Der Markt wird es richten?

Der Autor ist mit seinem Thema »Grundeinkommen« schnell durch. Noch ein paar Zitate von Ludwig von Mises und fertig ist der Verriss.


Und was schreibt der Autor?


http://www.misesde.org/?p=16639


Er zitiert erst mal Herrn Mises, dass Arbeit geleistet wird, wegen »des Lohnes oder Gehaltes«. Stimmt das? Es stimmt nicht.


Wir arbeiten, damit die Güter und Dienstleistungen erbracht werden, die wir für unser Leben brauchen. Wir arbeiten zuvörderst für die Bereitstellung der »notwendigen Produktion«. Diese besteht aus Nahrung, Kleidung, Wohnen und Energie. Das sind die Grundlagenprodukte, die wir Menschen immerzu brauchen. – Dass manch einer das nicht bemerkt und wahrnimmt, weil er denkt, ich bekomme ja am Monatsende meinen Lohn, ändert dennoch nichts an der beschriebenen Wahrheit.


Der Autor, Andreas Tiedtke, zitiert dann eine weitere Person, die da fragt, warum reduziert sich nicht die Arbeitszeit bei steigender Produktivität? Diese Frage ist berechtigt. - Nun, die Arbeitszeit muss der einzelne Mensch selbst für sich regeln können. Genau dies würde für ihn möglich, in einer Grundeinkommens-Gesellschaft.


Hervorzuheben sei auch bei diesem Grundeinkommens-Kritiker, dass er die heutige Hartz4-Zwangsarbeit verschweigt. - Da er die deutsche Arbeitspflicht nicht erwähnt, die sich aus den Hartz4-Sanktionen ergibt, die die Menschen in die Niedriglohnjobs treibt, kann er ganz ahnungslos fragen, »warum können viele Arbeitende mit ihren Einkünften nur unzureichend fürs Alter vorsorgen«?


Er behauptet dann, das Geldsystem und die hohen Steuern wären der Grund, warum der Arbeitnehmer zu wenig Erwerbseinkommen hat. Von der »Geldschöpfung aus dem Nichts« hat er scheinbar noch nichts gehört. Denn er behauptet, Kapital würde sich aus Ersparnissen bilden: »Die Volkswirtschaft muss über die nötigen Ersparnisse verfügen, also über das Kapital.«


Dabei werden heute Kredite völlig unabhängig von Ersparnissen in beliebiger Höhe vergeben. Selbst die Zentralbanken verstärken die Schwemme »billigen Geldes«, durch ihr Quantitative Easing. – All das hat nichts mit »Ersparnissen« zu tun.


Würde aber unser Geldsystem tatsächlich reformiert, und ein Vollgeldsystem eingeführt, käme das einer Grundeinkommens-Gesellschaft zugute. Da nicht mehr Privatbanken die bei der Geldschöpfung anfallende Seigniorage einstreichen würden, sondern der Staat die Geldschöpfunggewinne auf seinem Konto verbucht, könnten derlei Gelder zum Beispiel für die Finanzierung des Bedingungslosen Grundeinkommens eingesetzt werden.


Und das wir heute cirka die Hälfte unserer Arbeitseinkünfte in Form von Steuern und Abgaben abtreten müssen, ist nicht grundsätzlich beklagenswert. Aber auch unser Steuersystem sollte zugunsten der arbeitenden Menschen weiter verbessert werden. Und das wäre möglich über eine vollständige Umstellung unseres Steuersystems auf »Mehrwertsteuer«, die dann Konsumsteuer hieße.


Was Herr Tiedtke in seinem Aufsatz beklagt, nämlich dass der arbeitende Mensch zuwenig von seinem verdienten Geld übrig hat, könnte mit einer reinen Konsumsteuer, also mit einem Steuersystem, das aus einer einzigen Steuer bestehen würde, sinnvoll reformiert werden. - Denn die Konsumsteuer würde dem Arbeitnehmer den ganzen Lohn lassen. Es gäbe keinen Bruttolohn mehr. Es würde nur noch »Nettolohn« geben. Brutto wäre dann gleich= netto.


Der Arbeitnehmer hätte dann erstmal doppelt so viel Lohn. Die sogenannten Sozialabgaben würden entweder in einem Grundeinkommen aufgehen, wie Arbeitslosenversicherung, Rentenversicherung. Und Krankenversicherung und Pflegeversicherung müssten neu überdacht werden. Wir sollten auch nicht vergessen, dass Tausende von Mitarbeiter in den Versicherungen arbeiten und die Gelder verwalten, einsammeln, auszahlen und so weiter. Und je schneller die Digitalisierung voranschreitet, Stichwort Blockchain, werden diese Stellen überflüssig und die dort freiwerdenden Gelder könnten eingespart werden. Gottseidank haben wir dann das Grundeinkommen und die »freigesetzten« Mitarbeiter stürzen nicht ins Nichts.


Tiedtke behauptet, auf den Menschen würde weiterhin der Druck lasten, menschliche Arbeit leisten zu müssen, denn »damit Häuser gebaut, instandgehalten und beheizt werden können, Strom produziert und Essen gekocht und ausgegeben werden kann, braucht es menschliche Arbeit.«


Das kann ja sein. Aber damit bekommen wir nicht für jeden 160 Arbeitsstunden im Monat zusammen. – Oder anders ausgedrückt, die »notwendige Produktion«, Nahrung, Kleidung, Wohnen und Energie, die uns alle versorgt, sodass wir »bescheidenen, aber menschenwürdig« leben können, führt nicht zur Vollbeschäftigung. Weder in unserem Land, noch sonst wo.


Das heißt, wir hätten viel Zeit, noch andere Sachen zu tun. Toll. Oder? Aber wer bestimmt nun, wie wir diese Zeit verbringen? Es kann nur der einzelne Mensch, das Individuum selbst sein, das entscheidet, was es tut, in seiner freien Zeit. – Mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen würden wir genau in so einer Situation uns befinden.


In einer Grundeinkommens-Gesellschaft wird für die »Befriedigung der Grundbedürfnisse« auch weiterhin gearbeitet werden. Aber wir Menschen werden immer mehr Zeit haben, um uns mit anderen Dingen zu beschäftigen.


Für das Grundeinkommen muss kein Geld »zusätzlich« aufgebracht werden, wie Herr Tiedtke schreibt. Die Wertschöpfung von 3,1 Billionen Euro und Konsumausgaben von 2,2 Billionen Euro zeigen, dass ein Bedingungsloses Grundeinkommen von 1 Billionen Euro möglich ist. Ohne das »zusätzlich« weitere Wertschöpfung erbracht werden muss.


Der Autor versucht den Eindruck zu erwecken, als ob die heutigen Niedriglöhne durch den Staat verschuldet sind, weil er so hohe Steuern veranschlagt. Und er tut so, als ob wir nur, im Sinne der Marktanhänger, den wirtschaftlichen Kräften »freien Lauf« lassen bräuchten, und schon hätten wir paradiesische Verhältnisse. Oder doch zumindest »hohe Löhne«.


Auch seine Aussage, »Durch Automation gehen Arbeitsplätze nicht „verloren“, sondern werden in andere Wirtschaftszweige verlagert«, ist wenig glaubwürdig. Man muss auch berücksichtigen, dass der heutige Arbeitnehmer ein Spielball der »Marktgeschehnisse im Kapitalismus« ist. Alles, was in der Wirtschaft passiert, schlägt sofort durch auf die Existenzsicherung der Bürgerinnen und Bürger. Aber das ist kein Naturereignis! Wir könnten dem Markt verbieten, einen solchen Einfluss auf das Leben der Menschen zu haben. – Nämlich indem wir ein Grundeinkommen einführen. Das bewirkt eine »Trennung von Arbeit und Einkommen«. - Ist erstmal das Einkommen von den Arbeitsverhältnissen entkoppelt, sofern es die Existenzsicherung betrifft, kann »am Markt« geschehen was will, der einzelne Mensch würde immerzu in Sicherheit leben.


Genau das wollen die Menschen!


In Schweizer Supermärkten wurden Kassiererinnen entlassen, und stattdessen Selbstscanner-Kassen aufgestellt. Der Autor schreibt nun:


Schon die sozialistische Propaganda, dass durch Automation Arbeitsplätze wegfielen, ist grundfalsch:[18] Durch Automation wird Arbeit effizienter. Der Einsatz z. B. von Scanner-Kassen bedeutet zunächst nur, dass mit derselben Anzahl Arbeitnehmer mehr Produkte und Dienstleistungen angeboten werden können als ohne Scanner-Kassen.


Ja, durch Automation wird Arbeit effizienter. Deshalb sollen die Entlassenen auch nicht durch Arbeitsplatzverlust existenziell bedroht, sondern durch ein Bedingungsloses Grundeinkommen abgesichert sein. Tiedtke behauptet aber, »mit derselben Anzahl Arbeitnehmer« würden mehr Produkte angeboten. Es ist aber nicht dieselbe Anzahl Arbeitnehmer, wenn die Kassiererinnen entlassen wurden.


Das Problem der Entlassungen wischt Tiedtke schnell vom Tisch, indem er behauptet, die Entlassenen würden woanders Arbeit finden. Aber so einfach ist es nicht. Er hat das wohl selbst noch nie durchgemacht, und darüber wenig Wissen? - Wer in seiner Branche entlassen wird, kann womöglich nicht mehr in dieser arbeiten, weil insgesamt dort nur noch wenige Mitarbeiter gebraucht werden. Es könnte also nötig sein, in einem anderen Bereich zu arbeiten. Dann müsste der Betroffene eventuell sich umschulen lassen. Aber wer bezahlt die Umschulung? Nicht immer übernimmt die Arbeitsbehörde eine solche Maßnahme. Dann kommt es darauf an, wie alt der Entlassene ist. Umschulungen können anstrengend sein. Vielleicht ist ein älterer Arbeitsloser nicht mehr dazu in der Lage, so eine Strapaze auf sich zu nehmen. Dann kann es sein, dass der Betroffene gleichzeitig hochqualifiziert ist. – Wenn die Arbeitsbehörde nichts Passendes für ihn findet, wird der Arbeitslose einen womöglich bislang vorhandenen hohen Lebensstandard nicht mehr halten können. So kann es zum Beispiel passieren, dass Akademikern eine Putzstelle, ein Job im Sicherheitsdienst, oder eine Lagertätigkeit angeboten wird. – Verweigert der Arbeitslose die Arbeitsangebote, kann er sanktioniert werden. – Das ganze Elend der deutschen Jobcenter und Agenturen für Arbeit ist in vielen Berichten im Internet nachzulesen. Aber einen Ludwig-von-Mises Anhänger interessieren womöglich diese Einzelheiten nicht.


Weiterhin erweckt der Autor den Eindruck, nur bei grenzwertig hohen Gehältern und Löhnen würde automatisiert. Aber das stimmt nicht. Auch Niedriglohnjobs werden wegrationalisiert, wenn es technisch möglich ist. Einfach weil eine Maschine »pflegeleichter« ist, als ein Mensch. Zum Beispiel wird die Maschine nicht »krank«.


Tiedtke schreibt, in einer Grundeinkommens-Gesellschaft wäre der Anreiz zu arbeiten, geringer als heute:


Nach der Einführung eines BGE würde zudem der Grenznutzen der Arbeit sinken: Werden die Kosten für die Elementarbedürfnisse des Lebens, wie Wohnung, Heizung, Strom und Essen, gedeckt, ist der Anreiz, den eine zusätzliche Lohneinheit für den Arbeitenden hat, geringer als ohne BGE.


Da die Vorteile einer Grundeinkommens-Gesellschaft sehr umfangreich sind, ist eher vom Gegenteil auszugehen. In einer Grundeinkommens-Gesellschaft denken wir nicht mehr über den »Anreiz einer zusätzlichen Lohneinheit« nach, sondern fragen, was ist uns wichtig im Leben.


In so vielen Projekten, NGOs ist sinnvolle Arbeit zu leisten. In einer Grundeinkommens-Gesellschaft könnten wir sofort damit loslegen. Denn einen »Lohn« bräuchten wir gar nicht. Denn unsere Existenz ist durch ein Grundeinkommen gesichert. Auch die politische Arbeit, die Arbeit für unser Gemeinwesen, ist enorm wichtig. In einer Grundeinkommens-Gesellschaft hätten wir endlich Zeit dafür. Dann könnten wir die Politiker entlasten und in vielen Bereichen direkt mit entscheiden, wenn wir eine Direkte Demokratie auf Bundesebene einführen.


Bei allen übrigen Arbeiten in der Wirtschaft, wird es so sein, dass die Bürgerinnen und Bürger selbst entscheiden, welche Projekte, welche Produktion ist wichtig. Wo, zu welchen Bedingungen und zu welchem Lohn, oder Gewinnbeteiligung will ich mich engagieren.


Auch behauptet der Autor, eine Zunahme von Schwarzarbeit würde stattfinden, was Unfug ist, oder zumindest darauf hinweist, dass er sich überhaupt nicht mit den verschiedenen Konzepten zu einem Grundeinkommen befasst hat. – Denn würde die Besteuerung in der Gesellschaft umgestellt, auf Konsumsteuer, dann gäbe es keine »Schwarzarbeit« mehr. Denn der arbeitende Mensch würde immer den vollen Lohn, die volle Vergütung für seine Arbeit erhalten. Und erst beim Konsum, bei der Entnahme aus der Wertschöpfung der Gemeinschaft, würden Steuern anfallen.


Dann malt der Autor das Märchen an die Wand, von dem einen arbeitenden Bürger und von dem anderen faulenzenden Bürger, der Grundeinkommen erhält. Und der eine würde gezwungen für den anderen da zu sein und zu arbeiten. – Tatsächlich ist es aber so, dass die Wertschöpfung einer Gesellschaft immer »eine gemeinsame« ist. Entweder haben die Unternehmer und Entrepreneurs vor ihren »genialen« Einfällen und Leistungen die Schulen der Gemeinschaft besucht, die Universitäten der Gemeinschaft genutzt, die Straßen und sonstige Infrastruktur in Anspruch genommen. Und auch sonst von allen Gütern und Dienstleistungen der Gemeinschaft dieses und jenes verwendet, sodass nicht davon gesprochen werden kann, dass die Einen etwas tun, und die Anderen gar nichts leisten, oder gar nichts geleistet haben. - Es kann gar nicht anders sein, als dass die Wertschöpfung eines Staates immer eine ist, die allen gehört, oder zumindest auf der Ebene der Existenzsicherung »fair« verteilt sein muss.


Aber heute haben wir einen unfairen Staat, der immer mehr Armut verursacht, obwohl alle Arbeit haben. Und viele Menschen werden in Niedriglohnjobs ausgebeutet, weil das möglich ist und befördert wird, durch die Hartz4-Gesetze.