Metaphysik

VERÖFFENTLICHT 10. JULI 2020

Für die Philosophen des Wiener Kreises war Metaphysik die Beschäftigung mit dem Sinnlosen. Nach der Wende zur Sprachphilosophie blieb die Metaphysik erneut auf der Strecke, denn sie war, wie Ludwig Wittgenstein bemerkte, nur eine der Beulen, die sich die bisherige Philosophie beim Anrennen gegen die Sprache geholt hatte.

Platon und Aristoteles haben unsere philosophischen Begriffe über viele Jahrhunderte hinweg geprägt. Sie haben Fragen aufgeworfen, die immer wieder neue Antworten fanden, bis in neuerer Zeit festgestellt wurde, dass die Frage unzulässig oder jedenfalls falsch gestellt war.

Hannah Arendt unterschied zwischen der Suche nach Wahrheit und der Suche nach Sinn und kritisierte Heidegger dafür, dass er beides gleichsetzte. Heidegger wiederum suchte den „Sinn von Sein“. Was dabei herauskam, war ein grandioses Ringen mit der Sprache, die sich in seinem Spätwerk in Lyrik und Raunen auflöste.

Die Aussagesätze der Metaphysik von Aristoteles bis heute sind und bleiben bodenlos. Aber die Metaphysik verschwindet nicht: im Suchen, im Fragen, im Ringen um die Sprache ist sie ständig gegenwärtig.

Warum ist das so?

Gleich, wo wir beginnen, mit guten Gründen zu philosophieren, wir entgehen nicht dem von Hans Albert so bezeichneten „Münchhausen-Trilemma“:

Der unendliche Regress endet nie – damit kann man sich abfinden und die Frage einfach stehen lassen. Die Antwort wäre immer nur eine Bestimmung des vorläufigen Standortes innerhalb des unendlichen Weiterschreitens der Begründungen.

Argumente wollen überzeugen, vielleicht auch überreden. Dazu ist es erforderlich, bei irgendeinem Zwischenstand aus dem Regress heraus zu springen, also das Verfahren abzubrechen. Wenn dieser Zwischenstand als gemeinsam akzeptierte Aussage festgestellt wird, dann reicht das als „Letztbegründung“ aus. Dieser Konsens kann als Axiom oder als Hypothese gestaltet werden.

Der Unterschied zwischen beiden ist nicht grundsätzlich, sondern eine Frage des Herangehens: wenn ich die konsentierte Aussage mit den Worten: „gehen wir also einmal davon aus, dass der Satz A wahr ist, …“ und dann die Reihe der Gründe wieder zur ursprünglichen Frage zurück verfolge, dann gehe ich axiomatisch vor. Wenn ich die konsentierte Aussage mit den Worten: „vorläufig gebe ich mich damit zufrieden, dass der Satz A wahr ist – bis zum Beweis des Gegenteils…“, dann gehe ich hypothetisch vor.

So kann ich als Axiom einsetzen: „Es gibt einen Gott, der das ganze Universum erschaffen hat und ständig in mein Leben eingreift“ – und daraus dann deduktiv Ereignisse und Erlebnisse in meinem Leben erklären. Ich kann auch die Axiome von Peano über die natürlichen Zahlen akzeptieren und daraus deduktiv eine umfassende Zahlentheorie ableiten. Ob die willkürlich gesetzten Axiome wahr sind oder nicht, ist nicht wichtig, sondern was aus ihnen folgt.

Hypothesen hingegen sind grundlegende Aussagen, die wahr sein können, auch wenn ich immer mit der Möglichkeit rechnen muss, dass sie falsch sind – ja ich muss sogar versuchen, sie zu falsifizieren und dann ggf. zu korrigieren.

Wenn ich philosophiere, dann ringe ich mit der Sprache. Der Satz: „Metaphysik ist sinnlos“ setzt voraus, dass ich verstehe, was „Sinn“ ist. Wenn Metaphysik nur ein Sprachspiel unter vielen ist, müsste ich wissen, nach welchen Regel hier gespielt wird, aber auch, was „Spiel“ und “ Regel“ dabei bedeuten. Die Suche nach Sinn fängt bei der Sprache an, die ich gelernt habe und in der ich mit anderen argumentiere.