5.7.1 Das historische Foto des Monats im Jahre 2019

präsentiert vom Stadtarchiv Bocholt

Aktualisierung 29.12.2019

29. November 2019, Bocholt (PID)

Stadtgeschichte: Wiederaufbauminister Steinhoff in Bocholt

Stadtarchiv Bocholt präsentiert das historische Foto des Monats Dezember 2019

Bocholt (PID). Im Rahmen einer Rundreise durch die Grenzgebiete des Westmünsterlandes kam der nordrhein-westfälische Wiederaufbauminister Fritz Steinhoff am 7. Dezember 1949 nach Bocholt. Daran erinnert jetzt das Stadtarchiv in seiner monatlichen Reihe zur Bocholter Stadtgeschichte.

Verschiedene Referenten seines Ministeriums, der Regierungspräsident von Münster, Franz Hackethal, der Vertreter der Westfälischen Heimstätte und der Landwirtschaftskammer, Landrat Hans Renzel sowie die Spitzen einiger Kommunen begleiteten ihn. Der SPD-Politiker besuchte vor allem die Orte, die auf Grund ihrer schweren Kriegszerstörungen der besonderen Unterstützung der Landesregierung bedurften.

Der Gast aus Düsseldorf wurde im Sitzungszimmer des städtischen Gymnasiums von Oberstadtdirektor Ludwig Kayser begrüßt, der ihn mit den führenden Persönlichkeiten der Bocholter Stadtverwaltung bekannt machte. Anhand von Plänen machte sich Minister Steinhoff zunächst ein Bild über den Grad der Zerstörung der Stadt im Jahre 1945. Sodann erläuterte ihm Oberstadtdirektor Kayser die wichtigsten schon durchgeführten Bauvorhaben im Stadtgebiet und setzte ihn über die Planung weiterer größerer Projekte im Bereich des Wohnungs- und Siedlungsbaus in Kenntnis. Insbesondere wurde über die geplante Parksiedlung Heuting Esch gesprochen, deren Grundsteinlegung jüngst erfolgt war.

Eintrag ins Goldene Buch, dann Stadtrundfahrt

Nach den Erläuterungen trug sich Fritz Steinhoff in das Goldene Buch der Stadt ein. Nach einem kurzen Imbiss verließen der Minister und seine Begleiter das Gymnasium und brachen zu einer Besichtigungsfahrt innerhalb des Stadtgebietes auf. Sie nahmen die wiederaufgebaute Ostwallschule in Augenschein, fuhren zum Diepenbrockheim und begutachteten den Stand der Aufbauarbeiten am städtischen Verwaltungsgebäude und am Rathaus. Darüber hinaus fand eine Ortsbesichtigung der im Rohbau befindlichen Häuser in der genannten Parksiedlung Heuting Esch statt.

Auf dem Besuchsprogramm standen ferner noch das Amtsgebäude des Amtes Liedern-Werth an der Hohenstaufenstraße, die Marienschule am Schleusenwall und die Ludgerusschule an der Kurfürstenstraße. Auch die Fraktionsvorsitzenden aus der Stadtverordnetenversammlung nahmen an den Besichtigungen teil.

Auf dem Foto sieht ist ganz links Stadtdirektor Dr. Franz Schulze Köhling zu sehen, der erklärend auf das Stadthaus an der Ravardistraße verweist. Rechts im Bild folgt Regierungspräsident Hackethal den Ausführungen des Redners, neben diesem stehen Oberstadtdirektor Kayser und davor Wiederaufbauminister Steinhoff. In der Mitte – mit hellem Hut – hat sich Oberbürgermeister Otto Kemper ins Bild gebracht. Im Hintergrund sind der Marktplatz und das Reformhaus Feldmann im Weihnachtsschmuck zu erkennen.

Fritz Steinhoff war im Übrigen von 1949 bis 1950 Wiederaufbauminister im Kabinett I des Ministerpräsidenten Karl Arnold. Von 1956-1958 leitete er selbst eine nordrhein-westfälische Landesregierung.

Text: W. Tembrink/Stadtarchiv Bocholt

01. November 2019, Bocholt (PID)

Stadtgeschichte: Zur Geschichte der jüdischen Synagoge

Stadtarchiv Bocholt präsentiert historisches Foto des Monats November 2019

Bocholt (PID). Das Bocholter Stadtarchiv präsentiert aus der Reihe „Historisches Foto des Monats“ diesmal eine Aufnahme der jüdischen Synagoge in Bocholt.

Zeppelin über Bocholt

Das Foto, das die Straßenflucht der Nobelstraße von West nach Ost zeigt, wurde am 17. September 1929 aufgenommen, als das Luftschiff LZ 127 gerade das Stadtgebiet überquerte. „Es handelt sich um die bislang einzige brauchbare Aufnahme, auf der die Synagoge der jüdischen Gemeinde Bocholt wenigstens halbwegs zu erkennen ist“, sagt Stadtarchivar Wolfgang Tembrink.

In der Bildmitte ist lediglich das schlichte Walmdach des Gebetshauses zu sehen, dessen südliche Hausseite offenkundig zwei gleichförmige Türmchen in maurisch-romanischem Stil zieren. Zwischen ihnen ragt ein heller Giebel zur gleichen Höhe auf. Hinter der Synagoge erstreckt sich der Saal des Gesellenhauses, auf dessen Dach sich neugierige Zeppelin-Beobachter versammelt haben. Das Gebetshaus selbst liegt mit seiner vorgelagerten Grünfläche etwas abseits der Nobelstraße. Eine niedrige Mauer begrenzt das Grundstück, hinter der kleine Sträucher und gepflegte Zierbäumchen wachsen. Ein haushoher Baum beherrscht indes den Vorgarten.

Es begann im Jahr 1797

Am 10. September 1797 verkaufte der Wirtschafter Anton Buß sein damals dort stehendes, unter der Kataster Nr. 231 geführtes Haus, welches „die Stadt Werth“ genannt wurde, für 1.370 Gulden an den Juden David Cosman Cohen. Dieser erschien wiederum am 4. Juni 1798 gemeinsam mit weiteren jüdischen Bürgern vor dem Bocholter Notar F. J. Bangen und zeigte an, „daß sie bevollmätigt wären, von der hiesigen ganzen Judenschaft zur Bauung einer neuen Synagoge ein sicheres Capital aufzunehmen.“

Es handelte sich um 350 französische Krontaler, geliehen von dem örtlichen Kaufhändler Joseph Bruns. Zwei Monate später, am 12. August 1798, bezeugte Zaudi Liefman, im Namen der Judenschaft den Platz zwischen dem angekauften Haus und der Behausung des Gildemeister Fliete erworben zu haben. Ein weiteres Kapital nahmen die Bocholter Juden „zur Anbauung ihrer Kirche“ im Jahre 1800 von den Erben des zu Schermbeck verstorbenen Matheas Moises auf. Somit ist davon auszugehen, dass die Bocholter Synagoge im Jahre 1798 errichtet und ggf. zwei Jahre später erweitert worden ist.

Diebe dringen 1836 in Gotteshaus ein

In der Nacht vom 9. auf den 10. Dezember 1836 drangen Unbekannte in das Gotteshaus ein und entwendeten verschiedene Wertgegenstände aus der heiligen Bundeslade. Der oben erwähnte freie Platz vor der Synagoge entstand im Übrigen durch den Abbruch der bisherigen jüdischen Schule im Januar 1904. Die Fläche wurde planiert und mit einer Einfriedungsmauer sowie einem eisernen Tor versehen. Zeitgleich erhielt das Gotteshaus an seiner Frontseite einen Zementanstrich. In seinem Inneren bewahrte eine im September 1919 angebrachte Gedenktafel die Erinnerung an die im Ersten Weltkrieg gefallenen Mitglieder der israelitischen Gemeinde.

Furchtlose Bürger in der Progromnacht 1938

Bekanntlich wurde die Synagoge während der Pogromnacht 1938 geschändet, jedoch durch den beherzten Eingriff furchtloser Bocholter Bürger vor massiveren Zerstörungen bewahrt. Erst beim Bombenangriff auf die Stadt im März 1945 versank das Gebäude vollständig in Trümmern.

Text: W. Tembrink/Stadtarchiv Bocholt

Vor 70 Jahren: Grundsteinlegung in der Siedlung „Heuting Esch“

Stadtarchiv Bocholt präsentiert historisches Foto des Monats Oktober 2019 // 540 neue Wohnungen

Bocholt (PID). Am 7. Oktober 1949, vor nunmehr 70 Jahren, wurde der Grundstein für den ersten Bauabschnitt der Wohnsiedlung Heuting Esch gelegt. Auf dem Gelände südlich des Friedhofs entstanden bis ins Jahr 1952 540 neue Wohnungen. Daran erinnert das historische Foto des Monats Oktober 2019, präsentiert vom Bocholter Stadtarchiv.

Wohnungsnot nach Kriegsende

Noch mehr als vier Jahre nach der Kriegszerstörung der Stadt Bocholt am 22. März 1945 lastete eine schwere Wohnungsnot auf der Bevölkerung. Von den ursprünglich 8.423 Wohnungen gingen durch den verheerenden Fliegerangriff 7.373 Wohneinheiten verloren. Bis 1949 konnten vornehmlich nur zerstörte und beschädigte Wohnungen und Häuser wiederhergestellt werden. Mit der Grundsteinlegung der Parksiedlung Heuting Esch war es zum ersten Mal nach Kriegsende möglich, ein größeres Wohnungsbauprojekt in Angriff zu nehmen.

Im Laufe des Jahres 1949 hatte die Stadt Bocholt auf dem Gelände südlich des Friedhofs große Grundstücksflächen von dem Fürsten zu Salm-Salm erworben, um dort zahlreiche Volks- und Industriewohnungen erbauen zu können. Ein Teil der Grundstücke wurde sodann an den Bocholter Bauverein und an die Bocholter Wohnungsbaugesellschaft weiterverkauft.

Lokale Prominenz bei Grundsteinlegung

Am 17. September begann man dort mit den Ausschachtungsarbeiten. Die feierliche Grundsteinlegung des ersten Bauabschnittes nahm Oberbürgermeister Otto Kemper schließlich am 7. Oktober 1949 vor. Die Zeremonie fand im Beisein vieler Gäste statt. Auf dem Foto ist ganz links Stadtdirektor Dr. Franz Schulze Köhling zu erkennen, dahinter Fürst Nikolaus Leopold zu Salm-Salm, des Weiteren im Vordergrund der Geschäftsführer der Wohnstättengesellschaft Münsterland, Brüning, Oberbürgermeister a. D. August Göwert, Oberstadtdirektor Ludwig Kayser, Landrat Meister, der frühere Kreis-Resident Officer Oberstleutnant Cyril Montague Dobbs, Oberbürgermeister a. D. Wilhelm Benölken, Dr. Thomé vom Grenzlandreferat und Sparkassendirektor Rendant Joseph Rommelsheim. Oberbürgermeister Otto Kemper mauerte die Gründungsurkunde in den am weitesten vorangeschrittenen Bau des zweiten Häuserblocks ein. Auf dem Dokument wurde die Hoffnung zum Ausdruck gebracht, dass das Bauvorhaben die Wohnungsnot lindern und für viele Bocholter Familien ein gesundes und friedliches Heim bringen möge.

Der erste Bauabschnitt dieses großen sozialen Wohnungsbauvorhabens umfasste insgesamt 144 Dreizimmer-Wohnungen, wobei Architekt A. Gerschel aus Bad Godesberg in Gemeinschaft mit seinem Mitarbeiter Heinemann und dem städtischen Bauamt Bocholt das Projekt entwickelte.

540 neue Wohnungen innerhalb von 3 Jahren

Bis Anfang der fünfziger Jahre entstanden in der Parksiedlung Heuting Esch 540 neue Wohnungen in modernen Zeilenbauhäusern, die in Nord-Süd-Richtung gebaut wurden. Zum Vergleich: 1939 waren in Bocholt im Ganzen 400 Badezimmer vorhanden, 1954 hatte diese Siedlung allein 441 Badräume. Nach dreijähriger Bauzeit schließlich konnten die letzten Häuser des achten Bauabschnittes fertiggestellt werden und die letzten Bewohner im Dezember 1952 ihre neuen Heime beziehen.

Text: Wolfgang Tembrink, Stadtarchiv Bocholt

Herz-Jesu-Kirche Bocholt: Nach 60 Jahren ist Schluss

Stadtarchiv präsentiert historisches Fotos des Monats September 2019

Am 22. September 2019 wird in der Filialkirche Herz-Jesu die letzte heilige Messe gefeiert und das Gotteshaus im Anschluss daran profaniert (entweiht). Die Pfarrei Liebfrauen hatte im vergangenen Herbst beschlossen, das 60 Jahre alte Kirchengebäude aufzugeben und zu verkaufen. Es soll in nächster Zeit zu einem Hospiz umgebaut werden. Das Stadtarchiv Bocholt erinnert aus diesem Anlass noch einmal an die Geschichte dieser Kirche.

Nachdem in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts im Bocholter Nordosten die neue Wohnsiedlung in der Giethorst entstanden war, stellte sich die Frage nach der Errichtung einer eigenen Kirche mit Pfarrhaus, Schule und Kindergarten, um die mittlerweile rund 10.000 Seelen zählende Liebfrauenpfarre zu entlasten. So begann man im April 1959 mit den Bauarbeiten der Kirche, die Grundsteinlegung erfolgte am 31. Mai 1959. Nach 18-monatiger Bauzeit war das nach den Plänen von Prof. Heinrich Bartmann von der Technischen Hochschule Darmstadt konzipierte Gotteshaus fertiggestellt, so dass es schließlich am 30. Oktober 1960 von Weihbischof Heinrich Baaken eingesegnet und seiner Bestimmung übergeben werden konnte.

24 Meter hoher Turm als "mächtiger Wächter"

Es handelte sich um einen hohen und weiten Kirchenraum mit schlank gegliederten Säulen, einem großen Chorraum und einer Taufkapelle im untersten Turmgeschoss. Den rund 24 Meter hohen Turm selbst bezeichnete Stadtbaurat Josef Halbfas seinerzeit als „mächtigen Wächter“, der die gesamte Neubausiedlung beherrschte. Nach seiner Ansicht war ein Kirchenbau geschaffen worden, der nicht nur räumlich-architektonisch als geistlich-kultureller Mittelpunkt in Erscheinung trat, sondern sich auch aus der Alltäglichkeit profaner Umgebung heraushob. Die Kosten beliefen sich auf rund 600.000 D-Mark, wobei die Hälfte der Summe vom Bistum Münster getragen und die übrigen Gelder durch Spenden aufgebracht wurden.

In der ersten Jahreshälfte 1965 wurde zur Verschönerung und Vergrößerung der Kirche eine Apsis mit farbigen Fenstern angebaut. Im Zuge einer weiteren Umbaumaßnahme setzte man 1993 eine Dachlaterne über der Altarinsel ein, die mehr Licht in den Innenraum brachte. Gleichzeitig wurde die Apsis durch eine – vielfach umstrittene - weiße Wand vom übrigen Kirchenraum getrennt, die man 2001 jedoch wieder beseitigte.

Wasser im Kirchenraum

Im Laufe der Zeit machten oftmals Witterungseinflüsse der Bausubstanz zu schaffen. Schon am 2. Adventssonntag 1960 hielt die mit rund 1.200 Fensternischen ausgestattete Südwand dem Dauerregen nicht stand, und das Wasser trat in den Kirchenraum ein. Ähnliches geschah nach dem Einbau der Dachlaterne.

Fusion mit Liebfrauen in 2008

Während ihres 60-jährigen Bestehens wirkten an der Herz-Jesu-Kirche insgesamt sieben Pfarrer und Pfarrverwalter sowie sechs Kapläne. Am 30. März 2008, in einer Zeit der Veränderung kirchlicher Strukturen, fusionierte die Gemeinde mit der Pfarrei Liebfrauen. Durch die nunmehrige Profanierung ist die Herz-Jesu-Kirche Geschichte geworden.

Text: Wolfgang Tembrink, Stadtarchiv Bocholt

Stadtgeschichte: Die Fußgängerbrücke an der Industriestraße

Stadtarchiv Bocholt präsentiert das historische Foto des Monats August 2019

Bocholt (PID). Auf Vorschlag der Handelskammer Wesel ließ die Königliche Eisenbahndirektion Münster Anfang August 1909 am Bahnübergang an der Industriestraße eine Fußgängerbrücke erbauen. Sie diente der besseren Abwicklung des Personenverkehrs am Bocholter Bahnhof.

Zur Vorgeschichte

Schon 1878 hatte die Stadt Bocholt eine Bahnverbindung nach Wesel erhalten. Und es war gerade die Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts, als die Einwohnerzahl durch die rapide Ausdehnung der örtlichen Textilindustrie erheblich zunahm. Dabei verzeichneten die äußeren Stadtteile, darunter das Gebiet auf dem Fildeken, den größten Bevölkerungszuwachs. In den neunziger Jahren entstanden dort in unmittelbarer Nähe des Bahnhofes mehr als 80 neue Wohnhäuser. Ferner lagen seinerzeit an der Industriestraße die Fabriken der Bocholter Baumwoll-Industrie Schüring & Herding, Beckmann, Albert Schüring sowie Stern & Loewenstein, die allesamt über 600 Arbeiter beschäftigten.

Der Fuhrwerks- und Fußgängerverkehr vom und zum Bahnhof entwickelte sich in diesem Bereich demnach sehr rege und nahm im Laufe der Jahre noch zu. Schon im Juli 1904 brachte die Handelskammer Wesel den Bau einer Eisenbahnunterführung ins Gespräch. Dagegen ließ die Stadtverwaltung einen Monat später den Entwurf zur Herstellung einer Überführung landespolizeilich prüfen. Es wurde schließlich als nachteilig empfunden, dass der Bahnübergang auf Grund des ständigen Rangierens der Güterwagen immer wieder mit Hilfe der Schranken gesperrt werden musste. Zum Bau einer Fußgängerbrücke konnte sich die Eisenbahnbehörde allerdings erst im Frühjahr 1909 entschließen, zumal sich der freie Personenverkehr am Bahnübergang Industriestraße nicht nur durch die in den Fabriken beschäftigten Arbeiter, sondern sich darüber hinaus durch die zahlreichen Schulkinder der 1908 erbauten Fildekenschule erheblich vermehrt hatte.

Mehrmonatige Unterbrechung

So begannen Ende März 1909 die Ausschachtungs- und Fundamentierungsarbeiten für die Fußgängerbrücke. Der Bau erfuhr jedoch eine mehrmonatige Unterbrechung und konnte erst nach Eintreffen der Eisenkonstruktion Mitte Juli fortgesetzt werden. Nach deren Montage wurde die Brücke drei Wochen später fertiggestellt und in Betrieb genommen. Sie überspannte insgesamt sechs Gleise.

Das in den fünfziger Jahren entstandene Foto zeigt die Fußgängerbrücke von Nordwesten mit ihrem Aufgang vor dem Gasthaus Matschke an der Ecke zur Ewaldstraße. Der Aufgang am dortigen Abladestrang war rechtwinklig gehalten, unterbrochen nur durch eine Zwischenplattform. Links ist der eigentliche Bahnübergang für den Fahrverkehr an der Industriestraße mit der Abzweigung in die Franzstraße zu sehen. Rund 65 Jahre nach ihrer Errichtung wurde die Fußgängerbrücke im Zuge der modernen Verkehrsführung zwischen Bahnhof und Theodor-Heuss-Ring wieder beseitigt.

Foto: Stadtarchiv Bocholt, Text: Wolfgang Tembrink

Stadtgeschichte: Bischofsbesuch 1939 in Bocholt

Stadtarchiv Bocholt präsentiert das historische Foto des Monats Juli 2019

Bocholt (PID). Vom 16. bis 22. Juli 1939 besuchte der Bischof von Münster, Clemens August Graf von Galen (1878-1946), Bocholt und die umliegenden Gemeinden. Es handelte sich um den zweiten Aufenthalt des als „Löwe von Münster“ bekannten mutigen Kirchenfürsten, der schon Anfang 1937 für einige Tage nach Bocholt gekommen war.

Vor allem für die Katholiken der Stadt brachte diese Visite in der Zeit der Gleichförmigkeit des Nationalsozialismus einige „Tage erhebender Freude und Begeisterung“, wie der Kirchenkalender 1940 bemerkt.

Bischof Clemens August Graf von Galen befand sich auf einer Firmreise durch mehrere Gemeinden des Dekanates Bocholt. Er traf sonntags nachmittags von Dingden kommend in Bocholt ein, wo er am Ortseingang von Radfahrern und Reitern abgeholt wurde. An der Kaiser-Wilhelm-Straße empfingen ihn die in Bocholt wirkenden katholischen Geistlichen und die Vertreter der einzelnen Kirchenvorstände. Im Beisein vieler Tausender wurde der Diözesanbischof sodann in einer feierlichen Prozession durch die Straßen geführt und zur St.-Georg-Kirche geleitet.

Bischof spendete Sakrament der Firmung

Das Foto zeigt den Bischof auf dem Horst-Wessel-Platz, wie der heutige Markt vor dem Rathaus damals hieß, umgeben von seinen Begleitern und Geistlichen sowie von zahlreichen Schaulustigen. Er passiert gerade den italienischen Eissalon von Pietro Leon an der Nordseite des Marktes und befindet sich offenbar auf direktem Weg zur Georgskirche. Auf dem Besuchsprogramm stand zunächst die Firmung von Schulkindern aus vier Jahrgängen. Mit einigen Erwachsenen zählte man insgesamt rund 900 Firmbewerber.

Am 17. Juli fuhr der Bischof nach Spork. In der Landgemeinde wurde er ebenfalls von einer Hundertschaft an Reitern und Radfahrern empfangen und zur St.-Ludgerus-Kirche geführt. Dort spendete er sodann 126 Kindern das Sakrament der Firmung. In der Pfarrgemeinde Liebfrauen waren es am Folgetag 462 Kinder und im Pfarrrektorat Ss. Ewaldi 304 Firmlinge. Am 18. Juli fand die Firm-Erneuerungsfeier der Männer und Jungmänner statt, zu der sich die Teilnehmer aus Stadt und Land in großer Gemeinschaft zusammenfanden.

Darüber hinaus segnete Bischof von Galen am 19. Juli das neu erbaute Pfarrhaus der Gemeinde Hl. Kreuz ein. Zum Abschluss seiner Firmreise begab er sich schließlich am 22. Juli in die Gemeinde Hemden und nahm dort die Einsegnung der St.-Helena-Kapelle vor, die bis Anfang Mai 1939 neben dem städtischen Jugendheim in der Walderholung gestanden hatte und nach ihrem Abbruch in der Nähe der Hemdener Schule wiedererrichtet worden war.

Herausragendes kirchliches Ereignis

Für die Katholiken der Stadt Bocholt und des Umlandes war der Bischofsbesuch sicherlich ein herausragendes kirchliches Ereignis, dem man aber in der vom damaligen politischen Zeitgeist durchsetzten Presse nur wenig Bedeutung zuschrieb.

Foto: Stadtarchiv Bocholt, Text: Wolfgang Tembrink

Stadtgeschichte: Die Restauration "Vier Jahreszeiten"

Stadtarchiv Bocholt präsentiert das historische Foto des Monats Juni 2019

Bocholt (PID). Im Sommer 1898 eröffnete der Küfer Bernard Demming (1858-1939) auf seinem Grundstück Marienstraße 1 eine Gaststätte, die er Restauration „Vier Jahreszeiten“ nannte. Davon handelt das historische Foto des Monats, ausgesucht vom Bocholter Stadtarchiv.

1894 war er noch mit einem Konzessionsantrag zum Betrieb eines Kleinhandels mit Branntwein gescheitert, weil ein Bedürfnis an jenem Ort nicht nachgewiesen werden konnte. Das Gasthaus lag, wie Demming in seinem Antrag schrieb – „vor dem Viehtor, am alten Barloer Weg, hinter der Paulshütte“, und zwar unmittelbar neben seinem Wohnhaus.

Konzertsaal, Garten und Kinderkarussell

Offenbar konnte man nicht nur zu jeder Saison, sondern auch schon früh morgens um sechs Uhr seine Gastwirtschaft aufsuchen, in der Demming ab dem 9. Mai 1899 eine „Milchkur“ zum Kauf und Konsum von frischer Milch eingerichtet hatte. Überdies steigerte er die Attraktivität seines Unternehmens durch den Bau einer Veranda mit Wintergarten Ende 1898 sowie im November 1902 durch die Herstellung eines 172 Quadratmeter großen Konzertsaales, der 345 Personen fasste. Zeitweise unterhielt er in den Gartenanlagen der Restauration „Vier Jahreszeiten“ auch ein Kinderkarussell.

Vermutlich aus gesundheitlichen Gründen – Bernard Demming litt an Rheumatismus – übergab er am 1. Juni 1906 sein Geschäft an den 33-jährigen Wirt Heinrich Benning. Dieser wurde im Volksmund „Driewe[l]klot“ (hölzerner Kreisel) genannt. Benning verstarb aber schon nach eineinhalb Jahren, und seine Witwe Maria, die Schwägerin des Bocholter Bierhändlers Bernard Grotstabel, heiratete daraufhin in zweiter Ehe den Bauunternehmer Josef Vallée, welcher nunmehr die Geschäftsführung übernahm.

Er gab nach dem Ende des Ersten Weltkrieges auf und überließ die Wirtschaft wieder ihrem Gründer Bernard Demming, der die Räumlichkeiten im Sommer 1919 gründlich renovieren ließ. Jedoch war seine Frau im gleichen Jahr gestorben, und er verzichtete schon 1921 auf den Wirtschaftsbetrieb. Anschließend gingen die „Vier Jahreszeiten“ für mehr als 30 Jahre an Heinrich und Maria Frenk über. Die letzte Wirtin war ab 1958 Paula Jungkamp, eine Schwägerin der Ehefrau Frenk.

Schließung im Jahr 1966

Die Zeiten änderten sich, die letzten Bewohner zogen 1966 aus dem Haus, und die Gaststätte wurde geschlossen. Verlassen, verfallen und von Ungeziefer durchzogen wurden die Gebäude letztlich 1967 abgebrochen.

Auf der farbigen Lithographie ist das Restaurant mit seiner Schauseite am Barloer Weg zu sehen. Solche, für die Zeit typischen und beliebten Ansichten von Gasthäusern, geben zwar die tatsächlichen baulichen Verhältnisse vor Ort recht genau wieder. Die 475 Quadratmeter großen Gartenanlagen inmitten einer Tannenschonung befanden sich aber hinter dem Haus und fügen sich hier an separater Stelle in das Bild ein, welches die Existenz und das Andenken an die einstige Restauration „Vier Jahreszeiten“ im Bocholter Nordosten belegt und überliefert.

Foto: Stadtarchiv Bocholt, Text: Wolfgang Tembrink

Die verregnete Maifeier des Jahres 1939

Stadtarchiv präsentiert das historische Foto des Monats Mai 2019

Bocholt (PID). Während der Regierungszeit der Nationalsozialisten 1933-1945 ließen die damaligen Machthaber keine Gelegenheit aus, bestimmte, im Jahreslauf aufkommende Anlässe im Rahmen von Gedenkfeiern festlich zu begehen. Dieses geschah vornehmlich, um sich selbst darzustellen, indem sie sich sozusagen zuvorderst in das Ereignis einreihten oder den Anlass kurzerhand ihren eigenen Vorstellungen anpassten.

Eigentliche Bedeutung des Feiertags wurde entstellt

Letzteres traf für die Maifeiern zu, deren eigentliche Bedeutung man entstellte bzw. den Feiertag in die damalige Weltanschauung hüllte. Der seinerzeit amtierende Kreisleiter Hermann Upmann selbst brachte es am 30. April 1939 in einer Vorrede auf den Punkt, indem er schlichtweg verkündete, dieser Tag sei einfach nicht mehr der Feiertag, wie ihn einstmals die Arbeiter vor der Machtübernahme begangen haben, sondern durch die Beseitigung des Klassenkampfes durch den Führer sei dieser Tag zum Feiertag des deutschen Volkes geworden.

Die Feier zum 1. Mai 1939 begann tags zuvor mit einem Einsingen auf dem Horst-Wessel-Platz (heute Markt), wo um 17:30 Uhr der Maibaum errichtet wurde. Eine Werkscharkapelle und Abordnungen von Hitlerjugend und Bund Deutscher Mädel führten mit Märschen und nationalen Liedern durch das Programm. Der eigentliche Festtag, ein Montag, bestand aus zwei Teilen, und zwar zunächst aus einer Jugendkundgebung. Morgens fanden sich die Jungen und Mädchen der NS-Jugendbewegung und der Betriebe auf dem Horst-Wessel-Platz ein, wo u. a. die Sieger des diesjährigen Reichsberufswettkampfes bekannt gegeben und durch Hoheitsträger der Partei geehrt wurden.

Im Mittelpunkt standen das herkömmliche das Treuebekenntnis zu Volk und Führer und die Übertragung der Jugendkundgebung aus der Hauptstadt Berlin. In der Mittagsstunde folgte dann die Großkundgebung „aller Schaffenden“ der Bocholter Betriebe, die sich nach einem Sternmarsch aus allen Himmelsrichtungen kommend auf dem Platz vor dem Rathaus eingefunden hatten. Dort hörten sie die Ansprache eines Gauhauptstellenleiters namens Kollmeier, der die Bedeutung des Maifeiertages im Sinne der NS-Ideologie herausstellte.

Offizieller Staatsakt wegen Dauerregen vorzeitig abgesagt

Anschließend sollte auch der offizielle Staatsakt zum 1. Mai aus Berlin über den Rundfunk übertragen werden. Aber der Dauerregen, der schon am Vormittag eingesetzt hatte, veranlasste die Verantwortlichen, die Kundgebung vorzeitig abzusagen. Stattdessen wurde den Teilnehmern die Möglichkeit gegeben, die Rede Hitlers zu Hause, an Gemeinschaftsempfängern oder in den Lokalen der Stadt anzuhören. Das Foto zeigt die Maifeier im Stadtzentrum. Der Maibaum ist am östlichen Ende des Platzes in Höhe des „Kaisers Kaffeegeschäftes“ errichtet. Dicht gedrängt stehen die Teilnehmer zum Teil unter Regenschirmen verdeckt und verfolgen das dortige Geschehen. Es war die siebente Maifeier unter der NS-Regierung und die erste, die buchstäblich ins Wasser fiel.

Foto: Stadtarchiv Bocholt, Text: Wolfgang Tembrink

Stadtgeschichte: Oberstudiendirektor Peter Broichmann

Stadtarchiv präsentiert das historische Foto des Monats April 2019

Bocholt (PID). Im Januar 1919 bewarb sich der damalige Regierungs- und Schulrat Peter Broichmann auf die Schulleiterstelle des Städtischen Gymnasiums in Bocholt, nachdem der bisherige Direktor Professor Edmund Niesert Heiligabend 1918 verstorben war. Broichmann selbst war bis zum Ende des Ersten Weltkrieges als Regierungs- und Schulrat beim Bezirkspräsidium Metz in Elsaß-Lothringen tätig gewesen.

Da er nach dem verlorenen Krieg als solcher von der französischen Regierung entlassen wurde, hatte er „den dringenden Wunsch, bald wieder im Schuldienste Altdeutschlands Verwendung zu finden“, wie er in einem Brief an Bürgermeister Wesemann bemerkte.

Peter Broichmann wurde am 27. Dezember 1864 in Stockheim (Kreis Düren) als Sohn eines Lehrers geboren und war bis Ostern 1885 Schüler des Dürener Gymnasiums. Danach studierte er zwei Jahre lang an der Akademie in Münster i.W. sowie von 1887-1889 an der Kaiser-Wilhelm-Universität zu Straßburg klassische Philologie und Geschichte. Nach einer Erziehertätigkeit auf Schloss Tillowitz in Schlesien kehrte Broichmann nach Straßburg zurück, legte im Sommer 1893 seine Staatsprüfung ab und erhielt die Lehrbefähigung in den Fächern Geschichte und Griechisch für alle Klassen, Latein und Deutsch für die mittleren sowie katholische Religion für die unteren Klassen.

Im Herbst 1893 übernahm er eine Stelle am Gymnasium in Saarburg (Lothringen) und war dort für 13 Jahre als Probekandidat, wissenschaftlicher Hilfslehrer und Oberlehrer tätig. 1906 übernahm er die Leitung der Realschule in Thann (Elsaß) und im Jahr darauf die Direktorenstelle des mit einer deutschen und französischen Übungsschule versehenen Lehrerseminars in Metz bzw. Montigny-lès-Metz. Seine Beförderung zum Regierungs- und Schulrat erfolgte zu Ostern 1913.

"unermüdliche Arbeiter"

Am 31. Januar 1919 wählte das Kuratorium des Städtischen Gymnasiums Bocholt den 54-Jährigen zum neuen Direktor der Schule. Peter Broichmann trat sein Amt am 1. April des gleichen Jahres an. Zu seinen wichtigsten und erfolgreich gemeisterten Aufgaben gehörten der Wiederaufbau des darnieder liegenden Schulwesens nach dem Krieg, der Ausbau des Bocholter Gymnasiums zu einer großen Doppelanstalt 1926 und der Neubau des Schulgebäudes 1928/30.

Offiziell endete seine Dienstzeit als Schulleiter am 31. März 1930. Da sich aber die Wahl eines Nachfolgers verzögerte, führte er auf Wunsch des Schulkuratoriums die Dienstgeschäfte im Gymnasium noch bis zum 15. Mai 1930 kommissarisch weiter. Erst mit der Wahl seines Nachfolgers Bartholomäus Sommer ging „der unermüdliche Arbeiter, [der] des Morgens der Erste und des Abends der Letzte war“ – so die lokale Presse -, endgültig in den Ruhestand. Kurz vor Vollendung seines 75. Lebensjahres verstarb Oberstudiendirektor a. D. Peter Broichmann in seiner Bocholter Wohnung am 21. Oktober 1939.

Foto: Stadtarchiv Bocholt, Text: Wolfgang Tembrink

Johan van Lintelo d. Ä. († 1629) und sein Erbe

Bocholter Stadtarchiv präsentiert historisches Foto des Monats März 2019

Bocholt (PID). Bei der Verzeichnung der Schöffenprotokolle des 16. und 17. Jahrhunderts trat im vergangenen Jahr eine Niederschrift zu Tage, die sich mit der Erbteilung des Glaskünstlers Johan van Lintelo des Älteren befasst. "Durch die Datierung dieses Schriftstückes kann der Todeszeitpunkt des Altmeisters näher bestimmt werden. Außerdem enthält das Papier neue Informationen über die familiären und wirtschaftlichen Verhältnisse des 1979 entdeckten Glasmalers", berichtet Stadtarchivar Woflgang Tembrink.

Rückblick: Im Frühjahr 1979 erkundigte sich die Staatsgalerie Stuttgart im Bocholter Stadtarchiv nach Quellen zu einem um 1600 in Bocholt tätig gewesenen Glasmaler namens Johan van Lintelo. Diese Anfrage veranlasste das Stadtarchiv zur Durchforstung seiner Bestände.

Durchgesehen wurden vor allem die streng strukturierten Stadtrechnungen des 16. und 17. Jh., in denen man schnell fündig wurde. Demnach vergab die Stadt Bocholt Aufträge für Glas- und künstlerische Arbeiten an die Gebrüder Johan und Derck van Lintelo. Sie fertigten u. a. Glasmalereien für die Fenster des 1618-22 neu erbauten Rathauses am Markt.

Im Gegensatz zu dem Auftragswerk blieben jedoch die Lebensumstände und das familiäre Umfeld der wohlhabenden Künstler weitestgehend ungeklärt. Licht ins Dunkel brachten schließlich im letzten Jahr bislang kaum beachtete Archivalien, die eine Fülle von Informationen preisgaben: die Schöffenprotokolle aus der Zeit 1560-1670. Als vorrangiges Dokument kann dabei die Niederschrift vom 20. April 1629 angesehen werden, deren erste Zeilen (siehe Foto) hier frei übersetzt wiedergegeben sind:

"Vor den Schöffen Ludwig Mumme und Ludwig Brauns erschienen die Erben des verstorbenen Johan von Lintelen, nämlich Johan von Lintelen der Jüngere und Anna Nachtigal, Eheleute, ferner Evert von Lintelen und Elisabeth ten Holderen, Eheleute, beide für sich selbst. Zudem Eßele Sternebergh und Lambert von Lintelen, gegenwärtig, im Namen von Henrich, Gerdt und Mechtelt von Lintelen als deren angeborene Vormünder. Sie tätigten eine brüder- und schwesterliche Teilung der nachfolgend aufgeführten und in fünf Lote aufgeteilten elterlichen Immobilien, wovon jeder eines zu sich nahm."

Vermögender Glasmaler

Im weiteren Verlauf des Protokolls über die Erbteilung werden dann die Immobilien des vermögenden Glasmalers aufgeführt und deren Aufteilung an seine Kinder detailliert beschrieben. Demnach besaß Meister Johan van Lintelo der Ältere das Gut ten Radde (Rodde) in Stenern, ein Wohnhaus in der Osterstraße, einen Garten auf dem „Raesfeldts Kamp“, ein Stück Land auf dem „Nien Esch“ (Neuen Esch), eine Parzelle genannt der „Hagen“ sowie Grundstücke auf dem „Hausarmenkamp“, auf dem „Knuf“ und vor dem Ostertor.

In den weiteren Amtsbüchern und Schöffenprotokollen, die im Allgemeinen wichtige Rechtsgeschäfte enthalten, sind nach intensiver Suche weitere bedeutende Angaben zu den Vermögens- und Familienverhältnissen des 1979 entdeckten Glaskünstlers offenbar geworden, der sich im Übrigen zwei Mal verheiratet hatte. Selbst dessen Eltern finden darin Erwähnung und lassen die Vermutung zu, dass Johan van Lintelo der Ältere um 1570 im benachbarten Borken geboren wurde. Auf Grund von Religionswirren musste er 1625/26 mit weiteren „unkatholischen Bürgern“ Bocholt vorübergehend verlassen und fand möglicherweise Zuflucht bei seinen Söhnen in Dülmen. In Anbetracht der genannten Erbteilung verstarb der Glasmaler offenbar im Frühjahr 1629, vor nunmehr 390 Jahren.

Text: Wolfgang Tembrink, Stadtarchiv Bocholt

Stadtgeschichte: Die „Schützenhaus-Lichtspiele“ des Theatervereins

Stadtarchiv prästentiert das Historische Foto des Monats Februar 2019

Bocholt (PID). Jüngst ist immer wieder über das Schützenhaus an der Kaiser-Wilhelm-Straße berichtet worden, besonders im Zusammenhang mit seiner Geschichte und seiner Funktion, ferner auch über den aktuellen Zustand und die weitere Verwendung des Gebäudes. In früherer Zeit diente der Bau, wie schon sein Vorgänger, vornehmlich dem St.-Georgius-Schützenverein als Vereinsstätte und dem Theaterverein als Konzert- und Schauspielhaus. Vor 100 Jahren kam kurzzeitig noch die weitere Funktion als Filmtheater hinzu.

Der Theaterverein war während des Ersten Weltkrieges in finanzielle Schwierigkeiten geraten und verbuchte Ende 1918 einen größeren Schuldenbetrag. Um aus den roten Zahlen herauszukommen, beschloss der Vorstand im letzten Kriegsjahr die Anschaffung eines kinematographischen Apparates, um mit dem Betrieb eines Lichtspieltheaters kurzerhand die Vereinskasse aufzubessern.

Da im Schützenhaus ohnehin ein Saal mit ausreichender Bestuhlung vorhanden war, richtete der Theaterverein dort auch das Kino mit einer Investitionssumme von rund 10.000 Mk. ein. Dazu gab der Vorstand des St.-Georgius-Schützenvereins Bocholt als Hausherr seine Zustimmung. So konnte Anfang 1919 das Vorführgerät aufgestellt, die Bühne entsprechend umgebaut und mit einem transportablen Vorhang versehen werden. Der St.-Georgius-Schützenverein hatte das Recht, bei freiem Eintritt seiner Mitglieder den Vorführapparat zu benutzen. Der Theaterverein dagegen zahlte dem Hauseigentümer für die Tage, an denen Kinovorstellungen stattfanden, 50 Mark pro Abend.

"Schützenhaus-Lichtspiele"

Das neue Kino an der Kaiser-Wilhelm-Straße blieb zunächst noch namenlos und wurde am 8. Februar 1919 eröffnet. Auf dem Programm des besagten Abends stand zunächst der Film „Die Waffen nieder“, eine Produktion in fünf Akten nach dem Roman von Berta von Suttner. Für den Besuch seines Kinos verlangte der Theaterverein an Eintritt 2,25 Mk., 1,50 Mk. für den Sperrsitz, 1,25 Mk. bzw. eine Mk. für die erste bzw. zweite Reihe sowie 80 Pf. für alle weiteren Sitzplätze. Am 20. März 1919 warb der Theaterverein mit einer größeren Zeitungsanzeige für den 1918 entstandenen Film „Carmen“ von Ernst Lubitsch. Dabei firmierte das Kino erstmals unter der Bezeichnung „Schützenhaus-Lichtspiele“.

Für den Theaterverein war es zudem von Vorteil, dass das Vereinsmitglied Johannes Pelster im Besitz eines Vorführ-Prüfungsscheines war und daher als Geschäftsführer des Lichtspieltheaters eingesetzt wurde. Es gehörte aber nicht zu den Kernaufgaben eines Theatervereins, Filme vorzuführen. Daher waren die „Schützenhaus-Lichtspiele“ von vornherein wohl nur eine vorübergehende Erscheinung in der Bocholter Kinolandschaft. Vermutlich wird der wirtschaftliche Niedergang in Deutschland zu Beginn der zwanziger Jahre zur baldigen Schließung der „Schützenhaus-Lichtspiele“ geführt haben und der letzte Film wahrscheinlich schon 1920 über die Leinwand gelaufen sein.

Foto: Stadtarchiv Bocholt, Text: Wolfgang Tembrink

Stadtgeschichte: Das Stadtbad an der Franzstraße

Stadtarchiv präsentiert das historische Foto des Monats Janaur 2019

Bocholt (PID). Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert gab es immer wieder Versuche, eine offene saisonale Badeanstalt an der Bocholter Aa herzustellen. Von Seiten des Stadtrates wurden in der Folgezeit verschiedentlich Fonds zum Bau eines Volksbades angelegt und Kommissionen gebildet, die sich mit der Erbauung eines öffentlichen Stadtbades befassen sollten.

Das Projekt scheiterte aber zumeist aus finanziellen Gründen, und während bzw. nach dem Ersten Weltkrieg war an eine Verwirklichung schon gar nicht zu denken. Zwischenzeitlich nutzten die Bürger aber auch private Badeanstalten, wie diejenige von Theodor Wietholt, die er zu Pfingsten 1900 eröffnet hatte und die man gegen Aufnahme eines Abonnements nutzen konnte.

Stadtbad am städtischen Lagerhof

In ihrer Sitzung vom 15. Dezember 1927 beschloss der Rat der Stadt Bocholt die Errichtung eines von der Stadtverwaltung projektierten Stadtbades am städtischen Lagerhof. Die Kosten wurden mit 70.000 Mark veranschlagt. Eine derartige Einrichtung war äußerst wünschenswert und daher in den vorausgegangenen Jahren immer wieder gefordert worden. „Gibt es wohl eine Stadt von ca. 25.000 Einwohnern im deutschen Reiche, die […] keine Bade- und Schwimmanstalt für Frauen und Männer besitzt, außer Bocholt?“ – fragte ein Bürger in einem Leserbrief der Lokalpresse schon am 31. Juli 1907.

Eröffnung im Jahr 1929

Wenn aber von der städtischen Badeanstalt am Lagerhof die Rede ist, hatte diese nichts mit Schwimmen, Freizeit und Erholung zu tun, sondern es ging hier vordergründig um Sauberkeit, Hygiene und Körperpflege. Das neue Stadtbad wurde am 14. Januar 1929 in einem vorhandenen, jedoch umgestalteten Gebäude des Lagerhofes zwischen Franz- und Industriestraße eröffnet.

Betrat man das Badehaus, so gelangte man zunächst an den offenen Kassenbereich mit einem Nebenraum für Wäsche. Die Besucher gingen sodann durch den Hauptflur in die Abteilung mit den Brausebädern und Toilettenanlagen, und zwar getrennt für Männer und Frauen. Wer den Hauptkorridor passiert hatte, betrat den Durchgang zu den Wannenbädern. Ein Wartezimmer nahm die Gäste bei größerem Andrang auf. Zur technischen Ausstattung gehörten eine Dampfheizung, eine Warmluftheizung zur Entnebelung, Apparate zur Warmwasseraufbereitung, ein Kesselhaus sowie Speicherbehälter für Kalt- und Warmwasser.

Im Ganzen gab es 27 Einzelbrausen und zwei Wannenbäder erster sowie sechs zweiter Klasse in jeweils abschließbaren Einzelzellen in Verbindung mit einem Umkleideraum. Die Badeanstalt öffnete täglich – außer an Sonn- und Feiertagen – ihre Pforten.

Geschlossen im Jahr 1976

Die neue Einrichtung wurde von Anfang an rege angenommen. 1949 zählte man gar 58.450 Bäder. Danach ging aber die Zahl der Badegäste sukzessive zurück, weil im Zuge des Wiederaufbaues nach dem Krieg die Wohnungen zumeist eigene Badezimmer erhielten. Da es sich am Ende nicht mehr rentierte, schloss die Verwaltung das Stadtbad zum 25. September 1976. Das Gebäude selbst wurde Anfang der neunziger Jahre niedergelegt.

Foto: Stadtarchiv Bocholt, Text: Wolfgang Tembrink