Press
Ι Kathimerini, Greece
Inherited image an impediment to seeking true identity, says artist Yiannis Savvidis
by Dimitris Rigopoulos
Three stories about history, the science-fiction scenarios for Athens > Athens as capital of the eastern Roman Empire, a metropolis that never disappeared from the historical purview of the West. Athens as a provincial town in the newly established Greek state, whose capital was Corinth, and Athens as the capital of an imaginary socialist Greece.
Yiannis Savvidis is participating in “Destroy Athens”, the first Athens Biennale, which runs to November 18 at the Technopolis Arts Complex in Gazi, with a work that destroys the very myth that gave birth to the idea of Athens as a capital. He has set up three different rooms, brought in superbly designed town-planning maps, and set out with almost surgical accuracy the evidence he calls on to support his imaginary versions of history.
There is always something attractive in the avidity with which some people mobilize their imagination to subvert aspects of reality. In his “Athenscope”, Savvidis goes a step further. Born in Germany in 1966, he had his artistic education in Berlin in the 1990s, he retains the aura of a city that has unsettled accounts with history.
“Berlin is an historically fragmented city. It isn’t easy to define and it carries many different myths. The inability to classify it makes me feel the need to impose some order on the chaos. So I draft maps as strictly as a robot, I use town plans; I do research”. “Athenscope” is the first visual project in which Savvidis has married two opposing forces: a natural attraction to historically loaded sites, and a passion for classification.
Athen’s relation to history is more one-dimensional than Berlin’s. “What is interesting in the case of Athens”, explains Savvidis, “is that it was founded on an idea, on a collective fantasy that served specific purposes. That makes it unique in Europe. European cities became capitals either because they posses certain geophysical features, or because military conflicts, the very flow of history, led to them. Neither of those things happened in Athens. The idea of Athens was based on a visual construction”.
And Savvidis’s “games” are no more fantastic than what happened in reality. His installations prompt many questions. He sees the visual construction we inherited centuries ago as an unhealed wound.
“It stops us from seeking our true identity, a problem we constantly face”, he says. And there is another, more personal dimension: “I feel I am part of the problem, a victim of a fantasy I can’t stop going back to. It is a component of the Greek identity to fantasize about versions of history. What if the Democratic Army had won the Greek Civil War, and so on? They are fantasies that hold us back, that bring us into collision with our real self, but that also serve us. We refuse to assume our responsibilities”.
Deutschlandfunk, Germany
"Destroy Athens"
In der griechischen Hauptstadt hat die Kunstbiennale begonnen
12.09.2007
Von Alkyone Karamanolis
"Destroy Athens", das Motto der ersten Kunstbiennale in Athen, hat angesichts der Waldbrände vor den Toren der Stadt einen bitteren Beigeschmack bekommen. Das Plakat zur Biennale stellt allerdings klar: Nicht die Stadt, sondern der Mythos eines Athens mit antiken Säulen und Skulpturen soll hier niedergerissen werden. Die Kuratoren wollen Athen als Ort zeitgenössischer Kunstproduktion neu definieren.
"Destroy Athens" - ein griffiger Titel, ein wenig reißerisch, aber auch augenzwinkernd. Er weckt klischeehafte Assoziationen an eine smogverhangene, eine laute, eine hässliche Stadt. Die Wirklichkeit ist komplexer: Athen ist vielschichtig, es ist viele Städte in einer.
Der Besucher kann sich davon überzeugen, wenn er sich etwa auf die Suche nach den Galerien macht, die im Umfeld der Biennale und in Zusammenarbeit mit ihr ausstellen. Zwischen den einzelnen Locations finden sich Romasiedlungen, von kurdischen Flüchtlingen besetzte Abbruchhäuser sowie Athens Chinatown, außerdem muss man aufpassen, dass man nicht unversehens in eines der zahlreichen Bordelle gerät - das Ganze übrigens direkt unterhalb der Akropolis.
Und so dient den Kuratoren Athen als emblematischer Ort auch nur als Metapher. Ihr gedanklicher Ausgangspunkt: wir konstruieren Identitäten auf Grundlage dessen, wie andere uns wahrnehmen. Die Zerstörung dieses Bildes also als Befreiungsschlag, auch wenn sich die Frage stellt: was kommt danach?
Zu den überzeugendsten Arbeiten gehört die Installation der Londoner Otolith Group. Auf 13 Sockeln: 13 Bildschirme. Zu sehen sind die einzelnen Episoden einer Dokumentation von Chris Marker zum Erbe des antiken Griechenland. Das Ergebnis dieser Arbeit, nämlich, dass sich die nationale griechische Identität aus einem Re-Import westlicher Projektionen auf das Land herausbildete, gefiel dem Finanzier des Projekts, der Onassis Foundation nicht, die Ausstrahlung der Reihe wurde in Griechenland verboten. Auf der Biennale ist die Dokumentation, in der berühmte Griechen, darunter Iannis Xenakis, Vassilis Vassilikos und Elia Kazan über ihr Land sprechen, nun erstmals zu sehen - Zweifel über die Konstruktion von kulturellem Selbstverständnis inbegriffen.
Präzise auch die Arbeit von Olaf Nicolai: er zeigt einen Dokumentarfilm über ein Haus auf der Insel Ägina, das durch wiederholte Bezugnahme zu einem griechischen Architekturmythos aufgebaut wurde. Nicolai zeigt, wie solche Legitimationsverfahren zum Selbstläufer werden können, beziehungsweise: er enttarnt sie. Denn die Informationen, die seine Dokumentation gibt, basieren - der Zuschauer erfährt das, wenn er nicht zu schnell aufsteht, nach dem letzten Bild - auf der Sitzung mit einer Geisterseherin.
Wie Identitäten entstehen, und wie überhaupt Dinge konstruiert werden, das beschäftigt mich, aber nicht in dem Sinne, dass ich jetzt sage, ich versuche, die Fakten zusammenzutragen und zu sagen, das war ganz anders, sondern indem ich sage: vielleicht ist die Konstruktion von Fakten immer mit so einer Art von fiktiver Rahmung versehen. Der Fakt hat ja immer eine Präsenz im Zusammenhang. Das heißt, er soll etwas legitimieren, er soll etwas autorisieren oder er soll für etwas stehen. Und diese Rahmung, die ist nie an sich selbst faktisch.
Die erste Athener Biennale ist aber selbstverständlich auch ein Fenster auf die griechische Kunstproduktion. Stelios Faitanakis verwebt in einer fulminanten Wandmalerei mit byzantinischen Anklängen den Prozess des Sokrates mit Hinweisen auf einen modernen Polizeistaat. Ioannis Savvidis entwirft Athen an drei Scheidewegen der Geschichte drei Mal neu. Und Georgia Sagri schiebt dem Besucher als Partner ihrer Performance eine fiktive Identität als Opfer eines Mordes aus Leidenschaft unter; als historische Grundlage dienen Verbrechen, die in Athen begangen wurden.
Rund 60 Künstler sind auf der Athener Biennale vertreten. Manches ist beliebig, und nicht immer hält die Ausstellung dem eigenen Motto stand, allerdings sind auch nicht alle Arbeiten für Athen entstanden. Die Destroy Athens geht auf die private und mutige Initiative dreier junger Kulturschaffender in Athen zurück, die mit dem mageren Budget von 1,3 Millionen Euro etwas schaffen wollten, was in ihrer Stadt bisher fehlte, so Xenia Kalpaktsoglou:
Wir haben lange Zeit Offstream-Ausstellungen organisiert. Aber wir haben gemerkt, dass wir einen Bezugspunkt brauchten. Eine zentrale Ausstellung, um die sich die vielen anderen künstlerischen Aktivitäten der Stadt wie Satelliten ansiedeln und an der sie ihr Profil schärfen könnten. Die Biennale ist für uns also auch eine Möglichkeit, Athen als Ort zeitgenössischer Kunstproduktion neu zu definieren.
HYPERLINK "http://www.dradio.de/dlf/sendungen/kulturheute669328/bilder/image_main/" \o "Moderne Kunst im Schatten der Akropolis." INCLUDEPICTURE "http://www.dradio.de/images/5692/landscape/133,0/" \* MERGEFORMATINET Moderne Kunst im Schatten der Akropolis.
Artnet, Germany
Erste Athen Biennale eröffnet
Messe mit anderen Mitteln
13.09.2007
von Sofia Tachias
Athens Bürgermeister lächelt zufrieden. Für ihn ist der Aufruf zur Zerstörung seiner Stadt kein Grund zur Sorge. Im Gegenteil: Zerstörung bedeutet für ihn die Möglichkeit etwas Neues, im Idealfall etwas Besseres zu schaffen.
Nach einem Sommer, dessen katastrophale Brände große Trauer in Griechenland hinterließen, ist soviel Entspanntheit nur möglich, wenn man weiß, dass die Zerstörung eine ideelle, eine künstlerische sein soll. Am vergangenen Sonntag eröffnete feierlich die erste Kunstbiennale der griechischen Kapitale.
Ihr Schlachtruf heißt „Destroy Athens".
Drei junge Kuratoren hatten die Künstler dazu eingeladen und angeregt, gegen die Stereotypen,Mythen und Zwangsvorstellungen Athens vorzugehen. Xenia Ka I paktsog Io u, Poka-Yio und Augustine Zenakos wählten dafür 57 internationale und griechische Künstler aus, deren Kunstwerke zu 70 Prozent ausschließlich für diese Ausstellung entstanden sind und zum ersten Mal präsentiert werden.
Mit einem Budget von 1,3 Millionen Euro gehört die jungfräuliche Biennale zu den eher kleineren Vertretern ihrer Gattung und geht auch deshalb eine Kooperation mit den älteren Biennalen von Istanbul und Lyon ein. Der Austragungsort der ersten Biennale Athens liegt im Zentrum der Stadt. Die sogenannte Technopolis im Bezirk Gazi ¡st das mittlerweile denkmalgeschützte ehemalige Athener Gaswerk, das für diesen Anlass von den italienischen Architekten Gruppo A 12 umgestaltet wurde. Die sechs Abschnitte auf dem Gelände wurden so miteinander verbunden, dass man
auf einem streng festgelegten Weg durch die Ausstellung geleitet wird. Die lineare räumliche Struktur findet sich auch im gedanklichen Konzept wieder.
Erzählerisch wird der Besucher durch eine zeitgenössische Schöpfungsgeschichte dirigiert, die in sechs Tage aufgeteilt ist.
Der siebte Tag - an dem die Schöpfung ruht - entfällt.
Keine Zerstörung ohne laute Explosionen, dachten sich wohl die Kuratoren und empfangen den Besucher im Abschnitt „erster Tag" mit einer Videoinstallation der deutschen Künstler Julian Rosefeldt und Piero Steinte. Auf sieben Leinwänden wird in Detonation Deutschland von1996, gelooptes Archivmaterial von Gebäudesprengungen in Deutschland nach demzweiten Weltkrieg gezeigt. Eine ganz andere Art von Lärm erzeugen politisch orientierte Künstiergruppen wie Adbuster und The Eraser mit ihren Installationen im Außenbereich der ersten Einheit.
„Tag Zwei" wird, wie nahezu die gesamte Ausstellung, vom Medium Video dominiert. Umso mehr heben sich Arbeiten wie die von Yiannis Savvidis ab. In Athenscope von 2007 werden mitStadtplänen, Gebäuden und Modellen hypothetische geschichtliche Ereignisse ausgearbeitet: Athen beispielsweise ais Zentrum des oströmischen Reichs oder als Hauptstadt des kommunistischen Ostblocks.
The Otolith Group aus London widmet sich in Inner Time of Television einer Wiederaufführung der nie vollständig zu Ende gebrachten Dokumentationsserie The Owl's Legacy des französischen Filmemachers Chris Marker, in der griechische Intellektuelle in Interviews das kulturelle Erbe ihres Landes reflektieren. In der Abteilung Video lässt Bernhard Willhelm einen homosexuellen, farbigen Tänzer in einer Tracht nach dem Vorbild der griechischen Präsidentengarde marschieren und in einer kleinen Nebenrolle die Galeristen von The Breeder (Athen) als verkleidete Esel auftreten. Stefanos Tsivopoulos erzählt vom Fernsehen der griechischen Militärdiktatur und Eva Stephani vergleicht die Akropolis mit dem weiblichen Körper als kommerziellem Gut. All diese Werke können für Diskussionen sorgen. Zu hoffen ¡st nur, dass Konsequenzen wie auf der Outlook 2004 oder der Art Athina im Juni dieses Jahres ausbleiben, als eine Arbeit von Eva Stephani von der Polizei entfernt wurde. Zu sehen waren dort Ausschnitte aus griechischen Pornofilmen der sechziger Jahre, die akustisch mit der griechischen Nationalhymne unterlegt waren, was behördlich keinen Gefallen fand.
Von den 15 griechischen Künstlern der Biennale ist die Arbeit von Steiios Faitakis die beeindruckendste. So erschien es auch dem Athener Bürgermeister, der für den Erwerb der Arbeit durch die Stadt plädierte.
In einem raumfüllenden narrativen Wandgemälde interpretiert der Künstler die Apologie des Sokrates mit dem Titel Sokrates drinks the conium. Stark an die byzantinische Ikonographie angelehnt, orientiert es sich auch an japanischer Kunst und Graffiti. Kurz vor dem Verlassen dieser gewaltigen Bilderflut folgt eine Überraschung: Picassos kleine Zeichnung Parthenon aus dem Jahr 1959, zeigt die mutige Tat des Griechen Manolis Gíezos, der 1941 die Hakenkreuzflagge auf der Akropolis mit der griechischen ersetzte.
Schon bei seinen Vorbereitungen für die Biennale zog Terence Koh, der inzwischen Starstatus für sich in Anspruch nehmen kann, eine Menge Aufmerksamkeit auf sich. Zur Eröffnung zerstörte er in seiner Performance The Son dutzende, kleine schwarze Kopien antiker, männlicher Skulpturen. Mit The Camel was God, the Camel was Shot hinterließ er schließlich einen geschlechtslosen Bronze- abdruck seines Körpers auf dem Boden des alten Gaswerks.
Die erste Biennale Athens könnte man fast schon eine Videonaie nennen, denn die Hälfte der gezeigten Werke sind diesem Medium gewidmet, Ausnahmen bilden wenige Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen. Fotografie wird ganz ausgelassen. Die Ausstellung ¡st, an lokalen Standards gemessen, sehr sorgfältig kuratiert und gut organisiert. Sie hält aber nicht das, was ihr Titei zu versprechen versucht. Die narrativ poetische Struktur riskiert keinen Bruch, keine Enthüllung, keine Offenbarung, sondern gibt ein Resümee des aktuellen zeitgenössischen Kunstmarktes wieder.
Diese Biennale ist fast eine Messe. Dennoch ist sie wichtig für Athen, denn sie stellt einen Anschluss an die internationale Kunstszene her. Sollte sie sich etablieren, kann zumindest die junge Szene Athens davon profitieren. Für ortsfremde Besucher sind eher die zahlreichen Parallelausstellungen in den Bezirken rund um die Technopolls interessant. Hier wird er ein Athen entdecken, in dem schon lange vor der Biennale mit der Zerstörung der Mythen und Stereotypen dieser Stadt begonnen wurde
db artmag, Germany
A Smashing Success: The Athens Biennial is Extended
The 1st Athens Biennial has been so well received by audiences and critics that the organizers have decided to extend the art exhibition until December 2, 2007. The three curators - Xenia Kalpaktsoglou, the director of the Deste Foundation Centre for Contemporary Art, the artist Poka-Yio, and the critic Augustine Zenakos - worked for two years to realize the ambitious project. Deutsche Bank is the main sponsor of the event. In addition to strengthening the local art scene, the organizers seek to create an international forum for discussion and exchange. Thus, Athens has entered a network with the Biennials in Lyon and Istanbul to realize joint projects.
On account of the devastating forest fires that threatened the Greek capital this summer, the motto of the main Biennial show, Destroy Athens, takes on additional explosive power. The exhibition makers were not talking about real destruction, of course. They chose the provocative slogan to refer to the leitfmotif of the presentation, an examination of national stereotypes with Athens as the ancient "cradle of democracy" and the modern image of the city as a retsina paradise and smog hell.
Technopolis, a gas works from the 19th century which is now used for cultural events, is an ideal venue for the exhibition, to which 60 international artists were invited. They include Charles Avery, John Bock, and Olaf Nicolai, who are represented in the Deutsche Bank Collection, as well as Julian Rosefeldt, who opened Destroy Athens with his highly charged contribution "Detonation Deutschland". The video installation, which Rosenfeldt executed in collaboration with Piero Steinle, shows buildings being razed in postwar Germany in an attempt to radically eradicate the past. The winding art course leads through narrow aisles and giant factory halls, past batteries of old ovens between which the young New York star Terence Koh placed blackened divine figures quoting ancient sculptures.
The Greek artist Ioannis Savvidis shows plans and buildings of a fictive, real-socialist Athens, including the Berlin Wall. And he plays through ideas of what the metropolis would look like if Corinth had been selected as the capital of Greece. The young Athenian Stelios Faitakis uses an entire room for his project. With his shiny gold murals (citing Street Art, Byzantine icon painting, and Gustav Klimt), he transformed the space into a kind of chapel. While bombers circle over the Acropolis, Socrates and orthodox holy men encounter demonstrators, policemen, and terrorists here. It is at once an aesthetic and subversive commentary on media pictures and national clichés which simultaneously illustrates the motto of the exhibition.