Gehirn

Ein kleiner Anteil der Patienten mit SARS-CoV-2-Infektion verstirbt an einem akuten Lungenversagen (ARDS), meistens in Folge einer schweren Form der Lungenentzündung. Eine kürzlich publizierte Arbeit (siehe Journal of Medical Virology, Online-Vorabveröffentlichung am 27.2.2020) beschreibt jedoch einen weiteren möglichen, bislang wenig erforschten Pathomechanismus des tödlichen Lungenversagens. Demnach könnte eine Beteiligung des Hirnstamms und somit des Atemzentrums eine Rolle spielen. Unbekannt ist, wie häufig das der Fall ist. Eine aktuelle Arbeit (siehe Science, Online-Vorabveröffentlichung am 16.3.2020) gibt immerhin Anlass zur Hoffnung, dass schwere Verläufe grundsätzlich seltener als angenommen sind.

„Es gibt zahlreiche, z.T. auch schon ältere Arbeiten, die zeigen, dass Coronaviren in das zentrale Nervensystem (ZNS) bzw. das Gehirn eindringen können, insbesondere in den Hirnstamm. Dort befinden sich wichtige Steuerzentralen von Vitalfunktionen wie das Atemzentrum. Eine durch Viren ausgelöste Dysfunktion könnte einen Atemstillstand begünstigen, auch ohne Lungenentzündung“, erläutert Prof. Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN).

Das neuroinvasive Potenzial der Viren könnte übrigens auch erklären, warum bei COVID-19-Erkrankungen neben den typischen Krankheitszeichen Fieber, Halsschmerzen und Husten manchmal auch neurologische Symptome wie der Verlust von Geruchs- und Geschmackssinn, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Übelkeit, Erbrechen und Bewusstseinsstörungen auftreten.

https://www.lungenaerzte-im-netz.de/news-archiv/meldung/article/selten-koennen-coronaviren-offenbar-auch-ins-gehirn-eindringen/

Coronavirus kann Nerven und Gehirn befallen

Der häufigste Weg führt vermutlich über das Blut und wird als hämatogene Ausbreitung bezeichnet: Das Virus kann über das sogenannten ACE2 als Rezeptor auf Gefäßwandzellen andocken und sich zu den Hirnzellen, die ebenfalls ACE2 tragen, durcharbeiten. Die andere Route führt scheinbar über Nerven, die mit Gehirn und Rückenmark verbunden sind.

In der Riechschleimhaut beispielsweise könnten Nervenzellen befallen werden und das Virus über den Riechkolben ins Gehirn schleusen. Auch über andere Hirnnerven, beispielsweise vom Rachen oder den Atemorganen aus, kann das Virus zum Hirnstamm gelangen.

Diese Verhalten haben Wissenschaftler auch bei anderen Coronaviren entdeckt, zum Beispiel bei denen der MERS- und SARS-Erkrankungswellen. Den Beweis, dass auch Sars-CoV-2, also im Rahmen von Covid-19, das Nervensystem betreffen kann, lieferte kürzlich ein japanischer Patient.Bei ihm wurde während einer Hirn- und Hirnhautentzündung mit epileptischen Anfällen das Virus erstmals im Nervenwasser nachgewiesen. Ein anderer Patient in den USA starb nach neurologischen Symptomen und wurde obduziert. Bei ihm wurde das Virus in Nerven- und Gefäßwandzellen des Gehirns gefunden – als Hinweis auf eine Ausbreitung über das Blut. https://www.hna.de/welt/coronavirus-kann-nerven-gehirn-befallen-mediziner-erklaert-symptome-zr-13743787.html

Hamburg. Für Aufsehen hatte am Wochenende Karl Lauterbach, Bundestagsabgeordneter der SPD und Gesundheitsexperte seiner Partei, mit seiner Einschätzung zu möglichen Spätfolgen von Corona gesorgt. „Die Menschen müssen verstehen, dass Covid-19 nicht nur zum Tod führen kann. Viele von denen, die es überleben, werden bleibende Schäden behalten und erhebliche Behinderungen erleiden“, sagte Lauterbach der „Passauer Neuen Presse“. Der Politiker und Mediziner sagte weiter: „Viele Ältere, die es überstehen, werden danach ein Pflegefall sein. Die Muskulatur und die Hirnleistung werden abgebaut.“Auf Abendblatt-Anfrage erklärte dazu Prof. Christian Gerloff, Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie im UKE: „Wir haben noch keine belastbaren wissenschaftlichen Daten zu spezifischen Covid-19-Spätfolgen, schon gar nicht in Bezug auf das Gehirn. Die meisten Patienten machen die Infektion als eher milde Erkrankung der Atemwege durch und wir haben keinen Grund anzunehmen, dass diese Patienten Spätschäden des Nervensystems davontragen könnten.“

Richtig sei zwar, dass der Virus über Rachen- und Nasenraum eintrete und häufig Riechstörungen verursache: „Riechen ist eine Leistung des Gehirns, insofern ist also das Gehirn vom Virus schon früh betroffen. Bei anderen viralen Erkrankungen der Atemwege sind diese Störungen aber typischerweise nur vorübergehend und es kommt nicht zu einer schweren Gehirnentzündung.“

Gegenüber Focus Online hatte bereits der Neurowissenschaftler Prof. Ernst Pöppel Lauterbach scharf kritisiert: „Das ist Schwachsinn. Herr Lauterbach hat von Hirnforschung offenkundig keine Ahnung.“ Der ehemalige Professor für Medizinische Psychologie an der Universität München sagte weiter:

„Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Hirnleistung verschlechtert ebenso hoch, wie dass sie gleichbleibt oder sich verbessert – wir haben einfach noch keine Daten.“ Es sei ungeheuerlich, mit einer solchen Äußerung an die Öffentlichkeit zu gehen: „Es ist Angst, reine Panikmache, die er da in die Welt hinausträgt. Wer sich so verhält, sollte sein politisches Amt niederlegen.“ [abendblatt.de 6.4.20]


Möglicherweise könnte das Coronavirus aber auch ins Gehirn vordringen. "Ich halte das für sehr wahrscheinlich", sagt Matthew Anderson, Neuropathologe am Beth Israel Deaconess Medical Center in Boston. "In Tiermodellen für Atemwegsinfektionen dringen in die Nasenhöhlen eingebrachte Viren in das Gehirn dieser Tiere ein. Auch Polioviren und Masernviren gelangen ins Gehirn", ergänzt Hummel. Das sei also an sich nichts Ungewöhnliches.

Doch wie genau sähe eine solche "Invasion" ins Gehirn aus, und welche Folgen hätte sie? "Im Falle des neuen Coronavirus könnte der Virus den Riechkolben und damit den vorderen Teil im Gehirn beeinträchtigen", sagt Hummel. In einer Studie kam der Immunologe Stanley Perlman von der Universität von Iowa zu dem Ergebnis, dass Sars-CoV – das Virus, das 2002/03 den Sars-Ausbruch verursachte – über den Riechkolben in die Gehirne von Mäusen gelangte. Eine Beeinträchtigung des Riechkolbens passt gut zu dem beobachteten Riechverlust von Covid-19-Patienten. Denn im Riechkolben im Gehirn laufen die Nervenfasern der Riechzellen zusammen. Von dort werden die Geruchsreize den verschiedenen Gehirnzentren übermittelt, in denen die Gerüche bewusst wahrgenommen werden.

"Denkbar wäre auch, dass das Virus auch andere Teile des Gehirns wie die Medulla Oblongata des Hirnstamms befällt und schädigt", erklärt Hummel. Dort liegen Zentren für die Regulierung der Atmung und des Blutkreislaufs. Sollten tatsächlich Zellen in der Medulla Oblongata im Hirnstamm geschädigt werden, könnte das auch einen Teil der Atemprobleme der Corona-Patienten erklären. Genau dafür argumentiert Yan-Chao Li von der Universität Jilin in China gemeinsam mit Kollegen in einem kürzlich im "Journal of Medical Virology" erschienenen Übersichtsartikel. Sie verweisen unter anderem auf Infektionen des Hirnstamms in Tierversuchen mit Sars-CoV.

Aber natürlich müssen solche Hypothesen erst noch durch harte wissenschaftliche Fakten bestätigt werden. Denn dafür müssen die Gehirne von verstorbenen Covid-19-Patienten unter die Lupe genommen werden. Wenn überhaupt, werden bislang nur selten Autopsien an diesen Patienten durchgeführt. Und selbst wenn, ist es unwahrscheinlich, dass die Pathologen neben der Lunge auch noch das Gehirn untersuchen. Sie denken bislang einfach nicht, dass das Gehirn der Ort des Problems sein könnte.

https://www.derstandard.de/story/2000116750568/was-hinter-dem-riechverlust-bei-covid-19-patienten-steckt

Auch der Befall des Nervensystems scheint bei Covid-19 häufiger zu sein, als Mediziner das anfangs angenommen haben. Neben dem Ausfall von Geruchs- und Geschmackssinn werden immer weitere Beschwerden beschrieben. Manche Patienten berichten über Kopfschmerzen, Müdigkeit, Verwirrtheitszustände, einzelne sogar über epileptische Anfälle. Auch schlaffe Lähmungen seien mittlerweile beschrieben worden, sagt Christian Gerloff, Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf. "Die Häufigkeit der Symptome hängt dabei sehr davon ab, wie präzise die behandelnden Ärzte untersucht haben", sagt Gerloff. Sie schwanke grob von einem Drittel (JAMA: Mao et al., 2020) bis fast 90 Prozent (European Archives of Oto-Rhino-Laryngology: Lechien et al., 2020), wenn man Geruchs- und Geschmacksverlust dazu zähle.

Diese beiden Symptome verschwinden offenbar in vielen Fällen von allein wieder (Pathogens and Immunity: Schmithausen et al., 2020). Schwerer und langfristiger könnten sich Entzündungen der Hirnhäute oder des Gehirns selbst auswirken, über die es erste Berichte in Zusammenhang mit Covid-19 gibt. Wie die Viren ins Gehirn kommen, ist bisher nicht geklärt. Gerloff hält es für möglich, dass sie von der Lunge über Nervenbahnen rückwärts ins Gehirn transportiert werden, wo sie auch das Atemzentrum beeinträchtigen könnten (Journal of Medical Virology: Li et al., 2020). Bei den Lähmungen, die Nervenärzte hin und wieder auch nach anderen Infektionen beobachten, sei es vermutlich eher die überbordende Immunabwehr des Körpers gegen das Virus, die die neurologischen Symptome auslöse. Vieles werde derzeit noch untersucht, sagt Gerloff.

Dringt das Coronavirus auch ins Gehirn?

Was bislang über neurologische Komplikationen in Zusammenhang mit dem Coronavirus bekannt ist, erläutert im „ÄrzteTag“-Podcast Professor Julian Bösel, Chefarzt an der Klinik für Neurologie in Kassel und designierter Präsident der DGNI. Außerdem geht er auf das Phänomen ein, dass in den letzten Wochen bis zu 40 Prozent weniger Schlaganfallpatienten die Notaufnahmen erreicht haben und was es außer Apellen wie zum Tag des Schlaganfalls am 10. Mai noch braucht, damit Patienten mit Warnsignalen eines Schlaganfalls diese Ernst nehmen und optimal versorgt werden. (Dauer: 18:50 Minuten) https://www.aerztezeitung.de/Podcasts/Dringt-das-Coronavirus-auch-ins-Gehirn-409302.html

Over half of coronavirus patients in Spain have developed neurological problems, studies show

New research indicates that Covid-19 is causing a wide range of disorders in the nervous system and may be directly attacking the brain

But the most significant piece of research is a registry called Albacovid, which studies the neurological conditions observed in 841 coronavirus patients in two hospitals in Albacete in the Spanish region of Castilla-La Mancha during the peak of the crisis in March. The results, published in the specialist journal Neurology a few weeks ago, show that 57% of these patients developed one or several neurological symptoms. [...]

Another large-scale study, this one with 909 coronavirus patients in Madrid, showed that 90% of cases simultaneously experienced changes to, or the loss of, the sense of smell and taste. In most of these cases, these changes were the only clinical expression of coronavirus or were accompanied by other minor symptoms. Other viral infections, like those caused by the flu, rhinovirus and human parainfluenza viruses, also cause these disorders, but this is attributed to the nasal condition caused by the infection. In the Madrid study, more than half of the patients did not experience any congestion. This means that the coronavirus may be directly acting against the central nervous system.

The most recent study was published last week in the prestigious journal Brain. This investigation, which featured the largest number of patients (1,683) and longest duration (50 days), was aimed at detecting and analyzing cerebrovascular disease in patients with Covid-19. According to the research, 23 of these patients (1.4% of cases) suffered a brain attack or stroke. What is relevant in this case is not the number of cases, which is also significant, but the quality of the data, which is based on neuroimaging and an analysis of the affected brain tissue. The evidence of these small episodes of generalized strokes is of concern to neurologists, because it could indicate that the coronavirus can enter the brain.

https://english.elpais.com/science_tech/2020-07-17/over-half-of-coronavirus-hospital-patients-in-spain-have-developed-neurological-problems-studies-show.html

“Wir konnten mehr Patienten mit neurologischen Schäden wie Entzündungen im Gehirn identifizieren als gedacht”, sagte Michael Zandi vom Forscherteam. An der Studie nahmen 43 Menschen teil, die an Covid-19 erkrankt sind oder bei denen eine Infektion vermutet wurde. Das Ergebnis: Zwölf der Probanden hatten eine Hirnentzündung, zehn eine vorübergehende Hirnfunktionsstörung und acht Nervenschäden. Nicht jedem Befund ging eine schwere Covid-19-Erkrankung voraus - Hirnschäden sind also auch nach einem eher milden Verlauf der Erkrankung möglich. “Die Art und Weise, wie Covid-19 das Gehirn attackiert, haben wir bei anderen Viren noch nie zuvor gesehen”, sagte Zandi.

Auch wenn bei der Studie bei vielen der Corona-Patienten Hirn-Komplikationen festgestellt wurden, heißt das nach Ansicht der Forscher nicht zwangsläufig, dass Hirnschäden bei Covid-19 weit verbreitet sind. Die Langzeitschäden der neuartigen Lungenkrankheit seien noch nicht umfassend bekannt. Dennoch sollten sich Ärzte die Gefahr von Hirnschäden bewusst machen, betont Ross Paterson vom Forscherteam aus London: “Ärzte müssen sich über mögliche neurologische Schäden bewusst sein, da eine frühzeitige Diagnose den Krankheitsverlauf verbessern kann”, rät er.

Ärzte von der Uniklinik Southampton haben Berichte über neurologische Komplikationen nach einer Infektion mit dem Coronavirus ausgewertet, die britischen Neurologen und Psychiaterverbänden gemeldet wurden. In 153 Meldungen wurde vor allem über Folgen wie Schlaganfälle, Delirium oder auch erstmals auftretende Psychosen berichtet, wie die Experten in dem Fachjournal “The Lancet” mitteilten. 66 Covid-19-Patienten erlitten einen Schlaganfall, 39 litten an Bewusstseinsveränderungen und weitere zehn hatten eine Psychose.

Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch Forscher der Universität Liverpool: Von 125 Patienten mit einem schwerem Krankheitsverlauf hatten 23 Komplikationen wie veränderte Geisteszustände und Verwirrung. Auch Psychosen, demenzähnliche Zustände und Wahrnehmungsstörungen wurden diagnostiziert. Das Alter spielte keine Rolle: Sowohl jüngere als auch ältere Patienten waren betroffen.

https://www.rnd.de/gesundheit/covid-19-studie-hirnschaden-schon-bei-leichten-symptomen-PYWCXWUCCVCITK56ZIS77HSMO4.html