Anmerkung: Ziel der Anwendung der Tech ist die "Neuprogrammierung" eines wie eine Maschine funktionierenden "neuen Menschen", "neuer Organisation" und damit einer "neuen Zivilisation" (Clear Planet). Das von der Scientology- Organisation (SO) angestrebte Endziel ihrer zwangspädagogischen Utopie ist die Unterwerfung aller Menschen unter ihre 3 D-Tech. Die Praktizierung der 1 D-Tech ist hierzu nur Mittel zum Zweck.
Mit dem Verkauf (Franchising) der 3 D-Tech an Organisationen, vor allem an Wirtschaftsunternehmen durch WISE, dehnt die SO ihre Kontrollmacht branchenübergreifend aus und akkumuliert damit Macht. Scientology ist die Vertreterin eines auf einem biologischen Menschenbild (Behaviorismus, Kybernetik) beruhenden neuen Totalitarismus oder Cyberfaschismus).
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"Scientology", "Dianetics", "WISE" ("World Institute of Scientology Enterprises"), "Narconon", "Criminon", "Applied Scholastics", "Der Weg zum Glücklichsein" ("The Way to Happiness foundation") sind Trademarks des Scientology-Konzerns.
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https://sites.google.com/site/juergenkeltsch/was-ist-scientology
Dr. Jürgen Keltsch
Was ist Scientology?
Die Fabrikation der Mensch-Maschine im kybernetischen Lernlabor
Bayerisches Staatsministerium des Innern
München, 04.08.1999
aktualisiert am 19.11.1999
Vorwort
Der Beitrag wendet sich an alle Interessierte, die sich mit dem als Kampfnetzwerk konstruierten
System Scientology gründlicher auseinandersetzen wollen, vor allem Anthropologen,
Biologen, Organisationswissenschaftler, Managementexperten und Pädagogen.
In der Analyse wird anhand der für das System geltenden Managementlehre Hubbards
gezeigt, dass es der SO nicht um das Wohl des Einzelmenschen geht, sondern
um den Aufbau einer totalitären schlagkräftigen Organisation in Form eines auf Expansion
programmierten Netzwerkes, dessen Ziel die wirtschaftliche Ausbeutung und Versklavung
des Einzelnen durch den missbräuchlichen Einsatz von Psycho- und Sozialtechniken
ist. Die zitierten Quellen (HCO PL) zeigen, dass das Endziel des Spitzenmangements
der Organisation die Abschaffung der demokratischen Werteordnung und
die Verwandlung der Gesellschaft in ein technokratisches System (Cyberfaschismus)
ist.
Das lückenlose Kommando- und Kontrollsystem behandelt den Menschen als Objekt
und nicht als Person mit Menschenwürde und Menschenrechten.
Das biotechnische Menschen- und Gesellschaftsbild Hubbards, das die Trainingspraxis
bestimmt, sieht im Menschen in Anlehnung an die Computertechnologie eine Mensch-
Maschine, die im Lernlabor umprogrammiert und durch Lerndrill zur perfekten
Funktion und Stärke gebracht werden soll. Ziel des dressurartigen Trainings ist es,
den Kunden durch Drill maschinenähnliche Verhaltensweisen anzuerziehen, um ihn
durch die Organisation kontrollierbar und bleibend abhängig zu machen. Die Behauptung
der SO, ein spirituelles Ziel zu verfolgen, dient der Irreführung der Öffentlichkeit.
Die 1953 in den USA von dem Sciene-fiction-Schriftsteller Lafayette Ronald Hubbard
(1911 – 1986) gegründete "Church of Scientology" ist eine internationale Organisation
mit dem Hauptsitz in den USA, die den Verkauf von Persönlichkeitsentwicklung
sowie Organisations- und Managementtechnik weltweit betreibt.
Sie benützt die Organisation- und Vertriebsform eines gewerblichen Schulungsunternehmens
auf dem Weiterbildungsmarkt, geriert sich hierbei jedoch als sog. Neureligion.
Ihre Aktivitäten führten und führen weltweit zu Konflikten mit demokratischen
Gesellschaften. Nach eingehender Untersuchung bewertete die vom Deutschen
Bundestag eingesetzte Enquete-Kommission "Sog. Sekten und Psychogruppen"
in ihrem 1998 vorgelegten Endbericht die Organisation als verfassungsfeindliche
Bestrebung mit kriminogener Struktur. Diese Bewertung entspricht der der
deutschen Sicherheitsbehörden. Unter dem Deckmantel einer Neureligion hat die
von der Enquete-Kommission als Psychogruppe und nicht als Religionsgemeinschaft
qualifizierte Organisation es bis vor kurzem verstanden, ihre wesentlichen
Strukturmerkmale geschickt zu verbergen: Organisationsform und Logistik eines
Wirtschaftskonzerns; Expansionsstrategie eines aggressiv operierenden Strukturvertriebs
(Trainingsverkauf auf Franchisingbasis durch die Bildung von Ketten von
Subunternehmern); harte Verfahren der Menschenführung und -veränderung in der
Form des Socialengineering. Das heißt: rücksichtsloser Einsatz von aus der Verhaltenspsychologie
entlehnten Psycho- und Sozialtechniken zur Rekrutierung von
Mitarbeitern, Kunden und Anhängern; Verwendung einer totalitären Organisatonstechnik
zur völligen Disziplinierung und Instrumentalisierung der Mitarbeiter
durch lückenlose zeitliche und örtliche Kontrolle.
Im Endbericht der Enquete-Kommission wird in einem Sondervotum die Scientology-
Organisation als gewerbliche Anbieterin von Dienstleistungen auf dem Psychomarkt
unter der Rubrik "Mind Machines und Neues Lernen" eingeordnet. Kennzeichnend
für diesen neuartigen Dienstleistungsbereich ist der Versuch, den Menschen
im Lernlabor mit sogenannten verhaltenspsychologischen Mitteln, d. h. mit
programmiertem Lernen und Konditionierung in seinem äußeren und inneren Verhalten
bleibend zu verändern.
Diese naturwissenschaftlich ausgerichtete Richtung der Psychologie und Pädagogik
wird als Behaviorismus bezeichnet. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts suchten behavioral
ausgerichtete Lernforscher (Watson, Pawlow, Skinner), gestützt auf im
Lernlabor durchgeführte Experimente an Tieren und Menschen, allgemeine Lerngesetze
aufzufinden und entwickelten hieraus Trainingsprogramme (Lerntechnologie)
zur Veränderung menschlichen Verhaltens. Dieses humantechnologische Vorgehen,
das an die Beeinflussbarkeit der Organismen anknüpft, auf bestimmte Stimulierung
zu reagieren und ihr Verhalten zu ändern, d. h. zu lernen, wird Konditionierung
genannt, wenn im Lernlabor neue Verhaltensmuster derart eingeschliffen
werden, dass sie nach Setzen eines Schlüsselsignals ausgelöst werden können.
Zum Erlernen solcher Reiz-Reaktionsschemata werden ein ausgeklügeltes Belohnungs-
und Bestrafungssystem, sogenanntes Feedback-Training (= Benutzung des
Prinzips der Rückkopplung, d. h. Rückführung von Informationen über das Verhalten
eines Systems, wie z. B. des menschlichen Organismus, in das System derart,
dass sie das zukünftige Verhalten des Systems beeinflusst) und andere Methoden
der Verhaltensmodifikation eingesetzt.
Auch die kognitiven Fähigkeiten des Menschen lassen sich durch Konditionierung
beeinflussen (kognitiver Behaviorismus). Diese Lerntechniken erinnern oft an Dressur.
Trotz bemerkenswerter Erfolge gerieten diese technologischen Lernverfahren
alsbald in die Kritik, da sie nicht nur zur vorteilhaften Veränderung des Menschen,
sondern auch zu dessen Schädigung eingesetzt wurden (z. B. Erzeugung einer sogenannten
Dressatneurose in der Form einer Katzenphobie bei einem Kleinkind durch Watson).
Aus den Experimenten der Verhaltenspsychologie ergab sich weiter, dass mit ihrer
Strategie der Verhaltensmodifikation der Wille und die Überzeugungen eines Menschen
durch eine systematische Informations- und Kommunikationskontrolle im
Sinn des Versuchsleiters verändert und durch einen paradoxen Sprachgebrauch
(z.B. "Schmerz ist Glück") sogar psychische Störungen hervorgerufen werden können
(Double Bind-Technik).
Werden derartige Verfahren gezielt zur Manipulation und zur Schädigung einer Person
eingesetzt (vgl. "Neusprache" in Orwells "1984"), verliert psychologisches
Wissen seinen Charakter als therapeutisch-pädagogisches Instrument der Hilfe, es
verwandelt sich in eine tückische Waffe. Am spektakulärsten tritt die Wirksamkeit
der Methoden der Verhaltenspsychologie in Erscheinung, wenn die politische bzw.
weltanschauliche Überzeugung einer inhaftierten Person gegen ihren Willen durch
Zufügung von Torturen, die keine körperlichen Spuren hinterlassen (sog. Psychofolter),
nach dem Programm des Folterers verändert werden. Bekanntlich wurden
hierdurch amerikanische Kriegsgefangene im Koreakrieg zur kommunistischen Ideologie
"bekehrt" und in Ungnade gefallene Anhänger Stalins vor ihrer Liquidierung
zum öffentlichen Bekenntnis ihrer in Wirklichkeit nicht gegebenen Staatsfeindlichkeit
und zur "Schuldeinsicht" gebracht.
Aber auch Personen, die sich in Freiheit befinden, können durch den systematischen
Einsatz verhaltenspsychologischer Methoden angegriffen und hierdurch in ihrem
Willen geschwächt oder auch in ihrer Persönlichkeit zerstört werden. Dies hat
die Bekämpfung von Dissidenten durch die Stasi gezeigt, die sich hierbei nach einem
von Verhaltenspsychologen entwickelten wissenschaftlichen Programm zur
"Zersetzung der Seele" gerichtet hat. Die Opfer dieser Psychofolter-Methoden leiden
zum Teil noch heute unter deren Folgen. Scientology bedient sich nachweislich
ähnlicher Verfahren ("Techniken") einerseits zum Gefügigmachen und zur disziplinierenden
Pädagogisierung ihrer Anhänger, andererseits bei Angriffen auf die als
Feinde betrachteten Kritiker, um diese mundtot zu machen und sie in ihren Aktivitäten
gegen die Organisation zu lähmen. Die Schädigungen durch den Einsatz derartiger
Methoden, die bereits ins Geschäftsleben eingedrungen sind, werden durch
die Human- und Sozialwissenschaften heute unter dem Begriff "Mobbing" erforscht.
Besonders bedenklich, da mit der demokratischen Werteordnung unvereinbar, ist
es, dass derartige Methoden von einigen Managementtrainern, die eine sozialdarwinistische
Unternehmens- und Gesellschaftsphilosophie vertreten, in Kursen gelehrt
werden, um ihre Kunden als "Kampfmanager" für den "Wirtschaftskrieg" fit zu
machen.
Wird über die Haupt- oder Nebenwirkung verhaltensändernder Strategien nicht aufgeklärt
oder über diese, wie dies bei Scientology der Fall ist, sogar gezielt getäuscht,
fällt es den Probanden in der Regel schwer, zwischen normaler Pädagogik,
manipulativer Zwangspädagogik oder Gehirnwäsche zu unterscheiden. Besonders
verwerflich ist es, wenn Repressionstechniken, durch deren Einsatz der Anwender
gezielt Schaden zufügen will oder einen solchen in Kauf nimmt, als "Heilungsmaßnahmen"
getarnt werden.
Nach entsprechender Beweisaufnahme hat die Enquete-Kommission festgestellt,
dass in sogenannten Umerziehungslagern, die "Rehabilitation Project Force (RPF)"
genannt werden, Mitglieder der scientologischen Eliteeinheit SeaOrg, die Fehler
gemacht haben, zur Umerziehung mit klassischen Gehirnwäschetechniken traktiert
werden. Die Beschreibung von "brainwashing" in dem von ihm verfassten Managementlexikon
belegt, dass Hubbard ausgezeichnete psychologische Kenntnisse über
den Einsatz von Gehirnwäschetechniken hatte. Er ordnet dort Konditionierungsverfahren
nach Pawlow der Gehirnwäsche zu und beschreibt, wie dieser im Tierexperiment
mit seiner Dressurtechnologie Psychosen ausgelöst hat. In einem 1951 gehaltenen
Vortrag berichtete Hubbard, er könne mit seinen Techniken Leute krankmachen.
Er bezeichnete diese Methoden als "Black Dianetics". Dass auch bei Menschen
durch Konditionierung Dressatneurosen und –psychosen ausgelöst werden
können, gehört seit langem zum festen Wissensbestand der Humanwissenschaften.
Durch die Ende der 40iger Jahre von dem Mathematiker Norbert Wiener entdeckten
gleichen Gesetzlichkeiten bei der Steuerung, Regelung und Nachrichtenübertragung
im Lebewesen und in der Maschine (Computer, Roboter), die zur Entstehung
eines die Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften vereinenden neuen
Paradigmas und einer neuen Rahmenwissenschaft der Systemik und Kybernetik
(Steuermannskunst) geführt haben, bekam die naturwissenschaftlich ausgerichtete
Lernforschung neuen Auftrieb. Das materialistische Menschenbild der Aufklärung
"l‘ homme machine" wurde wieder aufgegriffen. Mit Hilfe von Computern
und durch die Konstruktion von sich selbst steuernden Robotern werden heute
(künstliche) Intelligenz und (künstliches) Leben maschinell simuliert. Geistige und
seelische Prozesse im Menschen werden nach der neuen Theorie als funktionelle
Eigenschaften eines kybernetischen Systems angesehen (Kognitivismus). Manche
Forscher glauben, damit sei der Beweis erbracht, dass das menschliche Gehirn
nichts anderes als eine Maschine nach Art eines Elektronenrechners sei.
Hubbards Technologielehre zur Veränderung des Menschen, wie er sie in seinem
Grundlagenwerk "Dianetik" (1950) beschrieben hat, knüpft nicht nur an den kognitiven
Behaviorismus, sondern auch direkt an die Kommunikations- und Steuerungstechnik
der Kybernetik an. Dafür sprechen folgende Indizien: Hubbards Verständnis
vom menschlichen Gehirn/Verstand als datenverarbeitende Maschine (vgl. Dianetics,
Die Entwicklung einer Wissenschaft 1959, 1972), seine Selbstqualifikation als
"Ingenieur", die ingenieurtechnische Sprechweise, die an einen Programmiercode
erinnert, die Neudefinition aller mentalen und sozialen Fähigkeiten des Menschen
durch Hunderte ingenieurtechnischer Funktionsbegriffe, die Empfehlung, Ingenieure
als sog. "Auditoren" für die Neuprogrammierung des menschlichen Gehirns/
Verstandes einzusetzen, die psychometrische Mess- und Evaluationsmethodik (vgl.
Managementserie Bd. 1-3), die Verwendung von Feedback-Verfahren beim Einsatz
eines Lügendetektors ("Elektrometer" kurz: "E-Meter"), der Glaube an die "Programmier-
barkeit" und "Produzierbarkeit" eines Neuen Menschen als "valuable final product"
im Lernlabor. Hubbard definierte dementsprechend den Einsatz seiner
Technologie als die Anwendung natürlicher Erziehungsgesetze (The logics of Dianetics
are the sciene of education. These are the axioms of education, Managementlexikon,
Stichwort: Axioms of Education).
Auch die auf den ersten Blick unverständlichen Methoden der Dianetik und Scientology
("Technology") lassen sich plausibel durch das kybernetische Paradigma erklären.
In zahlreichen Lerndrills ("Trainings") werden der "Mensch-Maschine" wie
einem neu zu programmierenden Roboter in oft stundenlangen quälenden Prozeduren
ein im Sinne Hubbards angeblich präziseres Agieren in und mit der Außenwelt
antrainiert, d. h. einprogrammiert (sog. Objektive Prozesse). Dem Probanden
("Preclear", "PC") wird hierbei gleichzeitig beigebracht, allen Befehlen des Trainers
blind zu gehorchen, d. h. sich wie eine Marionette zu verhalten. Erst wenn der Proband
diesen Reiz-Reaktionsgehorsam erlernt hat, wird sein Inneres durch exzessive
inquisitorische Befragungen ("Auditing") auf Funktionsstörungen durchforscht.
Auch das Auditing knüpft an die kybernetische Theorie an. Hubbard ging unter Absehung
von ererbten Eigenschaften offensichtlich davon aus, dass alle psychischen,
aber auch physischen Störungen ihre Ursache in einer "Falschprogrammierung",
nämlich in der Speicherung von schmerzlichen Erlebnissen in Form einer
Datenaufzeichnung ("Engramm") in dem als Datenbank vorgestellten Gehirn/
Verstand ("reaktiver mind") haben.
Eine mögliche "Falschprogrammierung" wird mit Hilfe des E-Meters, an das der
Proband während der Befragung angeschlossen ist, anhand von standardisierten
Fragelisten in Art einer Rasterfahndung im Gedächtnis sowie ausgeklügelten mechanischen
Fragespielen entlang der sog. "Zeitspur" ("Timetrack") aufzufinden versucht.
Anzeichen für das Vorliegen eines "Engrammes" ist ein bestimmter Nadelausschlag
des E-Meters. Das schmerzliche Ereignis muss der Proband in seiner
Vorstellung dann solange wieder durchleben, bis die Nadel des E-Meters auf Befragung
keinen neuen Ausschlag mehr zeigt. Diese Praxis erinnert an Dekonditionierungsübungen
der Verhaltenstherapie durch Abreaktion. Nach der Therapietheorie
Hubbards ist damit das Engramm "gelöscht" und soll keine nachteiligen Auswirkungen
mehr auf den so Behandelten haben. Einen Nachweis dafür, dass die mittels
des E-Meters angezeigte elektrische (Körper-)"Ladung", die vom Erinnerungsbild
des schmerzlichen Ereignisses bewirkt sein soll, oder das Erinnerungsbild selbst
die Gesundheit des Probanden beeinträchtigt, hat Hubbard nie geführt. Die Steigerung
des Wohlbefindens nach der "Entladung" des "Engrammes" ist kein Beweis
hierfür, da Suggestion oder ein Placeboeffekt diesen Zustand bewirken kann. Mit
der Löschung aller Engramme gilt der sog. reaktive Verstand als "beseitigt". Dieser
Zustand wird als "clear" definiert. Die Möglichkeit, mittels eines Biofeedback-
Gerätes in das Bewusstsein einzudringen und dieses therapeutisch zu beeinflussen,
hat die psychologische Forschung lange vor dem Wiederaufgreifen dieser
Methode durch Hubbard experimentell untersucht (Psychometrie, Psychophysik).
Wirkung und Wert entsprechender Methoden sind umstritten und werden häufig als
biologischer Reduktionismus kritisiert.
Auch wenn bis heute humanwissenschaftlich noch nicht im einzelnen geklärt ist,
was mit Personen geschieht, die sich mit Hubbards Methoden behandeln lassen,
muss davon ausgegangen werden, dass es sich bei der "dianetischen Technologie"
nicht nur um schlichte Gesprächstherapie oder um ein symbolisches Spiel handelt,
sondern dass hier mit hocheffizienten Psycho- und Sozialtechniken (operanter Konditionierung,
Tranceinduktion, Suggestion, Steuerung des Sozialverhaltens durch
Psycho- und Soziometrie und systemische Gruppenkontrolle) nachhaltig äußeres
und inneres Verhalten der Probanden verändert werden.
Besonders problematisch erscheinen hierbei die Übungen zu sein, die auf die Erfahrung
der sog. Außerkörperlichkeit (Exteriorisation) abzielen ("OT"-Zustand). Das
humanwissenschaftlich gut erforschte Erleben des Eintritts dieses Phänomens bei
bestimmten Meditationsübungen wird von Hubbard dafür benutzt, seine dualistische
paranormale Leib-Seelentheorie zu stützen. Er behauptet, der als Energiefeld postulierte
Geist ("Thetan") könne die "Mensch-Maschine" verlassen. Den angeblichen
Beweis hierfür soll auch wieder ein bestimmter Nadelausschlag ("Theta-Bop") des
E-Meters liefern. Bei vielen Kunden kommt es durch derartige Übungen zu psychischen
Auffälligkeiten bis hin zu psychischen Störungen mit Krankheitswert. Es tritt
alsbald ein suchtähnliches Verlangen nach weiterem Training auf und die Kunden
scheuen keine Kosten und Mühen, solches zu erhalten.
Die Enquete-Kommission hat in ihrem Endbericht bestätigt, dass es bei weniger
belastbaren Personen durch das Auditing zu ernsten psychischen Erkrankungen bis
hin zur Selbstmordgefahr kommen könne. Auch die Art der aggressiven Verkaufsmethoden
(Hard sell), mit denen die überaus kostspieligen Trainings an die Kunden
gebracht werden, wurden von der Kommission kritisiert.
Die von Hubbard zum Verkauf seiner technizistischen Persönlichkeitsentwicklung
und Betriebsführungsmethoden gewählte Organisationsform für Scientology erweckt
zunächst den Eindruck, als würde es sich lediglich um einen straff geführten
internationalen Wirtschaftskonzern handeln, der auf dem Weiterbildungsmarkt
vielfältige Dienste für Einzelpersonen anbietet. (Narconon: "Rehabilitation von Drogenabhängigen";
Criminon: "Rehabilitation von Straftätern"; Applied Scholastics:
"Verbesserung des Ausbildungswesens"; Stiftung Der Weg zum Glücklichsein:
"Verbesserung der Moral in der Gesellschaft"; Kommission für Verstöße der Psychiatrie
in der Gesellschaft: "Schutz der Patienten gegen Übergriffe der Psychiatrie").
Überzeugte Scientologen verweisen jedoch darauf, dass der Vertrieb dieser
Dienstleistungen nur Mittel zum Zweck der "Therapierung" aller und damit der "Erschaffung
einer Zivilisation ohne Geisteskrankheit, ohne Verbrecher und ohne
Krieg" sei. Sie sehen deshalb in Scientology eine "gesellschaftliche Reformbewegung".
Scientology erhebt über ihre individual-therapeutische Zielsetzung hinaus, die mit
der "First-Dynamic-Tech" verwirklicht werden soll, aber auch den Anspruch, eine
neue Organisations-, Verwaltungs- und Managementtechnologie zur Verbesserung
der Strukturen und Funktionen aller Gruppen, Organisationen und Behörden zu besitzen,
die sie "Third-Dynamic-Technologie" nennt.
Die Organisation verkauft diese Technologie auf Franchising-Basis an Wirtschaftsunternehmen
und veranlasst diese, dem branchenübergreifenden "World
Institute of Scientology Enterprises" (WISE) beizutreten. Dem Verbreiten dieser
Managementtechnologie und der Einbindung der Kunden aus der Wirtschaft in
WISE liegt unmittelbar das Ziel einer wirtschaftlichen Machtakkumulation, im
Rahmen der langfristigen Strategie jedoch die Einflussnahme auf das gesamtgesellschaftliche
und politische Geschehen mit dem Endziel einer Machtergreifung
zugrunde. Diese Planung lässt sich unschwer aus dem von Scientology verfolgten
sozialreformerischen Programm, das sie mit "Clear Planet" beschreibt, entnehmen.
Der Einfluss von Scientology auf die Wirtschaft in den USA ist bereits
derart stark, dass amerikanische Großunternehmen bei einer Zusammenarbeit
mit der deutschen Wirtschaft es oft nicht akzeptieren, dass ihre deutschen Vertragspartner
sich gegen die Verwendung von Hubbard-Technologien in ihrem
Unternehmen vertraglich schützen.
Die "Third Dynamic Tech" und die Anleitung zu deren Umsetzung ist in drei Bänden
"Management Series" durch Hubbard niedergelegt worden. Acht weitere
Bände ergänzen dieses Managementreglement. Organisations- und sozialwissenschaftliche
Untersuchungen des Inhalts dieser Organisationsvorschriften und
Betriebsanleitungen sowie der sozialen und psychologischen Auswirkungen im
Falle ihrer Umsetzung fehlen bis heute. Die Auseinandersetzung mit den Zielen
des Systems Scientology und die Möglichkeit einer Abschätzung des Gefahrenpotentials
für Funktionäre und Kunden einerseits, für Staat und Gesellschaft andererseits,
sind hierdurch erheblich erschwert. Es ist derzeit lediglich eine vorläufige
Beschreibung und Bewertung dieser Organisations- und Soziallehre und ihrer
Techniken möglich.
Hinter der Bezeichnung "Third Dynamic Tech" in den Management Serien verbirgt
sich die vollständig ausformulierte Soziallehre einer ingenieurkybernetisch
gesteuerten Gesellschaft in der Gestalt eines biotechnologischen
Systems, das man mit einem Superorganismus vergleichen könnte, ferner
die Beschreibung der zur Erzeugung und Erhaltung eines solchen Systems erforderlichen
besonderen Sozialtechniken eines technokratischen Social engineering,
sowie die verdeckt formulierte Zielvorstellung, mit Hilfe dieser Sozialtechniken
über die Schaffung vieler kleiner scientologischer "Superorganismen" die
Demokratien am Ende in einem scientologisch gesteuerten globalen "Superorganismus"
untergehen lassen zu können (vgl. "The Ideal Org" in HCO PL vom
12.03.1975). Die zur Anwendung vorgeschlagenen Sozialtechniken knüpfen an
biotechnologische Steuerungs- und Kommunikationsgesetzmäßigkeiten an.
Die von einem idealen scientologischen Funktionär in dem neuen Sozialsystem
benötigten Eigenschaften, auf die ein Neuling deshalb hinzuerziehen ist, sind die
eines perfekten Technokraten mit der Fähigkeit zu blindem Kadavergehorsam
gegenüber Steuerungsbefehlen des Systems und dem Vermögen, kleinste Abweichungen
vom technischen Reglement unnachsichtig korrigieren sowie absoluten
Gehorsam gegenüber Untergebenen durchsetzen zu können. Das scientologische
Erziehungsziel für Funktionäre entspricht damit dem Persönlichkeitsbild
der autoritären Persönlichkeit, wie es T. W. Adorno und andere 1950 im Rahmen
einer klinischen Untersuchung zur Anfälligkeit für faschistisch-autoritäre Ideologien
festgestellt haben.
Mit Hilfe einer ausgeklügelten Kontrolltechnologie sollen alle "Produktionsabläufe"
einer scientologischen Organisation ("Org")" lückenlos im Sinne eines perfekten
Total Quality Managements gesteuert werden, wobei es bei der Kontrolle
keinen Unterschied macht, ob anorganische oder organische Teile des Systems
auf reibungsloses Funktionieren punktgenau getestet werden. Die Betriebsangehörigen
auf ihren jeweiligen "Posten" werden von Hubbard zwar als Teile einer
"live organization" bezeichnet, hierbei jedoch ohne jede Rücksicht auf persönliche
Bedürfnisse und Freiheit den Produktionsabläufen und Steuerungsmechanismen
des Systems strikt unterworfen und dabei als Teile einer Maschinerie behandelt
(HCO PL vom 02.11.1970, neu herausgegeben am 10.10.1980).
Dieses von Hubbard als angebliches "Naturgesetz" für jegliche Produktion, ob
biologische Reproduktion oder Produktion von Menschenhand, aus der kybernetischen
Lehre und Technologie Norbert Wieners übernommene ins Ingenieurtechnische
gewendete Prinzip führt dazu, dass die Gewährung von Dienstleistungen
im Bereich scientologischer "Pädagogik" und "Therapie" als dinglicher
Herstellungsprozess betrachtet und daher der Warenproduktion gleichgestellt ist.
Scientologische "Produktionsorganismen" fabrizieren nach der Unternehmensphilosophie
Hubbards und des heutigen Managements der Organisation als
"wertvolles Endprodukt" den Scientologen. Der "Neue Mensch" Hubbards ist in
den Management Serien daher nicht selbstbestimmte Person, sondern Objekt,
ein nach der "Bearbeitung" angeblich besser funktionierender Organismus, der
dem Superorganismus Scientology als Systemteil eingefügt wurde. Um den Kunden
von dieser Realität abzulenken, wird ihm "der Erwerb von Freiheit" versprochen
(HCO PL vom 24.01.1969, korrigiert und wieder herausgegeben am
06.10.1985).
Der geistige und seelische Bereich des Menschen ist in den Management Serien
gänzlich ausgeklammert. Auch die Eigenschaften des "Produktionsorganismus"
der "Org" wird nicht aus geistiger, sondern aus einer rein technisch-funktionalen
Sicht abgehandelt. Dem gemäß verdankt eine "gute scientologische Org" ihre
Existenz und Wirkungskraft nach Hubbard dem richtigen Zusammenspiel folgender
drei "natürlicher" Organisationsfaktoren: 1) Ethik ("Ethics"); 2) Technik
("Tech"); 3) Administration ("Admin"). Hierbei sollen folgende "natürliche" Gesetzmäßigkeiten
bestehen: Wenn in eine Gruppe Ethik "hereingebracht" sei – in
die Alltagssprache übersetzt heißt dies: Alle gehorchen auf Knopfdruck allen
Befehlen des Systems widerspruchslos (vgl. 4 d)) – sei es erst möglich "Scientology
Technologie" (d. h. Drillpädagogik (vgl. 4 c)) zu praktizieren. Dies sei wiederum
die Voraussetzung, das Administrationsreglement durchzusetzen. Dieses
basiert auf dem Prinzip von striktem Befehl und Gehorsam nach Art eines militärischen
Kommandosystems. Erst wenn alle diese drei Faktoren optimal zur
Wirkung kämen, bestehe eine "gesunde" expandierende Organisation (HCO PL
vom 16.10.1997).
Dieses "Grundgesetz" scientologischer "Managementkunst" wird in Hunderten
aufeinander abgestimmter Richtlinienbriefen aus Hubbards Kommunikationsbüro
("HCO PL") für die Gründung und den Aufbau von scientologischen Organisationen,
die Ausbildung des Personals, die Führung der Organisation nach innen
und außen in einer kalten technokratischen, oftmals zynischen Sprache entfaltet
und konkretisiert. Dabei stellt Hubbard sein Organisations- und Managementmodell
für die Scientology-Organisation als idealtypisches Muster für den Aufbau
und die Führung aller Organisationen der zukünftigen Weltgesellschaft in all ihren
Bereichen vor. Hubbard geht bei seinem Organisationskonzept ersichtlich
von der von ihm in den Rang eines "Naturgesetzes" erhobenen Überzeugung
aus, durch die strikte Anwendung seiner Technologien könne man Mensch und
Gesellschaft etwa wie den Motor eines Sportwagens in einem fortlaufenden Optimierungsprozess
zu einem "Spitzenprodukt" verbessern.
Die organisatorischen Regeln für den Aufbau und die Steuerung scientologischer
Organisationen erinnern dementsprechend an die Konstruktionspläne und Betriebsanleitungen
von Ingenieuren aus dem Bereich der Kommunikations- und
Robotertechnik, die einen vollautomatisierten Produktionsbetrieb aus Rechnern
und Robotern zu installieren beabsichtigen. In diesen Organisationsvorschriften
gibt es einerseits Mitarbeiter als "Terminals", d. h. Ausgangs- und Endpunkte für
die Übertragung von Nachrichten und Steuerungsbefehlen, andererseits Mitarbeiter
als "Maschinen" für die "Produktion" von "Maschinen", die ihrerseits wieder
produktionsfähige "Maschinen" produzieren können sollen (HCO PL vom
29.10.1970), und ein vielstufiges System von Kontroll- und Steuerinstanzen, das
ständig psycho- und soziotechnische Messprozesse vornimmt. Hubbard begreift
in den Management Serien die Dienstleistungen seiner Organisationen daher als
eine echte Fabrikation. Dementsprechend werden Kunden und auszubildendes
Personal von ihm als "Rohmaterial" ("raw meat", "raw public", "particles") klassifiziert.
Sie sollen in einem "maschinellen" Arbeitsprozess nach einem vorgegebenen
Modell ("Modellsitzung") und vorgegebenen präzise zu befolgenden technischen
Verfahren, die an maschinentechnische Ablaufregeln, d. h. Algorithmen
erinnern, zu einem "wertvollen Endprodukt" ("valuable final product") "optimiert"
werden. Nicht von ungefähr spricht Hubbard von "Lebensreparatur" (HCO PL
vom 20.08.1979; HCO PL vom 21.09.1980).
Dieses in den Management Serien vertretene biotechnologische Konzept eines
mit Methoden des Social engineering veränderbaren "Homo sapiens" lässt keinerlei
Züge eines religiösen, philosophischen oder psychologischen Menschenbildes
erkennen. Hubbards Menschenmodell stellt damit die gänzliche Negation
des Menschenbilds der Religionen, aber auch des der Demokratien dar. Nach
der Wertordnung der Demokratien ist der Mensch Person, d. h. ein sich selbst
bestimmendes Subjekt mit Menschenwürde und kein zu fabrizierendes Objekt,
das in einem Erziehungslabor im Sinne der "New Brave World" Huxleys erst zu
höherer Funktionsfähigkeit gebracht und vom Laborleiter im Rahmen eines Total-
Quality-Prozesses nach Endkontrolle zu einem brauchbaren "Endprodukt" erklärt
wird.
Dieses Organisations- und Kontrollstatut wird vom Scientology-Management
auch minutiös umgesetzt. Um den Produktionsorganismus einer "Org" zum Laufen
zu bringen, werden die Mitarbeiter durch "Tech", d. h. mit programmiertem
Lernen und Lerndrill auf ein perfektes Funktionieren für die "Bearbeitung", d. h.
das Drillen ihrer Kundschaft abgerichtet ("educating people with drills until they
can think", HCO PL vom 26.04.1970 R, wiedergeprüft am 15.03.1975; vgl. auch
die Drill-Methode "Chinese School", HCO PL vom 13.05.1972).
Hierzu gehört insbesondere auch das Erlernen der von Hubbard für seine
"Mensch-Maschinen" geschaffenen "Neusprache", mit der er ingenieurtechnisch
die physikalische Kommunikationsbeziehungen menschlicher Kommunikation
entsprechend der kybernetischen Lehre und Technik nachgebildet hat. Die Neusprache
erinnert deshalb an die Fachsprache von Fernmeldetechnikern, Kommunikationsingenieuren
und Computerprogrammierern (vgl. "Kommunikationsformel",
HCOB vom 05.04.1973). Für Außenstehende, die diesen ingenieurtechnischen
Hintergrund nicht verstehen und die die von listigen scientologischen
PR-Profis zur Tarnung über das System gebreitete pseudoreligiöse Ideologie für
bare Münze nehmen, sind diese Neusprache und die in ihr abgefassten Texte
gänzlich unverständlich und werden deshalb auch nicht thematisiert. Hubbard
hat für die in seinem ingenieur-kybernetischen Betriebssystem eingesetzten
"Terminals" und "Produktionsmaschinen" mit der Neusprache einen perfekten
Maschinencode geschaffen, mit dem seine "Mensch-Maschinen" technologisch
über die Welt ("MEST") und sich selbst kommunizieren können. Sie rufen aus ihrer
"Datenbank", ihrem Gehirn/Bewusstsein, "Daten" ab (HCO/PL vom
12.05.1970), versenden sie als Nachricht an einen anderen "Terminal" oder lassen
sich durch "False Data Stripping" (HCO PL vom 07.08.1979) umprogrammieren,
falls Fehler in ihrem Programm oder ihrer Datenbank bei einem Check festgestellt
worden sind ("Data Series"). Die Management Serien bewegen sich damit
ganz auf dem Boden einer ingenieur-kybernetischen Lehre und Technik und
stehen damit in Widerspruch zur spekulativen Thetanlehre Hubbards, die er in
anderen Schriften ausgebreitet hat.
Diese kybernetische Neusprache Hubbards kennt als Code zur Darstellung der
physikalischen Welt keinerlei Ausdrücke für Gefühle und seelische Regungen.
Mitgefühl ist in der Scientologischen Wertordnung sogar eine Untugend. Nach
Hubbard soll Mitgefühl ("sympathy") das "Überlebenspotential" mindern. Auf seiner
40 Stufen umfassenden Bewertungstabelle für Emotionen ("Tonskala"), mit
der das "Überlebenspotential" in Tests gemessen wird, steht das Mitgefühl bei
einem Wert von 0,9, wird also gänzlich abgewertet. Dem gemäß lehnte Hubbard
auch Mildtätigkeit und den Wohlfahrtsstaat ab.
Es verwundert daher auch nicht, dass Hubbard Trainings erfunden hat, die auf
eine systematische Unterdrückung von Gefühlsäußerungen hinzielen etwa das
"Bull-baiting" genannte Reiz-Prozessing, in dem der Proband lernen soll, auch
unter Torturen Gleichmut zu bewahren, oder das mechanische Eindrillen einer
marionettenhaften Körpersprache für Mimik, Blickkontakt, Gestik von Armen und
Beinen, für den Körper bezüglich Nähe und Orientierung zu anderen Personen,
die Sprechweise bezüglich Stimmdruck, Geschwindigkeit und Sprachmelodie.
Diese auf den Erwerb einer künstlichen Körpersprache gerichteten vielfältigennonverbalen
Kommunikationsübungen ("TRs") erinnern an Schauspielunterricht,
gehören aber in den Bereich einer Dressurpädagogik.
Der ständige Gebrauch der ingenieurtechnischen Sprache und die künstliche
nonverbale Kommunikationskultur im sozialen Leben dürften bei vielen Funktionären
und Dauerkunden nach und nach zur Erkaltung des Gefühlslebens und
damit auch des mit dem Gefühlsleben korrelierten sittlichen Empfindens führen.
Es dürfte hierdurch für die Probanden eine Entwicklung zum "eindimensionalen
Menschen" eintreten, wie ihn H. Marcuse in seinen Studien zur Ideologie der
fortgeschrittenen Industriegesellschaft (1964) als neuen technoiden Persönlichkeitstypus
vorgestellt und kritisiert hat. Für das am intensivsten trainierte oberste
Management und die SeaOrg-Mitglieder, die "Aristokratie" der Organisation, ist
jedoch eine Einordnung bei dem verwandten Typus eines technologischen Funktions-
und Kampfmenschen, wie ihn E. Jünger in seiner Studie "Der Arbeiter"(
1932) als weiteren Entwicklungsschritt der sich technisierenden Menschheit
erwartet hat, wohl zutreffender (vgl. 5b).
Nach der von T. W. Adorno und Mitarbeitern Ende der vierziger Jahre in Berkley
durchgeführten Untersuchung zur "Autoritären Persönlichkeit" gehört es heute
zum gesicherten Wissen in der Sozialforschung, dass eine Verdinglichung des
Seelischen und eine Technologisierung mitmenschlicher Beziehungen, worauf
das scientologische Training bewusst abzielt, eine wesentliche Bedingung für die
Ausformung dieses Persönlichkeitstyps ist. In voller Ausprägung hat dieser Typus
folgende Eigenschaften: Er funktioniert in totalitären Systemen auf Knopfdruck;
er ordnet, ohne Skrupel zu empfinden, zur Erhaltung bzw. zur Erweiterung
der Macht des Systems auch inhumane Maßnahmen an oder führt solche auf
Befehl präzise aus. Ob diese Maßnahmen die Menschenrechte oder das Sittengesetz
verletzen ist ihm in der Regel gleichgültig. Als Legitimation für sein Handeln
reicht ihm aus, dass sein Handeln dem System nützt bzw. von diesem gebilligt
wird. Das autoritäre Menschenbild steht damit zum demokratischen in einem
fundamentalen Widerspruch.
Auch längere Zeit nach Trennung von der Organisation klagen manche der ehemaligen
Mitglieder, die jahrelang Funktionäre oder Dauerkunden der Organisation
waren, über innere Kälte und fehlende Gefühle. Angehörige von Scientologymitgliedern
erleben diese häufig kurze Zeit nach einer Kontaktaufnahme mit der
Organisation bereits in ihrer Persönlichkeit verändert. Sie schildern deren Verhalten
mit den Begriffen wie "kalt berechnend", "roboterhaft", "mechanisch", oder
beklagen "zynisches" oder auch "sadistisches" Verhalten im Umgang. Auch nach
einem Ausstieg wird noch von ähnlichem Verhalten berichtet. Ob von diesem
Verhalten auf eine Erkrankung in der Form einer Neurose geschlossen werden
kann, bedarf noch der Erforschung.
Das für die meisten ehemaligen Funktionäre und Dauerkunden schwer erklärbare
Phänomen, warum sie während ihrer Anhängerschaft Kritiker des Systems,
selbst wenn es die nächsten Angehörigen waren, als echte Feinde betrachtet
und sie mit allen Mitteln als Störfaktoren auszuschalten versucht haben, kann jedoch
nicht allein aus der Entwicklung einer autoritären Persönlichkeitsstruktur
abgeleitet werden. Einige Aussteiger wiesen darauf hin, dass sie ihr eigenes
Wohlergehen, das "Überleben", der Doktrin des Systems folgend, gefährdet sahen,
hätten sie ihre Verbindung zur Organisation entsprechend dem Wunsch der
Angehörigen abbrechen müssen. Die Erzeugung dieser Einstellung gehört zur
Manipulationsstrategie des Systems, das seine Anhänger damit gegen Kritik von
außen immunisiert. Es handelt sich um eine von totalitären Regimen immer wieder
erprobte Sozialtechnik, die enge Verbindung zum Regime und seinen Fortbestand
als überlebensnotwendiges Heilsgut zu dogmatisieren, um Verteidiger,
aber auch Kämpfer für den Schutz und die Expansion des Systems zu gewinnen.
Ist eine "produktionsfähige Org" geschaffen, werden die Kunden in die "Org"
"hereingeholt" und mit den unter Nr. 3 dargelegten Methoden "bearbeitet". Der
erzieherische Formungsprozess gegenüber den Mitarbeitern ist zu diesem Zeitpunkt
keinesfalls abgeschlossen. Alle Leistungen der Mitarbeiter, die wie Fließbandarbeiter
mit dem Kunden nach einem festgelegten technischen Reglement
in Kontakt kommen, werden als Grundlage für Kontrolle und Steuerung des Einzelnen
wie auch der "Org" laufend akribisch gemessen. Diese Messung des
"Outflow" dient sowohl zur Bewertung der Leistungsfähigkeit des einzelnen Mitarbeiters,
mittelbar aber auch der des Managements. Die Statistik hat Hubbard
darüber hinaus zu einer biologischen Heilslehre erhöht. Denn mit ihr wird gleichzeitig
das "Überlebenspotential" des einzelnen Mitarbeiters und das der "Org"
gemessen. Die Statistik ist damit Dreh- und Angelpunkt des ganzen Systems
Scientology. Sie entscheidet allein über das Wohl und Wehe sowohl des kleinsten
Funktionärs als auch das des Spitzenmanagers. Auf Grund des Statistikergebnisses
wird jedem einzelnen Mitarbeiter, auch den Topmanagern, selbst den
Organisationen im Rahmen eines zwölfstufigen Bewertungssystems ein sog. Ethikzustand
("Verwirrung, Verrat, Feind, Zweifel, Belastung, Nichtexistenz, Gefahr,
Notlage, Normal, Überfluss, Machtwechsel, Macht") zugewiesen, der deren
Wert und Ansehen innerhalb der "Org" bzw. gegenüber anderen "Orgs" festlegt.
Ist das statistische Ergebnis schlecht (z. B. "Nichtexistenz"), werden härteste
Sanktionen zur Verbesserung der persönlichen Produktionsfähigkeit verhängt.
Krankheit ist hierbei kein Entschuldigungsgrund. Denn perfekt trainierte Scientologen
können nach der Lehre nie krank werden. Schlechte Statistik aufgrund
Krankheit ist somit erst recht ein Grund für eine "Besserungsmaßnahme", d. h.
hartes Training. Die Statistik wird Aussteigerberichten zufolge zur gnadenlosen
Disziplinierung und Ausbeutung der Mitarbeiter missbraucht, um sie zur "Produktion",
die die Grundlage der "Expansion" des Systems ist, anzutreiben. Messung
der Expansion in einem Raum-Zeit-Koordinatensystem ist Indikator für die Stärke
einer "Org" (HCO PL vom 04.12.1966).
Unter "Überlebenspotential" versteht Hubbard eine mittels der Produktionsstatistik
gemessene Vitalitätsfunktion (HCO PL vom 06.07.1976). Der Einsatz seiner
"Technologie" zielt darauf ab, diese Vitalitätsfunktion, d. h. das gesamte menschliche
Funktionsvermögen im körperlichen, geistigen und seelischen Bereich bis in
Übermenschliche zu steigern, wobei alle Funktionsstörungen, zu denen auch
sämtliche psycho-somatischen Erkrankungen gehören, auf der "Brücke", d. h.
dem langen, unglaublich kostspieligen Trainingsweg, zum Verschwinden gebracht
werden sollen. Auch Organisationen wird ein Überlebenspotential zugesprochen.
Hubbards biologisches Übermenschentum der perfekten Funktionalität und
größtmöglichen biologischen Stärke ("Power") gehört daher nicht in den Bereich
der Religionen im abendländischen Sinn, aber auch nicht, wie die Organisation
vorgibt, in den des Buddhismus, sondern in den einer biologischen Naturlehre
mit einem phantastischen Überbau (utopischer Szientismus). Unter dem Zustand
"Power", der, wie bereits angeführt, im metrisierten "Ethiksystem" die höchste
Stufe und damit den höchsten Wert für das System bildet, versteht Hubbard zunächst
nichts anderes als die höchste Leistungsfähigkeit im Arbeitsprozess, sei
es beim einzelnen Menschen, sei es bei einer Organisation, aber auch gleichzeitig
höchste Macht im Sinne eines mit seiner "Technologie" zu erschaffenden
biologischen Übermenschentums, das die "Willenskraft" ("Will Power") der gesamten
Menschheit zum Durchbruch bringen soll. In "Scientology 0-8. Das Buch
der Grundlagen" verweist Hubbard als Quelle für Scientology ausdrücklich auf
Nietzsche. Das biologische Machtkonzept, aber auch das Mensch-Maschinen-
Modell, das dem Menschen nur noch einen Gebrauchswert zuordnet, zeigen,
dass Hubbard Nietzsches Gedankengut in die Tat umsetzen wollte. Nietzsches
humantechnologische Forderungen eines die Menschenwürde verletzenden Social
engineering stehen dem Zynismus Hubbards in nichts nach: "Die Aufgabe
ist, den Menschen möglichst nutzbar zu machen, und ihn, soweit es irgendwie
angeht, der unfehlbaren Maschine zu nähern: Zu diesem Zweck muss er mit Maschinen-
Tugenden ausgestattet werden (- er muss die Zustände, in welchen er
maschinal-nutzbar arbeitet, als die höchstwertigen empfinden lernen: dazu tut
not, dass ihm die anderen möglichst verleidet, möglichst gefährlich und verrufen
gemacht werden)" (Nachlass, in: Werke III, S. 630).
Hubbards erstes Axiom seiner Lehre "Überlebe!" dürfte demnach nicht als philosophischer,
sondern als ein biologischer Begriff einer zum Sozialdarwinismus zu
zählenden biologischen Lehre konzipiert worden sein. Bei einer philosophischen
Auseinandersetzung mit Scientology wird oft übersehen, dass die allermeisten
scientologischen Begriffe eine materialistische, d. h. biotechnische Grundlage
haben, auf die Hubbard sein Handlungswissen ("Technologie") stützt. Hubbard
ging es daher nie um die Ausübung spiritueller, sondern immer nur um die biopolitischer
Macht im Sinne des Machtanalytikers M. Foucault.
Zur Funktionslogik der totalitären Organisations- und Produktionslehre des Systems
gehören aber nicht nur technokratische Regeln für den Organisationsaufbau
("Admin") und die Mitarbeiterausbildung ("Tech"), sondern, wie oben bereits angedeutet,
auch solche für die Mitarbeiterführung ("Ethik"). Dieses Reglement ist ebenfalls
vom Prinzip einer totalen Verhaltenskontrolle, die zwangspädagogische
Maßnahmen benutzt, geprägt.
Geringste Abweichungen eines Funktionärs vom eingedrillten auf "Produktion"
ausgerichteten Rollenreglement (ideal scene, HCO PL vom 05.07.1970) werden in
der "Org" von einem ausgeklügelten Kontroll- und Sanktionsapparat ("Ethics") erfasst.
Eine Intimsphäre kennt das System hierbei nicht. Es sind daher alle Mittel
erlaubt, um jeden Angehörigen völlig zu durchleuchten, d. h. ihn zum absolut "gläsernen
Menschen" zu machen. Ziel der "ethischen" Kontrolle ist es, "Gegenabsichten"
und "Fremdabsichten" eines Funktionärs festzustellen, um dann diese mit
Mitteln einer Zwangspädagogik auszumerzen. Um etwaige abweichende Absichten
ermitteln zu können, sind "Wissensberichte" über von Mitarbeitern gemachte
Fehler, die gegen das Betriebsziel gerichtet sind, an den sog. Ethikoffizier zu senden.
Es sind auch entsprechende Selbstanzeigen zu verfassen. Alle "Wissensberichte"
werden in sog. Ethikakten gesammelt, um sie bei einem erneuten Versagen
des Funktionärs (bzw. Scientologen) zu seiner Disziplinierung sanktionsschärfend
verwenden zu können.
Zur "Evaluation" werden auch die Personalakten und Statistiken beigezogen und
der frühere "Ethikzustand" festgestellt. Da die scientologische Ethik sich an dem
produktions- und damit expansionsnützlichen Verhalten eines Mitarbeiters ausrichtet,
verwundert es nicht, dass Hubbard Mitarbeiter, die eine hohe Statistik haben,
generell auch Verbrechen, also unmoralisches Verhalten, verzeiht (sog. Kha-
Khan-Doktrin, HCO PL vom 01.09.1965 VIII). Nach dieser amoralischen
utilitaristischen Zweckethik handelt das System offenbar heute noch, wenn es berechtigte
Kritik systematisch unterdrückt, unwahre Propaganda verbreitet, "Lügendrills" für
Mitarbeiter durchführt, Kritiker mit Methoden des Psychoterrors angreift oder ehemalige
Mitglieder durch Androhen der Veröffentlichung ihrer Auditing-Daten gefügig
macht. Scientology handelt somit nach einer Doppelmoral, die sich nach dem
Grundsatz "Der Zweck heiligt die Mittel" richtet.
Durch unnachsichtige inquisitorische Befragungen anhand von Fragelisten unter
Zuhilfenahme des Lügendetektors ("E-Meter") versichert sich das System im
Rahmen von sog. "Sicherheitschecks" darüber hinaus permanent der Linientreue
seiner Mitarbeiter. Aber auch Kunden werden derartigen "Checks" unterzogen, um
etwaige "Gegen"- oder "Fremdabsichten" festzustellen. Durch Nadelausschlag des
E-Meters angezeigte angebliche Abweichungen werden sofort "repariert". Zu diesen
"Reparaturmaßnahmen" gehören vor allem Prozeduren des sog. Wortklärens.
Ziel dieser ist es, durch Einübung der systemeigenen Definitionen die Neusprache
und damit gleichzeitig die ideologische Ausrichtung des Abweichlers wieder zu
festigen. Eine Aufklärung über Ziel und Wirkung dieses Sprachdressurprogrammes
wird nicht gegeben. Dass zu diesem Arsenal repressiver Erziehungstechniken
auch Arbeitslagererziehung gehört, entspricht der Logik des Systems. Hubbards
Vorbild für seine "RPF" ist offensichtlich die "Lagerpädagogik" der kommunistischen
und faschistischen Diktaturen.
Eine besonders fühlbare erzieherische Sonderbehandlung durch die technologische
Erziehungsmaschinerie Scientology erhalten diejenigen, die die Fabrikation
des Neumenschen von innen oder von außen stören. Diese Störer, die die "Produktion"
unterdrücken ("Unterdrückerische Personen", HCO PL vom 16.10.1967),
werden mit äußerst schmerzhaften "Erziehungsmaßnahmen" solange "gehandhabt",
bis sie die Maschinerie nicht mehr bremsen. Der Kurs PTS/SP "Wie man
Unterdrückung konfrontiert und zerschlägt" (HCO-PL vom 23.12.1965 RA, revidiert
am 10.09.1983) enthält ein präzises Reglement materieller und prozeduraler Regeln
zur Definition von "Unterdrückerischen Handlungen" und deren Unterbindung.
Als sog. Schwerverbrechen wird z. B. die Abkehr von Scientology angesehen.
Verboten sind öffentliche Äußerungen gegen Scientology oder Scientologen. Dieses
Regelwerk bestätigt, dass die Sozialordnung von Scientology ein System totaler
Verhaltenskontrolle und härtester Repression ist. Es zeigt weiter, dass
Scientology außerhalb der demokratischen Werteordnung steht und handelt.
Durch die unmenschlich harten verhaltenssteuernden Maßnahmen bei der Führung
der Mitarbeiter lastet auf diesen ständig ein extrem hoher Leistungsdruck.
Dieser erzeugt bei ihnen ein permanent schlechtes Gewissen, nicht genug getan
zu haben. Dies veranlasst sie einerseits, durch den Besuch weiterer teurer Trainings
ihre "Produktionskraft" zu steigern, andererseits, um ihre Statistik zu verbessern,
neue Kunden in das System zu locken. Der Konstruktion des Systems liegt
damit eine menschenverachtende Strategie der Ausbeutung zugrunde, die auf die
Versklavung der Mitarbeiter, aber auch die der Kunden bewusst abzielt. In seiner
Führungsanweisung zur "Gruppengesundheit" spricht Hubbard davon, dass man
Leute "gebrauchen" müsse. Eine andere soziale Auffassung wird als "psychotisch"
zurückgewiesen
Zum permanenten Messen der Leistungsfähigkeit der "Mensch-Maschine" bedient
sich das System neben dem harten Betriebsreglement noch einer ganzen
Testbatterie aufeinander abgestimmter, hierarchisch gestufter psycho- und soziometrischer
Meßmethoden. Hubbard hat offensichtlich frühzeitig erkannt, welche
Macht ihm seine "psychodiagnostischen" Mess- und Kontrollverfahren über
den Menschen geben. In großsprecherischer Manier pries er sein neues Messkonzept
"Dianometry- Your Ability and State of Mind" 1951 in der Öffentlichkeit
an, wobei er nicht davor zurückschreckte, sich mit Adolf Hitler zu vergleichen. Er
drückte zunächst seine Bewunderung für den Erfinder Thomas A. Edison und für
Adolf Hitler aus. Beide seien "intelligent, überaus fähig, brillant, sehr erfolgreich"
gewesen. Es gebe jedoch noch etwas anderes als Intelligenz und Tatkraft. Hubbard
entwickelt sodann sein kybernetisches Menschenbild und die entsprechenden
Testmethoden (Technische Bulletins 1950-1953, S. 67).
Die Fixiertheit des Systems auf eine permanente Kontrolle durch behaviorale
Tests zeigt sich an der überaus breiten Behandlung dieses Themas in den
Management Serien. Unter den Stichworten "evaluation" und "evaluator" finden sich
allein über 350 Hinweise auf einschlägige Textstellen. Hiernach ist jedes "Auditing"
gleichzeitig ein Leistungstest. Ebenso werden alle Handlungen eines Mitarbeiters
ständig getestet. Die Art der Beobachtung, Analyse, Registrierung und
Bewertung des Verhaltens erinnert an Testprozeduren von Ingenieuren des
Technischen Überwachungsvereins in einem Versuchslabor.
Hieraus folgt aber, dass man durch eine lediglich philosophische und ideologische
Auseinandersetzung in den eigentlichen Kernbereich des Systems Scientology,
in dem es um permanentes Testen und programmiertes Lernen geht,
nicht vordringen kann. Scientologen glauben deshalb auch nicht an weltanschauliche
oder religiöse Dogmen, sie glauben an ihre "Optimierbarkeit" durch
die in ihren Augen funktionierenden Tests und die angewandte "Technologie".
Aufgabe des demokratischen Rechtsstaats muss es daher sein, diese Methoden
zu beschreiben, ihre Gefahren aufzuzeigen und diese abzuwehren. Hierfür ist
der demokratische Rechtsstaat jedoch derzeit nur unzureichend gerüstet.
In den letzten Jahrzehnten ist das Spannungsverhältnis zwischen philosophischer
Welterfahrung und naturwissenschaftlicher Erkenntnis immer stärker geworden,
immer mehr Bereiche unseres Geistes werden naturwissenschaftlich
entschlüsselt und damit technisch beherrschbar (W. Ch. Zimmerli 1989). Die Diagnosekraft
der Gesellschaft, den Bürger durch Tests, in seiner Leistungsfähigkeit,
seinen Bedürfnissen und Einstellungen zu messen und ihn aufgrund der
Tests auf seine Verwendbarkeit für bestimmte Aufgaben in der Gesellschaft zu
beurteilen, ist daher ständig gewachsen. Von dieser Diagnosemöglichkeit wird
immer mehr Gebrauch gemacht. Es gibt eine Unzahl von Tests, die auf einem
ständig größer werdenden Dienstleistungsmarkt verkauft werden. Vor allem im
Arbeitsleben stößt der Bürger, gleich ob einfacher Angestellter oder Spitzenmanager,
bei seiner Fortbildung immer wieder auf Tests, von deren Ausgang sein
weiterer beruflicher Lebensweg abhängt.
Bei der Anwendung und Auswertung dieser Tests wird heute verstärkt die Rechen-
und Analysefähigkeit von Computern verwendet. EDV-gestützte Personal-
entwicklungsprogramme fungieren einerseits als Lehr- und Lernhilfe für Mitarbeiter,
werden aber auch gleichzeitig als Diagnoseinstrumente zum Messen der
Leistungsfähigkeit benützt. Mit Hilfe ausgeklügelter Verwaltungssoftware, die als
Führungsinstrument für die Optimierung des Unternehmensergebnisses entwickelt
wurde, ist die Unternehmensführung heute aber auch in der Lage den einzelnen
Mitarbeiter über seinen "Datenschatten", den er bei seiner Arbeit im vernetzten
EDV-System des Betriebes hinterlassen hat, jederzeit diagnostisch zu
durchleuchten und ihn so zum "gläsernen Menschen" zu machen. Zum Schutz
der Persönlichkeit ist zwar eine derartige Diagnose durch Erheben, Verknüpfen
und Verarbeiten personenbezogener Daten in Expertensystemen ("Data-mining")
verboten (§ 206 StGB, § 43 BDSG). Dennoch machen immer mehr Unternehmen,
um Schaden von ihren vollvernetzten, hierdurch aber äußerst störanfälligen
Informationssystemen abzuwenden, von derartigen Diagnosen Gebrauch. Unter
dem Deckmantel, schwarze Schafe auszusieben, werden zum Zwecke eines
Total Quality Managements dabei immer häufiger zugleich auch Leistungsprofile
über Mitarbeiter erstellt (Kaltenborn 1999).
Wer testet hat Macht; durch einen Test wird die getestete Person der Diagnose-
Macht des Testers ausgeliefert. Kann die getestete Person nicht überprüfen, um
welchen Test es sich handelt und ob dieser richtig angewendet wurde, kann sie
zum Spielball des Testers werden. Obwohl durch Persönlichkeitstests in das informationelle
Selbstbestimmungsrecht des Bürgers tief eingegriffen wird, hat der
Staat bis heute kaum Schutzvorkehrungen getroffen, ihn vor Testmissbrauch zu
schützen. Das System Scientology kann deshalb ungestört seinen Persönlichkeitstests
("OCA-Test") in der Wirtschaft verkaufen, obwohl dem Test jede wissenschaftliche
Grundlage fehlt. Scientology kann ihre angemaßte Psychodiagnosemacht
und ihr technizistisches Menschenbild in unserer Gesellschaft deshalb
weitgehend ungestört verbreiten. Der Geltungsanspruch, das totale Diagnosewissen
zu besitzen, wird noch dadurch unterstrichen, dass Scientology in
Deutschland seit Jahren Tonnen von Propagandamaterial verbreitet und hierbei
systematisch unsere der Wertordnung des Grundgesetzes verpflichteten Psychodiagnosemächte,
die Psychiatrie und die Schulpsychologie, verleumderisch
angreift. Der demokratische Rechtstaat ist hiergegen jedoch nicht schutzlos.
Im Dokument E/CN/4/1116 vom 23.01.1973, S. 71 ff. hat die Menschenrechtskommission
der Vereinten Nationen die Gefahren, die von der missbräuchlichen
Anwendung von Tests ausgehen, beschrieben und zum "Schutz der Privatsphäre
im Lichte moderner psychologischer und physiologischer Methoden zum Herauslocken
von Informationen" eine Reihe von Empfehlungen gegeben, die in
Deutschland bisher nicht gesetzlich umgesetzt wurden:
(1.) Die Staaten werden aufgefordert, den Einsatz psychologischer Testverfahren
außerhalb von Beratung und Therapie gesetzlich zu regeln.
(2.) Der Einsatz psychologischer Tests soll sich primär am Schutzanspruch des
einzelnen orientieren und nur von sach- und fachkundigen Personen durchgeführt
werden.
(3.) Besondere Bestimmungen sollen die Möglichkeit regeln, Testuntersuchungen
ohne nachteilige Folgen zu verweigern und gegen die aus Testbefunden
abgeleiteten Konsequenzen Einspruch zu erheben.
(4.) Im Ausbildungs- und Arbeitsbereich sollen nur solche Testverfahren zur
Anwendung kommen, die nachweisbar einen direkten Bezug zu den sachlichen
Anforderungen erkennen lassen.
(5.) Gebrauch, Vertraulichkeit und Verbreitung der Testergebnisse bedürfen einer
gesetzlichen Regelung.
(6.) Der Einsatz von Persönlichkeitstests, die Rückschlüsse auf unbewusste
und innerpsychische Prozesse erlauben, soll besonders strengen Regelungen
unterliegen, die den Schutz der Menschenrechte gewährleisten.
Zum Schutz der informationellen Selbstbestimmung sollte die Psychodiagnose
durch Tests so schnell wie möglich gesetzlich geregelt werden. Der systematische
Missbrauch diagnostischen Herrschaftswissen durch Scientology ließe sich
hierdurch unterbinden.
Die Frage erhebt sich, warum die einzelnen Mitarbeiter und Dauerkunden gegen
den entwürdigenden Kontrollzwang nicht revoltieren. Die Erklärung liegt wohl in
Folgendem: Die Probanden sind von den in Trance erfahrenen Trainingserlebnissen,
die ihre empirische Weltsicht gesprengt haben, derart beeindruckt, dass sie
den Versprechungen der Organisation, sie könne mit ihren Techniken der ganzen
Menschheit helfen, Glauben schenken. Dass für die Vision einer "neuen Zivilisation"
Opfer zu erbringen sind, nämlich die Einhaltung eiserner Disziplin, die Unterwerfung
unter eine totale Kontrolle, der permanente übermäßige Einsatz von eigener Arbeitskraft
und eigenen Geldmitteln, nehmen sie unter diesen Umständen als notwendiges
Übel in Kauf. Sie können hierbei nicht erkennen, dass sie mit verhaltenspsychologischen
Tricks geködert und mit kybernetischen Kontrolltechniken in einem
geschlossenen System festgehalten werden. Denn Aufklärung darüber, dass sie in
den entscheidenden Trainings hypnotisiert waren, erhalten die Probanden nicht. Es
wird im Gegenteil immer wieder versichert, man arbeite nicht mit Hypnose. Die biokybernetischen
Kontrolltechniken sind von den Kunden nicht zu erkennen, da
Scientology über deren Einsatz nicht aufklärt, über den Gebrauch dieser Methoden
auch bewusst täuscht.
Scientology missbraucht, um Bindungen zu erzielen, die sozialen Gesetzmäßigkeiten
von Spielen. Mit und in Spielen können Mitspieler steuer- und formbar gemacht,
d. h. instrumentalisiert und versklavt werden. In der systemischkybernetischen
Anthropologie wird das Spiel als ursprüngliche Anpassung der
Gattung Mensch und der höheren Organismen an die Umgebung und damit als eine
besondere Art des Lernens aufgefasst. Spiel am und mit dem materiellen und
geistigen Modell der Realität soll der Erlangung und Einübung bestimmter Fähigkeiten
dienen. Anhand der Spieltheorie, die zwischen determinierten, nichtdeterminierten,
strategischen und nicht-strategischen Spielen unterscheidet, versucht
die Kybernetik die Veränderung des Verhaltens der Menschen und Gruppen
zu erklären (Flechtner, 1970). Das Netzwerk der Interaktionen von Mitgliedern einer
Gruppe wird sogar selbst als Spiel angesehen und die Gesamtheit dieser Interaktionen
(Spielzüge) als soziales System definiert (F.B. Simon 1995).
Scientology begreift sich unter Anknüpfung an die Systemtheorie selbst als Netzwerk
(HCO PL vom 04.12.1966) und als Spielsystem (HCO PL vom 04.12.1966),
für das mittels spezieller Spielzüge neue Mitspieler gewonnen werden sollen.
Scientology erweckt hierbei den Anschein, ein offenes System zu sein, in dem man
nach eigener Entscheidung ein Spiel beginnen und wieder beenden kann. In Wirklichkeit
handelt es sich aber um ein System, das darauf angelegt ist, die Mitspieler
auf Dauer festzuhalten, d. h. sie zum Bestandteil der Systemstruktur zu machen.
Systeme mit dieser Eigenschaft werden in der Systemtheorie als "versklavend" bezeichnet.
Bei expandierenden Systemen dieser Art verstärken die versklavten Elemente
wie bei einer Lawine im Rahmen eines sogenannten Synergieeffektes die
Expansionskraft des Systems (H. Haken 1981). Das scientologische Management
handelt nach diesem Systemkonzept; dieses bestimmt die Expansionsstrategie von
Scientology.
In seiner Theorie der Spielbedingungen vom 01.12.1950 (PAB Nr. 101) schreibt
Hubbard: "Die passendste Antwort auf das Rätsel des Lebens ist Spiele". Er definiert
dann "Auditing" als "Spiel" ("Wir auditieren den "Preclear" in allen Phasen
so, wie man ein Spiel spielt"). In "Die Vorbedingungen für das Auditing" vom
12.06.1956 (PAB Nr. 88) führt Hubbard aus, dass man sich im Auditing so wenig
wie möglich an das subjektive Selbst, den Mind, wenden, sondern dem
"Preclear" die Fähigkeit beibringen möge, "ein Spiel zu spielen", bei dem er am
Ende einen "Gewinn" erziele. Diese Technik, Spiele zu veranstalten, bei denen
der Mitspieler einen Gewinn erzielt, ist die Ursache, dass viele Kunden und Mitarbeiter
das System Scientology nicht mehr verlassen können.
Die Spiele von Scientology, die sich, wie bereits dargelegt, am Modell einer quasi-
maschinellen Interaktion ausrichten, sind zu den Kontrollspielen zu rechnen,
die dem Spieler nicht die geringste Freiheit lassen. Der Spieler wird zur Marionette,
zu einem allein durch den Trainer zu verändernden Objekt. Das axiomatische
Konzept Hubbards, dass sämtliche Trainings auf der "Brücke" pädagogischtherapeutische
Lernspiele seien, erhellt Sinn und Zweck der Hunderte von mysteriösen
Trainings (z. B. Übung an einem Aschenbecher oder das Erlernen von
"Kontrolle" durch die wiederholte stereotype Ausführung einer Gehbewegung in
der Form "Starten, Verändern und Stoppen"). Der "Auditor" spielt mit der
"Mensch-Maschine" ein an ein Kleinkinderspiel erinnerndes Trainingsspiel, damit
sie lerne, sich in Zukunft mit der Präzision eines Roboters in der Welt zu bewegen,
diese wie ein physikalisches Instrument zu erfassen und sie immer sicherer
zu kontrollieren. Eine anschauliche Illustration für diese phantastische kybernetische
Anthropologie bietet der amerikanische Film Matrix, der für höher trainierte
Scientologen ein Kultfilm sein soll.
Die Banalität der scientologischen Spiele ist bei den sog. Objektiven Prozessen
derart groß, dass sich bei den Übenden offenbar der Zwang einstellt, sie semantisch
zu überhöhen, d. h. sie zu mystifizieren, um so das versprochene Gewinnerlebnis
zu erreichen. Dass die Übungen lediglich einen technisch-operativen
Sinn haben, bestimmte Bewegungsvorgänge auf Kommando präzise ausführen
zu lernen, wird vom Probanden in aller Regel nicht erkannt. Ziel des "Processing"
ist zunächst die spielerische Interaktion als solche. Ähnlich wie bei Kleinkinderspielen
kommt es hierbei nicht auf eine bestimmte Sinnvermittlung an, wie dies
Ziel der Symbolspiele ist, sondern auf das schlichte Tun (sensomotorisches
Funktionsspiel). Da diese "sinnlosen" Spiele vielfach interpretierbar sind, steht es
dem Probanden immer frei, seine gewinnbringende "Erkenntnis" ("Cognition"),
mit der jedes Spiel endet, im Wege der Selbstsuggestion zu finden; hierbei wird
das Funktionsspiel von dem Probanden offensichtlich in den Rang eines Symbolspiels
gehoben. Erleichtert wird dies dadurch, dass die Probanden bei den
sich oft stundenlang hinziehenden stereotypen Übungen nicht selten in Trance
verfallen und somit ihr Tranceerleben als Ziel der Übung ansehen können.
Der Trick, eine sinnlose Aktion durch den Spieler zu einem sinnvollen Ereignis
uminterpretieren zu lassen, scheint überaus wirksam zu sein. Die Kunden lassen
sich durch die "Gewinnerlebnisse", über die sie nach jedem Spiel ein Protokoll
verfassen müssen, immer tiefer in das Gesamtspiel Scientology hineinziehen.
Anreiz, weiterzumachen, ist das Versprechen einer ständigen Steigerung des
"Gewinns" beim Durchlaufen der vielen Kurse auf der "Brücke". In der Werbung
spricht man beim Einsatz dieser Methode von Anreizsystem oder Incentivetechnik.
Dass hierbei immer größere wirtschaftliche und persönliche Opfer zu erbringen
sind, wird von anscheinend spielsüchtig gewordenen Kunden und Funktionären
in Kauf genommen. Als gerissener Verkäufer und Drahtzieher seiner
Funktionäre weist Hubbard in den "Marketing Series" diese darauf hin, wie wichtig
es sei, das Publikum über mysteriöse Erfahrungen, die es gemacht habe,
nicht aufzuklären, um ihm umso leichter weitere Kurse verkaufen zu können
(HCO PL vom 25.06.1978, wiederherausgegeben am 31.08.1979). Die Kunden
sind demnach Marionetten in der Hand der Trainer, die ihrerseits meist solche
des Systems sind. Kunden und Trainer merken deshalb oft nicht, dass sie sich
entgegen der scientologischen Propaganda nicht auf einem "spirituellen Weg"
bewegen, sondern dass sie zu perfekt funktionierenden "Mensch-Maschinen" für
ein in Expansion befindliches System abgerichtet werden, von dem sie wie bei
einem Pyramidenspiel als Köder für die Gewinnung neuer Mitspieler eingesetzt
werden.
Der Druck der Maschinerie ist derart stark, dass selbst Funktionäre, die die aggressiven
Verkaufsmethoden (hard sell) genau durchschaut haben, sich doch
immer wieder dazu überreden lassen, weitere Trainings zu kaufen, auch wenn
sie bereits finanziell völlig am Ende sind. Die ideologische Dressur scheint die
natürlichen Widerstandskräfte völlig zu lähmen.
Von besonderer Bedeutung in der kybernetischen Spieltheorie sind die Spiele,
die Wettbewerb und Kampf betreffen und damit einen Konflikt zum Gegenstand
haben, den man durch den Einsatz einer Gewinnstrategie zu seinen Gunsten
entscheiden will (G. Klaus 1969; Flechtner 1970). In den Management Serien
wird das System Scientology mit all seinen Organisationen unter impliziter Anknüpfung
an die kybernetische Theorie der strategischen Spiele explizit als
Spielerin eines solchen Spiels, das gegen die ganze Welt gespielt wird, dargestellt
(HCO PL vom 04.12.1966, 12.02.1967 und 06.12.1970). Um dieses Spiel
zu gewinnen, werden die Mitspieler in "Battle Plans" (HCO PL vom 22.08.1982)
und in "Strategic Planning" (HCO PL vom 05.01.1983) gedrillt. Bezeichnenderweise
gibt es zu dem Stichwort "Krieg" im Inhaltsverzeichnis der Management
Serien ca. 40, zu dem Stichwort "Kampf" ca. 15 Hinweise. Die Management Serien
können daher insgesamt als ein Handbuch der Logistik und kybernetischen
Strategie für die vom scientologischen Management angestrebte Welteroberung
interpretiert werden.
Dass es sich hierbei nicht um eine Überinterpretation handelt, zeigt nicht nur die
Benutzung einer strategisch-militärischen Terminologie, sondern auch der Umstand,
dass das System Scientology sich tatsächlich für seine Expansion wie zu
einem Kampf gerüstet hat. Es benutzt in seinem Kernbereich eine militärische
Organisationsform. Die SeaOrg, deren Mitglieder uniformiert sind, versteht sich
als ein militärischer Orden, der in Krisengebieten, wenn die Expansion stoppt,
zum Einsatz gelangt, um Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Auch der Geheimdienst
OSA, der "ein sicheres Umfeld für die Expansion schaffen soll", agiert
wie eine Kampftruppe. Seine Agenten und die des SeaOrg Managements erhalten
für ihre "Missions" und "Operations" auch eine praktische Spezialausbildung,
vor allem aus dem Strategielehrbuch des Chinesen Sun Tsu (500 v. Ch.), das eine
Anleitung für außerhalb jeder Moral- und Rechtsvorstellungen stehende biologische
Kampf- und Spionagetechniken ist, und aus dem Regelwerk "Manual of
Justice", in dem Hubbard angeordnet hat, wie man Gegner mit schmutzigen
Methoden "effizient" ausschaltet. Diese Lehren werden nachweislich gegen Kritiker
der Organisation weltweit in die Tat umgesetzt.
Hubbard machte sich durch die Formulierung eines strategischen Ziels und die
Benutzung eines Organisationsmusters aus dem Militärwesen die sozialen Bindekräfte
zunutze, die einen im Einsatz befindlichen Kampfverband zusammenschweißen,
der einen Auftrag zu erfüllen hat. Es kommt hierdurch zu einer Anpassung
der Wahrnehmung, einer gemeinsamen Weltsicht und Handlungsperspektive
(J. Ruesch/G. Bateson 1995). Als geschickter Sozialpsychologe hat
Hubbard dem von ihm geschaffenen Kampfverband als nicht mehr überbietbare
Kampfmotivation die Sicherung des "Überlebens der ganzen Menschheit" vorgegeben.
Auch hier handelt es sich um einen psychologischen Trick aus dem Arsenal
von totalitären Propagandisten und Incentivespezialisten, die damit Verkaufskampagnen,
aber auch soziale Bewegungen inszenieren.
Das aufeinander abgestimmte scientologische Regelwerk des Organisierens, Erziehens
und systemisch Kontrollierens, das zu einer marionettenhaften Instrumentalisierung
und letztlich Versklavung von Mitarbeitern und auch von Kunden führt,
geht demnach auf den Mißbrauch von Handlungswissen aus der System-,
Informations- und Regelungstheorie zurück. Die Möglichkeit eines derartigen
Mißbrauchs wurde in der Wissenschaftstheorie zwar schon seit langem diskutiert,
die Verwirklichung dieser Gefahr jedoch für unwahrscheinlich gehalten (H.
Stachowiak 1989). Dies verwundert, da seit der Entdeckung der kybernetischen
Gesetzmäßigkeiten durch N. Wiener sich insbesondere der damalige Ostblock
mit der Erforschung und praktischen Anwendung dieser neuen naturwissenschaftlichen
Theorie und Technik intensiv beschäftigt hat. Man erhoffte sich offenbar,
mit Hilfe der neuen Technologie das Planwirtschaftssystem optimieren zu
können. Die Erforschung der Kybernetik wurde deshalb sogar in die Parteiprogramme
der UdSSR und DDR aufgenommen (G. Klaus/H. Liebscher 1970). Die
marxistisch-leninistischen Ideologen sahen in der kybernetischen Lehre und
Technik sogar den naturwissenschaftlichen Beweis für die Richtigkeit des Dialektischen
Materialismus (G. Klaus/M. Buhr 1964, 1972). Trotz weltweiter Anwendung
systemischer-, informations- und regelungstheoretischer Konzepte und
Techniken auch in der Wirtschaft demokratischer Gesellschaften blieb der vulgärkybernetische
Ansatz der Theorie und Technik von Scientology und der mit
diesem neuen Organisations- und Kontrollwissen getriebene Missbrauch bis
heute unentdeckt.
Maßgeblicher Grund hierfür dürfte sein, dass die Radikalität des technokratischen
Ansatzes, ein Sozialsystem allein auf eine ingenieur-kybernetische Theorie
und Praxis zu gründen und damit den Menschen zu einem Roboter zu degradieren,
die normale Vorstellungskraft weit übersteigt. Übersehen wurde bisher
auch, dass mit dem Begriff "Thetan" in den Management Serien eine selbständig
ordnende Steuereinheit gemeint ist, die ein anderes System, den Körper, steuert
(HCO PL vom 04.12.1966). Ein ähnlicher Ansatz findet sich in der seriösen Kybernetik
(Haken 1981). Angesichts der ingenieur-technischen Stringenz der Management
Serien drängt sich der Verdacht auf, dass diese überhaupt nicht aus
der Feder Hubbards stammen, sondern das Werk eiskalter Technokraten sind,
die sich des Science-fiction Schriftstellers und Phantasten Hubbard nur bedienen,
um ihr zynisches Machtspiel zu tarnen. Sollten die Management Serien jedoch
von Hubbard stammen, ist zu vermuten, dass er seinen Thetan-Mythos nur
als "mystery-sandwich" (HCO PL vom 25.06.1978) entworfen hat, um das Publikum
besser in seine Ausbeutungsmaschinerie locken zu können.
Der Schlüssel für die Erklärung des totalitären Systems Scientology und seiner
Bindekraft liegt somit weniger im pseudoreligiösen Überbau, an den viele niederrangige
Scientologen, aber kaum die Verfasser und Vollstrecker des Reglements
der Management Serien glauben dürften, als im Vermögen, verhaltenspsychologisches
und systemisch-kybernetisches Herrschaftswissen zur Steuerung, Instrumentalisierung
und Versklavung des Menschen einsetzen zu können und
dieses Handlungswissen unter Hinwegsetzung über Menschenwürde und Menschenrechte
skrupellos anzuwenden.
Zu diesen kumulativ eingesetzten Techniken gehören:
(1) Motivation der Kunden und Mitarbeiter durch den permanenten Einsatz von
sog. Anreizverfahren (Incentivetechniken) in der Form von Gewinn-, Glücksund
Erfolgsversprechungen bei der Werbung und in den Kursen; manipulative
Auslösung von Glücksgefühlen unter Hypnose bzw. durch systematische Überreizung
des Organismus (z. B. durch überlange Saunagänge beim sog.
Reinigungs-Run-down); Vorspiegelung ideeller Ziele zur Verdeckung des totalitären
Machtanspruchs und des Aufbaus einer antidemokratischen Machtposition;
(2) Eingewöhnung in eine ingenieurtechnische Neusprache zum Zwecke einer operationalen
Umstrukturierung des Handelns und Denkens; Aberziehung der
natürlichen Körpersprache;
(3) Erziehung zur Ausübung von Kontrollmacht über den Mitmenschen durch
a. Lerndrill
b. programmiertes Lernen
c. operative Konditionierung durch Verstärkung erwünschten und Unterdrückung
unerwünschten Verhaltens (Reinforcementtechnik)
d. permanente systemische Gruppenkontrolle;
(4) Indoktrination mit einer falschen Anthropologie (Behauptung der Möglichkeit,
einer völligen Beherrschbarkeit von Geist und Seele durch Messung der Körperelektrizität
einerseits und durch Einsatz von Lerntechnologie andererseits);
(5) Weckung einer Art von Sucht bei Kunden und Mitarbeitern, im "Gewinnspiel"
Scientology permanent mitzumachen;
(6) Ausnützung dieser Sucht
a. durch wucherische Preisgestaltung beim Kursverkauf
b. durch Ausbeutung der Mitarbeiter;
(7) Systematische Missachtung der human-, sozial- und kulturwissenschaftlichen
Erkenntnisse und der hieraus abgeleiteten Werte für einen menschenwürdigen
Umgang mit Leib, Geist und Seele bei der Geschäftsanbahnung, im Training,
bei der Mitarbeiterführung und bei der Auseinandersetzung mit Kritikern;
Vom strategischen Ansatz, wie er sich aus den Management Serien ergibt, muss
der Geschäftsbetrieb von Scientology als ein Unternehmen bewertet werden, das
unter dem Deckmantel der Menschenfreundlichkeit und Sozialreform die Versklavung
von Mitarbeitern und Kunden in einer technologisch-gesteuerten Kontrollgesellschaft
(kybernetische Diktatur) praktiziert und eine Verwandlung der demokratischen
Gesellschaftsordnung in eine kybernetische Diktatur propagiert und voranzutreiben
versucht.
Die Scientology-Organisation verkörpert sowohl in ihrer Programmatik als auch in
ihrer Vorgehensweise einen neuen Typ des Totalitarismus. Dieser bedient sich zur
Unterwerfung des Menschen und seiner Organisationen einer behavioralen und kybernetischen
Kontroll- und Steuerungstechnik (Technototalitarismus oder Cyberfaschismus).
Die Vision, mit behavioraler Lerntechnologie der Gesellschaft ihre "Aggressionen"
abzuerziehen, dürfte Hubbard von dem Lernforscher B. F. Skinner übernommen
haben. Dieser propagierte in seinem 1948 veröffentlichten Buch "Futurum Zwei
(Walden Two)" ein ähnliches Umerziehungsmodell für die Gesellschaft
wie Hubbard. Skinner machte jedoch anders als Hubbard deutlich, dass für das Gelingen
seines vorgeschlagenen Erziehungsversuchs der Mensch auf Freiheit und
Würde verzichten müsse. Auch wenn die anthropologische Theorie einer durch
Lerntechnologie beliebigen Formbarkeit des Menschen längst als falsch widerlegt
ist, werden heute im Weiterbildungssektor (Managementtraining) vermehrt derartige
Techniken zur angeblichen Optimierung des Menschen eingesetzt.
Hubbards humantechnologisches Konzept der "Optimierung" steht aber auch ganz
in der Tradition des "Scientific management" des Ingenieurs F. W. Taylor, der mit
ingenieurtechnischen Mitteln zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Arbeitsleistung
und das Verhalten von amerikanischen Fabrikarbeitern mit dem Ziel einer Leistungsoptimierung
vermessen, in Einzelfunktionen zerlegt, neu rhythmisiert, d. h.
mechanisiert und damit enthumanisiert hat (Taylorismus). Max Weber sah in dieser
Technik, mit wissenschaftlichen Methoden den Menschen in seinem Äußeren
und Inneren zu disziplinieren, die typische Herrschaftsform der Moderne (vgl. hierzu:
Der Neue Mensch. Obsession des 20. Jahrhunderts, Ausstellung des Deutschen
Hygiene-Museums Dresden 1999). Das eigentliche vom Scientific management
ausgehende Gefahrenpotential, nämlich die Möglichkeit, es zu totalitären
Zwecken zu missbrauchen, beschrieb in heute noch gültiger Weise der russische
Ingenieur und Schriftsteller J. Samjatin. Er erklärte bereits 1920 zur selben Zeit, als
Max- Weber Kritik am Taylorismus übte, die Fähigkeit des Bolschewismus, die Gesellschaft
in Russland zu kollektivieren und den Einzelnen zu versklaven, mit der
exzessiven Anwendung von Methoden des Scientific management. In dem satirischen
Zukunftsroman "Wir", mit dem Samjatin den Bolschewismus geißelte, werden
die Menschen als "Nummern" nach den Methoden Taylors, d. h. nach mathematischen
Gesetzen gesteuert. Der Preis für ihr perfektes technisches Funktionieren ist
der Verlust ihrer Seele. Die von Samjatin als Charakteristikum des Totalitarismus
herausgearbeitete Strategie einer gänzlichen Technologisierung der persönlichen
und sozialen Verhältnisse (Social engineering) wendet unbestreitbar auch Scientology
an. Die Organisation benutzt bezeichnenderweise zur Beschreibung ihrer Veränderungspraxis
für Mensch und Gesellschaft nicht den Begriff "Ideologie" oder "Psychologie", sondern
"Technologie".
In dem oben genannten Sondervotum von vier Sachverständigen der Enquete
Kommission wird unter Bezugnahme auf die naturwissenschaftliche Ausrichtung der
Lehre und Praxis von Scientology diese nicht in den Bereich von Religion als Glaube,
sondern in den postmodernen Bereich, der Naturwissenschaft und Technik als
Ideologie (Szientismus) benutzt, eingeordnet. Scientology gehört offensichtlich zu
der neuen Kulturströmung, die der amerikanische Soziologe N. Postman als "Technopol"
(1991) und sein Kollege G. Ritzer als "McDonaldisierung" der Gesellschaft
(1993) beschrieben und kritisiert haben. Postman befürchtet eine Entmündigung der
Gesellschaft durch die Macht der Technologien; Ritzer sieht bei einer weiteren
Technologisierung der Gesellschaft die Gefahr eines "eisernen Käfigs" für die Gesellschaft
kommen. Der amerikanische Computerwissenschaftler J. Weizenbaum
sieht dieselbe Gefahr und warnt vor einer einseitigen Ausrichtung der Gesellschaft
am kybernetischen Szientismus und dessen schrankenloser Forcierung (1976).
Die angewandte Kontroll- und Steuerungstechniken und die psychometrischen
Mess- und Evaluierungsprozeduren am Menschen weisen Scientology zweifelsfrei
als typischen Vertreter des "Technopols" aus. Die von den zitierten amerikanischen
Wissenschaftlern geäußerte Kulturkritik mag übertrieben sein, sie beschreibt jedoch
in zutreffender Weise die zunehmende Tendenz einer biologisch-technischen Ausrichtung
unserer Gesellschaft und trifft jedenfalls auf die Praxis von Scientology zu.
Deutsche Zukunftsforscher sehen jedoch ähnliche Gefahren wie die amerikanischen
Autoren. Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (JAO)
in Stuttgart hat drei mögliche Zukunftsszenarien für das 21. Jahrhundert entwickelt.
Zwei optimistischen Modellen wird das Modell "Metropolis" gegenübergestellt, das
eine düstere Variante von Postmans "Technopol" ist. Auch die Bayerisch-
Sächsische Zukunftskommission hält bei fehlender Gegensteuerung eine Entwicklung
in Richtung "Metropolis" für nicht ausschließbar.
Unsere Gesellschaft hat von den Risiken, die eine ungezügelte kybernetische
Technologisierung unserer sozialen Lebensbezüge (Cybersociety) bringen könnte,
insbesondere aber von den in einem Teil unseres Wirtschaftslebens benutzten
Methoden des Scientific managements in der Form kybernetischer Unternehmensorganisation
und –steuerung kaum Kenntnis genommen. Extremistischer Vertreter
dieses technologisierenden Trends ist Scientology. Auch wenn die Scientology
Organisation seit 1997 von den deutschen Verfassungsschutzbehörden als verfassungs-
feindliche Bestrebung beobachtet wird und zahlreiche Anhänger der Organisation
aufgrund der staatlichen Aufklärung in Deutschland den Rücken gekehrt haben,
besteht kein Grund zur Entwarnung. Zur Abwehr der Gefahren, die vom exzessiven
Gebrauch von Lerntechnologien behavioralen Zuschnitts und kybernetischer
Kontrolltechniken ausgehen, sollten zum Schutz des Individiums so rasch wie
möglich ethische und rechtliche Verhaltenstandards entwickelt werden. Es muss
daher auch umgehend eine rechtliche Regelung des gewerblichen Psycho- und
Weiterbildungsmarkts, so wie dies die Enquete-Kommission empfohlen hat, aber
auch der Persönlichkeitsdiagnostik durch Tests in Angriff genommen werden.