Die Welt

30 November 1999

Prince: “Niemand weiß, wer ich bin

Der Popstar über sich und sein Geschäft, seine Musik und die spirituelle Revolution


Michael Pilz


In den achtziger Jahren gehörte der Musiker Prince Roger Nelson zu den erfolgreichsten Popstars der Welt. In den Neunzigern machte er vor allem durch juristische und geschäftliche Auseinandersetzungen mit der Musikindustrie von sich reden. Jetzt hat er wieder zwei Alben veröffentlicht. Unter dem Namen Prince erschien “The Vault” (Warner). Das Zeichen “Love Symbol” brachte “Rave Un2 The Joy Fantastic” (Arista) heraus. Der 41-Jährige aus Minneapolis gilt als genialer Musiker und schwieriger Mensch. Mit Rodger Nelson sprach Michael Pilz.

DIE WELT: Wie möchten Sie heute angeredet werden: Mr. Nelson? Mr. Symbol? Mr. Prince? Oder Mr. Artist, der früher als Prince bekannt war?

Wissen Sie, in diesem Zimmer sitzen nur Sie und ich. Sie sollten mich überhaupt nicht anreden müssen. Und wenn Sie unser Gespräch drucken wollen, sehen Sie zu, dass Sie dieses Symbol hier in Ihren Computer bekommen. Das geht.

DIE WELT: Was bedeutet denn dieses Symbol nun ganz genau?

Das “Love Symbol” bin ich. Ich bin ich. Das ist es.

DIE WELT: Sie sind in den letzten Jahren durch den häufigen Wechsel ihrer Plattenfirmen aufgefallen, und das Ändern ihrer Künstlernamen hatte vor allem rechtliche Gründe.

Nein, spirituelle. Ich glaube nicht an Verträge. Verträge besitzen keine guten Energien. Es wird keine Prince-Alben mehr geben. Prince ist tot.

DIE WELT: Ärgert Sie, dass gerade Warner ein neues Prince-Album mit alten Aufnahmen veröffentlicht hat?

Nein, wieso denn? Ich freue mich darüber, ich bin glücklich. Das Album macht mir Spaß. Aber jetzt dürfte ohnehin Schluss sein mit Warner-Prince-Platten.

DIE WELT: Was waren die Probleme zwischen Ihnen und Warner?

Das Problem war, dass wir einen Vertrag miteinander hatten. Und Warner wollte nicht so viele Alben von mir herausbringen, wie ich aufnehmen wollte. Warner wollte über meine Musik entscheiden und über die Art der Platten. Also musste Prince dran glauben, und Tafkap, The Artist Formerly Known As Prince, konnte damals selbst den Hit “The Most Beautiful Girl In The World” veröffentlichen. Aber auch diese Erfahrungen haben mich klüger und stärker gemacht.

DIE WELT: Und Ihr neuer Vertrag mit Bertelsmann ist energetisch günstiger?

Wir haben ja gar keinen. Wir haben eine Übereinkunft des freien Willens. Ich würde mich lieber erschießen lassen, bevor ich mein Zeichen noch einmal auf irgendeinen Zettel setze. Wissen Sie, warum die Karrieren im Pop immer kürzer werden? Weil es Plattenfirmen gibt, Kritiker, Manager - viele Leute, die keine Musik machen, aber daran verdienen wollen. Darum.

DIE WELT: Sie haben Ihre Platten selbst im Internet verkauft. Danach sind Sie wieder zu einer Plattenfirma gegangen. Wo liegen die Schwierigkeiten im Internethandel mit Musik?

Probleme? Hören Sie, wir haben von “Chrystal Ball” im Netz 250 000 Stück verkauft. Haben Sie eine Vorstellung von der Summe, die man damit verdient? Nein? Na dann los, schätzen Sie!

DIE WELT: Sagen wir zehn Dollar pro Album. Das wären dann 2,5 Millionen.

Unsinn, viel zu wenig. Ich stelle die Platte selbst her, und ich verkaufe sie selbst. Mir gehören die Studios, die Instrumente, der ganze “Paisley Park”. Am Ende bleibt alles für mich.

DIE WELT: Glauben Sie denn, noch einmal an die Erfolge anknüpfen zu können, die Sie mit “Purple Rain” oder “Sign O The Times” hatten?

Ich? Ich hatte keinen Erfolg in den Achtzigern. Prince hatte Erfolge in den Achtzigern. “Rave Un2 The Joy Fantastic” ist erst meine zweite Platte, die zweite nach dem Album “Emancipation” von 1996.

DIE WELT: Ein Vorwurf, der Ihnen jetzt entgegenschlägt, sind die verwirrenden Auftritte hinter Pseudonymen. Der andere besagt, dass weder Prince, noch Symbol, noch The Artist fähig wären, noch Hits zu schreiben.

Moment,

wer sagt

das?

DIE WELT: Die Hitparaden sagen das. Kritiker. Fans.

Kritiker sagen das, aha. Kritiker haben über Miles Davis gesagt, seine Stücke wären zu lang. Das ist doch närrisch.

DIE WELT: Ist es wichtig, Hits zu haben?

Was ist denn ein Hit? Wenn er viel Geld einspielt? In Spanien war zum Beispiel “Newpower Soul” ein Renner. Woanders weniger. “Hit” und “Erfolg", das sind Worte aus einer Sprache, die ich weder sprechen noch verstehen kann. Ich sitze doch nicht am Pool und warte auf den Anruf der Plattenfirma, die schreit: “Oh Boy, wir haben einen Hit!”

DIE WELT: In einem neuen Song singen Sie: “Ich folge keinen Trends, die Trends folgen mir wie die Israeliten im Roten Meer.” Was heißt das?

Ich erkläre doch nicht, was ich singe! Es bedeutet für jeden etwas anderes, und Bedeutungen verlieren und ändern sich. Die Lyrik kommt zu mir, dann geht sie wieder. Sie hätten mal Miles Davis fragen sollen, warum er diesen und jenen Ton spielt.

DIE WELT: Im Beiheft Ihrer Platte beklagen Sie den Tod der Lämmer für den Wunsch der Menschen nach weicher Winterwolle. Sind Sie religiös?

Ich glaube an Gott, ja. Ein intelligenter Schöpfer, der den Menschen

zu einem intelligenten Wesen macht.

DIE WELT: Und was will die spirituelle Revolution, von der Sie seit Jahren singen?

Das Streben danach, dass niemand dich kontrollieren kann, ist ein sehr spiritueller Weg. Man gibt seinen Namen ab, trennt sich von der Vergangenheit. Und die Leute können nicht mehr mit dir wie mit einer Marionette spielen. Vieles wird einem klarer. Keiner kann dich noch belügen. Dein Geist öffnet sich, die Zukunft steht weit offen. Du fühlst dich als Mann, als Mensch. Leben ist Spaß. Alles ist cool. Ich mache Musik, nicht für Geld und Geschäftsleute. Ich möchte den Menschen etwas geben. Das geht nur, wenn ich mir von niemandem vorschreiben lasse, was gut und was schlecht sein soll. Denn niemand außer mir weiß, wer ich bin.