Schopenhauer
Mitleidsethik

Arthur Schopenhauers auch die Tiere voll einbeziehende Mitleidsethik
steht im deutlichen Gegensatz zur anthropozentrischen Ethik Kants.

Arthur Schopenhauer

Arthur Schopenhauer
(1788-1860)

Die Ethik in Arthur Schopenhauers Philosophie ist wohl wie bei keinem anderen weltbekannten westlichen Philosophen der Neuzeit Mitleidsethik, denn das Mitleid – so schrieb Schopenhauer in seiner Preisschrift über die Grundlage der Moral sei die einzige nicht egoistische, auch die ächt moralische Triebfeder. (1)

Mit seiner metaphysisch sehr tiefgehenden Begründung der Ethik stand Schopenhauer in deutlichem Gegensatz zu dem von ihm ansonsten hochverehrten Philosophen Kant. So lautet in der oben genannten Preisschrift der Abschnitt II : Kritik des von Kant der Ethik gegebenen Fundaments. Ein Beispiel aus diesem sehr umfangreichen Abschnitt sind hierfür die folgenden Ausführungen, in denen Schopenhauer besonders entschieden der Ethik Kants widersprach. Dazu zitierte Schopenhauer aus Kants Metaphysischen Anfangsgründen der Tugendlehre“, wo es (in den §§ 16 und 17) heißt:

Der Mensch kann keine Pflicht gegen irgend ein Wesen haben, als bloß gegen den Menschen ... Die grausame Behandlung der Thiere ist der Pflicht des Menschen gegen sich selbst entgegen; weil sie das Mitgefühl an ihrem Leiden im Menschen abstumpft, wodurch eine der Moralität im Verhältniß zu andern Menschen sehr diensame, natürliche Anlage geschwächt wird. (2)

Mit Empörung, ja mit Abscheu wandte sich Arthur Schopenhauer gegen eine solche Auffassung von Ethik und schrieb:

Also bloß zur Uebung soll man mit Thieren Mitleid haben, und sie sind gleichsam das pathologische Phantom zur Uebung des Mitleids mit Menschen. Ich finde [...] solche Sätze empörend und abscheulich. Zugleich zeigt sich hier abermals, wie gänzlich diese philosophische Moral, die, […] nur eine verkleidete theologische ist, eigentlich von der biblischen abhängt. Weil nämlich (wovon weiterhin) die christliche Moral die Thiere nicht berücksichtigt; so sind diese sofort auch in der philosophischen Moral vogelfrei, sind bloße "Sachen", bloße Mittel zu beliebigen Zwecken, also etwan zu Vivisektionen, Parforcejagden, Stiergefechten, Wettrennen, zu Tode peitschen vor dem unbeweglichen Steinkarren u. dgl. - Pfui! über eine solche […] Moral, - die das ewige Wesen verkennt, welches in Allem, was Leben hat, daist, und aus allen Augen, die das Sonnenlicht sehn, mit unergründlicher Bedeutsamkeit hervorleuchtet. Aber jene Moral kennt und berücksichtigt allein die eigene werthe Species, deren Merkmal Vernunft ihr die Bedingung ist, unter welcher ein Wesen Gegenstand moralischer Berücksichtigung seyn kann. (3)

Das obige Zitat zeigt, dass Arthur Schopenhauer nicht nur die Ethik Kants ablehnte, sondern zugleich auch die der im Abendland vorherrschenden Religionen, welche ebenfalls eine anthropozentrische, das heißt die Tiere mehr oder weniger ausschließende Ethik vertreten. Völlig anders hingegen der Buddhismus, dessen Ethik die Tiere voll einbezieht und somit auch in dieser Hinsicht der Mitleidsethik Schopenhauers nahekommt.

Anmerkungen

(1) Arthur Schopenhauer , Zürcher Ausgabe, Werke in zehn Bänden, Band VI: Die beiden Grundprobleme der Ethik, Preisschrift über die Grundlage der Moral, Zürich 1977, S. 270.

(2) Arthur Schopenhauer , a. a. O., S. 202.

(3) Ebd.

Weiteres zu Arthur Schopenhauers Mitleidsethik (mit Zitatquellen) > hier.