird nicht gebraucht, weil der Funkamateur*in vermeintlich alles hört was zu empfangen und die Empfindlichkeit des Empfängers überdies auch besonders hoch ist. Überdies wäre es gänzlich egal, ob das SSB-Signal nun mit 9+10 dB oder gar mit 9+20 dB zu hören ist. Ist das wirklich so?
Nunmehr ist eine SSB-Aussendung nicht nur von Spitzensignalpegeln geprägt, sondern setzt sich aus unterschiedlich starken Signalpegeln innerhalb eines Frequenz- und Zeitabschnitts zusammen. In Bezug auf den vermeintlichem Spitzenpegelwert von z. B. 9+20 dB und in Relation zu dem vorherrschenden fiktiven Störpegel betrachtet, mag das ausgesendete SSB-Signal tatsächlich ausreichend gut verständlich sein. Wie verhält es sich jedoch mit den Signalpegeln innerhalb einer SSB-Aussendung, die mit einem geringeren Signal-/Störabstand aufwarten? Ist die Verständlichkeit dann immer noch ausreichend gut? Wie weiter oben schon dargelegt, mit Sicherheit nicht.
Wie ganz zu Beginn schon geschrieben, wird das für den Amateurfunk zur Verfügung stehende Frequenzspektrum zunehmend mit höheren Signalpegeln belastet, insbesondere durch Signalpegel, die keine bestimmbaren Signale darstellen. Im weitläufigen Sinne wird dabei von Störungen gesprochen. Dieser Trend hält leider an, verursacht durch diverse elektromagnetische Verbraucher, die mehr oder weniger durch geeignete oder minderwertige Komponenten entstört wurden. Aber auch eine zunehmende Anzahl von digitalen Breitbandanwendungen erzeugen verschiedenartige und vor allem auch breitbandige Störspektren. In diesem Zusammenhang stellt sich nunmehr berechtigterweise die Frage, wie man dieser zunehmend schwierigeren Störproblematik begegnen kann.
Folgende Möglichkeiten wären denkbar:
Die allgemeine Störproblematik aufzeigen und bei der Regulierungsstelle zur Anzeige bringen.
Störquellen im eigenen Haushalt beseitigen und im Rahmen einer guten Nachbarschaft gemeinschaftlich für Abhilfe sorgen (Störquelle aus unmittelbaren und weitläufigen Nachbarhaushalt entfernen bzw. entstören).
Aktive und passive Bauelemente in die Empfangsanlage einbauen, welche Störpegel dämpfen bzw. auslöschen können.
Erhöhung der Sendeausgangsleistung, um den Signal-/Störabstand bedarfsgerecht darstellen zu können.
Wie schaut es nun bei den zuvor aufgezählten Punkten im realen Funkbetrieb aus?
Die Regulierungsstelle ist wahrscheinlich nicht dann verfügbar, wenn das Störereignis vorliegt. Oder was noch schwerer wiegt, dass der Grundstörpegel über einem spezifischen Frequenzbereich dauerhaft stark ausgeprägt ist, sodass temporäre bzw. einzelne Störungen oder auch bestimmbare Signale gar nicht beobachtet werden können. Die meisten Signale liegen somit unterhalb der maximalen Feldstärke des „allgemeinen Grundrauschens“.
Auch bei einer guten Nachbarschaft darf man keineswegs auf Verständnis stoßen. Warum auch, wenn die elektromagnetischen Verbraucher doch so gekauft und eingesetzt werden, wie es die Industrie, der Handel und die Bedienungsanleitung es bestimmungsgemäß vorgeben.
Gerade aktive Bauelemente können die Störproblematik empfangsseitig entschärfen. Es ist dabei jedoch nicht zu vernachlässigen, dass die eigentliche Störquelle immer noch aktiv ist und somit ein spezifisches Frequenzspektrum störend beeinträchtigt.
Digitale Betriebsarten für die Kommunikation einsetzen, da diese sehr effektiv auch unter schwierigen Bandbedingungen decodiert werden können.
Weil jedoch davon auszugehen ist, dass weder die Industrie ihre Absichten, noch die Verbraucher ihr Verhalten ändern werden, ist der einzige Weg unter gegebenen Bedingungen den Signal-/Störabstand signifikant zu verbessern, die Erhöhung der Sendeleistung.
Allgemeine Problematik einer Sendeleistungserhöhung:
Da das empfangende Signal (SNR) beim Empfänger zu gering ausfällt, müsste die Gegenstation jedoch die Sendeleistung erhöhen.
Ist die Gegenstation überhaupt dafür ausgerüstet?
Entspricht die Gegenstation überhaupt den gesetzlichen Vorgaben, um die Sendeleistung bedarfsgerecht erhöhen zu dürfen?
Wesentlich höhere Kosten bei der einmaligen Anschaffung der einzelnen Betriebskomponenten (Verstärker, Tuner, Messgeräte, Antenne, Schalter, Kabel etc.) und generell eine höhere Stromrechnung.
Aufgrund der deutlich höheren Sendeleistung besteht die Gefahr, selber Ursache für eine Störproblematik im eigenen oder nachbarschaftlichen Haushalt zu werden.
Aufgrund technischer Entwicklungen und wirtschaftlicher Interessen wird das zur Verfügung stehende spezifische Frequenzspektrum immer stärker genutzt bzw. mit einer in kaufzunehmenden Störstrahlung belastet werden. Interessenskonflikte waren und sind dadurch vorprogrammiert. Ferner ist davon auszugehen, dass aufgrund einer immer kleiner werdenden Amateurfunkgemeinschaft, sich Ansprüche zu Gunsten des Amateurfunks nicht mehr nachhaltig verwirklichen lassen.
Wie nun aus dem Dilemma der Signal-/Störproblematik rauskommen?
Ein einheitliches Regelwerk für alle Funkamateure schaffen, also keine Unterteilung in verschiedene Klassen. Erst auf diesem Wege haben alle Funkamateure überhaupt per se Chancengleichheit eine spezifische frequenz- bzw. leistungsorientierte Kommunikation darstellen zu können. Schließlich geht es doch darum, dass Funkamateure*innen sich untereinander - mit einem bestmöglichen Signal-/Störabstand - verständigen wollen. Aktuelle Restriktionen hinsichtlich unterschiedlich zu benutzender Frequenzen und Leistungen sind da mehr als hinderlich.
Der vermehrte Einsatz von digitalen Betriebsarten, insbesondere bei der Übertragung von Sprache. Denn gerade die Vielfältigkeit der Sprache zeichnet eine Kommunikation zwischen Menschen aus und erfüllt diese mit Inhalt.
Aktive Bauelemente (Filter, Phasen-Verschiebung etc.) empfangsseitig zur Dämpfung und Auslöschung bei bestehender Störproblematik einsetzen.
Wo kein Kläger, da kein Richter - so eine bekannte Weisheit. Im übertragenden Sinne bedeutet dies, qualifizierte und quantifizierte Störmeldungen bei der zuständigen Regulierungsbehörde einzureichen. Bitte dabei bedenken, dass nicht mit der Brechstange, sondern mit Diplomatie vorzugehen ist. Aber auch der erste Eindruck ist entscheidend; ein Shack das aussieht wie „bei Hempels unterm Sofa“ wirkt eher abschreckend, dagegen ein anschauliches Shack erweckt Interesse und Vertrauen in die Installation und lädt zum Verweilen ein.
Anhand dieser Auflistung ist gut erkennbar, dass man dem Dilemma durchaus pragmatisch begegnen kann, wenn bestehende Möglichkeiten auch vollends ausgeschöpft werden. Insbesondere die Installation eines einheitlichen und nicht ein durch „Klassen“ bestimmtes Amateurfunk-Regelwerkes wird für Chancengleichheit und somit zu einer deutlichen Verbesserung des Signal-/Störabstands bei den Funkamateuren*innen sorgen. Auf der anderen Seite zeigt mein kleiner Beitrag auf, dass der Amateurfunk in seiner derzeit praktizierten Form leider einer ungewissen Zukunft entgegenblickt.
Gleich mit dem ersten Absatz (ganz oben) habe ich geschrieben, dass die bestimmbaren und störenden Signale gleichermaßen über die letzten Jahrzehnte an Signalstärke zugenommen haben. Warum haben eigentlich auch die bestimmbaren Signale an Signalstärke zugenommen? Hat der Gesetzgeber die in Deutschland max. zulässige HF-Sendeleistung von 750 Watt pep etwa angehoben oder sind die Antennenanlagen auf Sender- und Empfängerseite immer größer bzw. effizienter geworden? Mit Stand heute ist die Gesetzeslage hinsichtlich der max. erlaubten HF-Sendeleistung von 750 Watt pep unverändert. Auch die benutzten Antennen haben sich im Allgemeinen nicht sonderlich verändert und die Physik dazu schon gar nicht. Also muss es doch für den Anstieg der Signalstärke von bestimmbaren Signalen einen anderen und zugleich pragmatischen Grund geben.
Wer die HF-Szene ein wenig beobachtet, der wird schnell feststellen, dass sich die Anzahl der Anbieter hochwertiger und leistungsfähiger HF-Endstufen stark zugenommen hat. Auch die Selbstbau-Projekte (z. B. Mosfet-PAs) zeugen i. d. R. von HF-Endstufen der Leistungsklasse von 1-2 kW (Trägerleistung), aber auch von Endstufen bis zu 3 kW (Trägerleistung) oder noch mehr Kilowatt. HF-Endstufen der sonst üblichen Leistungsklasse bis 750 Watt pep sind fast schon vom Markt verschwunden. Da es nun in der Natur des Menschen liegt, dass benutzen zu wollen was er hat lässt vermuten, dass die tatsächlich eingesetzte HF-Sendeleistung höher ist, als die vom Gesetzgeber erlaubte. Wer jetzt dabei mit dem Signal-/Störabstand argumentiert, der sich über die Jahrzehnte drastisch verschlechtert hat, demjenigen kann man durchaus in seiner Argumentation beipflichtend folgen.
Dank der kW++ Stationen, mit ihren teilweise sehr kräftigen „bestimmbaren“ Signalen, sind diese mit deutlichem Signal-/Störabstand bei den Gegenstationen gut bis sehr gut zu empfangen. Aber wie verhält es sich nun mit den Signalen der Gegenstationen, welche schlichtweg der Klasse E (100 W pep) bzw. der Klasse A (750 W pep) entsprechen und sich im Rahmen der erlaubten Sendeleistungen bewegen? Und wie steht es dann um den Signal-/Störabstand auf der Empfängerseite der kW++ Stationen? Mit Sicherheit bescheiden, um nicht gar zu sagen, dass eine beidseitige Verständigung bei der bestehenden Störproblematik oftmals nur unter erschwerten Bedingungen möglich ist. Stellt sich in diesem Zusammenhang auch schnell die Frage, was für einen Sinn macht die Nutzung unterschiedlicher Sendeausgangsleistungen, wenn eine bidirektionale Verständigung beider Gesprächspartner - aufgrund des immer schlechter werdenden Signal-/Störabstands - oftmals nicht mehr möglich ist.
Dieses Dilemma zeigt deutlich auf, dass ein einheitliches Amateurfunk-Regelwerk verabschiedet werden muss, damit ungeachtet irgendwelcher Klassen und technischen Voraussetzungen per se Chancengleichheit gegeben ist. Diese Chancengleichheit darf sich keinesfalls auf die Sendeleistung beschränken, sondern muss sich auch auf die zur Benutzung für den Amateurfunk freigegebener Frequenzen (Bänder) erstrecken. Durchaus lässt sich eine bestehende Störproblematik schon damit umgehen, indem ggf. ein anderes Band gewählt wird, sodass die vermeintlich zu geringe Sendeleistung durchaus ausreichend für ein QSO ist oder ggf. sogar noch reduziert werden kann.
Vergleicht man nun die aktuellen Prüfungsinhalte beider Amateurfunkklassen - bestehend aus Gesetzeskunde, Betriebstechnik und Elektro-/HF-Technik - dann kann daraus nicht signifikant abgeleitet werden, warum hinsichtlich der zur Benutzung freigegebenen Frequenzen und der max. erlaubten Sendeleistung nach Amateurfunkklassen unterschieden wird. Zumal das Recht und zugleich das höchste Privileg des Amateurfunks der Eigenbau von HF-Gerätschaften und dessen Inbetriebnahme beiden Amateurfunkklassen gleichermaßen vorbehalten ist.
Als Gemeinschaft von geringer gesellschaftlicher Bedeutung und nicht anders dürfen wir unsere Amateurfunkgemeinschaft mit seinen ca. 65.000 in Deutschland aktiven personenbezogenen Amateurfunkrufzeichen betrachten, ist diese Gemeinschaft gut beraten, als ein einheitliches Organ zu bestehen und dem Föderalismus gleichkommend zu handeln. Wichtigste Aufgabe wird es dabei sein, die spezifischen Interessen und den Fortbestand als paritätische Einheit zu sichern. Ein praktizierter Klassenkampf spaltet und schwächt ein Organ nur und Schwäche können wir uns in diesen für den Amateurfunk schwierigen Zukunftsaussichten nicht sonderlich leisten. So zeigt sich deutlich, dass die ewig Gestrigen und Hardliner, die diesen Klassenkampf immer wieder auf das Neue befeuert haben, sich der Tragweite dieser Aufspaltung wohl nie recht bewusst waren. Wie auch - war aus ihrer Sicht das eigentliche Privileg, der unanfechtbare Stellenwert der höchsten Amateurfunkklasse und nicht der Fortbestand einer Amateurfunkgemeinschaft im Sinne einer paritätischen Einheit, die sich heute und künftig elementaren Problematiken stellen muss.
Die bestehende Einteilung nach Amateurfunkklassen ist zweifelhaft ein Relikt einer längst vergangenen Epoche, die ihrem spezifischen Pragmatismus und ihrer damaligen Zeit geschuldet war. Die heutige Zeit bedarf eines Pragmatismus, der allen Funkamateuren gleichermaßen und der zunehmenden Störproblematik im Besonderen gerecht wird!
Meine schon vor mehreren Jahren an die Bundesnetzagentur gerichtete Anfrage, wodurch sich ein Funkamateur*in im Besonderen auszeichnet, wenn ihm der Frequenzbereich für das 10m, 15m, 80m und 160m Band zugeteilt und ihm gleichermaßen eine Zuteilung für das 17m, 20m, 30m, 40m Band verwehrt wird, wurde zusammenfassend wie folgt beantwortet:
"Die Verordnung zum Gesetz über den Amateurfunk (AFuV) regelt den Anwendungsbereich. Überdies hat sich die Einteilung in Zeugnisklassen langfristig bewehrt."
Auch an dieser Stelle muss man sich die Frage stellen, ist der einstige Pragmatismus der zur aktuellen AFuV vom 15.02.2005 geführt hat heute noch zeitgemäß und wird die aktuelle AFuV dem heutigen Amateurfunk mit seiner allzeit vorherrschenden Störproblematik überhaupt gerecht. Unzweifelhaft sind alle Funkamateure*innen von der immer stärker werdenden und den Amateurfunk bestimmenden Störproblematik betroffen, warum sollte dann ausgerechnet ein durch Klassen bestimmter Amateufunk pragmatisch sein?
Die Rechtsgleichheit besagt, dass der Anspruch auf Gleichbehandlung verlangt, dass Rechte und Pflichten der Betroffenen nach gleichem Maßstab festgesetzt werden. Gleiches ist nach Maßgabe seiner Gleichheit gleich, Ungleiches nach Maßgabe seiner Ungleichheit ungleich zu behandeln. Somit müssen unterschiedlichen Regelungen rechtlich erhebliche Unterschiede zu Grunde liegen und dürfen Tatbestände, die sich wesentlich unterscheiden, nicht gleich geregelt werden.
Wie verhält es sich nun mit der derzeit praktizierten Gleichheit beim Amateurfunk:
Gleichheit besteht bei den grundsätzlichen Pflichten:
Alle Funkamateure*innen (Klasse A + E) unterliegen gleichermaßen den Auflagen, Funkanlagen gem. rechtlicher Vorgaben und gültiger Normen zu betreiben
Alle Funkamateure*innen (Klasse A + E) unterliegen gleichermaßen der „Verordnung über das Nachweisverfahren zur Begrenzung elektromagnetischer Felder (BEMFV)“
Alle Funkamateure*innen (Klasse A + E) unterliegen gleichermaßen den Gebühren und Auslagen nach dem Amateurfunkgesetz
Alle Funkamateure*innen (Klasse A + E) unterliegen gleichermaßen der Abgabenverordnung nach dem Telekommunikationsgesetz
Alle Funkamateure*innen (Klasse A + E) unterliegen gleichermaßen der Regulierungsbehörde bei Störungen und Maßnahmen bei Störungen
Ungleichheit besteht bei den Rechten:
Funkamateure*innen der Klasse E unterliegen einer stark eingeschränkten Sendeleistung gegenüber der Klasse A
Funkamateure*innen der Klasse E unterliegen einer stark eingeschränkten Frequenznutzung gegenüber der Klasse A
Auch in diesem Zusammenhang muss man sich die Frage stellen, ob das derzeitige "System der Lizenz-Klassen" pragmatisch ist und einer Prüfung auf Rechtsgleichheit Stand hält, zumal alle Funkamateure*innen den gleichen rechtlichen Pflichten unterliegen, jedoch diesen deutlich unterschiedliche Rechte zugesprochen werden. Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die unterschiedlich zugesprochenen Rechte das Resultat einer praktizierten Klassifizierung und nicht dem Tatbestand geschuldet sind, sich infolge der gesetzlichen Pflichten wesentlich zu unterscheiden. Festzuhalten ist, dass bei den Pflichten unstrittig Gleichheit besteht.
Unterschiedliche Regelungen müssen rechtlich erheblicher Unterschiede zu Grunde liegen und bedürfen Tatbestände, die sich wesentlich unterscheiden. Gerade die Auflistung der gesetzlichen und gleichermaßen für alle Funkamateure*innen elementaren Pflichten lässt "rechtlich erhebliche Unterschiede" eben nicht erkennen.
Auch eine anzunehmende Begründung, dass nur ein Funkamateur*in der Lizenz-Klasse A befähigt ist den zugestandenen Rechten zu entsprechen, steht im generellen Widerspruch zu den grundsätzlichen Tatbeständen, die sich zwingend aus den rechtlichen Pflichten ergeben. Denn nur demjenigen Funkamateur*in der umfänglich den gesetzlichen Pflichten entspricht, dem kann auch uneingeschränkt das Recht auf Ausübung des Amateurfunk zugestanden werden. Den Tatbestand der rechtlichen Pflichten muss ein jeder Funkamateur*in ungeachtet der Lizenz-Klasse gleichermaßen zwingend erfüllen. Eine dazu im Vorfeld abzulegende Prüfung kann folglich nur als Nachweis dienen, dass der Funkamateur*in dieses auch zu leisten vermag. Jedoch ein Prüfungssystem nach Lizenzklassen strukturiert erweckt zwangsläufig den Eindruck, dass der eine Funkamateur*in mehr und der andere Funkamateur*in weniger den gesetzlichen Verpflichtungen und Vorgaben entspricht. Weil davon jedoch nicht auszugehen ist könnte im Umkehrschluss angenommen werden, dass die bestimmenden Tatbestände für die Lizenz-Klasse A und der damit einhergehenden deutlich höheren Sendeleistung und der deutlich umfangreicheren Frequenzzuteilung, a priori durch die zugestandenen Rechte in sich begründet werden. Festzuhalten ist, dass bei den Rechten unstrittig keine Gleichheit besteht.
Wem jetzt der Schalk im Nacken sitzt, der würde sagen: "Der Zweck heiligt die Mittel, heilig sind die Lizenz-Klassen".
Eine Annahme oder These lässt sich allgemein als richtig vermuten, wenn mit dem "Reductio ad Adsurdum" (indirektem Beweis / Widerspruchsbeweis) die Annahme bzw. die These schlussfolgernd begründet ist. So lässt dann der folgende indirekte Beweis, die Annahme einer Rechtsungleichheit, bei der AFuV vom 15.02.2005 vermuten.
Ein rechtlicher Tatbestand regelt generell und allgemeingültig Rechte und Pflichten. Ist der Tatbestand der rechtlichen Pflichten gem. AFuV umfassend erfüllt, dann wird das Recht zur Teilnahme am Amateurfunk zugestanden. Eine im Vorfeld abzulegende Prüfung dient dem Nachweis dazu.
Welcher rechtliche Tatbestand für die Anwendung einer Amateurfunkklasse zwingend erfüllt sein muss, ohne dabei erhebliche Unterschiede bei den grundsätzlichen Pflichten erkennen zu lassen, das bleibt mit der AFuV allerdings ungeklärt.
Als Anregung für eine neue Regelung zur maximal erlaubten Sendeleistung könnte der Gesetzgeber ggf. nachfolgendes Beispiel implementieren:
Die maximal erlaubte HF-Leistungsabgabe orientiert sich nicht mehr am System von Amateurfunk-Klassen und wird auch nicht mehr durch eine Peak-Envelope-Power (PEP) HF-Leistungsangabe bestimmt, sondern erfährt seine maßgebliche Bestimmung durch die jeweils maximal erlaubte HF-Dauerleistung und den mindestens einzuhaltenden Intermodulationsgrad (IMD).
Eine HF-Aussendung bis maximal 200 Watt Dauerleistung muss mindestens -30 dBc IMD und eine HF-Aussendung größer 200 Watt und maximal bis 500 Watt Dauerleistung müssen mindestens -40 dBc IMD erreichen.
Eine solche Regelung würde den tatsächlichen Bedürfnissen einer Frequenznutzung und der Qualität einer HF-Aussendung gleichermaßen gerecht werden. Geht es doch im Grundsatz darum, eine störende Beeinflussung - gleich welcher Art - auszuschließen bzw. hinsichtlich maximal zulässiger HF-Pegel zu begrenzen.
Der ein oder andere Leser*in wird sich jetzt wohl dahingehend plakativ äußern wollen, ohne Fleiß kein Preis bzw. ohne entsprechende Prüfung keine Rechte. Aber geht es wirklich darum? Ein ganz deutliches NEIN! Zeigt dieser Beitrag stimmig auf, dass der Lizenzklassen-Pragmatismus von einst der heutigen und künftigen Problematiken nicht gerecht wird und ggf. einer Prüfung auf Rechtsgleichheit nicht Stand hält. Schlussendlich geht es doch darum, ob wir den Amateufunk auch zukünftig noch bestimmungsgemäß ausüben können.
Wir erinnern uns, ist doch das eigentliche Thema der Signal-/Störabstand, wie damit pragmatisch umgegangen wird und was wir als Amateurfunkgemeinschaft dieser den Amateurfunk bestimmenden Störproblematik und dem Dilemma im Allgemeinen daraus künftig entgegenzusetzen haben. Schlussendlich liegt es an uns als Amateurfunkgemeinschaft, der nach Lizenz-Klassen strukturierten Ordnung zu entbehren und diese künftig pragmatisch neu auszurichten, damit der Amateurfunk und seine Gemeinschaft als paritätische Einheit auch über die nächsten Jahrzehnte hoffentlich Bestand haben wird.
So spricht dann auch die unten angefügte Grafik "Entwicklung Funkamateure Klasse A & E" von DL2ART eine deutliche Sprache und zeigt eindrucksvoll den Trend der letzten 15 Jahre auf, wobei die Zahl der Funkamateure Klasse A beständig und deutlich abnimmt, während die Zahl der Funkamateure der Klasse E leicht, aber dennoch beständig zunimmt. Dieser Entwicklung darf sich die Amateurfunkgemeinschaft nicht mehr verschließen. Mögliche Wege aus dem Dilemma habe ich aufzeigen können.
So bleibt mir nur noch abschließend zu sagen: Was hilft uns das Recht, den Amateurfunk in seiner Vielfalt ausführen zu dürfen, wenn jegliche Freude daran verloren geht, weil der dafür notwendige Signal-/Störabstand nicht mehr gegeben ist.
Ich wünsche uns dafür die notwendige Weitsicht und vor allem viel Freude am Amateurfunk!
DO5DGH | Oldenburg, 2020
Vielen Dank geht an Arthur Konze (DL2ART), der mir seine Grafik freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. Youtube-Link: https://www.youtube.com/c/Funkwelle