Die Autorin
Interview mit Eva Rottmann
Eva: „Eigentlich geht es in meinem Buch um Kommunikation. Eine gute Sexualität kann nur entstehen, wenn man sich selbst wahrnimmt und sich mitteilt, also offen miteinander spricht. Doch gerade daran scheitert es oft, obwohl es das Wichtigste am Ganzen ist.“
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Auf dieser Seite kannst du etwas mehr über die Autorin, Eva Rottmann, und die Hintergründe des Buches erfahren. Das Interview wurde mit Eva Rottmann, der Autorin des Buches, und Marlen Riedel, einer ausgebildeten Sexualpädagogin und Freundin von Eva, geführt.
Klicke auf die Fragen und finde heraus, was Eva und Marlen dazu zu sagen haben.
Eva:
Nein. Sie sollen sich einfach unvoreingenommen auf das Buch einlassen. Gespräche über Sexualität entstehen erst durch die Geschichten an sich. Ich merke oft bei Lesungen, dass Schüler*innen durch die Figuren anfangen, über sich selbst zu sprechen.
Ein Beispiel ist die Geschichte von Yasin und Leyla, die ich oft vorlese, weil sie zwei Perspektiven zeigt. Die Reaktionen darauf sind spannend: Während viele Mädchen sich in Leyla hineinversetzen und ihre Unsicherheit erkennen, denken einige Jungen eher, dass sie Yasin abweist, weil er sie langweilt oder nicht „gut genug“ ist.
Dabei tauchen immer wieder stereotypische Vorstellungen auf. Beispielsweise wird das Wort „Schlampe“ oft benutzt, wenn es um Mädchen geht, die ihre Sexualität ausleben. Gleichzeitig gibt es die Idee, dass Sex eine Art „Währung“ in Beziehungen ist, während Jungen den Druck spüren, viel Erfahrung haben zu müssen. Manche Vorstellungen sind noch sehr konservativ, andere haben sich verändert – je nach Umfeld und Schule.
Besonders wichtig wird das Thema bei Leylas erster sexueller Erfahrung in der Geschichte. Wenn ich die Szene vorlese, erkennen die meisten sofort, dass es sich um einen Übergriff handelt. Doch es stellt sich die Frage: Warum hat sie sich nicht gewehrt? Hier zeigt sich, dass noch immer viele alte Vorstellungen existieren, die beeinflussen, wie Mädchen und Jungen über Sexualität denken. Zwar gibt es Fortschritte, aber einige Muster bestehen weiterhin.
Eva:
In meinem Buch wollte ich über Sex schreiben, weil ich mich als Teenager für solche Beschreibungen sehr interessiert habe. Damals gab es nur wenige Romane, die das thematisierten, während es heute viele explizite Geschichten für Jugendliche gibt. Ich fand es spannend, weil oft nicht klar ist, was hinter verschlossenen Türen passiert. Alle reden darüber, aber kaum jemand weiss wirklich Bescheid.
Beim Schreiben habe ich schnell gemerkt, dass mich das Körperliche allein gar nicht interessiert. Erotische Literatur oder Pornografie war nicht mein Ziel. Viel spannender fand ich die Frage: Wie denken Menschen über Sex? Was sagen sie – und was nicht? Warum kommt es so oft zu Missverständnissen?
Eva:
In meinen ersten Büchern wollte ich gerne über das erste Mal und über Sex schreiben, aber es passte nicht richtig in die Geschichten. Es hätte sich unnatürlich und erzwungen angefühlt.
Zum Beispiel gibt es in Mats und Milad eine Szene, in der die beiden planen, miteinander zu schlafen. Doch dann entscheiden sie sich dagegen. Ich fand es wichtig zu zeigen, dass eine Teenager-Beziehung nicht automatisch zum Sex führen muss. Es ist völlig in Ordnung, zu warten, bis man sich bereit fühlt, und das bedeutet nicht, dass die Beziehung weniger wertvoll oder schön ist.
Da mich das Thema aber weiter beschäftigte, wollte ich ein ganzes Buch darüber schreiben. Ausserdem mochte ich die Figuren aus den vorherigen Büchern noch zu sehr, um sie loszulassen – so entstand die Idee für das neue Buch.
Eva:
Mein Tagesablauf ist ziemlich unspektakulär: Morgens stehe ich auf, mache mir einen Kaffee und beginne mit dem Schreiben. Manchmal hole ich mir noch einen zweiten Kaffee, bevor ich gegen 10 Uhr frühstücke. Bis mittags konzentriere ich mich auf das Schreiben, danach fällt es mir schwerer, mich zu fokussieren. Am Nachmittag erledige ich andere Aufgaben. Abends im Bett lese ich oft noch einmal durch, was ich tagsüber geschrieben habe. Manchmal schreibe ich dann noch ein wenig weiter, aber nicht immer.
Eva:
Oft beginne ich beim Schreiben mit Themen, die mich gerade beschäftigen. Das bedeutet aber nicht, dass ich über mich selbst schreibe, es sind eher Gedanken oder Erlebnisse, die mich inspirieren. Manchmal stammen sie aus meiner eigenen Biografie, oft aber nicht.
Virginia Woolf sagte einmal sinngemäss, dass man merken würde, wenn Autorinnen über sich selbst statt über ihre Figuren schreiben. Ich nutze das Schreiben nicht als persönliches Ventil, sondern möchte fiktive Geschichten erschaffen. Dennoch dauert es eine Weile, bis eine Figur für mich wirklich lebendig wird und selbstständig handelt. Das ist ein anstrengender Prozess.
Eva:
Bei meinem Buch Fucking fucking schön ging es erstaunlich schnell – es hat weniger als ein Jahr gedauert. Das lag daran, dass die Figuren bereits existiert haben und so sehr klar in meinem Kopf waren. Ich wusste genau, wie Teddy spricht, wer Lou ist, und hatte eine Vorstellung von Jenny. Dadurch fiel mir das Schreiben leichter, denn beim Schreiben ist es meistens am schwierigsten, die Figuren auszuarbeiten.
Eva:
Beim Schreiben beginne ich oft mit eigenen Erfahrungen, aber die Figuren entwickeln sich dann weiter. Anfangs sind sie mir sehr nah, doch mit der Zeit fügen sich Begegnungen mit Menschen aus dem Alltag hinzu – etwa jemand, den ich in der Tram sehe. So entsteht nach und nach eine eigenständige Figur.
Viele Schriftsteller*innen sagen, dass ihre Figuren irgendwann „selbstständig“ werden, und genau so empfinde ich es auch. Sie fangen an, wie von selbst zu sprechen, und tun manchmal Dinge, die ich gar nicht geplant hatte. Wenn eine Figur völlig vorhersehbar bleibt, fühlt sie sich an wie ein Kuchenrezept – zu einfach, zu konstruiert. Erst wenn ich selbst nicht immer genau verstehe, warum sie etwas tut, wird sie für mich lebendig und glaubwürdig.
Besonders spannend ist es, wenn Leser*innen mir neue Perspektiven auf meine Figuren zeigen – Dinge, die mir selbst beim Schreiben gar nicht bewusst waren. Irgendwann gehören die Figuren nicht mehr nur mir, sondern bekommen ihr eigenes Leben.
Übrigens kommen alle Figuren aus Fucking fucking schön in meinen vorangegangenen Büchern vor. Sie stammen alle entweder aus „Mats und Milad“ oder „Kurz vor dem Rand“.
Eva:
Ich versuche nicht, Jugendsprache künstlich nachzuahmen – das ist nicht mein Ziel. Stattdessen nutze ich eine Sprache, die sich an der aktuellen Jugendsprache orientiert, ohne sie zu kopieren. Da ich viel in Schulen unterwegs bin, bekomme ich mit, wie Jugendliche sprechen, aber mein Anspruch ist es nicht, ihre Ausdrucksweise einfach nachzumachen.
Jugendsprache hat sich schon immer von der Erwachsenensprache unterschieden. Besonders in der Pubertät dient sie dazu, sich von Erwachsenen abzugrenzen. Da Jugendliche in der Schule nicht einfach Autoritätspersonen ignorieren oder Türen zuschlagen können, nutzen sie oft ihre Sprache als Mittel, um sich von den „blöden Erwachsenen“ zu distanzieren. Das war schon immer so und gehört zum Erwachsenwerden dazu.
Marlen:
Viele Erwachsene empfinden immer noch Scham, wenn es um Sexualität geht. Wenn sie unsicher oder verlegen über das Thema sprechen, kann das auch für Kinder und Jugendliche unangenehm sein. Dabei hat sich die Art und Weise, wie über Sexualität gesprochen wird, über die Generationen hinweg stark verändert.
Früher gab es kaum altersgerechte Aufklärungsbücher, Elternabende oder Workshops in der Schule. Heute haben Kinder und Jugendliche viel mehr Zugang zu Informationen – sei es durch bessere Bücher, digitale Angebote oder Social Media. Dadurch verfügen sie oft über eine modernere Sprache und ein grösseres Wissen als frühere Generationen. Erwachsene hingegen wurden oft nicht so offen aufgeklärt und sind daher manchmal unsicher im Umgang mit bestimmten Begriffen oder Fragen.
Die heutige Generation wächst also mit einer ganz anderen Selbstverständlichkeit im Umgang mit Sexualität auf. Ein Beispiel dafür ist, dass selbst Grundschulkinder Fragen zu Begriffen stellen, die früher kaum besprochen wurden. Das zeigt, wie wichtig es ist, offen und ohne Scham über Sexualität zu sprechen.
Marlen:
Die Arbeit einer Sexualpädagogin ist vielseitig und umfasst hauptsächlich die Arbeit mit Menschen – sowohl mit Jugendlichen als auch mit Erwachsenen. Ihr Tätigkeitsbereich beinhaltet Workshops, Elternabende und die Zusammenarbeit mit Multiplikator:innen wie Lehrpersonen und Erziehende.
Die Bildungsangebote decken Themen wie Pubertät, Sexualität und das Erwachsenwerden ab. Dabei geht es nicht nur um klassische sexuelle Aufklärung, wie sie aus dem Unterricht bekannt ist – also Fragen zur Fortpflanzung, Verhütung oder sexuell übertragbaren Krankheiten. Sondern auch um andere wichtige Themen, die für die persönliche Entwicklung wichtig sind.
Diese Frage bezieht sich auf folgende Aussage in der Danksagung im Buch Fucking fucking schön:
„Dank geht an [...] Marlen Riedel, die als Sexualpädagogin und Freundin die Texte teilweise gelesen hat und vor allem in ersterer Funktion (also als Sexualpädagogin) auf eine gute Art und Weise streng mit mir war.“ (S. 168, Dank geht an:)
Marlen:
In der Sexualpädagogik ist es wichtig, sich nicht nur auf die eigene Sichtweise oder persönliche Erfahrungen zu verlassen. Stattdessen muss man sich in unterschiedliche Lebensrealitäten hineinversetzen. Zum Beispiel in einen 14-jährigen Jugendlichen mit einer Essstörung oder eine asexuelle Person.
Dabei spielt auch die Sprache eine grosse Rolle: Begriffe und Konzepte entwickeln sich stetig weiter, und es ist wichtig, auf dem aktuellen Stand zu bleiben. Ein Teil meiner Arbeit besteht also darin, mich in Kinder und Jugendliche hineinzuversetzen. Deshalb konnte ich mir teilweise etwas besser vorstellen, was ein Kind oder ein Jugendlicher in einer Situation denken würde.
Eva:
Zum Beispiel habe ich einmal beschrieben, dass sich ein Junge den Samenerguss wie einen wirklichen Pflanzensamen vorstellt, der aus dem Penis kommt. Marlen hat mich anschliessend darauf hingewiesen, dass sich Kinder das gar nicht so vorstellen würden und eher an einen Hahn denken.
Marlen hat mir im Allgemeinen geholfen die Sichtweisen von Kindern und Jugendlichen realitätsnäher zu beschreiben.
Marlen:
Mich haben verschiedene Erlebnisse besonders berührt. Ein Beispiel ist die Geschichte eines Mädchens (Alex), das zum ersten Mal Sex hatte und dabei grossen Druck verspürte, weil alle in ihrem Umfeld bereits Erfahrungen gesammelt hatten. Diese Situation zeigt, wie hoch die Erwartungen sein können – nicht nur von anderen, sondern auch an sich selbst. Wichtige Themen wie Konsens, Selbstbestimmung und Selbstliebe spielen hier eine grosse Rolle.
Besonders eindrücklich war die Geschichte einer queeren oder non-binären Person (Lou), die beim Trampen Angst erlebte. Die Situation machte deutlich, wie bedrohlich solche Momente sein können und welche Möglichkeiten es gibt, sich zu schützen – z. B., indem man sich das Nummernschild merkt oder sich Details über den potenziellen Täter einprägt. Solche Handlungsmöglichkeiten zu kennen, kann sehr wichtig sein. Ich finde es grossartig, dass solche Themen offen besprochen werden.
Eva:
Oft hört die Kommunikation auf, sobald es um Intimität geht. Man legt nicht nur die Kleidung ab, sondern auch die Sprache. Dadurch entstehen Situationen, in denen jemand nicht sagt, was er oder sie will, einfach nur mitmacht oder sogar Grenzen überschritten werden.
Eigentlich geht es in meinem Buch um Kommunikation. Eine gute Sexualität kann nur entstehen, wenn man sich selbst wahrnimmt und sich mitteilt, also offen miteinander spricht. Doch gerade daran scheitert es oft, obwohl es das Wichtigste am Ganzen ist.
Marlen:
Das Buch enthält nahezu alle wichtigen Themen rund um Sexualität und Identität. In meinen Workshops lege ich besonderen Wert auf einige zentrale Punkte. Ein besonders wichtiges Thema ist Konsens – also die freiwillige Zustimmung bei intimen Erfahrungen. Ebenso wichtig ist es, über Gefühle zu sprechen und darauf zu achten, dass man sich wohlfühlt. Jeder sollte nur das tun, worauf er oder sie wirklich Lust hat.
Das Thema Freiwilligkeit und gegenseitiges Einverständnis spreche ich in all meinen Workshops an, unabhängig vom Alter der Teilnehmenden. Denn es ist essenziell, dass Menschen lernen, ihre eigenen Grenzen zu erkennen und zu respektieren. Bei diesen Punkten ist es mir ein Anliegen, dass die Schüler:innen dies mit auf den Weg nehmen.