Das Neumarkter Hochtal liegt eingebettet zwischen dem Zirbitzkogel und der Grebenzen im Grenzgebiet zwischen Kärnten und der Steiermark. Die Sohle seines Nord-Süd verlaufenden, glazial geformten Beckens, steigt nirgends höher als ca. 900m, was es seit jeher zu einem bevorzugten Alpenübergang macht
Administrativ ist es heute in die Gemeinden Neumarkt in Steiermark, Mühlen und St. Lambrecht gegliedert, die gemeinsam den Naturpark Zirbitzkogel-Grebenzen bilden. In der Vergangenheit lag der Fokus im Tal jedoch wesentlich weniger auf der Bewahrung ursprünglicher Landschaften, viel mehr war die Gegend ausgesprochen reich an Ressourcen wie Gold, Silber, Kupfer, Blei und Eisen, welche intensiv abgebaut wurden. Erst ab dem Spätmittelalter ebbte diese Nutzung ab; es kam zu keinen größeren Eingriffen mehr, sodass sich die Umgebung von Neumarkt heute als gut erhaltenes Schatzkästchen von Geschichte und Geschichten präsentiert.
Impression vom Neumarkter Hauptplatz. Foto: A. Schmölzer
Aufgrund seiner verkehrsgünstigen Lage war der Ort aber auch durch alle Epochen von großer strategischer Bedeutung. Zahlreiche weithin sichtbare Burgen zeugen noch heute davon.
Doch auch nicht mehr Sichtbares zog Aufmerksamkeit auf sich. Ab den späten 1920er Jahren verfolgte der Archäologe Walter Schmid den Ansatz einer Lokalisierung der antiken keltischen Siedlung Noreia im Bereich um das Neumarkter Hochtal. An diesem Ort trafen 113 v. Chr. römische Truppen auf jene der germanischen Kimbern, Teutonen und Ambronen.
Jenes Schlachtfeld wiederzufinden war in den 1930er Jahren ein Anliegen von nicht nur historischem, sondern auch höchst politischem Interesse. So dürfte bei den damaligen Forschungen der Wunsch Vater des Gedanken gewesen sein – ein Wunsch, der offenbar so stark war, dass von Schmid eine mittelalterliche Siedlung als jenes Noreia interpretiert und das nahegelegene Dorf St. Margarethen am Silberberg in Noreia umbenannt wurde.
Seit 2015 bemüht sich mit dem Historischen Arbeitskreis Neumarkter Hochtal erstmals eine lokale Initiative um eine systematische Sammlung und Dokumentierung historischen Materials in dieser Region, die weit mehr zu bieten hat als jene ideologisch verbrämten Kampf zwischen Germanen und Römern.
Sie sehen den Grabstein des Tiberius Claudius Rapidus, wie er heute in der Kirche von Neumarkt eingemauert ist. Das hineingemeißelte Loch im rechten unteren Bereich zeigt, dass er im Mittelalter als Baustein eines Gebäudes weiterverwendet wurde.
Römische Grabsteine erzählen immer auch ein wenig über die Bestatteten, wie sie miteinander verwandt sind, wer das Grab errichtete... Damit sind sie für die Forschung heute eine wichtige Quelle zu den Verhältnissen in römischen Familien.
Bild: A. Schmölzer
Zeile für Zeile lautet der lateinische Text:
Um bei der aufwändigen Schreibarbeit auf Stein Platz und Arbeitszeit zu sparen verwenden römische Inschriften eine ganze Reihe von Abkürzungen. Da diese quasi standardisiert waren, können Forscher sie heute immer noch gut lesen. Klammern markieren die so ergänzten Buchstaben und auch Ergänzungen, die durch die Beschädigung notwendig sind. Kleinere Unsicherheiten kommen aber vor, hier etwa beim Wort utriusque ("der beiden")
Der sehr kompakt formulierte lateinische Text lässt sich etwa folgendermaßen ins Deutsche übertragen: Dem Tiberius Claudius Rapidus und der Gattin Titia Paula, der Tochter des Titus, und dem Sohn Titius Praesentus hat Gaius Titius Censor, Sohn und Erbe der beiden(?), dieses Grab errichtet.
Die Bestatteten hatten das römische Bürgerrecht, was an den dreiteiligen Namen der Männer erkennbar ist. Im Text zuerst genannt sind also der verstorbene Mann Tiberius Claudius Rapidus und seine ebenfalls verstorbene Gattin Titia Paula. Wie in solchen Texten üblich wird auch noch der Name ihres Vaters Titus genannt. Die dritte Person, Titius Praesentus wird als Sohn der beiden ersten bezeichnet. Bei diesem fehlt der Vorname, eventuell ein Hinweis darauf, dass er noch im frühen Kindesalter war, als er starb.
Zuletzt erfahren wir, wer dieses Familiengrab errichtet hat: Es war Gaius Titius Censor. Er bezeichnet sich als heres utriusque - "Erbe der beiden" - sofern die Auflösung dieser seltenen Abkürzung so korrekt ist. Auf jeden Fall gibt er mit der Formel filius fecit an, dass er als Sohn dieses Grab für seine Eltern und einen offenbar sehr jung verstorbenen Bruder errichtete.
Alle Texte: S. Scherzer