Deklinationstabellen

Sinn und Zweck der vielen Kasus

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Das größte Problem mit den zahlreichen Fällen des Ungarischen ist weder ihre Anzahl, noch ihre Verwendung – es ist einzig und allein ihre Bezeichnung, die allein schon zu suggerieren scheint, dass man wie im Lateinunterricht oder gar beim Lernen vom Isländischen verschiedene Deklinationen auswendig lernen muß. Schon der Kasusbegriff deutet auf etwas mechanisches hin, wobei er trotzdem ein unentbehrliches Mittel zur Beschreibung der flektierenden indoeuropäischen Sprachen bleibt.

Nicht nur, dass eine solche Sprache meistens mehrere Deklinationen der Nomina kennt, wie zum Beispiel die starken und schwachen Hauptwörter im Deutschen, sondern auch der Kasus selber je nach gewählter Sprache anders definiert wird. Legt man aber den Begriff möglichst allgemein aus, so kommt man wohl oder übel auf die in „Fürwörter – wofür?” aufgezählten 18 Fälle der ungarischen Sprache, obwohl deren Bezeichnung als solche in Ungarn erst seit ungefähr 20 Jahren üblich ist.

Die Grundidee

In agglutinierenden Sprachen wie dem Ungarischen gibt es keine Deklination im eigentlichen Sinne, sondern nur eine große Anzahl von Endungen, die immer eine fest umrissene Funktion erfüllen. Nur wenn die damit versehenen Nomina (eher zufällig) bestimmten, in der Sprachwissenschaft üblichen, aber dennoch theoretischen Kriterien genügen, spricht man von „Kasus”. Dies darf weder den Lernenden kümmern, noch soll er oder sie die Fälle, geschweige denn deren Namen auswendig lernen – schließlich kamen die Ungarn selber auch mehr als 1000 Jahre lang ohne aus.

Die Verwendung der Kasus sollte man jedoch kennen und verstehen (und hierbei ist natürlich hilfreich, wenn man sie beim Namen nennen kann). In diesem Sinne geht auch die folgende Beschreibung lieber von den Funktionen aus, die diese Fälle innerhalb der Sprache anbieten.

Bekanntlich spielt das Verb im Ungarischen eine ungleich wichtigere Rolle als im Deutschen. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass auch die Kasus ausschließlich in Abhängigkeit von ihm definiert werden. Der Einfachheit halber halten wir nur fest, dass alle anderen Wortarten (außer Artikeln und Bindewörtern) als Ergänzungen eines Verbs dienen können, wobei letzteres im Falle von Nomina deren Kasus vorgibt. Wie wir es schon wissen, hängt die Reihenfolge des Verbs und seiner Ergänzung – abgesehen vom →Besitzfall – nicht vom Kasus ab (und auch nicht umgekehrt), sondern von gänzlich anderen Kriterien, so dass man nur die grundsätzliche Folge Verbalpräposition, Verb anzugeben braucht.

Für die nachfolgende Einteilung der Kasus in Gruppen halten wir uns an den „Fall der Fälle”. Aber hier erst mal eine Auflistung der Vokalgruppen, die in den Tabellen zur komprimierten Darstellung der Kasusendungen benutzt werden (die Wahl des richtigen Vokals einer solchen Endung hängt von der Vokalharmonie ab):

I. Die grundlegenden Kasus

Dies sind diejenigen Fälle, die direkt zum Anzeigen von grammatikalischen Funktionen dienen. Diese sogenannten syntaktischen Kasus sind teilweise auch noch in der englischen Grammatik bekannt, obwohl dort keine Kasus mehr im Sinne einer Deklination gibt. Sie werden daher entweder mittels flektierten Pronomina, oder durch die Wortstellung der Substantive angegeben. Im Ungarischen werden diese grundlegenden Fälle zwar auch nicht dekliniert, aber dennoch durch eindeutige Kasusendungen unterschieden.

Im Gegensatz zum Deutschen ist dazu weder der Plural, noch der Artikel oder ein eventuell vorhandenes Attribut mitzuberücksichtigen (vgl. Übereinstimmungen).

II. Orts- und richtungsbestimmende Kasus

Im Gegensatz zum syntaktischen Charakter der obigen Kasus haben die nachfolgenden eine semantische Aufgabe, in dem sie die thematische Rolle angeben, die vom einem Nomen im Satz erfüllt wird. Durch diese Rolle haben diese Fälle eine eigene Bedeutung, und werden daher auch lexikalische Kasus genannt.

Die Kasus der eben behandelten Gruppe I werden im Deutschen meistens direkt durch Flexionskasus wiedergegeben, während diejenigen der Gruppen II und III durch irgendwelche Präpositionalkasus übersetzt werden müssen. Wie bei Präpositionen üblich, gibt es hierbei keine feste Zuordnung zu einer der ungarischen Kasusendungen.

Die 9 Fälle der Gruppe II waren ursprünglich reine örtliche Rollen, weshalb sie allesamt mit der Tridirektivität zu tun haben.

III. Allgemeine adverbiale Kasus

In dieser Gruppe werden die restlichen echten Kasus des Ungarischen zusammengefaßt. Syntaktisch betrachtet sind diese Fälle Adverbialbestimmungen, die jedoch keine örtliche Semantik haben.

IV. Der Possessiv

Im Deutschen ist der Genitiv der einzige Flexionskasus, der durch Nomina statt durch Verben gefordert wird. Diese Art der Kasusdefinition ist im Ungarischen nicht üblich, daher wird auch der sogenannte Besitzfall nicht als Kasus geführt.

Er existiert aber nichtsdestotrotz, wenn auch mit ähnlich verteilten Aufgaben wie in der Form des deutschen Genitivs, des Dativs und der Präposition „von”. Es ist zu beachten, dass der Besitzer in (19c–20a) als eine Art Attribut gilt, und daher muß er immer vor dem Besitz stehen. In so einem Fall nennt man den Besitzer das Subjekt, und den Besitz das Objekt des Besitzverhältnisses.

V. Adverbialbestimmungen

Weil solche Ergänzungen eines Verbs nicht durch eine festgelegte Rektion mit diesem verbunden sind, können sie natürlich auch keine Kasus bilden. Da sie sich jedoch in Bezug auf die Satzstellung im Verhältnis zu ihrem Verb genauso verhalten wie alle bisherigen Erweiterungen (vgl. Die allgemeine Wortfolge), werden sie hier mit aufgeführt.

Man soll auch nicht vergessen, dass die Kasusendungen der Gruppen II und III sowieso als Adverbialbestimmungen interpretiert werden. Auch die Pronominalsuffixe der Reihe (20b) können Worte ergeben, die nicht als Besitzangaben, sondern als Pronominaladverbien gelten (Wie kommt es?).

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* Anmerkung:

Die verschiedenen Subjekte eines Besitzverhältnisses drücken folgendes aus:

    • (→3b) Dativ + van = haben:
      • A királynak gyerekei vannak Der König hat Kinder;
    • (→19b) Dativ + Artikel = Alleinstellung des Besitzers, d.h. der Subjekt selber erscheint wichtiger:
      • A királynak a gyerekei die Kinder des Königs (sicherlich, und zwar nach dem Motto „die Kinder sind vom König, und nicht etwa von seinem Rivalen”);
    • (→19c) Nominativ (meistens ohne Artikel) = beliebiger Besitzer, d.h. das Objekt erscheint wichtiger:
      • A király gyerekei des Königs Kinder (hoffentlich, aber das lag eigentlich im Ermessen der Königin).

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