Pressespiegel Deutschland

Möwengeschrei über der Bambusinsel / Wie die Herausgabe einer Briefmarkenserie über ein winziges Eiland die Beziehungen zwischen Japan und Südkorea belastet

„Solle keiner sagen, wegen einer Briefmarke werde schon kein Krieg ausbrechen. Hat es alles schon gegeben, und deshalb muss man fast ernst nehmen, was sich gerade zwischen Japan und Südkorea abspielt. Es tobt eine diplomatische Schlacht um ein paar Briefmarken. Die Waffen schweigen noch, aber immerhin mussten schon die Außenminister beider Länder miteinander telefonieren. Japans Ministerpräsident hat Südkorea zur Zurückhaltung ermahnt. Nationalistische Hitzköpfe auf beiden Seiten aber rufen gar nach militärischen Maßnahmen.

Der Anlass mag flach sein und auf der Rückseite klebrig, der entstandene Aufruhr aber ist voluminös. Südkoreas Post hat angekündigt, in dieser Woche eine Serie von Briefmarken über Dokdo herauszugeben - die Felseninsel. Das ist ein winziges Eiland irgendwo in der Mitte zwischen Südkorea und Japan.“

Nach dieser Einleitung heißt es unter der Zwischenüberschrift Der Postminister erntete nur Trotz weiter:

„Genau betrachtet sind es bloß zwei aus dem Wasser ragende Steinbrocken, voll weißem Möwenkot und zu klein für eine sinnvolle Besiedelung. Lediglich die Fischgründe rund um die Insel sind reich an Krabben, Makrelen und den in beiden Ländern beliebten Tintenfischen. Auf den 560000 Briefmarkenbögen soll deshalb vor allem die "Meeres- und Pflanzenwelt" der Inseln abgebildet werden.“ In Japan sei man empört, denn zwischen beiden Ländern sei sie höchst umstritten, schreibt die SZ weiter, benennt den Namen Takeshima und geht im Folgenden auf die japanische Sichtweise der Angelegenheit ein: „Südkoreas Regierung wolle mit den Briefmarken ihren Anspruch auf die Insel zementieren, vermutet man in Tokio. Japan solle mit einer eigenen Bambusinsel-Briefmarkenserie zurückschlagen, forderte Postminister Taro Aso vor einigen Tagen in einer Kabinettssitzung.“

Laut SZ habe der Minister hiermit nur Trotz in Seoul bewirkt und zitiert die Stellungnahme des Postdirektors der Rep. Korea wie folgt: „’Das Drucken von Briefmarken ist grundsätzlicher Bestandteil unserer hoheitlichen Rechte’. Da fand es sogar Japans Ministerpräsident Koizumi nötig, sich zu Wort zu melden. ‚Die Bambusinsel ist japanisches Territorium’, sagte Koizumi. Seine Regierung versuche herauszufinden, was Südkorea mit der Herausgabe der Briefmarken bezwecke.

Damit hatte der Ministerpräsident noch mehr Öl in die Flammen gegossen. Eine ‚absurde Rede’, schäumten wütende nationalistische Aktivisten in Seoul.“

Dass eine politische Partei in Südkorea tausende von Briefen, die mit eben diesem Postwertzeichen frankiert sind, an den japanischen Ministerpräsidenten und seine Mitarbeiter zu schicken beabsichtigte, wird ebenfalls erwähnt. (...)

„Auch im Südkorea und Japan von heute gibt es Rechtsradikale, die wegen der Felsen- oder Bambusinsel am liebsten zur Waffe greifen würden. ‚Wieder’ zur Waffe greifen, muss es heißen. Denn Japan hatte die Insel im Russisch-Japanischen Krieg von 1904 bis 1905 erobert. Südkorea beansprucht sie jedoch, seit es nach Jahrzehnten japanischer Besatzung im Jahr 1945 seine Unabhängigkeit errang.“

„Ein paar südkoreanische Matrosen sollen Medienberichten zufolge bisweilen auf der Insel herumlaufen. ‚Die Bambusinsel sollte sofort zurückerobert werden’, schrieb dazu ein japanischer Nationalist im Internet. ‚Wir sollten die Selbstverteidigungsstreitkräfte in Bewegung setzen’. Südkoreanische Hacker antworteten mit Attacken auf Webseiten der japanischen Rechten und legten sie vorübergehend lahm.“

Der Autor belässt es nicht bei den Streitigkeiten um die Insel an sich, sondern geht auch auf die unterschiedliche Bezeichnung des Meeres ein, in dem sie sich befindet. Mehr dazu erfahren Sie unter dem Punkt „Die Insel auf Landkarten der beteiligten Länder“.

„ Das ‚Japanische Meer’ heißt es in Japan und auf den meisten internationalen Karten. Südkoreas Regierung aber hat eine Kampagne gestartet, das Meer offiziell in ‚Ostmeer’ umzubenennen. In Japan aber möchte niemand ‚Ostmeer’ zu einem Teich sagen, der aus eigener Perspektive eindeutig im Westen liegt. Japans Außenministerin Yoriko Kawaguchi blitzte am Dienstag jedenfalls ab, als sie ihren südkoreanischen Amtskollegen in der Briefmarkenaffäre anrief. Sie habe den Südkoreaner ‚aufgefordert, die Marken nicht herauszugeben, weil die Insel zum japanischen Staatsgebiet gehört’, sagte Kawaguchi.“ Abgeschlossen wird der Artikel mit der Aussage des Außenministers Südkoreas, der sagte, die Inseln seien rechtmäßiges Territorium Koreas.

Wenige Tage später wurden die Marken verausgabt und waren innerhalb weniger Tage restlos ausverkauft. Sie wurden dann von Briefmarkenhändlern mit entsprechender Marge verkauft.

Erschien am 15.01.2004 in der Süddeutschen Zeitung. Annotierter Auszug.

In der darauf folgenden Woche erschien der Bericht, der einleitend den deutschen Leser darüber unterrichtet, dass japanische Reichstagsabgeordnete in großen Mengen Briefsendungen aus Südkorea erhalten.

Diese Briefe wurden mit der Tokdomarke freigemacht: „Absender sind nationalistische Gruppen aus dem benachbarten Südkorea, die Nippons Parlamentarier ärgern wollen. Es ist vor allem die Briefmarke, die japanisches Politikerblut in Wallung bringt."

"Laut Aufdruck zeigt sie die ‚Flora und Fauna von Tokdo’ - einer kleinen, unwirtlichen Insel weitab im Japanischen Meer, wo eigentlich nicht viel mehr gedeiht außer einem skurrilen Territorialstreit. Japans Außenministerin Yoriko Kawaguchi regte sich über die Briefmarke so auf, dass sie den südkoreanischen Botschafter zum Protest einbestellte. Man werde bei der in Bern ansässigen Universal Postal Union Beschwerde einlegen, 'weil die Marken nicht Grenzen überwinden, sondern verändern sollen'.“

Den Wortlaut der dann tatsächlich erfolgten Beschwerde an die UPU können Sie auf dieser Seite nachlesen. „Der Seouler Diplomat Cho Se Hyung antwortete, Japan solle sehr vorsichtig sein, denn das Inselchen sei klar Hoheitsgebiet Südkoreas“ wird in der BZ zitiert. (...) „Die Inselchen waren im russisch-japanischen Krieg vor 100 Jahren von Tokio erobert worden, die Verwaltung oblag dann seiner Kolonie Korea (1910-1945). Mit Ende des Zweiten Weltkriegs übernahmen die USA als Siegermacht die Kontrolle, kümmerten sich aber nicht recht darum. Seither liegt alles im Nebel.“

Auf einen nicht zu unterschätzenden Grund kommt der Artikel dann zu sprechen, in dem darauf hingewiesen wird, dass reiche Fischfanggründe vorhanden sind. Natürlich bleibt hier nicht unerwähnt, dass die Markensätze am Ausgabetag bereits ausverkauft waren. Zu den Auflagen lesen Sie mehr unter der Rubrik „Südkoreas Briefmarken“ auf dieser Seite.

Erschienen am 21.01.2004 in der Berliner Zeitung. Annotierter Auszug.

Doch es bleibt nicht beim Status Quo, wie folgender Ausblick in die Zukunft zeigen will

Während eines Sommerseminars in Japan richtete er mit einer Filmgruppe den Blick in die Zukunft, und zwar ins Jahr 2046. Was wird Asien in 50 Jahren ausmachen? Könnte Asien zu einer "Asiatischen Union", nach dem Vorbild der EU zusammengeschlossen sein? So lautete denn auch der Titel des spekulativen Films:

"Die Asiatische Union: 1996-2046 - Ein historischer Rückblick..."

Am 29.Juli 2036 wird in Nojiri/Japan der AU-Vertrag von den Teilnehmerstaaten unterzeichnet. Zur AU gehören: China, Cho (Vereinigtes Korea), Japan, Indien, Tibet, Taiwan, Vietnam, Thailand, Malaysia, Philippinen, Singapur, Kambodscha, Laos, Brunei und Myanmar.

Das 10jährige Jubiläum 2046 bietet nun Anlaß, in die asiatische Geschichte zurückzublicken und wichtige Stationen des Weges zur AU Revue passieren zu lassen.

Ausgangspunkt ist das Endspiel der Fußball-WM 2002 auf der Insel Tokdo/Takeshima, das den Grundstein für die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Japan und Korea legt.

Im Jahre 2020 verzichtet China auf den Kommunismus, orientiert sich an der freien Marktwirtschaft und bildet mit den souveränen Staaten Tibet und Taiwan eine Wirtschaftsgemeinschaft.

Korea ist wiedervereinigt, und der religiöse Führer Tibets, der Dalai Lama, ist eine Frau...

2036 wird von Japan und Korea auf der Insel Tokdo die "Asiatische Friedensuniversität" gegründet. Ein Pflichtfach heißt "Friedenserziehung", und ein erklärtes Ziel ist die Ausbildung von qualifizierten Erzieherinnen für einen "natürlichen Sprachenunterricht im Kindergarten", der ab 2051 eingeführt werden soll.

Anke Stahl, Seoul Frauen Universität

© Mit freundlicher Genehmigung: Lektoren-Vereinigung Korea, "DaF-Szene Korea" Nr. 5, Seoul 1997