Lebe noch ...

Man kennt das kaum von mir, dass ich mich für Wochen zurückziehe, weitestgehend die Klappe halte, insbesondere in politischer Hinsicht. Nein, krank war ich nicht. Ganz im Gegenteil!

Aber beschäftigt. Ich habe - neben meinen Radiosendungen, natürlich - an einem neuen Roman gearbeitet, zu dem ich noch nichts Konkretes sagen möchte. Es ist ein Roman, der sich quasi von selbst geschrieben hat. Normalerweise ist mein Arbeitszyklus folgender: Zwei bis drei Monate konzeptionelle Arbeit: Entwickeln der Figuren, Suche nach geeigneten Locations, Festlegung der Basisparameter wie grobe Handlung, Message, Twists, Erzählperspektive(n), usw., Aufteilung der Handlung in Akte und Szenen (ja, auch bei einem Roman), Ausarbeitung der Timeline, Entwurf der Spannungskurve, Auslegen des Roten Fadens, Recherche bezüglich vieler Punkte, bei denen mir das Fachwissen fehlt, und so weiter und so fort. Ich plane vor dem eigentlichen Schreiben relativ viel und das zahlt sich aus, denn ... Schreibblockaden kenne ich nicht. Wenn ich mich ans Schreiben setze, habe ich eine ziemlich exakte Vorstellung davon, was ich wie schreiben möchte und es fängt quasi ab der ersten Sekunde an, zu fließen.

Die zweite Phase ist dann die eigentliche Schreibarbeit. Die Basis sind die im Outline skizzierten Kapitel-Inhalte, zusammengefasst in zwei bis zehn Sätzen. Aus denen werden dann zwei bis im Schnitt zwanzig Seiten. Ich tauche quasi wie in Trance oder wie in einem Traum ein in die Handlung, sehe zu und versuche all das, was dort geschieht, mitzuschreiben. Das ist der spannendste und erfüllendste Teil meiner Arbeit, die etwa drei Monate in Anspruch nimmt, abhängig vom Umfang, natürlich; und der lag bisher merkwürdigerweise immer um die 450 - 500 Seiten pro Roman. Schließlich kommt noch die Nachbearbeitung. Natürlich kommt beim Schreiben wie in Trance eine Unmenge Mist heraus, bei mir vor allem Sätze, die ich ganz anderes beende, als ich sie begonnen habe, Flapsigkeiten in der Wortwahl, Rechtschreib-, Grammatik-, Zeichensetzungsfehler, alles dabei. Natürlich auch konzeptionelle Fehler, wenn einer der Protagonisten beispielsweise in einem Kapitel plötzlich Stiefel anhat, die er erst im nächsten Kapitel bekommt. Mit anderen Worten, auch die Nachbearbeitung ist nochmal ein ziemlicher Batzen Arbeit, auch etwa zwei bis drei Monate. Und dann beginnt die wichtigste Arbeit: Die Planung des Vertriebsweges (Publikumsverlag? Kleiner Verlag? Selfpublishing? Jede dieser Formen hat ihre Vorzüge und ihre Nachteile, den Königsweg gibt es leider nicht), eventuell das Schreiben eines Exposés, des Klappentextes, Anschreiben von Verlagen / Literaturagenten; alternativ (Selfpublishing) der Buchsatz, das Kümmern um Lektorat / Korrektorat, Buchcover und so weiter.

Ihr seht schon, das ist ein ziemlich weites und abwechslungsreiches Betätigungsfeld und da ist eine der wichtigsten Komponenten, das "Marketing", wenn das Buch dann draußen ist, und seine vielen Aspekte, noch nicht einmal erwähnt.

Bei diesem Roman war alles anders. Das fing schon damit an, dass es eigentlich gar kein Roman werden sollte. Sondern ein Theaterstück, ein Kammerspiel. Drei Schauspieler, zwei Männer, eine Frau in einem gegenseitigen Spannungsverhältnis, ein intensiver, dramatischer Austausch, Euphorie und menschliche Abgründe in schneller Folge. Doch eine mir bekannte Schauspielerin hat mir davon abgeraten. Die Theaterszene sei ähnlich strukturiert wie die Filmszene, man bliebe unter sich, Leute von außen kämen nur rein, wenn sie dediziert geholt werden würden, alles sei möglich, aber eben nur mit Vitamin B. Wer solche Beziehungen nicht hätte, könne das beste Werk anbieten wie sauer Bier: Es interessiert keine Sau. Und das Theater würde, wie kaum sonst eine kulturelle Einrichtung, aktuellen Trends folgen. Und wer mit diesen Trends nicht vertraut sei ... Deshalb wurde dann doch ein Roman daraus.

Auch der Arbeitsprozess selbst war anders als sonst. Zwar habe ich auch Seiten über Seiten konzeptioniert, aber diese Arbeitsweise hat sich dieses Mal intuitiv falsch angefühlt. Also habe ich den wichtigsten Schritt, die Planung der Kapitel / Szenen, einfach mal nonchalant über Bord geworfen und bin gleich richtig ans Schreiben gegangen. Spontan, ins Blaue hinein. Ich wusste bei der Hälfte des Romans noch immer nicht, wie die Geschichte denn eigentlich ausgehen würde, ob es ein Happy End oder ein Ende mit Schrecken werden würde. Das Skurrilste aber war, dass ich plötzlich Szenen eingefügt habe, die nie geplant waren, die - schlimmer noch -, als ich sie geschrieben habe, für mich nicht einmal einen Sinn ergaben. Es war exakt wie in der Szene bei Harry Potter, der in einer kritischen Situation einen Trank (felix felicis - "Glück in flüssiger Form") zu sich nimmt, und lauter Sachen macht, die scheinbar keinen Sinn ergeben, die aber am Ende zum ersehnten Ergebnis führen. Es fühlte sich lediglich richtig an, die jeweiligen Szenen zu schreiben, sie brachten dem Leser auf den ersten Blick aber keine neuen Erkenntnisse, sie führt noch nicht einmal den Spannungsbogen weiter ... und doch stellte sich am Ende heraus, dass die ganze Geschichte ohne diese Szenen überhaupt nicht funktioniert hätte. Eine wundersame Sache, das menschliche Gehirn. Schreiben findet offenbar auf mehr als einer Bewusstseins-Ebene statt, der bewussten, sowieso, aber auch noch auf einer anderen, die ihre Pläne und Absichten dem Bewusstsein durchaus erst einmal vorenthalten kann. Dass es diese verschiedenen Bewusstseins-Ebenen gibt, wird für jede(n) nachvollziehbar, wenn sie oder er träumt und sich an ihre / seine Träume zu erinnern vermag. Das bewusste "Ich" träumt, ist Teil des Traums, reagiert, weiß nicht, was als Nächstes geschieht, lässt sich überraschen. Aber von wem? Natürlich von einer anderen Instanz im Gehirn, das dem bewussten Ich gegenüber seine Geheimnisse zu bewahren vermag. Schon faszinierend, nicht wahr? Und so verwundert es auch nicht, dass sich alle Dimensionen der Geschichte auch mir erst am Ende des Schreibens so richtig erschlossen haben und dass die Auflösung eines Morgens von selbst da war. Ich wachte auf und wusste plötzlich, noch im Halbschlaf und ohne bewusst darüber nachgedacht zu haben, wie die Geschichte zu Ende gehen würde.

Ich nenne diese Art des Schreibens, die ich zwar auch früher schon in Ansätzen erlebt habe (wenn Personen der Handlung während des Schreibprozesses plötzlich völlig unerwartete Dinge sagten oder taten und das zu Änderung der Geschichte gegenüber der geplanten Version geführt hat), daher für mich "Traumschreiben". Dieser neue Roman - sein (Arbeits-)Titel steht zwar bereits fest, aber aus Geheimhaltungsgründen nenne ich ihn gegenüber der Öffentlichkeit vorerst mal "Das chinesische Märchen vom Drachen" - war zu gefühlten 80% "traumschreiben". Und ich bin (noch! - das ändert sich üblicherweise im Lauf der Zeit) sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Und er schrieb sich quasi in Rekordzeit, innerhalb von nur wenigen Wochen, denn ich wollte jede freie Minute nutzen, um herauszubekommen, wie die Geschichte weiterging.

Und das ist der Grund, warum ich mich lange nicht mehr zu Wort gemeldet habe.

Wann das Werk rauskommt? Weiß nicht. Das kann dauern. Erstmal hat meine Dina Urlaub und wir werden ein paar Sachen gemeinsam machen. In der Zwischenzeit werden meine sehr geschätzten Beta-Leserinnen wohl in die Geschichte eintauchen und mir hoffentlich in ein paar Wochen ein ehrliches Feedback geben. Dann geht es in die Überarbeitungsphase und in die Planung des Vertriebsweges - abhängig von dem erhaltenen Feedback. Momentan steht nur eines fest: Im Jahr 2022 wird der Roman definitiv nicht erscheinen.

Ein anderer Roman sollte noch vor dem Weihnachtsgeschäft herauskommen, nämlich der zweite Band der Trilogie "Secrets of the Ne'arin - Der Stab des Mose" um die russische Archäologin Irina Markovna. Doch die Arbeiten verzögern sich auf Verlagsseite und es sieht momentan nicht danach aus, als ob der Plan noch eingehalten werden könnte. Mal sehen ... :-)

Love & Peace!