Nachdenkliches - 12

Dschuang Dschou : Schmetterlingstraum

Einst träumte Dschuang Dschou, daß er ein Schmetterling sei, ein flatternder Schmetterling, der sich wohl und glücklich fühlte und nichts wußte von Dschouang Dschou.

Plötzlich wachte er auf: da war er wieder wirklich und wahrhaftig
Dchuang Dschou.

Nun weiß er nicht, ob Dschuan Dschou geträumt hat, daß er ein Schmetterling sei, oder ob der Schmetterling geträumt hat, daß er Dschuang Dschou sei, obwohl doch zwischen Dschuang Dschou und dem Schmetterling sicher ein Unterschied ist.

So ist es mit der Wandlung der Dinge.

Dschuang Dsi, Das wahre Buch vom südlichen Blütenland.
Aus dem Chinesischen übertr. und erl. von Richard Wilhelm.
Köln 1984, S. 52.


Anmerkung

Richard Wilhelm über Dschung Dsi (altchinesischer Weiser, mit Lao-tse Begründer des philosophischen Taoismus, 4. Jh. v. u. Ztr.) in der Einleitung (S. 12) seiner o. a. Übersetzung:

Er ist ein Glied in der großen Kette, die im westlichen Denken durch die Namen Heraklit, Bruno, Spinoza, Goethe, Schelling, Schopenhauer, Schleiermacher bezeichnet wird. Aber seine eigentliche Bedeutung beruht nicht allein darauf, daß er eine Weltanschauung vermittelt - im Gegenteil, er will gerade die Weltanschauungen zur Ruhe bringen [...] - sondern darin, daß er zu dem zentralen Erlebnis führen will, das jenseits des Denkens liegt und von der Wissenschaft nur unvollkommen erfaßt wird.