Im Dickicht der Endungen auf -t

Wie hälT man die VielfalT der T-s auseinander?

Ahol akarat van, ott út is van Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg (Sprichwort).

Das „bewirkende” elementare semantische Suffix -t scheint sich im Ungarischen einer besonders großen Beliebtheit zu erfreuen. Seine bekanntesten Anwendungen umfassen den Akkusativ in der Deklination sowie die Vergangenheit in der Konjugation.

Aber es dient auch noch zur Bildung von verschiedenen abgeleiteten Haupt- und Tätigkeitswörtern. Es ist damit wohl das am häufigsten verwendete Affix, dessen richtige Einordnung Anfängern einige Schwierigkeiten bereiten kann.

Wie sehr oft in dieser Sprache, lässt sich auch hierbei der Zusammenhang zwischen den einzelnen Funktionen der t-Affixe logisch erklären. Mit einiger Übung wird es dann einem die richtige Deutung sicherlich leichter fallen.

1) Ort des Geschehens

Két szék közt a pad alatt zwischen allen Stühlen (Redewendung).

Wie in „Lingua Hungarorum – Die Sprache der Ungarn” und anderswo (hun) dargelegt, könnte die allererste Anwendung des -t die Kennzeichnung des Lokativs gewesen sein. Man begegnet diesem allgegenwärtig in der Form der Ortsangaben itt hier und ott dort.

Diese Funktion des -t ist noch vollständig erhalten in den Postpositionen, die zur Angabe eines örtlichen Verhältnisses dienen, zum Beispiel:

közt zwischen, előtt vor, alatt unter, mellett neben, mögött hinten.

Weniger geläufig, das heißt heute kaum noch benutzt wird es im Sinne seiner lateinischen Entsprechung an geografischen Eigennamen:

Vásárhelyt in Vásárhely, Mórott in Mór, Pécsett in Fünfkirchen, Győrött in Raab.

Es gilt also hierbei, dass ein im allgemeinen doppeltes -t entweder an Adverbien oder Eigennamen mithilfe von allen möglichen Vokalen angehängt wird. Die Endung des Lokativs ist demnach -(Vt)t (wobei V für a, e, o, ö steht).

2) Ein „Ort” in der Zeit

Törött edény szerencsét hoz Scherben bringen Glück (Sprichwort).

Wenn man sich den Zeitpunkt einer vergangenen Handlung „irgendwo” in der Vergangenheit vorstellt – und die uralischen Sprachen haben eine Vorliebe für räumliche Beschreibungen, siehe die Tridirektivität –, dann läutet es einem ein, dass man zur Kennzeichnung solcher Geschehnisse auch den Lokativ verwenden kann:

ült saß / ist gesessen, nőtt wuchs / ist gewachsen, olvasott las / hat gelesen, lépett schritt / ist geschritten, költött dichtete / hat gedichtet.

Diese Suffixe hängen jedoch nur wie eben in der dritten Person der Einzahl am Ende eines Wortes. Sonst stehen sie vor den Pronominalsuffixen:

ültem ich saß / bin gesessen, nőttél du wuchsest / bist gewachsen, olvastunk wir lasen / haben gelesen, léptetek ihr schrittet / seid geschritten, költöttek sie dichteten / haben gedichtet.

Das Partizip Perfekt beschreibt wie im Beispiel (törött edény zerbrochenes Gefäß) einen Zustand, der durch eine vergangene Handlung* erzeugt worden ist:

kimért áru abgewogenene (unverpackte) Ware, lelőtt vad abgeschossenes Wild, kapott ajándék erhaltenes Geschenk, lenézett szomszéd verachteter Nachbar, töltött csirke gefülltes Hänchen.

Manchmal unterscheidet man sogar zwischen dem Verb und seinem Partizip: írt valamit er/sie schrieb etwas, aber az írott okmány das geschriebene Dokument. Alte und neue Formen müssen auch nicht unbedingt übereinstimmen: mondotta (vala) er/sie hat(te) gesagt, heute als mondta er/sie sagte gebräuchlich.

Da der Vokal -a- hierbei nie als Bindelaut verwendet wird, lautet das Zeichen der Vergangenheit in einem Verb -((O)t)t (mit O=o,e,ö) vor dem Pronominalsuffix, wobei das ∅ (keine Endung) als das Zeichen für die 3. Person Einzahl der subjektiven Konjugation angesehen wird.

3) Das erzeugte Objekt

Az öndícséret büdös Eigenlob stinkt (Sprichwort).

Ein einzelnes -t kann auch vor Possessivsuffixen an abgeleiteten Adjektiven stehen, vorzugsweise in alteingesessenen Redewendungen:

ebadta tolvaj verdammter Dieb (vom Hund gegeben), dércsípte fák durch Reif bedeckte Bäume (vom Reif gebissen).

Wie man sieht, werden solche Wörter meistens aus einem Substantiv und der Vergangenheitsform eines Verbs zusammengesetzt. Der Hauptvermerk liegt jedoch auf dem damit als ganzes bezeichneten Hauptwort, deshalb sind solche Konstrukte objektiv. Subjektiv wird es, wenn ein einzelnes -t an ein Verb angehängt wird:

lét (←lenni sein) das Dasein, állat (←állni stehen) das Tier, képzelet (←képzelni sich vorstellen) die Phantasie.

Die Unterscheidung objektiv und subjektiv ist, wie immer im Ungarischen, sehr wichtig. Schließlich ist tudtatudat, das heißt sein/ihr Wissen ist nicht das selbe wie sein/ihr Bewußtsein:

Tudtommal nem volt tudatában annak, amit csinált Nach meinem Wissen war es ihm/ihr nicht bewußt, was er/sie getan hat.

Das „erwirkte” Objekt wird also an einem Verb entweder mit einem einzelnen -t vor einem Possessivsuffix, wenn der Begriff einen objektiven Unterton hat, oder mit -(A)t am Ende (mit A=a,e), wenn das Ergebnis subjektbezogen zustande kommt, angegeben.

4) Die Wirkung

Ittasan ne vezess! Fahre nicht unter Alkoholeinfluss! (Bekannter Aufruf.)

Wenn in einem Wort, das von einem Verb abgeleitet ist, das -t nicht von einem Possessivsuffix gefolgt wird, betont es lediglich, dass der neue Begriff nur nach der abgeschlossenen Tätigkeit entstehen kann:

mérték (←mér messen) das Maß (das, was gemessen wurde), győztes (←győz siegen) der Sieger (derjenige, der gewonnen hat).

Das Zeichen -t steht also immer vor einem deverbalen Derivativsuffix (eng). Dies ist nicht das selbe wie das -t- in hagyaték (←hagyat verlassen) der Nachlass. Das gehört nämlich in den nächsten Abschnitt.

5) Das Bewirkende

Vontató lónak ne kösd be a száját! Du sollst dem Ochsen, der da drischt, nicht das Maul verbinden (Sprichwort).

Mit -(t)at, -(t)et wiederum werden Verben in andere, sogenannte faktitive Verben überführt, um anzuzeigen, dass der Subjekt selber nur die Ausführung der Handlung (meistens durch andere) bewirkt:

mosdat jemanden waschen (= jemanden sich waschen lassen), méret ausmessen lassen, csináltat machen lassen, fektet hinlegen (= zum liegen zwingen).

Manchmal kann man nur anhand des Kontextes zwischen diesem Faktitiv und einem objektiven Erzeugnis aus dem vorletzten Abschnitt unterscheiden. Ersteres ist jedoch immer ein Verb, wohingegen letzteres immer ein Substantiv ist:

A főnöke beszédet mondat vele. Ez a kijelentés maga egy mondat. Sein Chef lässt ihn eine Rede halten. Diese Aussage selbst ist ein Satz.

Es kann aber auch sein, dass diese Wortarten sich geringfügig voneinander abgrenzen wie in írat schreiben lassen und irat das Dokument. Aber meistens ist das zusätzliche -t vorne dran ein Merkmal des Faktitivs. So ist auch der Held unseres Mottos kein dreschender Ochse im eigentlichen Sinn, sondern ein Zugpferd. Hierzu noch ein Beispiel:

A mozdony vontatta a vonatot Die Lokomotive zog den Zug (hinter sich her).

Das dritte -t in vontatta entsteht im Sinne von Abschnitt 2 (vgl. vontató ziehend, Zug…). Daraus folgt, dass ein faktitives Verb mit -(t)At eventuell vor einem Vergangenheitszeichen (oder auch vor einem -n für den Infinitiv oder den Konditional), aber immer vor dem darauffolgenden Pronominalsuffix gekennzeichnet wird.

6) Das objektive Verb schlechthin

Kivétel erősíti a szabályt Ausnahmen bestätigen die Regel (Sprichwort).

Es gibt eine große Klasse von ungarischen Verben, deren -t am Ende des Stammes das aktive, bewirkende sichtbar herausstellt:

indít starten, árusít verkaufen, veszít verlieren, und so weiter.

Zum Platz dieser Endung -ít in der Reihenfolge der verschiedenen, hier behandelten Suffixen betrachte man das folgende Beispiel:

A tulajdonos az eladójával árusíttatta (§ 6, 5, 2) az áruját Der Besitzer ließ die Ware von seinem Verkäufer verkaufen.

7) Andere Verben

Jóból is megárt a sok Allzu viel ist ungesund (Sprichwort).

Das Suffix -t kann auch als funktionslose Endung einfach Verben auszeichnen. Solche Verben sind im algemeinen objektiv:

teremt erschaffen, bont trennen, olvaszt schmelzen, und so weiter.

Einige alte Verben sind jedoch subjektiv. Diese haben meistens kurze, einsilbige Stämme:

fut laufen, lát (passiv) sehen, vét sündigen, und so weiter.

Das Erkennungsmerkmal solcher Verben ist demnach -(m,n,sz)t.

8) Das Akkusativobjekt

Vak tyúk is talál szemet Ein blindes Huhn findet auch einmal ein Korn (Sprichwort).

In einem gewissen Sinn zeigt der Akkusativ die Einwirkung des Subjekts auf ein Objekt an. So ist es nicht verwunderlich, dass im Ungarischen auch hierfür ein -t verwendet wird:

kolbászt die Wurst, vajat die Butter, tejet die Milch, barackot den Pfirsich / die Aprikose, gyümölcsöt das Obst.

Das direkte Objekt einer Handlung ist also ein Nomen, das als Kasusendung ein -(V)t trägt.

Zusammenfassung

Die folgende Tabelle fasst noch einmal die wichtigsten Merkmale der unterschiedlichen Funktionen der t-Suffixe zusammen:

* Anmerkung:

Die so ausgedrückte Abgeschlossenheit der Handlung bewirkt interessanterweise eine Umkehrung des Aktivitätsbezuges (hun). Obwohl in „Valaki ajándékba kapott egy dolgot Jemand hatte ein Ding zum Geschenk bekommen” das Verb kap subjektiv und damit passiv ist, hat sein Partizip eine aktive Betonung: a kapott dolog das Ding, das in jemanden Besitz übergangen ist.

Das Gegenstück von kap ist das objektive, das heißt aktive Verb ad geben, dessen Partizip Perfekt wiederum passiv ist: adott esetben gegebenenfalls (im Fall, der gegeben ist).

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