Die politisch korrekte (?) Berichterstattung des BR ...
Es wird Zeit für ein Outing. Ja, ich gestehe! Ich lasse mich morgens von einem Radiowecker wecken, auf dem Bayern 5 eingestellt ist. 15 Minuten Nachrichten von diesem Sender gebe ich mir, um wach zu werden. Manchmal geht das mit dem Wachwerden auch deutlich schneller. So wie heute, dann, wenn ich mich ärgere. Und das wiederum ist beim "bayerischen Staatssender" nun nicht allzu selten. Denn Nachrichten dort werden nur allzu oft auf die Sicht der hier regierenden CSU hingetrimmt. Man will als Angestellter des BR ja verständlicherweise keinen Ärger mit dem Intendanten Ulrich Wilhem, der als CSU-Mitglied direkt von einem politischen Posten (u.a. verbeamteter Staatssekretär als Regierungssprecher von Angela Merkel) auf den Intendantensessel wechselte und damit einen Tiefpunkt für die von Grundgesetz und Bundesverfassungsgericht geforderte Unabhängigkeit öffentlich-rechtlicher Sender von der Politik markierte. In Bayern geht sowas nicht nur, solche Art der Postenvergabe wird hier im Ländle auch durchaus nicht als unanständig angesehen. Jedenfalls nicht von der CSU oder ihren Anhängern.
Die Meldung, die mich heute aus dem Schlummer riss, war wieder ein Paradebeispiel einer politisch hochgradig verfärbten Meldung, dieses Mal aus Santiago de Chile, der Hauptstadt des Landes, das 1973 durch einen vom CIA herbeigeführten Putsch als erstes Land der Welt neoliberal wurde. Politisch korrekt wurden einige Fakten präsentiert, politisch völlig unkorrekt einige andere weggelassen, leider ... die entscheidenden. In der Meldung hörte sich das Ganze dann so an: "Große, gewaltsame Aufstände in Santiago de Chile: Supermärkte wurden geplündert und angezündet, U-Bahn-Stationen des größten und modernsten U-Bahn-Netzes in Südamerika wurden zerstört. Viele Menschen sind dabei ums Leben gekommen. Und all das (nur) wegen einer Preiserhöhung bei einem U-Bahn-Ticket von umgerechnet 1,00 € auf 1,04 €!?!?". Subtext: Die sind völlig verrückt geworden, die Chilenen ...
Anhand dieser Faktenpräsentation bleibt ja auch gar keine andere Schlussfolgerung. Wenn wegen 4 Cent für eine U-Bahnfahrt Menschen zu Tode kommen und riesige Sachzerstörungen passieren, ist das mit normalem Menschenverstand einfach nicht zu begreifen. Also wäre die einzig logische Konsequenz, dass "die Chilenen" keinen Menschenverstand besitzen, oder? Aber es ist halt nicht so. Mit nur ein klein wenig Hintergrundinfo könnte aus dieser Nachricht eine werden, die das Geschehnis in einen sinnvollen Kontext setzt, doch sind gerade diese Hintergrundinfos politisch völlig inopportun und werden daher gar nicht erst gebracht.
Chile ist eines der reichsten Länder Südamerikas. Das neoliberale Wirtschaftssystem und das damit einhergehende Militärregime des Augusto Pinochet kostete zwar sehr viele Menschen das Leben, zwang Abertausende dazu, das Land zu verlassen, aber es führte auch dazu, dass Chile heute als einziges Land in Südamerika als Industrienation anerkannt ist und somit das einzige südamerikanische OECD-Mitglied ist. Das ist einfach nachprüfbar. Ebenso nachprüfbar ist aber auch, dass dieser Reichtum in höchstem Maße ungleich verteilt ist. Während eine Handvoll Superreicher fast alles im Lande besitzt, bleiben für eine große Mehrheit gerade mal ein paar Krümel übrig. Selbst Staatsbedienstete erhalten nicht ihre volle zugesagte Rente, weil der Staat einfach kein Geld hat, um diese auszuzahlen. Und er hat kein Geld, weil die "Politik der klammen Kassen" ein neoliberales Mantra ist, denn wenn die Staatskassen klamm sind, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass die Reichen weniger von ihren Profiten mit der Allgemeinheit teilen müssen. Auch das ist nachprüfbar.
Von solcherlei Fakten isoliert zeigt die oben zitierte Meldung, wie aus einem winzigen Tropfen eine zerstörerische Flut entsteht, was kaum jemand nachvollziehen kann. Dass dieser Tropfen aber derjenige ist, der ein riesiges Fass zum Überlaufen gebracht hat, das wäre die politisch korrekte Version dieser Meldung gewesen ... Danke BR, für so "viel" journalistische Kompetenz!