Sichtachse zwischen dem Frauenberg und Flavia Solva
Die Stadtanlage Flavia Solvas wurde in vielerlei Hinsicht von einem Ort dominiert, der alleine schon durch seine geographische Lage als „überragend“ gelten kann: Am Westrand des Leibnitzer Beckens überblickt der Frauenberg noch heute die Überreste der antiken Stadt. Mit einer Seehöhe von 390 m war er als rundum sichtbarer Punkt bereits seit früher Zeit Zentrum menschlicher Besiedlung in der Region. In direkter Sichtachse zum Stadtzentrum wird er heute auch als Referenzpunkt zur antiken Stadtvermessung vermutet.
Bei Ausgrabungen am Frauenberg wurden in zentraler Lage die Überreste eines antiken Heiligtums entdeckt, das seit der römischen Kaiserzeit belegt ist. Hinweise darauf, welche Gottheiten in diesem Heiligtum verehrt werden, variieren; bezeugt sind Kult- und Weihehandlungen für eine Vielzahl von Gottheiten, unter ihnen Muttergöttinnen, Merkur, Mars, Epona und vielleicht Isis.
Die kultische Tradition dieses Orts beginnt jedoch nicht erst in römischer Zeit. Eine durchgängige Besiedelung des Berges kann bis in die Jungsteinzeit (4. Jhd. v.Chr.) nachgewiesen werden. Erste Zeugnisse kultischer Handlungen sind ab der Latènezeit (5. Jhd. v.Chr.) erhalten. Im Zuge von Ausgrabungen wurde auf einer tiefer gelegenen Terrasse am Osthang des Hügels eine latènezeitliche Kultstätte entdeckt, an der vermutlich in großer Zahl Rinderopfer zu Ehren einer unbekannten Gottheit durchgeführt worden waren.
Nachdem Flavia Solva aufgrund seiner Infrastruktur (Lage im Leibnitzer Becken, keine Stadtmauern) in der Spätantike (3./4. Jhd. n.Chr.) verlassen worden war, entwickelte der Frauenberg in der Folgezeit wiederum eine gewisse Siedlungs- und Schutzfunktion. Wie diese genau ausgesehen haben könnte und ob eine kontinuierliche Tradition bestanden hat, ist noch nicht zu Genüge erforscht. Es kann allerdings angenommen werden, dass mit der Etablierung des Christentums als Staatsreligion in der Spätantike die vorherrschenden Kulte bald von einer christlichen Kultstätte abgelöst wurden, die vielleicht im Mittelalter (um 1170) von der heutigen Marienkirche ersetzt wurde.
Jedoch sind die Spuren vorchristlicher Religionen nach wie vor präsent: VertreterInnen neopaganer Vereinigungen nutzen den Berg weiterhin als Kultstätte und sehen ihn als Ort der Kraft und Heilung. Auch erinnert das Tempelmuseum Frauenberg mit Ausstellungen von im Tempelbereich gefundenen Objekten an dessen belebte und vielschichtige Vergangenheit.
Text: L. Spielhofer
Video: L. Dragoljic