Vollständige Rundbogen sind ausserordentlich stabil, wenn sie von allen Seiten gehalten werden. Im nebenstehenden Beispiel hält ein Gurt die Klötzchen in Lage und verhindert, dass sie ausbrechen.
Äussere Kräfte, die zusätzlich zum vorgespannten Gurt auf die Klötzchen einwirken, werden auf den ganzen Kreis verteilt. Jedes Klötzchen stützt seine Nachbarn. Es ist deshalb nicht erstaunlich, dass Rohre und Tunnelbauten meist kreisförmig gebaut sind.
Im Gegensatz zu den Kragbogen, sind die einzelnen Klötzchen angeschrägt und stehen schief zueinander.
Details siehe Seite: Rechnerisches Rundbogen
Halbrundbogen wurden durch die Römer systematisch entwickelt und in grosser Vielfalt überall in Europa und Vorderasien verbreitet. Es gab aber schon früher einzelne Bauwerke mit Rundbogen, so z. B. das Ischtar Tor in Babylon, das Nebukadnezar um 600 AD erbauen liess.
Die Konstruktion von Halbrundbogen ist anspruchsvoller als die der Kragbogen, bietet aber deutlich mehr Möglichkeiten. Es können viel grössere Strecken überbrückt werden. Die Formenvielfalt ist grösser, die Tragekraft erhöht.
Es geht aber alles - wie bei den Kragbogen und den Dreiecksbogen - vom Lasten und Stützen aus.
Halbrundbogen und Kultur
Halbrunde Torbögen haben schon immer fasziniert und die menschliche Fantasie angeregt. Kleist sah in den Torbögen ein Sinnbild für das gegenseitige Stützen eigentlich fallender einzelner Elemente.
Kleist an Wilhelmine von Zenge; Berlin, 16. November 1800
«Ich gieng an jenem Abend vor dem wichtigsten Tage meines Lebens in Würzburg spatzieren. Als die Sonne herabsank war es mir als ob mein Glück untergienge. Mich schauerte, wenn ich dachte, daß ich vielleicht von Allem scheiden müßte, von Allem, was mir theuer ist. Da gieng ich, in mich gekehrt, durch das gewölbte Thor, sinnend zurück in die Stadt. Warum, dachte ich, sinkt wohl das Gewölbe nicht ein, da es doch keine Stütze hat?
Es steht, antwortete ich, weil alle Steine auf einmal einstürzen wollen — u. ich zog aus diesem Gedanken einen unbeschreiblich erquickenden Trost, der mir bis zu dem entscheidenden Augenblicke immer mit der Hoffnung zur Seite stand, daß auch ich mich halten würde, wenn Alles mich sinken läßt.»
So wie der Dreiecksbogen Sinnbild des mit beiden Beinen auf dem Boden stehenden Menschen sein kann, ist der Rundbogen Sinnbild für gegenseitiges Tragen.
Zur Vielfalt der Rundbogen siehe Seite Bogenformen
Das Bauen von Bogenbrücken mit Flusskieseln ist nicht ganz einfach. Mit Geduld und Geschick gelingen aber doch ansprechende Bogen. Künstler bringen auch wahre Wunderwerke zustande.
Von oben betrachtet im Flussbett
Eindrücklicher von der Seite
Ganz impressiv von unten.
Wohl kaum zu überbieten: Ein Kieselbogen mit Aufsatz von Pascal Fiechter
Bogen am eigenen Körper
Auch hier bietet der eigene Körper Erfahrungshintergrund. Unser Fussgewölbe besteht aus drei Rundbogen aus einem medialen longitudialen, einem lateral longitudialen und einem transversalen. Alle drei Rundbogen sind in Funktion zusätzlich belastetet. Ein Zugband zwischen Fussspitze und Ferse fängt den Bodenschub auf.
Scheitrechte Bögen ermöglichen horizontale Fenster- oder Türabschlüsse mit Steinen. Bei gleichförmigen Quadersteinen ist dies nur möglich, wenn wie beim "horizontalen Turm" die Steine unter sehr hohe seitliche Spannung gesetzt werden.
Baut man aber einen verborgenen Bogen mit ein - so wie in den nebenstehenden Bildern -, so können auch horizontale Bogen mit vertretbarem Bogenschub gebaut werden.
Bau eines scheitrechten Bogens:
Scheitrechte Bogen werden nach einem einfachen Prinzip gebaut:
Die Winkel der Klötzchen entsprechen den Abschnitten in einem gleichmässig aufgeteilten Kreis, in den ein horizontaler Balken gelegt wird, ganz ähnlich wie beim Bau eines Kreisbogens. Bei diesem bleiben aber die Winkel von Klötzchen zu Klötzchen gleich, beim scheitrechten Bogen ändern sie sich.
Dies erinnert an das Prinzip der flachen Linse, die zwar auch den Namen Linse trägt, weil sie der Funktion der gewölbten Linse entspricht, nicht aber deren Form zeigt. Sie hat nur deren Prinzip übernommen.
Der scheitrechte Bogen wir auch als Bogen bezeichnet, hat aber nicht die Form des Bogens. Er hat wie die flache Linse nur dessen Prinzip übernommen.
Der einfachste scheitrechte Bogen sieht folgendermassen aus:
Dieser Bogen entspricht nicht genau dem oben dargestellten. Der Kreismittelunkt, der über die Winkel bestimmt, liegt in dem dargestellten Beispiel nicht in der Bogenlaibung, sondern am Schnittpunkt der drei Klötzchen. Der überspannte Bereich ist auch entsprechend klein.
Ein aufwändiger scheitrechter Bogen mit 5 schwebenden Klötzchen ist nebenan abgebildet. Das Ganze ist nur stabil, wenn der Bogen seitlich abgestützt ist und so den seitlichen Bogenschub auffängt.
Hufeisenbögen sind im arabischen Raum verbreitet. Sie sind ästhetische attraktiv, bautechnisch natürlich nur stabil, wenn sie seitlich genügend abgestützt werden. Wenn die auf dem Bogen lastenden Kräfte nicht allzu gross sind, ist dies möglich. Beim Bau des Bogens besteht die Gefahr, dass die Klötzchen über das Unterlagenklötzchen wegrutchen, da ja der Bogen darüber die Tendenz hat, nach Aussen wegzurutschen.
Bei den "gefüllten" Bogen werden die Rundbogen zusätzlich belastet, ganz ähnlich wie bei den vollständigen Rundbogen (siehe Tunnelbau). Das zusätzliche Gewicht bringt Stabilität.
Experimentiert man mit einfachen Rundbögen, so merkt man, dass diese nicht so einfach stabil gehalten werden können. Je schlanker die Klötzchen oder je grösser die Bogen, umso mehr tendieren die Bogen zum Ausbrechen nach aussen. Es treten klaffende Stellen auf, die nicht mehr ausgeglichen werden können.
Belastet man diese Bogen von aussen, so können die seitlich wegtreibenden Kräfte aufgefangen und die Bogen stabilisiert werden.
Die wegtreibenden Kräfte werden von der Brückenverankerung rechts und links aufgenommen. An den Seiten entstehen die stabilisierenden Gegenkräfte.
Genaueres dazu siehe auf der Seite:
Link zur nächstfolgenden Seite:
Experimentieren und Reflexion ermöglichen das vertiefte Entdecken der zugrundliegenden Prinzipien des Lasten und Stützens bei Steinbauten (dazu siehe: Erkundungen Rundbogen).
Entdecken eines grundlegenden Fortschrittes in der Bautechnik im Übergang von dem Kragbogenprinzip zum Rundbogenprinzip (dazu siehe: Erkundungen Rundbogen).
Aufwerfen der Frage nach den geschichtlichen Implikationen einer technischen Neuerung (dazu siehe: Erkundungen Rundbogen).
Entdecken der Idealform des geschlossenen Rundbogens und seiner Bedeutung im Tunnelbau und auch im Rohrbau (dazu siehe: Erkundungen Rundbogen).
Durch den spielerischen Umgang mit dem Rundbogenprinzip wird sein Variantenreichtum entdeckt (dazu siehe: Erkundungen Rundbogen).
Verstehen der Grenzen des Rundbogenbaus (Erkundungen Rundbogen).
Experimentelles Entdecken und anschliessendes mathematische Durchschauen der Schwierigkeiten beim Bau der Rundbogen (dazu siehe Seite Rechnerisches Rundbogen)