Haben oder nicht haben

Besitzfall ja, aber wie?

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Das Fehlen eines Verbes „haben” sowie des Genitivs im Ungarischen macht es einem Anfänger nicht gerade leicht, Besitzverhältnisse korrekt zu beschreiben. Wie so oft, kommen die Schwierigkeiten auch hier von den vielfältigen Möglichkeiten der Darstellung.

Der ungarische Besitzfall ist nämlich in seinem Wesen eine Zusammenlegung des Genitivum Nomen, Genitivus Casus und Dativus Possessivus im gewohnten subjektiv-objektiven Doppelparadigma der Sprache.

Außerdem können wie üblich märchenhaft komplexe Verhältnisse in einzelnen Wörtern ausgedrückt werden. Aber fangen wir erst mal klein an:

    • Az aranycipő nem a mostohatestvéreimé – gondolta Hamupipőke »Der goldene Schuh gehört nicht meinen Stiefschwestern«, dachte sich Aschenputtel.

Eine erste Analyse

Das große Ganze

Das Prädikat aus dem Beispiel ist vollständig, in dem Sinne, daß alle Möglichkeiten eines Besitzfalles darin aufgeführt sind. Bei der schrittweise Übersetzung hat man hierbei mit der umgekehrten ungarischen Logik zu tun:

Die einzelnen Komponenten

Die Subjektivierung des Ganzen

Die vierte Komponente zeichnet ein besitzendes Subjekt aus, und bezieht sich damit immer auf ein anderes Objekt. Daher kann sie auch allein verwendet werden:

Az aranycipő Hamupipőkéé – állapította meg a királyfi »Der goldene Schuh gehört Aschenputtel«, stellte der Sohn des Königs fest.

Dieser subjektive Possessiv wird auch zur Vermeidung von Wiederholungen des Objektes herangezogen:

Hamupipőke ruhája ezüsttel díszített selyemből van, a nővéreié nem Das Kleid von Aschenputtel ist aus versilberter Seide, das ihrer Schwestern [aber] nicht.

Aus dieser Art der Konstruktion eines subjektiven Bezuges könnte man schon erahnen, daß sich ganze Märchen damit zu einem einzigen Wort verdichten lassen:

A niueiéiért →Übersetzung.

Dem Dativ seine Habe

Der mit dem subjektiven Possessiv „jemandem gehören” angegebener Besitzfall hat – so wie ein subjektives Verb – einen passiven Beigeschmack. In einem solchen Fall ist die Rektion der deutschen Übersetzung hierfür der Dativus Possessivus.

Interessanterweise wird der Dativus Possessivus im Ungarischen genau entgegengesetzt, also für Sätze mit aktivem objektiven Possessiv verwendet (also wieder eine Art von umgekehrter ungarischen Logik).

Im Deutschen benutzt man in diesem Fall einen Akkusativobjekt zusammen mit dem Verb haben:

    • Hamupipőkének van egy gonosz mostohaanyja Aschenputtel hat eine böse Stiefmutter (Dem Aschenputtel seine Stiefmutter ist böse).

Es bleibt nur noch festzuhalten, daß der Dativ hierbei als adverbiale Ergänzung des Verbes sein gilt, und daher van, vannak in der 3. Person (Singular bzw. Plural) nie weggelassen werden dürfen:

Die erste Komponente, der Besitz, kann auch alleine vorkommen wie in a hintó kereke das Rad der Kutsche, oder, in einem ganzen Satz:Hamupipőke elvesztette az aranycipőjét Aschenputtel hat ihren goldenen Schuh verloren.

So ein Besitz ist also irgendein Objekt, das von einem Subjekt besessen wird – daher der Name objektiver Possessiv. Sein Kennzeichen ist ein Pronominalsuffix der 3. Person Singular (-a, -e, -ja, -je). Das Besitztum ist eine Menge von Objekten, wie z.B. a kocsis lovai die Pferde des Kutschers, oder:A galambok Hamupipőke barátai Die Tauben sind die Freunde von Aschenputtel.

Bei Objekten, dessen Stamm mit einem Vokal endet, findet das leere Suffix ∅ als objektiver Possessiv vor dem -i- Verwendung: a bál estéin an den Abenden des Balls. Besitztum als Name der zweiten Komponente rührt daher, daß dieses Pluralzeichen des Possessivs (meistens als -y) in adligen Namen mit „von”* gleichzusetzen ist: Széchenyi von ~, Batthyány von ~.

Die dritte Komponente bezeichnet mit einem Pronominalsuffix, das im Gegensatz zum objektiven Possessiv in jeder Person und Zahl stehen kann, den Besitzer eines Objektes, und entspricht damit einem deutschen Possessivpronomen: a nővéreim = az én nővéreim meine Schwestern. Wenn es sich um ein einzelnes Objekt handelt, entfällt das Pluralzeichen:A mostohaanyám gonosz hozzám – panaszkodott Hamupipőke »Meine Stiefmutter ist böse zu mir«, beklagte sich Aschenputtel.

Aschenputtel

Aneinandergekettet

Bei verketteten Possessivkonstrukten dient der Dativ im Sinne der obigen Bemerkung als adverbiales Bindeglied zwischen den Teilen der „Besitzkette”:

Hamupipőke a nővérei anyjának az új férjének a saját lánya Aschenputtel ist die eigene Tochter des neuen Mannes von der Mutter ihrer Schwestern.

Im Besitz der Zeit

Der objektive Possessiv hat im Ungarischen noch zwei adverbiale Anwendungen, die beide mit Zeitangaben zu tun haben. Die erste davon ist das normale Datum: augusztus huszadika der 20. (Tag des Monats) August (siehe hierzu „Die Zahlen – Vokabeln Nr. 1”).

Bei Zeiträumen als Objekten bedeutet ein solcher Possessiv eine durative, also andauernde Zeitangabe in der Vergangenheit: hét napja seit 7 Tagen, egy hete seit einer Woche. Oder auch: Van már két éve is Es sind gut 2 Jahre seither vergangen.

Diese Art von Zeitangaben bildet das Gegenstück zu punktuellen Zeitbestimmungen, die mit Hilfe einer Postposition erfolgen, z.B. hétfő óta seit Montag, március óta seit März:

Hamupipőke meséje 1950. február tizenötödike óta látható rajzfilmen is Das Märchen vom Aschenputtel gibt es seit dem 15. Februar 1950 auch als Zeichentrickfilm.

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* Anmerkung:

Dies ist im Prinzip der Name des Geschlechts, also ein Genitivum Nomen.

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