Kardiologie

Viren auch in Herzzellen nachgewiesen

Überraschende Erkenntnis von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus dem Universitätskli-nikum Hamburg-Eppendorf (UKE): Das Corona-Virus kann auch Herzzellen infizieren und sich darin vermehren. Zudem ist es in der Lage, die Genaktivität infizierter Herzzellen zu verändern. Das geht aus einer aktuellen Studie unter der Leitung von Prof. Dr. Dirk Westermann aus der Klinik für Kardio-logie in Zusammenarbeit mit dem Institut für Rechtsmedizin des UKE hervor. Für die Studie wurden 39 verstorbene Herzpatientinnen und -patienten untersucht, die mit SARS-CoV-2 infiziert waren.

„Bisher wusste man nicht, in wie vielen Fällen SARS-CoV-2 auch das Herz befällt und – wenn es das tut – ob es sich in Herzzellen vermehren und dort krankhafte Veränderungen hervorrufen kann. Mit den nun vorliegenden Untersuchungsergebnissen haben wir deutlich mehr Klarheit“, sagt Studienleiter Prof. Westermann aus dem Universitären Herz- und Gefäßzentrum Hamburg des UKE. Bei rund zwei Drittel der untersuchten Patientinnen und Patienten (24 von 39) konnten die Forschenden im Herzgewebe das Corona-Virus SARS-CoV-2 nachweisen. In 16 Fällen fanden sie das Virus in Mengen, die klinische Auswirkungen hätten haben können (mehr als 1.000 Viruskopien pro Mikrogramm RNA). Bei fünf Patienten mit den höchsten Virusmengen identifizierten die Forschenden den Plus- und Minus-Strang des Virus-Erbguts. „Das ist das Zeichen, dass sich das Virus auch in der betreffenden Zelle vermehrt“, so Prof. Westermann.

Keine typischen Zeichen für Herzmuskelentzündung gefunden

Durch die Infektion verändern sich zwar die Herzzellen. Ob dies allerdings Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf hat, lässt sich noch nicht abschließend klären. Das Wissenschaftlerteam hatte die Aktivität von sechs entzündungsfördernden Genen genauer unter die Lupe genommen. Bei den 16 Patienten mit der höchsten Viruslast war die Aktivität dieser Gene deutlich erhöht. „Dies hätte auf das Vorliegen einer Herzmuskelentzündung schließen lassen können. Gleichwohl haben wir keine typischen Kennzeichen einer solchen Entzündung – etwa das Einwandern von Entzündungszellen aus dem umliegenden Gewebe in den Herzmuskel – finden können. Unsere Ergebnisse unterstützen die bisherige Beobachtung, dass eine Herzmuskelentzündung im Zusammenhang mit COVID-19 nur sehr selten auftritt“, erklärt Prof. Westermann. Die durch die Infektion hervorgerufene veränderte Genaktivität in den Herzzellen könne allerdings Langzeitfolgen für die Gesundheit von Betroffenen haben. Um das zu klären, seien künftig Reihenuntersuchungen an lebenden COVID-19-Patientinnen und Patienten notwendig, so der Wissenschaftler.

Studienpatienten entsprechen den typischen COVID-19-Patientinnen und -Patienten

Die für die Studie untersuchten verstorbenen Patientinnen und Patienten (23 Frauen, 16 Männer) waren im Mittel 85 Jahre alt. Alle wurden zu Lebzeiten mit einem Rachenabstrich positiv auf das Corona-Virus SARS-CoV-2 getestet und entwickelten die für COVID-19 typische Lungenentzündung. Nach ihrem Tod wurden sie zwischen dem 8. und 18. April gerichtsmedizinisch untersucht. Dabei wurden die für die späteren genetischen Untersuchungen notwendigen Gewebeproben entnommen. „Die Patienten repräsentieren mit ihren altersgerechten Vorerkrankungen wie Bluthochdruck und koronare Herzerkrankung die typischen COVID-19-Patienten in Deutschland“, erläutert Prof. Dr. Stefan Blankenberg, Co-Autor der Studie und Ärztlicher Leiter des Universitären Herz- und Gefäßzentrums, und ergänzt: „Eine Limitation unserer Studie ist allerdings, dass wir bislang nur Verstorbene untersuchen konnten. Wichtig wird sein, diese Erkenntnisse in Zukunft an Überlebenden der Erkrankung zu validieren.“

Literatur

Lindner D. et al., Cardiac infection with SARS-CoV-2 in confirmed COVID-19 autopsy cases. Einge-reicht und zur Veröffentlichung akzeptiert im Fachmagazin „JAMA Cardiology“.

Pressemitteilung als PDF-Download

https://www.uke.de/allgemein/presse/pressemitteilungen/detailseite_96963.html


Nachweis von Viruslast in weiteren Organen ist nicht unbekannt und kommt auch bei anderen Coronaviren sowie Influenza vor - siehe auch "Multi Organ" - zum jetzigen Zeitpunkt ist weder klar noch nachgewiesen, daß es sich hier um andersartige Effekte oder wirkliche Schädigung weiterer Organe handelt, die ursächlich auf das Virus zurück zu führen sind. Gerade diese Studie wurde an Leichen von Herzpatienten durchgeführt - eine Vorschädigung im Herzen lag also nachweislich vor.

Eine „alarmierend“ hohe Stentthrombose-Rate stellten Kardiologen um Dr. Anas Hamadeh bei SARS-CoV-2-positiven STEMI-Patienten fest, die eine perkutane Koronarintervention (PCI) erhalten haben. Bei 21% der betroffenen Patienten kam es zu einem solchen Ereignis. Die Rate an frühen Stentthrombosen sei damit deutlich höher als in früheren Berichten, in denen eine Häufigkeit von circa 1% berichtet worden sei, stellen die Ärzte aus Dallas besorgt fest. [...] Die Corona-Pandemie hat die medizinische Praxis vielerorts allerdings auf dem Kopf gestellt. Einige Expertenstatements aus den USA und China haben sich angesichts der angespannten Lage sogar für die Lyse als Erstlinientherapie bei stabilen STEMI-Patienten ohne Hochrisikofaktoren ausgesprochen, um die Verbreitung des Virus zu unterbinden. Eine solche Renaissance der Fibrinolyse wurde aber auch kritisch gesehen (mehr dazu in diesem Beitrag).

Dafür nahmen die Wissenschaftler eine genomweite Assoziationsanalyse bei 1.610 Patienten aus Spanien und Italien vor, die schwer an COVID-19 erkrankt waren und intensivmedizinisch behandelt werden mussten. Anhand von Blutproben verglichen sie deren Gen-Allele mit denen 2.205 gesunder Menschen. [...] Ob dieser Zusammenhang allerdings kausal ist, wissen Ellinghaus und Kollegen nicht. Der zugrunde liegende biologische Mechanismus habe womöglich etwas mit der AB0-Blutgruppe per se zu tun, beispielsweise könnten die bei Blutgruppe 0 gebildeten neutralisierenden Anti A- und Anti-B-Antikörper den Viruseintritt blockieren, lautet eine Erklärung der Wissenschaftler. Genauso möglich ist es ihrer Ansicht nach aber, dass indirekte Mechanismen, die mit der Blutgruppenzugehörigkeit bzw. den entsprechenden Allelen in Verbindung stehen, den Risikoanstieg bedingen, z.B. durch die Konzentration des Willebrand-Faktors, die durch die Blutgruppe beeinflusst wird. So gibt es beispielsweise auch Hinweise, dass die Blutgruppe auf das Thrombose-Risiko Einfluss nimmt.

Ellinghaus E et al. Genomewide Association Study of Severe Covid-19 with Respiratory Failure. N Engl J Med 2020; DOI: 10.1056/NEJMoa2020283 https://www.kardiologie.org/covid-19/warum-ist-die-covid-19-symptomatik-so-extrem-unterschiedlich-/18098828

Mehr als jeder fünfte Intensivpatient entwickelt Arrhythmien

In ihrer Klinik in Birmingham haben 16,5% der zwischen 29. Februar und 10. April eingewiesenen Patienten mit einer bestätigten SARS-CoV-2-Infektion im weiteren Verlauf eine Rhythmusstörung entwickelt. Alle betroffenen Patienten befanden sich auf Intensivstation, womit die Arrhythmie-Rate bei intensivmedizinisch behandelten Patienten bei 27,5% lag. Bei COVID-19-Patienten auf der Allgemeinstation wurden dagegen keine Arrhythmie-Episoden dokumentiert.

Auffällig ist, dass alle im 12-Kanal-EKG detektierten Arrhythmien den Vorhof betrafen: Zwölf Patienten entwickelten Vorhofflimmern, sechs Vorhofflattern und einer eine atriale Tachykardie. Bei drei Patienten, die Vorhofflimmern entwickelten, trat dieses Ereignis allerdings nicht zum ersten Mal auf, bei zwei weiteren Patienten mit Vorhofflimmern in der Vorgeschichte ließ sich im Kontext der SARS-CoV-2-Infektion kein entsprechendes Ereignis dokumentieren.

Colon CM et al. Atrial Arrhythmias in COVID-19 Patients, JACC: Clinical Electrophysiology 2020, DOI: 10.1016/j.jacep.2020.05.015. https://www.kardiologie.org/covid-19/herzrhythmusstoerungen/so-haeufig-sind-rhythmusstoerungen-bei-covid-19-patienten/18067968

Prospektive Echo-Untersuchung bei 100 Patienten

Dafür nahmen Kardiologen um Dr. Yishay Szekely bei 100 COVID-19-Patienten, die zwischen 21. März und 16. April in ihre Klinik in Tel Aviv eingeliefert worden sind, innerhalb von 24 Stunden eine transthorakale Echokardiografie (TTE) vor. Dabei stellten sie folgende Befunde fest, aufgelistet nach ihrer Häufigkeit:

  1. Dilatation des rechten Ventrikels mit oder ohne Dysfunktion (bei 39%),

  2. keine Auffälligkeiten (bei 32%),

  3. diastolische Dysfunktion des linken Ventrikels (16%),

  4. systolische Dysfunktion des linken Ventrikels (10%) und

  5. Klappenerkrankungen (3%, 1 Patient mit schwerer Mitralklappenregurgitation und 2 Patienten mit mittelgradiger Aortenklappenregurgitation).

Es ist also weniger der linke Ventrikel der durch eine SARS-CoV-2-Infektion in Mitleidenschaft gezogen wird, sondern der rechte Ventrikel (RV). Besonders häufig stellten die Ärzte eine RV-Beteiligung bei Patienten mit erhöhten Troponin-Konzentrationen, schweren COVID-19-Verläufen oder im Falle einer klinischen Verschlechterung fest. [...]

Höhere Antikoagulations-Dosis?

Auffällig ist zudem, dass fünf Patienten mit eingeschränkter RV-Funktion, deren Zustand sich im Verlauf verschlechtere, eine tiefe Beinvenenthrombose entwickelt haben – trotz routinemäßiger Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin. Die Kardiologen um Szekely vermuten deshalb, dass venöse Thromboembolien und lokale mikrovaskuläre Thromben oder Gefäßverschlüsse in der Lunge bei hospitalisierten COVID-19-Patienten sehr häufig sind (was durch andere Studien bestätigt wird) und das zunehmende Rechtsherzversagen erklären könnten.

Szekely Y et al. The Spectrum of Cardiac Manifestations in Coronavirus Disease 2019 (COVID-19) – a Systematic Echocardiographic Study. Circulation 2020, DOI: 10.1161/CIRCULATIONAHA.120.047971 https://www.kardiologie.org/covid-19/diagnostik-in-der-kardiologie/die-haeufigsten-echo-befunde-bei-covid-19-patienten/18040388

Jeder zweite schwerkranke Patient entwickelt tiefe Venenthrombose

Zwischen 29. Januar und 29. Februar 2020 wurden in der Klinik in Wuhan insgesamt 745 Patienten mit einer SARS-CoV-2-Infektion aufgenommen. Bei 143 von ihnen, die schwerer erkrankt waren, wurde in der Abteilung von Zhang und Kollegen eine Ultraschalluntersuchung der Beinvenen vorgenommen, bei 66 Patienten stellten sie dabei eine tiefe Beinvenenthrombose fest (bei 23 proximal und bei 43 distal), womit die TVT-Prävalenz in dieser Fallserie bei 46,1% lag (in der gesamten Klinik 8,8%). [...] Die aktuellen Empfehlungen zur VTE-Prophylaxe bei COVID-19-Patienten lesen Sie in diesem Beitrag.

Zhang Li et al. Deep Vein Thrombosis in Hospitalized Patients with Coronavirus Disease 2019 (COVID-19) in Wuhan, China: Prevalence, Risk Factors, and Outcome. Circulation 2020; DOI: 10.1161/CIRCULATIONAHA.120.046702 https://www.kardiologie.org/herz-und-gefaesse/covid-19/covid-19--was-fuer-ein-erhoehtes-thrombose-risiko-spricht/17999216

Es ist zu befürchten, dass COVID-19 das Herz auch dauerhaft schädigen kann. Bei genesenen Patienten finden sich auffällige Myokardveränderungen im MRT.

[...] Dass eine kardiale Spätmanifestation von COVID-19 möglich ist, darauf deuten nun aktuelle Daten aus Wuhan hin. Radiologen um Prof. Lu Huang haben bei 26 Patienten, die von einer SARS-CoV-2-Infektion genesen waren, wegen kardialer Beschwerden ein MRT (Standard plus T1/T2/ECV-Mapping) vorgenommen. [...]

Etwas stutzig macht allerdings, dass die bei 13 Patienten in der Klinik im Kontext der COVID-19-Erkrankung gemessenen Troponinwerte (hs-cTnI) nicht besonders auffällig waren, mit Maximalwerten von 2,2 [1,9–2,6] pg/mL. Bei fünf von ihnen waren dann zu einem späteren Zeitpunkt im MRT Myokardveränderungen nachweisbar.

Fraglich ist somit, ob bei allen Patienten die Virusinfektion für die Symptomatik und die auffälligen MRT-Befunde ursächlich verantwortlich war. Ebenfalls unklar ist, ab welchem Zeitpunkt sich die Myokardveränderungen entwickelt haben. Zwischen Symptombeginn und MRT-Untersuchung vergingen im Schnitt knapp 50 Tage. Alle untersuchten Patienten hatten aufgrund ihrer COVID-19-Pneumonie antivirale Substanzen und Antibiotika eingenommen, 50% zusätzlich Kortikosteroide.

Huang L et al. Cardiac involvement in recovered COVID-19 patients identified by magnetic resonance imaging. JACC: Cardiovascular Imaging 2020, DOI: 10.1016/j.jcmg.2020.05.004 https://www.kardiologie.org/covid-19/diagnostik-in-der-kardiologie/schaedigt-covid-19-das-herz-auch-dauerhaft-/17985810


https://www.kardiologie.org/covid-19/corona/17791940