Grundeinkommen-Kritik Butterwegge 17-10-11

Selbst ein reiches Land wie die Bundesrepublik kann sich nicht beides zugleich leisten, die Sozialversicherung mit einem Beitragsvolumen von gut 600 Milliarden Euro und außerdem ein Grundeinkommen, ...


http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/bedingungsloses-grundeinkommen-das-grundeinkommen-ist-nicht-egalitaer-sondern-elitaer-1.3702230


Wie kommt der Herr Butterwegge auf den schmalen Pfad, es handele sich "um beides"? Nicht beides, sondern das Grundeinkommen ersetzt bisherige existenzsichernde Zahlungen. Also Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Bafög, Kindergeld, Hartz4, würden durch das Bedingungslose Grundeinkommen (bGE) ersetzt.


Um allen 82,5 Millionen Einwohnern Deutschlands ein Grundeinkommen in Höhe von 1000 Euro monatlich zahlen zu können, müsste man knapp eine Billion Euro, fast ein Drittel des Volkseinkommens, aufwenden.


Das Grundeinkommen wird mit bestehenden Einkommen verrechnet. Anders macht es keine Sinn und würde nicht funktionieren. - Wenn es aber verrechnet wird, funktioniert es.


Alle erhalten denselben Geldbetrag, unabhängig davon, ob sie ihn brauchen oder nicht. Auf diese Weise gewährleistet das Grundeinkommen zwar eine für jeden gleich hohe Minimalabsicherung, der Spezialbedarf vieler Menschen, etwa von Schwerstbehinderten, die teure Geräte oder eine Vollassistenz brauchen, werden hingegen missachtet.


Der Sonderbedarf wird eben nicht missachtet. - Durch dauernde Wiederholung durch Herrn Butterwegge werden diese Falschaussagen über das Grundeinkommen auch nicht richtiger. - Das Grundeinkommen würde "nur" die existenzsichernden Zahlungen ersetzen, aber nicht Sonderbedarfe, die sich aus der individuellen Situation ergeben.


Auch widerspricht eine Sozialpolitik nach dem Gießkannenprinzip dem vorherrschenden Gerechtigkeitsverständnis. Dies strebt nach Bedarfsgerechtigkeit - wer nichts hat, soll viel, wer viel hat, soll nichts bekommen -, nach Leistungsgerechtigkeit - wer viel leistet, soll viel, wer wenig leistet, wenig bekommen - und nach Verteilungsgerechtigkeit - alle sollen gleichermaßen am gesellschaftlichen Reichtum des Landes beteiligt werden.


Das Grundeinkommen würde eine Verteilungsgerechtigkeit bewirken: Alle sollen fair an der Wertschöpfung des Landes teilhaben, sodass sie "bescheidenen, aber menschenwürdig" leben können.


Leistungsgerechtigkeit in Zusammenhang mit der Existenzsicherung ist Unfug.


Ein Mindestmaß an Lebensführung sollte für alle Menschen möglich sein, ohne dass sie sich mit anderen messen oder in der Leistung vergleichen müssen.


Bedarfsgerechtigkeit wiederum, öffnet Tür und Tor für Willkürmaßnahmen der Behördenmitarbeiter, was wir ja heute jeden Tag mit Schrecken erleben, in den Jobcenter. Aber auch anderen Behörden, die "nach Bedarf" entscheiden sollen, handeln fragwürdig. Da wird so lange hin- und hergerechnet, bis niemand mehr Anspruch hat. - Dagegen opponieren ist mit großem Aufwand verbunden. Und die meisten können sich keinen Rechtsanwalt leisten.


Außerdem sind all die Maßnahmen, die Herr Butterwegge gut findet, mit Kontrollen und Überprüfungen verbunden. Ein riesen Verwaltungsapparat ist vonnöten. - Hier wird der Orwellsche Überwachungstaat gewollt.


An der sozialen Ungleichheit und der sich vertiefenden Kluft zwischen Arm und Reich könnte das Grundeinkommen indes nichts Wesentliches ändern.


Weil es erstmal auch unwichtig ist, ob es weiterhin "Reiche" gibt. - Viel wichtiger ist, dass es keine Arme mehr gibt! - Wer ein Grundeinkommen hat, ist existenziell abgesichert!! - Und kann beliebig hinzuverdienen. - Muss aber nicht.


Milliardären denselben Geldbetrag wie Müllwerkern und Multijobberinnen zu zahlen, verfehlt das Ziel einer "austeilenden Gerechtigkeit" (Aristoteles), weil die sozialen Gegensätze nicht beseitigt, sondern zementiert würden.


Ein Grundeinkommen "für alle" ist gut, weil die Armen ihre Armut nicht mehr "zeigen" müssen. Denn das ist erniedrigend und beschämend. Es setzt die Armen der Willkür der Beurteilenden aus, die die Armut "mustern". Da wird ein ungeheures Machtgefälle heute zelebriert, wenn die Armen ihre Armut vorzeigen müssen, damit sie als Arme "anerkannt" werden und gemäß der Willkür der Behördenmitarbeiter "ein paar Krümel" bekommen.


Der Vorteil eines "Grundeinkommens für alle" liegt ganz eindeutig auf Seiten der "Armen". Sie profitieren von dem Verzicht auf Kontrolle und Überprüfung. - Und die Interessen der Armen und Niedriglöhner sollten Vorrang haben.


BGE-Befürworter gehen davon aus, dass seine Bezieher nicht bloß schmutzige und schwere Arbeiten meiden, ...


Wieso "meiden" Grundeinkommens-Bezieher schmutzige und schwere Arbeit? Was meint der Autor?


... sondern auch für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne sorgen würden.


Die Arbeitsbedingungen sind von den Arbeitgebern zu schaffen. Nur muss in einer bGE-Gesellschaft niemand mehr "schlechte Arbeit" annehmen.


Daher würde der Niedriglohnsektor, schon heute das Haupteinfallstor für Erwerbs- und spätere Altersarmut, nach Einführung des Grundeinkommens noch größer.


Mit einem existenzsichernden Grundeinkommen wird die Basis geschaffen. Dann kann jeder beliebig hinzuverdienen. Der Begriff "Niedriglohnsektor" spielt dann keine Rolle mehr. Die Bürger schauen auf sich selbst, was will ich arbeiten, wie viel, wo, für welchen Geldbetrag, etc. - Nur heute spielt der Niedriglohnsektor eine Rolle, weil die Menschen von diesem Geld abhängig sind. - In einer Grundeinkommens-Gesellschaft wären sie das nicht mehr.


Sinnvoller als den bestehenden Sozialstaat zu schleifen und durch ein gesellschaftliches Großexperiment mit zweifelhaftem Ausgang zu ersetzen, wäre es deshalb, ihn zu einer solidarischen Bürgerversicherung fortzuentwickeln: ...


Dann hätte der Herr Butterwegge wenigstens noch sagen sollen, ob die Hartz4-Sanktionen wegfallen und keine Arbeitspflicht mehr bestehen würde. - Aber ... er hat es nicht gesagt. Somit ist zu vermuten, dass "sein" Sozialstaat die aktuelle Arbeitsmarktpolitik fortsetzt.