Baue einen einfachen Klötzchenturm aus gleichförmigen Klötzchen am Rand einer Tischkante. Wie viele Klötzchen sind nötig, damit das oberste Klötzchen vollständig über die Kippkante hinaus verschoben ist?
Ergründe die Gesetzmässigkeit.
Gibt es eine Grenze der Auskragweite?
Wie viele Klötzchen sind nötig, damit das oberste Klötzchen doppelt auskragt?
Wie baut man praktisch einen derartigen Turm am besten?
Lösung: Maximal auskragende Türme:
Maximale Auskragung erreicht man durch sorgfältiges Beachten der Gleichgewichtsbedingungen. Ein einzelnes gleichmässiges Klötzchen kann maximal bis zur Hälfte seiner Länge über eine Kante vorgeschoben werden (auskragen). Dann kippt es weg. Kommt ein zweites Klötzchen dazu, so kann der neue Turm nur noch um einen Viertel der Länge des zweiten Klötzchens vorgeschoben werden. Danach kippt das Gebilde weg. Kommt ein drittes Klötzchen dazu, so verringert sich der maximale mögliche Vorschub auf ein Sechstel der Klötzchenlänge. Zählt man die Summe der Vorschubstrecke zusammen: 0.5 + 0.25 + 0.1667 = so ergibt dies schon 0.9167, also fast eine ganze Klötzchenlänge. Mit einem 4. Klötzchen gelingt es schon, das oberste Klötzchen vollständig über die Kippkante hinaus auskragen zu lassen: 0.5 + 0.25 + 0.167 + 0.125 = 1.04167.
Die Gesetzmässigkeit ergibt sich aus den Gleichgewichtsbedingungen: Rechts und links der Kippkante muss immer dasselbe Gewicht (oder genauer dasselbe Drehmoment) vorhanden sein.
1 Klötzchen
Ein Klötzchen kippt bei der Hälfte der Länge. Dann ist das Gewicht, das über der Kante liegt, gleich dem Gewicht, das über dem Tisch liegt.
2 Klötzchen
Legt man ein zweites Klötzchen unter das erste wie oben gezeigt, so ändert sich vorerst nichts. Wie weit man das zweite Klötzchen herausschieben, ohne dass das Gebäude kippt?
Gleichgewicht ist erreicht, wenn das Gesamtgewicht über der Kante gleich dem Gesamtgewicht vor der Kante ist, also dann wenn wir das ganze Gebäude einen Viertel der Klötzchenlänge vorschieben. Dann gilt: 1/2 + 1/4 + 1/4 = 1 für das Gewicht über der Kante und für das Gewicht vor der Kante: 3/4 + 1/4 = 1.
3 Klötzchen
Das dritte Klötzchen wird vollständig auf den Tisch gelegt. Nichts ändert sich an den Gleichgewichtsbedingungen. Wie weit kann man nun das ganze Gebäude vorschieben?
Es kann soweit vorgeschoben werden, bis wieder maximal die Hälfte des Klötzchengewichts über die Tischkante vorkragt. Da nun insgesamt 3 Klötzchen vorgeschoben werden, gilt: 1/6 des Gesamtlänge darf vorgeschoben werden, was 3 mal 1/6 = 3/6 oder eben wie oben die Hälfte der Gesamtlänge und damit auch des Gesamtgewichtes ausmacht. Insgesamt vorgeschoben sind also nun 1/2 + 1/4 + 1/6 der Gesamtlänge, also schon fast eine volle Kötzchenlänge.
4 Klötzchen
Das vierte Klötzchen wird vollständig auf den Tisch gelegt. Nichts ändert sich an den Gleichgewichtsbedingungen. Wie weit kann nun das ganze Gebäude vorgeschoben?
Bei 4 Klötzchen überkragt das erste Klötzchen die Tischkante vollständig. Das Gebäude kann 1/8 der Gesamtlänge vorgeschoben werden, da 4 mal 1/8 wieder die Hälfte des Gesamtgewichtes ausmacht. Da das oberste Klötzchen aber kürzer ist als die reinen Gewichtsrechnung erfordern würde (es fehlt der blaue Klötzchentei), wird deutlich, dass man eigentlich statt mit Gewicht mit Drehmoment rechnen müsste. Das Drehmoment nimmt auch beim obersten Klötzchen entsprechend der Auskragung zu.
Drehmoment D = Masse (M) * Abstand (d) (bei rechtwinkliger Situation). Wandert nun das Klötzchen über die Tischkante hinaus, erhöht sich zwar das wirksame Totalgewicht nicht, das Drehmoment nimmt aber trotzdem zu und zwar um einen mit der Breite des klötzchenfreien (blauen) Bereiches proportionalen Betrag.
Das Gebäude kann jeweils um 1/2n vorgeschoben werden. Die Auskragung (A) verhält sich wie:
1/2 + 1/4 + 1/6 + 1/8 + . . . . . .+ 1/2n.
Dies ist eine harmonische Folge multipliziert mit 0.5.
Diese Summenformel wird am ehesten von der folgenden Formel angenähert: A = 0.5 x ln (n), wobei mit n der Reziprokwert von 1/2, also 2 gemeint ist (vereinfacht: die Integration von 1/x ist bekanntermassen ln (x)+C)
Obige Diagramme und nebenstehende Tabelle zeigen die maximalen Auskragweiten eines Stapelturmes bei gegebener Anzahl von Klötzchen - dies bildet natürlich nicht die Form des Turmes ab! - im Vergleich zur Funktion des natürlichen Logarithmus , der sich dieser Kurve doch recht gut annähert. Bei 1 Klötzchen ist der maximale Auskragwert 1/2, damit ist der x Wert für die Berechnung des ln (x) gleich 2.
Interpretation:
Das vierte Klötzchen überkragt die Kante vollständig. Das dreissigste Klötzchen überkragt die Kante um die doppelte Klötzchenlänge. Prinzipiell besteht keine Grenze des Überkragens. Das tausendste Klötzchen überkragt theoretisch um das 3.74 - fache. Theoretische ist jede Auskragweite denkbar. Praktische dürfte es aber zunehmend schwieriger werden derartige Türme zu errichten.
Die Folge 1/2 + 1/4 + 1/6 + 1/8 + . . . . . .+ 1/2n. bezeichnet man als eine harmonische Folge. Jeder Wert ist das harmonische Mittel der beiden angrenzenden:
Z2= 1/4 ist das harmonische Mittel von Z1 = 1/2 und Z3 = 1/6: Z2 = 2/ (Z1 + Z3) = 1/4
oder allgemeiner:
Zn = 2 / (Z(n-1) + Z(n+1))
Zum harmonischen Mittel: Harmonisch heisst dieses Mittel wohl, weil eine Geigensaite nach dem Prinzip der harmonischen Teilung aufgeteilt werden muss, wenn eine «harmonische» Klangfolge resultieren soll.
Für Details zum harmonsichen Mittel siehe unter: Plädoyer für das harmonische Mittel von Beat Jaggi (2018)
Die Ableitung des natürlichen Logarithmus ln (x) ist gleich 1/x. Was ja die Grundstruktur unserer Zahlenfolge ist.
Integriert man 1/x, so erhält man ln (x) + C. Diese Integreation entspricht der Summenbildung, die wir ja brauchen um jeweils den gesamten Auskragwert zu bestimmen (1/2 + 1/4 + 1/6 + 18/ + .... 1/2n).
Die Integration von 1/(2x) also von 0.5 * (1/x) ergibt 0.5 * ln (x) + C. Beginnt man mit der Integration beim Wert x = 1, für den ja der ln(1) den Wert 0 annimmt, ist 0.5 * ln (x) der jeweils gesuchte Wert.
Bei 1 Klötzchen (Verschiebungswert 1/2): Die Integration von 1/1 bis 1/2 ergibt den Wert 0.39 (wenn mit 0.5 multipliziert), was deutlich unter dem realen Wert von 0.5 liegt.
Bei 2 Klötzchen (Verschiebungswert: 1/2 + 1/4): Die Integration von 1/1 bis 1/4 ergibt den Wert 0.69 (wenn mit 0.5 multipliziert), was schon näher an dem gesuchten Wert von 0.75 liegt.
Bei 3 Klötzchen (Verschiebungswert: 1/2 + 1/4+ 1/6: Die Integration von 1/1 bis 1/6 ergibt den Wert 0.9 (wenn mit 0.5 multipliziert), was noch näher an dem gesuchten Wert von 0.92 liegt.
Nachdem sich die beiden Kurven zuerst stark unterscheiden - ln(x) ist kleiner als der Summenwert - , sich dann zwischen Klötzchenwert 4 und 5 überkreuzen - ln (x) ist etwa gleich wie die Summe - , nähern sie sich am Schluss - ab Klötzchenwert 25 - einander wieder an.
Link zu den Aufgabenblättern:
Link zur vorangeganen Unterseite:
Link zur einleitenden Seite: