Buchmesse Frankfurt

Im Koreajahr 2005 war Korea, neben Präsentationen während der Asien-Pazifik-Wochen in Berlin, Ehrengast auf der Frankfurter Buchmesse. Frau Dr. Bräsel gibt einen detaillierten Rückblick auf das Ereignis in Frankfurt Main.

Den vollständigen Artikel können Sie auf der Seite von Das Parlament nachlesen. Nachfolgend sind einige Zitate daraus zu lesen.

Frankfurter Buchmesse im Koreajahr 2005

Dr. Sylvia Bräsel

Tradition und Moderne in einem geteilten Land

Korea präsentiert seine Literatur als Gastland

der diesjährigen Frankfurter Buchmesse

In Korea kam es einer Sensation gleich, dass Ende Juli erstmals ein Treffen von Schriftstellern aus beiden Teilen Koreas in Pjöngjang sowie auf den für jeden Koreaner heiligen Bergen Baek-du und Myo-hyang im Norden stattfinden konnte. Der große Lyriker Ko Un und der bedeutende Romancier Hwang Sok-yong, die seit Jahrzehnten mit selbstlosem Einsatz den Glauben an die Einheit des Volkes und seine kulturellen Traditionen beschworen hatten, gehörten zu den Initiatoren auf südkoreanischer Seite. 60 Jahre nach dem Ende der japanischen Kolonialherrschaft (1910 - 1945) und der Teilung Koreas versuchte man, mit den Mitteln der gemeinsamen Sprache und literarischen Tradition die Mauern der Ideologien etwas durchlässiger zu machen. Seit der ehemalige südkoreanische Präsident Kim Dae-Jung mit seiner "Sonnenscheinpolitik" und seinem Besuch im Norden im Jahre 2000 eine auch mit viel Geld beförderte langsame Annäherung einleitete, hat es immer wieder Rückschläge gegeben. Doch vertrauensbildende Maßnahmen erweisen sich letztlich als zukunftsträchtiger als ausgerufene "Achsen des Bösen". In diesem internationalen Kontext, in dem die Koreafrage gesehen werden muss, hat die Eröffnung eines Lesesaals des Goethe-Instituts in Pjöngjang eine nicht zu unterschätzende Bedeutung.

In der Öffentlichkeit ist wenig bekannt, dass das diesjährige Gastland Korea auf immerhin 122 Jahre offizielle Beziehungen zu Deutschland verweisen kann. Bereits am 26. November 1883 war der erste deutsch-koreanische Handels-, Freundschafts- und Schifffahrtsvertrag unterzeichnet worden. Neben Diplomaten wirkten Wissenschaftler, Experten, Kaufleute, Missionare, Musiker, Lehrer, Ärzte und nicht zuletzt Reiseschriftsteller bei der Annäherung beider Länder und Kulturen mit. Für die Frühzeit der Beziehungen haben noch heute in Korea geschätzte Persönlichkeiten wie Paul Georg von Möllendorff, Karl Christian Gottsche, Carl Andreas Wolter und Norbert Weber maßgeblich zu einem positiven Deutschland-Bild beigetragen.

Zudem blieb die deutsch-koreanische Beziehungsgeschichte durch die politische Zurückhaltung und Neutralität Deutschlands auch während der japanischen Okkupation des Landes relativ unbelastet. So erfolgte zum Beispiel nie eine formale Anerkennung der japanischen Annexion Koreas von deutscher Seite. (...) Insbesondere den rührigen Verlagen Pendragon in Bielefeld und Peperkorn in Göttingen ist es zu danken, dass in den letzten zehn Jahren koreanische Literatur im deutschsprachigen Raum in ansprechender Form vorgestellt werden konnte. Die "Edition Peperkorn" hat sich auf Literatur, Kultur und Sprache konzentriert. So kann der interessierte Leser hier Publikationen wie "Die Anfänge des koreanischen Buchdrucks mit Metalllettern", "Der Präventivkrieg Amerikas in Korea 1950" oder ein Lehrbuch "Koreanisch für Anfänger" finden. Darüber hinaus bietet der Verlag koreanische Lyrik, Epik und Dramatik (zum Beispiel von Lee Kang-Baek und Oh Tae-Suk) in Übertragung an. Gerade ist nach dem Band "Der Wächter der Wolke" eine weitere Lyriksammlung des großen Poeten Kim Soo-Young (1921 - 1968) "Jenseits des Rausches" erschienen.

Kim, der in einer politisch bewegten Zeit gegen das autokratische Regime unter Syngman Rhee und später gegen die Militärdiktatur von Park Chung-Hee anschrieb, wandte sich mit einem bis dahin in Korea ungewöhnlichen künstlerischen Sprachgebrauch gegen Mittelmaß und Duckmäusertum. Konfuzianistische Traditionen galten nicht mehr als unantastbar, und nicht selten wurde provokant mit Tabus gebrochen. Diese künstlerische Aufarbeitung der Zeit, die an eine intensive Beschäftigung mit westlichen Literaturen gekoppelt war, beförderte auf spezifische Weise den Prozess der koreanischen Identitätssuche.

(...) Der Koreakrieg, die Teilung des Landes in der Folge des Zweiten Weltkrieges und die damit verbundenen Probleme für die Familien, ferner Militärdiktatur und Mechanismen der Entfremdung in einer modernen Industriegesellschaft sind die wichtigsten Themen der koreanischen Gegenwartsliteratur. (...)

Bereits im Juni 2000 konnte man diesen inzwischen als Anwärter auf den Literatur-Nobelpreis gehandelten Autor im Fernsehen an der Seite des damaligen südkoreanischen Präsidenten in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang erleben. Der Schriftsteller war mit einer offiziellen Delegation des Präsidenten Kim Dae-Jung - der wie Ko Un für die Demokratisierung Südkoreas und eine "Sonnenscheinpolitik" gegenüber dem Norden eintrat - zu den vielbeachteten Annäherungsgesprächen nach Nordkorea gereist. Mir blieb in Erinnerung, wie er in diesem hoffnungsvollen Augenblick für das koreanische Volk sein Glas auf einen Menschheitstraum erhob, der sein Leben geformt hatte: Friede, Annäherung und Versöhnung mit dem verfeindeten Norden der geteilten Heimat. (...)

Auch das besondere Verhältnis zu Japan kann nicht unerwähnt bleiben. Koloniale Unterdrückung und Beförderung in die Moderne stellen hier keinen Widerspruch dar. Zudem ist dem südkoreanischen Diktator Park Chung-Hee, der jede demokratische Regung im Innern unterdrückte, die Modernisierung Koreas in einem atemberaubenden Tempo (Deutschland brauchte knapp 100 Jahre für einen Industrialisierungsprozess, der in Südkorea nicht einmal 30 Jahre dauerte) und die Annäherung an Japan durch eine geschickte Außenpolitik gelungen. Andererseits jedoch verlor Korea genau dadurch sein ureigenes Ethos, denn das Militär dominierte die Zivilgesellschaft. (...) Die Autorin arbeitet als Dozentin für Literaturwissenschaft und Ostasiatische Geschichte an der Universität Erfurt und ist zudem als literarische Übersetzerin tätig.

Auszug aus "Das Parlament", 17.10.05 Herausgeber: Deutscher Bundestag

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Sie finden die Ausgabe zur Buchmesse mit dem vollständigen Artikel unter Das Parlament im Ausgabenarchiv (Nr. 42/2005) in der Rubrik "Das politische Buch" http://www.das-parlament.de.