Das Butterwegge-Modell

Eine Lösung für die Gesellschaft?


http://www.taz.de/!5465150/


Seit vielen Jahren schreibt Christoph Butterwegge gegen das Bedingungslose Grundeinkommen. Jetzt las ich einen seiner Beiträge aus dem Jahr 2007. Vor 10 Jahren geschrieben, mit fast den gleichen Worthülsen und Satzbausteinen, wie heute.


http://www.nachdenkseiten.de/?p=2364


Damals schrieb er noch, das Grundeinkommen würde kaum Zustimmung finden, bei der Bevölkerung. Heute liest man in den Zeitungen, das Grundeinkommen würde in Deutschland von der Mehrheit der Bürger bejaht. – Konnte Christoph Butterwegge in den vergangenen 10 Jahren die Leute nicht von seinem Modell überzeugen? Der Autor stand zudem als Bundespräsident zur Wahl. Auch das klappte nicht.


https://www.merkur.de/politik/christoph-butterwegge-als-bundespraesident-steinmeier-alternative-7361163.html


Bleibt dann bloß das Anschreiben gegen das Grundeinkommen.


In seiner neuen Rede gegen das bGE, stellt er drei Begriffe in den Raum: Bedarfsgerechtigkeit, Leistungsgerechtigkeit und Verteilungsgerechtigkeit. Grundsätzlich ist der Begriff der Gerechtigkeit fragwürdig, in der Grundeinkommens-Diskussion. Er wird zumeist von Grundeinkommens-Gegnern verwendet, die es ungerecht finden, wenn Leute »für's Nichtstun« ein Grundeinkommen bekommen. Der Begriff der Gerechtigkeit wird hier gegen die Menschen eingesetzt, die sich dem Hartz4-Arbeitszwang durch ein Grundeinkommen entziehen können. Das sei nicht gerecht. Aber stimmt das?


Dieser Gerechtigkeitsbegriff ist Teil der heutigen Arbeitsideologie, die besagt, alle müssen sich fügen, und als Arbeitsschafe in der Wirtschaft dienen. Wer herausfällt, durch Entlassung, wird über die Jobcenter wieder »integriert«, also in einen Job gesteckt. - Das sei gerecht, weil alle anderen ja auch malochen müssen, und es nicht geht, dass »Arbeitslose« sich ein schönes Leben auf Kosten des Staates und der anderen Malocher machen, durch »Nichtstun«. – So die Denkwelt der Arbeitsideologen.


Aber in einer Grundeinkommens-Gesellschaft passt der Gerechtigkeitsbegriff nicht wirklich. Die bGE-Gegner unterschlagen gerne, worum es sich beim Grundeinkommen letztlich nur dreht: es ist die Basisversorgung, die jeder Mensch braucht. Nahrung, Kleidung, Wohnen und Energie, plus gesellschaftliche Teilhabe. – Butterwegge spricht aber von »Notsituationen« und Bedürftigkeit der Empfänger, die es verlangt, »gezielt« die Betroffenen zu unterstützen.


Die Existenzsicherung ist aber keine Notsituation! Auch lässt sich sehr genau ein Betrag bestimmen, den ein einzelner Mensch braucht, um existieren zu können. Das wird heute bereits berechnet, um die Höhe von Hartz4 festzulegen. Nur wird der Betrag absichtlich etwas zu niedrig angesetzt, um die Menschen anzureizen, einen Job zu ergreifen.


Butterwegge benutzt den Begriff »Bedarfsgerechtigkeit« und schmeißt dann Schwerbehinderte und Wohnungslose in einen Topf, um zu behaupten, ein Grundeinkommen wäre nicht bedarfsgerecht. Dabei hat die Wohnungslosigkeit (Existenzsicherung=Grundeinkommen) nichts mit der Schwerbehinderung (Sozialleistung Sonderbedarf =auf Antrag) zu tun. Solche groben Patzer in der Argumentationsführung, entwerten seine Beiträge vollständig, aber sie sind scheinbar immer noch gut genug, um in der »taz« zu erscheinen.


»Leistungsgerechtigkeit«. Das Grundeinkommen sei nicht leistungsgerecht, weil alle den gleichen Betrag erhielten. – Aber das ist ja gerade die Idee, die Existenzsicherung, als etwas Elementares, aus dem Wettbewerbsszenario unserer Gesellschaft auszukoppeln und quasi einen »Ruheraum« zu schaffen, der mit einem Grundeinkommen ermöglicht wird. – Wer sich dort dann weitgehend erholt hat, kann sich wieder mit neuer Kraft dem Wettbewerb stellen, wenn er denn will.


»Verteilungsgerechtigkeit«. Butterwegge will eine Umverteilung von oben nach unten. Und die hätten wir nicht, mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen. – Erst mal widerspricht er sich selbst, wenn er zum einen Leistungsgerechtigkeit will, also der, der mehr leistet und schafft, soll auch mehr haben, und dann im selben Atemzug diesen Leuten das Geld wieder wegnehmen will, indem er »von oben nach unten« verteilen möchte. - Und dann verquickt er unterschiedliche Aufgabenstellungen so, dass er das Grundeinkommen opfern will, sonst könne man nicht den Reichen in die Tasche greifen. Vielleicht geht ja auch beides. Aber so weit kommt er nicht, bei seinen Überlegungen. – Es wäre zum Beispiel möglich, das Grundeinkommen erstmal einzuführen. Das hat dann zwar keinen so großen Verteilungseffekt von oben nach unten, aber die Leute hätten ihre existenzielle Sicherheit und keinen Arbeitszwang mehr. Und als nächstes kann überlegt werden, wie durch gesetzliche Regelungen exorbitante Gewinne von Unternehmen besser abgeschöpft werden, wenn ein Auseinanderklaffen der Einkommen nicht mehr hinnehmbar wäre.


Christoph Butterwegge hat neben seiner Kritik am Grundeinkommen immer ein eigenes Konzept parat, das Butterwegge-Modell. Mir ist allerdings nicht bekannt, dass irgendeine Bürgerinitiative sich für dieses Modell engagieren würde oder gar eine Partei seine Überlegungen als wirtschafts- oder arbeitsmarkt-politisches Konzept in ihrem Programm hätte. - Er will das bismarcksche Sozialversicherungssystem beibehalten und fortschreiben. Er will höheren Mindestlohn, allgemeine Arbeitszeitverkürzungen und für Arbeitnehmer entsprechende Löhne und soziale Rechte. Damit koppelt er Einkommen ganz fest an Arbeit. – Und die Grundeinkommens-Idee will das genaue Gegenteil. Nämlich das Einkommen von Arbeit entkoppeln.


Im Grunde sind es Weltbilder, die da aufeinanderprallen, und die Artikel von Herrn Butterwegge habe auch manchmal etwas Predigenhaftes. Er predigt das alte Weltbild, in der Hoffnung noch genügend Gläubige zu finden.


Und wenn sich Butterwegge auf das Pilotprojekt in Finnland bezieht, kommen dabei schiefe Beispiele heraus. In Finnland gibt es keine Grundeinkommens-Gesellschaft. Deshalb ist das, was dort ist, und das, was von den Grundeinkommens-Befürwortern angestrebt wird, natürlich auch nicht vergleichbar. Er redet dann aber so, als ob die Situation in Finnland eine Grundeinkommens-Gesellschaft beschreiben würde, was aber nicht stimmt. - Es ist die heutige Situation, die man da sieht.


In einer Grundeinkommens-Gesellschaft gibt es kein »Lohndumping«. Dieser Begriff hat nur in der heutigen Gesellschaft Sinn. In der heutigen Welt der Arbeitsideologie sollen sich Einkommen ausschließlich am »Lohn« orientieren. Wenn dann der Lohn zum Nachteil der Arbeitnehmer sinkt, und Steuergelder es den Bürgern ermöglichen, für weniger Geld bei einem Unternehmer zu arbeiten, dann nennen das die Arbeitsideologen »Lohndumping«.


Aber in einer Grundeinkommens-Gesellschaft besteht ein völlig anderer Blick auf die Vorgänge. Der Unternehmer ist nicht der »böse Feind«, dem das Geld abgeluchst werden muss, damit die Arbeiterklasse genügend zum Leben hat. Produziert und gedienstleistet wird, weil die Wertschöpfung von den Bürgern benötigt wird. Das heißt, das Wichtigste sind die Güter und Dienstleistungen, die wir füreinander produzieren! Und es wird nur das produziert, was auch gebraucht wird. Stichwort »Degrowth«, Postwachtum, Wachstumswahn stoppen, etc.


Löhne gibt es keine mehr, weil sie als »Kosten« immer zur Disposition stehen. Es gibt nur noch Gewinnbeteiligung. – Die Gewinne gehören allen Beteiligten, beim Wertschöpfungsprozess. Und nicht nur den Projekteigentümern und Geschäftsführern. Und es wird gemeinsam darüber gesprochen, wer welchen Bedarf hat und das Geld wird entsprechend verteilt.


Es ist dann auch so, dass die Bürgerinnen und Bürger sich überlegen müssen, will ich weiterhin nach den alten Begriffskategorien die Welt betrachten, oder eine neue Sicht auf die Dinge entwickeln, weil es vorteilhaft ist, für eine Gegenwarts- und Zukunftsgestaltung.


Ein großes Dilemma bei allen Grundeinkommens-Gegnern ist, dass sie sich nicht festlegen, über welches Grundeinkommen sie eigentlich sprechen. Da es nun einmal unterschiedliche Grundeinkommens-Modelle gibt, kann man sie nicht einfach vermischen und dann pauschal über »das Grundeinkommen« herziehen, ohne sich selbst unglaubwürdig zu machen. So redet Butterwegge zum Beispiel über »Schwarzarbeit«, die es aber bei einem Götz-Werner Grundeinkommens-Modell gar nicht geben würde, weil Werner ein Grundeinkommen vorschlägt, dass über reine Konsumsteuer funktioniert und bei einer solchen Steuergestaltung gibt es keine »Schwarzarbeit«, weil alle Arbeitnehmer den vollen Lohn (ohne Steuerabzug) erhalten.


Und es ist immer wieder zu sehen, wie sich Butterwegge um die Frage drückt, wie es mit dem Arbeitszwang und Hartz4 im Land weitergehen soll. Er schreibt zwar gerne von »repressionsfreier« Grundsicherung, aber das Butterwegge-Modell funktioniert auch mit Hartz4. - Außerdem lehnt er Hartz4 nicht wirklich ab, da er die Argumentationsweise der Hartz4-Befürworter teilt und in seinen Ausführungen verwendet. So zum Beispiel die »Leistungsgerechtigkeit«, mit der er das Grundeinkommen verurteilt, dient ja genauso dazu, Hartz4 zu rechtfertigen, weil, wenn man die Arbeitslosen nicht zwingen würde zu arbeiten, wäre das ungerecht gegenüber denen, die in einem Job feststecken.


Somit ist Christoph Butterwegge ein Vertreter der bundesdeutschen »Arbeitsideologie«. Bezeichnend für diese ist, dass sie das Arbeitsleben fast abgöttisch anbetet, es über alles stellt, so als ob jemand, der nicht arbeitet, nicht frei sei. Die totale, fast sklavische Unterwerfung unter das Joch der Arbeit, ist typisch für dieses Denken und konstituierend für diese Ideologie. Wer sich diesem Gleichschritt nicht fügt, soll keine Chance im Leben bekommen und bestraft werden. - Ein gutes Leben soll nicht von der Gemeinschaft vorbereitet werden, mit einer guten Grundeinkommen-Basis, vielmehr wollen die Arbeitsideologen den Einzelnen im Leistungswettbewerb fixieren und somit das alte, fast schon archaische Weltbild aufrecht erhalten, dass nur der, der arbeitet, auch essen darf.