„Dort, wo Niemand uns sieht, […] führe ich Dich ein, lieber Leser, in die Geheimnisse der Schatzgräberei […]. Zwei handfeste Männer hatte ich für meinen Plan gewonnen und mit ihnen zog ich eines Morgens mit Hacke und Spaten, mit Schaufeln und Schiebtruhen aus […]. Vor uns lag ein kleiner Hügel, vier Klafter im Durchmesser, nicht ganz eine in der Höhe messend. Um die Wette wühlten die Schaufeln und ächzte das getroffene Erdreich, Stunde um Stunde verflog, schon war von der östlichen Seite ein fünf Schuh breiter Schacht gegen die Mitte des Hügels gegraben, die Sonne stand hoch am Mittag und noch war nichts als lehmige Erde zu Tage getreten, unter welcher etwa einen Schuh tiefer als das den Hügel umgebende Erdreich ein fester Boden sich zeigte. Die schreienden Bedürfnisse des Magens geboten Stillstand der Arbeit, die nach kurzer Unterbrechung mit emsigen Fleiße wieder aufgenommen wurde.
Horch, was war das? Schon bei den ersten Spatenstichen tönte es dumpf wieder – das Werkzeug war auf einen anderen Gegenstand als bloßes Erdreich gefallen. Nun gieng’s an eine fieberhafte Tätigkeit. Mit Messern und mit Händen wurde die Erde sorgfältig weggekratzt, da lag’s - ganz in der Mitte am Grunde des Hügels […]. Seelenvergnügt saß ich am Rande des Schachtes und prüfte und verglich die gefundenen Stücke. Es waren richtig - Scherben von großen bauchigen Töpfen aus schwarz-grauer halbgebrannter Thonerde geformt, darunter deutliche Spuren verkohlten Holzes, darüber schwarze Haufen von Asche mit Stückchen verkohlter Gebeine gemischt. Mürb wie Blätterteig waren die Stücke und erhärteten sich allmälig nach längerem Zutritt der Luft.
Lächle nicht, lieber Leser! Du hast gewiß schon gehört, daß ein verzauberter Schatz dem als Koth erscheint, der die Formel, den Bann zu lösen, nicht kennt. Dazu half mir ein Büchlein, das den arglosen Titel führt: Keltische und römische Alterthümer in Steiermark, von Eduard Pratobevera; ich hatte es durch die zuvorkommende Freundlichkeit des Antikenkabinets-Vorstandes am lansch. Joanneum in Graz, Herrn Prof. Dr. Friedrich Pichler, erhalten. Daraus wurde mir klar, daß wir es hier mit alten Gräbern aus der Heidenzeit zu thun hatten […]
Bauern, die in der Nähe Holz arbeiteten, kamen und gingen, betrachteten unsere Arbeit und mochten sich wohl denken, daß ich an der fixen Idee leide hier Schätze von Silber und Gold zu entdecken; den, obwohl ich ihnen erklärte, daß ich nur zu erforschen suche, ob hier wirklich Gräber seien und welchen Völkern sie angehören, so versicherten sie mir doch wiederholt, daß hier schwerlich etwas zu finden sei. Einen genügsameren Menschen, dachte ich mir, gibt es nicht als einen Altertumsforscher, der sogar über zerfallene irdene Töpfe und Ziegeltrümmer sich freut und dabei das Los der berühmtesten Männer theilt, daß sein Streben von der großen Menge verkannt und mißachtet werde. Voll Freude […] schleppte […] ich meine Funde nach Hause und legte sie in einer Gartenhütte zu Jedermann’s Besichtigung auf. Ein Stück eines Topfes und ein Stück Ziegel wurde dem Antikenkabinett in Joanneum übergeben.“
aus "Eines Schatzgräbers Leiden und Freuden" von 1873
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