Vom Novizen zum Experten

Niemand wird als Meister seines Faches geboren. Der Weg dahin ist ein oftmals langwieriger und krisenhafter Prozess. Das aus der Kognitionspsychologie stammende Novizen-Experten-Paradigma beschreibt die berufliche Entwicklung als sukzessiven Aufbau von professionellen Fähigkeiten und von professionellem Wissen. Eine Lehrperson durchläuft, gemessen an der Qualität Ihres beruflichen Handelns und der kategorialen Wahrnehmung von Unterrichtssituationen, verschiedene Stadien bei der Entwicklung von Expertise:

Novizenstadium: Der 'Novize' verfügt über gelernte ‚kontextfreie‘ Regeln, die er meist ohne Rücksicht auf die Gesamtsituation auf einzelne Schüler und Ereignisse anwendet; seine Handlungen sind zwar oft rational begründet, aber noch wenig adaptiv und flexibel; in Störungssituationen tritt Hektik und rigides Verhalten auf.

Fortgeschrittenes Anfängerstadium: Der 'fortgeschrittene Anfänger' orientiert sich vermehrt an seinen praktischen Handlungserfahrungen; episodische Erinnerungen an ähnliche Fälle sowie die Identifikation von bedeutungsvollen ‚situationalen‘ Elementen führen zu zunehmender Beweglichkeit und Verhaltensvielfalt.

Stadium des kompetenten Praktikers: Der ‚kompetente Praktiker‘ verfügt aufgrund der Analyse des Unterrichtsgeschehens über flexible Handlungspläne für viele Standardsituationen; obwohl wer in der Regel zielgerichtet, abwägend und reflexiv handelt, fehlt ihm in schwierigeren Situationen noch häufig der Sinn für das Wesentliche.

Stadium des gewandten Praktikers: Der ‚gewandte Praktiker‘ zeigt eine gute Situationsverarbeitung und intuitiv einsetzbares Wissen; sein praktisch gewordenes Knowhow lässt die bewusste Reflexion hinter dem gewandten Vorgehen zurücktreten; zwischen oberflächlich unterschiedlichen Situationen erkennt er strukturelle Ähnlichkeiten ebenso wie er zwischen oberflächlich ähnlichen Situationen strukturelle Unterschiede zu entdecken vermag.

Meister-oder Expertenstadium: Der ‚Meisterlehrer‘ ist in der Lage, routiniert, schnell und angemessen auf eine Vielfalt unterschiedlicher und auch schwieriger Unterrichtsereignisse zu reagieren; solange keine wirklich aussergewöhnlichen Situationen auftreten, handelt er flüssig und quasi-automatisch; an die Stelle aufwändigen, reflexiven Problemlösens und des Fällens planvoller Entscheidungen tritt in kritischen Handlungssituationen das sofortige Erkennen bzw. Sehen der ‚richtigen‘ Struktur: der Experte, der eine pädagogisch-didaktische Handlungssituation wahrnimmt, erkennt sofort, was zu tun ist und handelt scheinbar anstrengungsfrei so, dass es in der Regel einfach funktioniert.