Ausrüstung

Der Text stammt aus dem Band: Richard Bergemann (1912): "Wegweiser durch den Lauschan", herausgegeben auf Veranlassung des „Bergverein Tsingtau“, Zweigverein des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins. Wörter in eckigen Klammern sind durch aktuelle Schreibweise ersetzte Begriffe oder Anmerkungen.

Eine große Anzahl der [Touristen] pflegt ahnungslos irgendeine [Tour] in Aussicht zu nehmen, ohne sich vorher über die Schwierigkeiten klar geworden zu sein. Kommen sie nachher stark erschöpft zurück, dann wird gewöhnlich dem Bergverein oder denen, die man um den Weg gefragt hat, die Schuld an dem Unglück beigemessen. Ich möchte an dieser Stelle auf No. 2 und 3 der vorn abgedruckten „10 Gebote des Bergsteigers" verweisen. Wer sich ordentlich ausrüstet, sich über seine Leistungsfähigkeit klar ist und sich an geeigneter Stelle vorher erkundigt, der wird im allgemeinen zu Klagen keine Veranlassung haben. Während der Ungeschickte noch Jahre später die Qualen nicht vergessen kann, erfreut sieh der andere immer wieder nicht nur der schönen Gegend in Gedanken, er hat auch den Wunsch, dahin zurückzukehren und die gute frohe Gesellschaft wieder zu genießen, in deren Begleitung er sich damals befand. Gewiss, auch der Vorsichtigste kann Pech haben, die Witterung kann umschlagen, schlechtes Wetter und die plötzlich auftretenden dicken Nebel können ihn in ungemütliche Lagen bringen. Der Lauschan ist aber schließlich so klein, dass man doch endlich immer wieder unter ein schützendes Dach kommt, ohne im Freien bleiben zu müssen. Wer wie der Verfasser seit jetzt 14 Jahren unser Gebirge durchwandert hat und dabei infolge der Anlegung und Bezeichnung von Wegen sich oft viel länger an den öden Stellen hat aufhalten müssen als der nur zu seiner Erholung gehende [Tourist], wer Wochen lang des Abends mit der Laterne in die Tempel oder Hütten gelangt ist, der hat allerdings manche ungemütliche Situation durchmachen müssen. Und doch freue ich mich immer, wenn ich wieder zu den alten bekannten Stätten gelange. Noch eines beachte man. Man gehe hier möglichst wenig im Gebirge allein. Hat man keine Begleitung, dann lasse man sich wenigstens durch einen Kuli die Sachen tragen. Es kann dem tüchtigsten Bergwanderer etwas zustoßen, vielleicht nur eine Fußverletzung, die ihn am Weitergehen hindert. Bei der seltenen Begegnung mit Europäern besteht dann die Gefahr, irgend wo hilflos liegen zu bleiben, denn von chinesischer Seite ist ganz abgesehen von der Schwierigkeit der sprachlichen Verständigung kaum auf Hilfe zu rechnen. Aber das nicht allein. Man wird vielleicht viel zu spät vermisst, weil man mit Begleitung Nachricht hätte geben können, niemand kann sagen, wo man steckt und damit verursacht man anderen Leuten unnötige Sorgen und Scherereien.

Ausrüstung: Zu einer guten gehören mindestens folgende Sachen: Ein derber Filz- ober Lodenhut, ein entsprechender Anzug mit Kniehosen und wollenes Unterzeug. Ledergamaschen sind nicht zu empfehlen, weil sie zu steif sind. Ferner randgenagelte echte Bergstiefel, Lodenmantel.

Für Winter- besonders [Schneetouren]. Temperaturen unter -15 °C keine Seltenheit. — Schwerer Anzug, dickes Unterzeug, gleiche Strümpfe und im Schnee darüber noch Gamaschen, Herunterziehbare Mütze, dickes Halstuch, wollene Handschuhe, Schneebrille. Im übrigen alles, was man sonst mitnimmt. Es empfiehlt sich, dem Tee Rotwein und vielleicht ein geringes Quantum Alkohol z. B. Arrac und Zucker zuzusetzen, damit er in der Flasche nicht so leicht gefriert.

Viele [Touristen] halten den beliebten Bambusstock für ein unbedingtes Erfordernis. Das ist natürlich Geschmackssache. Meistens ist er jedenfalls viel zu lang. Er braucht dem Eigentümer höchstens bis zur Schulter zu reichen, das er sonst leicht hinderlich wird. Namentlich haben die [Tourengenossen] darunter zu leiden, wenn der Besitzer nicht recht weiß, was er auf ebenem Wege mit der langen Stange anfangen soll. Im übrigen zwei alte alpine Regeln:

1) Trage den Bergstock grundsätzlich stets auf der Bergseite. Rutsche ich aus und gleite dabei den Hang hinunter, dann kann ich mit dem Stock stark bremsen, weil ich ihn hinter mir habe. Halte ich ihn aber auf bei bergabfallenden Seite und ruscht nun nur der Stock aus, dann habe ich die beste Aussicht, ihm infolge des verlorenen Gleichgewichts haltlos in die Tiefe nachzustürzen.

2) Die Bergstöcke gehören nie in eine Hütte hinein. Es ist für den jungen [Touristen], der sich mit all seiner Ausrüstung meist sehr forsch vorkommt, immer ein peinlicher Augenblick, wenn er sich beim Betreten eine Alpenvereins-Hütte von der Wirtschafterin sagen lassen muss: "Bitte den Bergstock draußen zu lassen“. Denn darnit kennzeichnet er sich nicht nur unwiderruflich als Neuling, er wird auch so behandelt. Ich möchte noch darauf hinweisen, dass die [Touristen] nicht die Berechtigung haben, sich aus den Bambushainen nach ihrem Belieben Stöcke heraus zu schneiden. Der Bambus ist Tempeleigentum. Wer einen Stock braucht, mag sich erst mit dem Priester in Verbindung setzen. 5 bis 10 cts. Bezahlung sind angemessen.

Ich habe mir in einem kleinen Notizbuch für alle Arten von Ausflügen, sei es für einen oder mehrere Tage, sowie für Kletter- und [Jagdtouren] auf je einem besonderen Blatt ein für alle Male [notiert], was ich brauche, wie dies [auf] Seite 20-24 angegeben ist. ich möchte sagen, deshalb vergesse ich fast nie etwas und mancher meiner Begleiter, der mit dieser oder jener Sache in Verlegenheit kam, hat sich gewundert, was ich eigentlich alles mit mir herumschleppe. Da man sich im Lauschan wohl fast immer den Rucksack von Kulis tragen lässt, ist es garnicht umständlich, sich ordentlich vorzusehen. Dann besitze ich verschiedene, mit entsprechenden Aufschriften versehene leinene Beutel, in denen die einzelnen zusammengehörigen Gegenstände fest verpackt werben. Gerade Speisen und Wäsche werden bei dem traulichen Beisammensein mit allen möglichen andern Sachen sonst sehr leicht unansehnlich und ferner findet man aus dem Rucksack beim Halt, ohne lange zu suchen, schnell das Gewünschte heraus.

Man esse auf Turn oft, aber jedesmal nicht viel und hüte sich vorm Trinken, so lange es geht. Vieles Wassertrinken erschlafft zudern, besonders ist das Essen von Schnee ein großer Fehler. Der Durst wird danach nur ärger. Sehr erfrischend wirken Stückenzucker ober Schokolade.

Beim Wandern sollen kurze Pausen eingelegt werden, sobald das Herz stark arbeitet; sonst halte man wenig. Macht man Rast, dann lieber ausgiebig; nicht unter 30 Minuten, weil sich der Körper so besser als bei häufigen, aber kurzen Pausen ausruht. Man steige langsam mit losen, nicht durchgedrückten Knien und trete immer möglichst mit tief ganzen Sohle auf. Das Steigen auf den Fußspitzen, wie man es sehr oft bemerkt, ist verkehrt. Bei schwierigem Gelände sollen von den beiden besten Leuten einer vor und der anbete hinter der Partie bleiben.