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15.Mär 2011
Presse: Erlanger Nachrichten 15.Mär 2011
Der Erlanger Japaner HeizoTakamatsu steht unter Schock
Der japanische Journalist Heizo Takamatsu, der für Blätter in Kyoto über Umwelt- und Kulturthemen schreibt, hat unruhige Tage hinter sich — und er wird unruhige Tage vor sich haben. Der in Erlangen lebende Sohn Nippons, erst unlängst für das Buch „Wir sind Erlangen“ porträtiert, bangt und zittert zusammen mit seinen Landsleuten um seine Heimat. Hier schildert er seine aktuellen Eindrücke.
Am letzten Freitag musste ich im Internet schreckliche Nachrichten lesen. Nach kurzer Zeit begriff ich, dass in Japan etwas Unfassbares passiert ist. Schnell suchte ich nach einer Seite, auf der live aus Japan berichtet wurde. Die Bilder haben mich geschockt.
Zum Glück liegt meine Heimat weit von der Erdbebenregion entfernt, weshalb meine Familie nicht direkt betroffen ist. Ich habe aber auch Freunde in Tokio und noch weiter im Norden. Nun sitze ich seit Tagen bang vor dem PC und verfolge im Internet und im TV die schrecklichen Ereignisse.
Einer meiner Freunde war in Tokio im Aufzug eingeschlossen. Viele mussten die Nacht in der Firma verbringen, weil keine Bahnen fuhren. Über das Schicksal meines Freundes in Sendai war ich fünf Stunden im Ungewissen, bis die erlösende Nachricht kam. Die Zeit kam mir wie fünf Tage vor. Er berichtete, dass die ganze Infrastruktur zusammengebrochen ist. Inzwischen weiß ich, dass er sich mit 1000 weiteren Menschen ins Rathaus geflüchtet hat. Die Situation spitzt sich im Augenblick weiter zu, da die Versorgung mit Lebensmitteln schwierig ist und die Helfer am Rande der Erschöpfung sind. Von einem anderen Freund aber fehlt bis heute jede Nachricht. Ich kann nur abwarten und beten, dass es ihm gut geht. Ich fühle mich wie in einen Albtraum versetzt!
Trotz der unfassbaren Katastrophe ist — wie bei vielen Erdbeben zuvor — keine Panik ausgebrochen. Ich habe auch den Eindruck, dass man aus dem schweren Erdbeben 1995 in Kobe gelernt hat.
An vielen Orten ist zwar das Telefon ausgefallen, aber das Internet funktioniert. Menschen setzen über Twitter Hilferufe ab oder bieten Hilfe an. Über eine Google-Seite kann man Vermisste suchen. Zeitungen und Fernsehsender schalten ihre Angebote im Internet frei, so dass ich auch japanisches TV sehen kann.
Sorgen bereiten aber die Probleme mit den Kernkraftwerken. Die angeblich sicheren Energieproduzenten werden plötzlich zur schlimmsten Bedrohung. Auch wenn man sie nicht sofort ersetzen kann, ist es doch spätestens jetzt Zeit für ein Umdenken. Verbunden mit der Rezession fand in Japan in den letzten 20 Jahren eine Diskussion über Solidarität und den Zusammenhalt in der Gesellschaft statt. Jetzt kann sich zeigen, was diese Diskussion wert war. Hoffentlich bleiben es nicht nur leere Worte!
Bei mir aber steht seit Freitag das Telefon nicht still. Viele erkundigen sich nach dem Befinden meiner Familie. Ich freue mich über so viel Anteilnahme und bin sehr dankbar dafür.
Erlanger Nachrichten 15.03.2011