Kommentar zu K.O.Apel
Transformation der Philosophie
Transformation der Philosophie
APEL S.1: Heideggers Verdienst: Sich-Vorweg-Sein, Sprache/Verstehen a priori; Verstehen als Seinsweise, nicht als Verhalten
Das ist mir zu obskur. Im Grunde sagt Heidegger, dass unser Verstehen ursprünglich und nicht hintergehbar ist. Dabei lässt er Lernprozesse völlig außer Acht - wie ja insgesamt das Sein bei ihm sehr statisch ist - es ist irgendwie DA, aber es entsteht nicht.
APEL S.60: wir sind zu Verständigung verdammt
Man könnte auch sagen: Menschen sind soziale Wesen, die zusammenwirken müssen, die dafür erfolgreich miteinander kommunizieren müssen. Für einen einsamen Denker wie Heidegger ist das offenbar eine Art der Verdammnis.
APEL S.64: Sprachspiel (transzendental) der idealen Kommunikationsgemeinschaft
Die ideale Kommunikationsgemeinschaft als "Sprachspiel" - sozusagen als Gedankenexperiment - ist ein gutes Studienobjekt, solange man nicht vergisst, dass damit die realen Kommunikationen nicht getroffen werden.
APEL S.68: Komplementarität Verfügungswissen zu Verständigungswissen
Wenn gemeinsames Handeln erfolgen soll, dann kann jedes Verfügungswissen auch zur Verständigung eingesetzt werden. Ich bin mir nicht sicher warum diese Unterscheidung wichtig sein sollte.
APEL S.80: Reduktion: (Hume: Assoziationspsychologisch Bekanntes in Unbekanntem erkennen) - Platon im 7.Brief: Teilhabe/methexis an Ideen/reinen Bedeutungen
APEL S.107: Paulus-Zitat
APEL S.117: Physik und Alltagssprache, Carnap: Logische Syntax der Sprache, Klärung durch Formalismus; Umgangssprache ist letzte Metasprache.
Formalisierung von Sprache in Aussageformen, wie bei Carnap, ist wertvoll, um zu klären, wo undeutliche und mehrdeutige Äußerungen erfolgt sind. Sie trägt aber zur Verständigung wenig bei, weil es bei der Verständigung eher um Mustererkennung geht, die eingeübt wird und nicht nur Aussagen umfasst.
APEL S.151f.: Morris' modes of signifying
APEL S.156: Kernthese des Humanismus: Weltbild in Sprache liegt VOR logisch-semantischer Sprachkritik. Vieldeutigkeit des logos.
Das entspricht der modernen These, dass es zunächst um Erlernen von Mustern geht, die sich zu einem "Weltbild" fügen. Dieses kann individuell sehr unterschiedlich ausfallen und kann natürlich in objektivierter Form, sozusagen als Forschungsgegenstand auch der logisch-semantischen Sprachkritik unterzogen werden.
APEL S.174: Sprachspiel der Philosophie kann nicht funktionieren, gilt aber als Therapie.
Wittgenstein würde das unterstützen, dass Philosophie allenfalls eine Therapie ist, Rorty sieht noch weniger darin: eigentlich nur ein gutes geistiges Reckturnen zum privaten Vergügen.
APEL S.195/196: Theorien und Kraft der Terminologie.
Terminologie ist Teil und zugleich Grundlage der Theorien - hier tritt also immer auch eine Selbstbezüglichkeit auf, die zu logischen Zirkeln führen kann.
APEL S.200: Gehlen verspottet als "modern": die unverbindliche Diskussion
bloßer Meinungen (talk shows).
Wunderbar, dass schon Gehlen die "Talk Shows" aufs Korn genommen hatte. Hier wir dalles zur "Meinung" verflüssigt, während sich tatsachen völlig verflüchtigen. Damit steht auch Hexenglaube und Naturwissenschaft auf der gleichen Ebene. Da Talkmaster das Einfache suchen, ist dabei der Hexenglaube im Vorteil, denn Wissenschaft ist zu kompliziert.
Gehlen: mangelne Stabilität der Instinkte wird durch Institutionen ersetzt. Sprache als Fundamentalinstitution, Versuchung zum Zynismus angesichts des Aneinandervorbeiredens.
Das ständige Aneinandervorbeireden ist schon darin angelegt, dass die meisten Gespräche nur als soziale Interaktion der Verbindungsaufnahme ausgehandelt werden, während inhaltlich subtanzielle Gespräche eher selten und oft auch unerwünscht sind.
Philosophie bei Marx steht unter Ideologieverdacht, bei Heidegger unter Verdacht der Seinsvergessenheit, bei Wittgenstein: unter Verdacht der Sinnlosigkeit
Dahinter steckt ein tieferes Problem: diese drei Verdammungen der Philosophie richten sich gegen Ergebnisse, die auf falschen Fragestellungen beruhen. Wer nach Sinn sucht, verstrickt sich in der Philosophie schnell in einem sprachlichen Labyrinth, weil die Frage, was Sinn denn sein könnte, selbst sinnlos ist, wenn man nicht weiß, was Sinn überhaupt bedeutet und was Bedeutung bedeutet usw. Man ist verloren: die Frage wird sinn-los. Wer nach "dem Sein" sucht - eingedenk der vielfachen Bedeutungen, die schon Aristoteles hervorhebt, verfällt der Verzweiflung über die mögliche Sinnlosigkeit der Frage - wer Halt braucht, findet ihn nur in der Gemeinschaft anderer Menschen, verfällt dem "Man" und der Seinsvergessenheit. Und wer dann einfach nur in Ruhe gelassen werden will, wer sich dennoch in die Denkpirouetten des Seins zurückzieht oder sich die Zeit mit Sprachspielen vertreibt, der verweigert sich der Einsicht in die Notwendigkeit der Revolution und ist damit ein Ideologe der Konterrevolution. So verdächtigt jeder jeden.
Ontologie bei Wittgenstein: metaphorischer Schein der Sprache.
Die Pfütze ist zu trübe, um Flachheit von Tiefe zu unterscheiden.
Tolle Metapher
Keine Außenwelt: (esse est percipi) - ist nur eine komplizierte Sprechweise,
Außenwelt: alle Folgen sind gleich; bei Berkeley anders: dort theologische Folgen.
Schon Descartes brauchte nach dem Zweifel die Intervention Gottes - in der Hoffnung keinem betrügerischen Dämon zum Opfergefallen zu sein.
Schleiermacher: Missverstehen ist die Regel.
Schleiermacher hat recht! Übrigens verstehe ich deutsche Philosophie gelegentlich besser in fremden Sprachen! In der Übersetzung werden oft auch sinnlose Formulierungen leichter offensichtlich.
APEL S.285/286: Leibniz Fußnote zur Kalkülsprache
APEL S.288: pragmatisches Sinnkriterium - Sinn aus gleicher Funktion - von Peirce auch auf Außenweltproblem anwendbar.
Muss dafür nicht "Sinn" mit "Funktion" gleichgesetzt werden? Oder ist es vorstellbar, dass bestimmte sinnhafte Tatsachen verschiedene Funktionen haben können, die mit manchen Sinn-Kriterien zusammenpassen, mit anderen aber nicht?
APEL S.293: Wittgenstein gegen Heideggers SEIN, Popper: experimentum crucis suchen zum Zweck der Falsifikation. Wittgenstein: Satzverstehen = Sprache verstehen = eine Technik beherrschen; Beulen an Grenzen der Sprache holen.
APEL S.333: Sprachspiel als Metainstitution, Grenzen der Sprache sind Grenzen der Welt, daher Wittgenstein gegen "Wesensfragen".
Offensichtlich lassen die Menschen nicht davon ab, meta ta fisika, jenseits der Grenzen der Welt weiterzusuchen. Dafür nehmen sie die Beulen gerne in Kauf. Ich finde es ganz spannend, diese Beulen, die man sich beim Anrennen gegen die Sprache holt, näher zu untersuchen.
APEL S.357: Zitat Wittgenstein zur Klarheit
APEL S.359: Angemessenheit des Sprachgebrauchs
APEL S.371(Fußnote): Solipsismus eventuell doch nötig ?
Meine These ist, dass ein primärer Solipsismus zum Selbstwiderspruch führt, dass aber ein abgeleiteter Solipsismus - also das in sich selbst im "Selbstgespräch weiterdenken" über das hinaus, was in Kommunikation mit Dritten geht, durchaus kreativ und sinnvoll sein kann. Die Basis für solches Weiterdenken nimmt mit dem Alter und der Erfahrung mit Kommunikation in der Gesellschaft zu, weshalb ich es "Alters-Solipsismus" nenne.
APEL II : Ohne Verlässlichkeit der Sprache wäre kein Satz möglich.
Problem der "belief"-Sätze: A glaubt p, denkt p, sagt p -> indirekte Rede - Wahrheit bleibt dabei in der Schwebe
Dialektik aufgelöst in Rekursion -> erfolgreiche Rekursion -> Abbruchbedingung ist vernünftig - das Verfahren wird korrigiert. Das Problem der "belief-Sätze" halte ich für ein Scheinproblem.
APEL II : Verständigungskunst - Wissenschaft ? Verstehen aus Bedingungen, Verstehen aus (unterschiedlichen) Motiven;
Verstehen als "Verständigungskunst" finde ich eine gute Idee. Das könnte den Begriff des Verstehens und die Hermeneutik insgesamt von manchem Mystizismus befreien.
Psychoanalyse, Ideologiekritik - objektiviert den anderen zuerst und analysiert dann Motive
Das Problem der Psychoanalyse ist ja, das sie sich gegen eine kritische Überprüfung immunisiert hat - denn der Patient kann nicht kritisieren, weil ja die Kritik selbst als pathologisch gedeutet werden kann.
Fremde Kulturen nur immanent verstehbar, aber auch eigene Kultur nicht ohne Geschichte und externe Einflüsse verstehbar.
Das ist eine verbreitete Meinung. Ich halte sie aber für falsch. Auch fremde Kulturen können von universalen Standpiunkten aus verstanden werden. Es wird immer eine Mischung aus universalen und immanenten Narrativen geben, die aber in der gemeinsamen und übersetzbaren Sprache verfasst werden können.
APEL II S.120: Hermeneutik/Positivismus, Verstehensgrenze beim Sinnlos-Faktischen und das Irrationale.
Kann man einen sinnlosen Satz verstehen? - Ich meine ja! - und man kann auch verstehen, warum jemand den Satz für sinnlos hält. Irrationale Elemente können aber Bereiche definieren, über die eine Argumentation nicht möglich ist - darüber kann ein therapeutisches Gespräch stattfinden - also muss man nicht unbedingt schweigen!
Fichte: Vernunft ist zugleich Wille zur Vernunft
Das ist kurz gesagt: es bedarf einer Redlichkeit, die bedeutet, Vernunft nicht bewusst zu sabotieren. Einsicht und Vernunft brauchen einen Willen, eine Offenheit dafür.
Bedeutung der Möglichkeit intersubjektiver Verständigung
-> Lernen, Akkulturation; bei Neuschöpfung/Umwertung/Neuinterpretation
-> andere für Gemeinschaft gewinnen, "missionieren" ?
Erstens: Verständigung, so wie sie verstanden wird, findet ständig statt. Zweitens: Missverständnisse sind häufig, Drittens: Verständigung stößt auf Grenzen, die zu untersuchen es sich lohnt.
Lernen ist Anpassung an die bestehende Gemeinschaft, Missionierung ist Auswanderung in eine andere Gesellschaft oder zumindest Gruppe.
Gödels Theorem: Bedeutung für Systeme ungenauer Aussagen ?
Gödels Theorem gibt an, dass bestimmte "Bestimmungen" nicht gleichzeitig möglich sind. Die Systeme ungenauer Aussagen, fuzzy sets, müssen diese Grenze als Randbedingung beachten, werden aber diesen Gödelschen Bereich nur selten berühren.
Menschen sind Sprachwesen (Lebensform); fair play im Sprachspiel ?
Sprache gehört zur menschlichen Lebensform, aber welche Sprache es ist, bestimmt zusätzlich vieles innerhalb der Lebensform. Fair Play im Sprachspiel nenne ich "Redlichkeit".
APEL II S. 263: hermeneutische Aufklärung braucht Ideologiekritik
Das Verstehen kann auf ideologischen Hintergrundannahmen beruhen.
Chomsky: Sprachkompetenz; Signalcodes bei Tieren (Vogelstimmen) - rule-governed/rule-changing creativity
Chomsky hält ja Sprachkompetenz für universal vorgegeben und so angeboren wie es Vogelstimmungen für die Vögel sind.
Kalkülsprache nicht mit Selbstreflexion der Sprache vereinbar
Auch nicht rekursiv ? Ich glaube, die Selbstreflexion kann auch mit einer Kalkülsprache stattfinden.
APEL II: Platon: Denken = Gespräch der Seele mit sich selbst. Mit Sprache wird zugleich auch Kompetenz zur Reflexion erlernt. Welt- und Selbst-Distanzierung nötig.
Der Zusammenhang von Sprechen und Denken ist nach wie vor nicht hinreichend geklärt. Offen ist weiterhin, ob Denken immer in Sprache stattfindet (ist also die Verarbeitung anderer Signale kein "Denken"?) - das halte ich für falsch. Wird Denken durch Sprache beeinflusst: Ich glaube ja, aber die Sapir-Whorf-Hypothese scheint mir zu stark, denn das ist kein deterministischer Zusammenhang, sondern eher eine Wechselwirkung.
Ethik-Grundlage ist Tradition eines Menschenbildes von Lebenswelt
-> theoretisch die Entscheidung zwischen Menschenfresserwelt und Nächstenliebewelt.
Ethik als Regeln des Sollens ist aus meiner Sicht gleich ursprünglich mit den Regeln des Seins, die Gegenstand von Natur- und Sozialwissenschaften sind. Die Grundentscheidung zwischen den beiden Welten sehe ich als dezisionistisch an. Die Dezision findet unter Einfluss psychologischer und sozialer Momente statt. Barbarei winkt IMMER; es bedarf einer AKTIVEN VERSCHWÖRUNG GEGEN DIE BARBAREI
APEL II S.413 WAHL der Lebensform; Vernunft hat Folgen - ohne diese Wahl geht Gewalt vor Argument
Das wäre der Dezisionismus der Wahl - nicht OHNE äußere Einflüsse, aber letzlich ist eine persönliche und kollektive Entscheidung notwendig.
APEL II S.434 Therapie als Anmaßung des Therapeuten
Hier gilt, was ich oben schon über die Psychotherapie sagte: die Immunisierung der Therapeuthen gegen die Patientenkritik ist problematisch. Sie wäre durch einen internen "Rechnungshof" der Therapeuthen, einem internen Kontrollsystem verbesserbar, aber es geht nicht, wenn die Therapeuthen eine "verschworene Gemeinschaft" sind.