Wenn zwei Zahlen teilerfremd sind, d.h. wenn sie außer der Zahl 1 keinen gemeinsamen Teiler haben, dann gibt es Vielfache der einen Zahl, die direkte Nachbarn von bestimmten Vielfachen der anderen Zahl sind. Die nachstehenden beiden Zahlenfolgen sind die Vielfachen der teilerfremden Zahlen 7 und 12:
Dabei sind 35 und 36 benachbart (35 = 5 · 7 und 36 = 3 · 12). Ebenso sind 48 und 49 benachbart (48 = 4 · 12 und 49 = 7 · 7).
Aber was hat diese Tatsache mit dem Tonkreisel zu tun? Wir schreiben zunächst die obere (arithmetische) Folge der Vielfachen von 7 als je Summe aus einem Vielfachen von 12 und einem Rest: 0 = 0 · 12 + 0, 7 = 0 · 12 + 7, 14 = 1 · 12 + 2, 21 = 1 · 12 + 9, 28 = 2 · 12 + 4, 35 = 2 · 12 + 11, 42 = 3 · 12 + 6, 49 = 4 · 12 + 1. Die Folge der ersten sieben Reste (0, 7, 2, 9, 4, 11, 6) ist einerseits eine um den Kreis (oder ein regelmäßiges 12-Eck) gewickelte arithmetische Folge und andererseits kennen wir sie bereits als maximal regelmässige Auswahl von 7 Punkten aus einem regelmäßigen 12-Eck. Wir haben also zwei alternative Weisen, die Tonleiter zu gewinnen. Eine Kuriosität der Zahlen 7 und 12? Oder ein allgemeiner Zusammenhang? Ist jede um ein regelmäßiges Polygon gewickelte arithmetische Folge maximal regelmäßig? Wir können leicht ein Experiment mit der Schrittweite (Periode) 1 machen. Die Folge (0, 1, 2, 3, 4, 5, 6) ist zweifellos eine arithmetische Folge, aber als Ecken auf dem Zwölfeck (0, 1, ..., 11) liegen sie alle beieinander und sind alles andere als regelmäßig verteilt. Man muß also ein bischen über den Zusammenhang zwischen der Schrittweite und der Anzahl der Töne nachdenken. Angesichts der Schrittweite 7 und der Anzahl 7 der beteiligten Töne gilt 7 mal 7 = 4 · 12 + 1. Es stellt sich nämlich folgendes heraus: Genau die obige Tatsache, dass 48 und 49 Nachbarn sind, ist dafür verantwortlich, dass die arithmetische Sequenz aus 7 Elementen bei der Schrittweite 7 maximal regelmässig ist. Einen Beweis dieser Behauptung bleiben wir hier schuldig. Aber Musiker können sich einen dritten Umstand klarmachen, der die Beweisidee verdeutlicht. Jedes diatonische Intervall (ausser der Prime) gibt es in zwei spezifischen Grössen: kleine und grosse Sekunde, kleine und grosse Terz, reine und übermässige Quarte, verminderte und reine Quinte, kleine Sexte und grosse Sexte, kleine und grosse Septime. Diese „Spezien“ tauchen ihrerseits in verschiedenen Vielfachheiten auf. Es gibt vier kleine und drei grosse Terzen (bzw. drei kleine und vier grosse Sexten). Es zwei kleine und fünf grosse Sekunden (bzw. fünf kleine und zwei grosse Septimen). Es gibt sechs reine und eine übermässige Quarte (bzw. eine verminderte und sechs reine Quinten). Jede Zerlegung der Gesamtzahl 7 kommt vor: 7 = 3+4, 7 = 2+5 und 7 = 1+6. Daraus kann man bereits schließen, daß die Tonleiter eine arithmetische Sequenz sein muß. Denn die Zerlegung 7 = 1 + 6 besagt, daß es 6 gleiche Intervalle gibt und diese müssen zwangsläufig eine zusammenhängende Kette bilden.
Die Struktur der Tonleiter als arithmetische Folge ist bekannt unter dem Namen Quintenzirkel. Für ein besseres Verständis der Mechanik des Alterierens (Drehen des Zylinders) ist es nützlich, diesen Aspekt noch einmal genauer anzuschauen. Wir nehmen noch einmal die Sequenz (0, 7, 2, 9, 4, 11, 6) und addieren zu jedem Element die Zahl 7 und nehmen wieder den Rest modulo 12. Dabei erhalten wir (7, 2, 9, 4, 11, 6, 1). Diese Folge kann umsortiert werden zu (7, 9, 11, 1, 2, 4, 6,) oder auch zu (1, 2, 4, 6, 7, 9, 11) und erweist sich in beiden Fällen auch als maximal regelmässig und gehört deshalb zu anderen Stellungen des Tonkreisels. Da wir ausgerechnet die Zahl 7 addieren, die ja auch die Schrittweite innerhalb der Sequenz ist, erhalten wir dieselben Reste auch, wenn wir in (0, 7, 2, 9, 4, 11, 6) die „0“ am Anfang weglassen und dafür hinten das nächste Element der arithmetischen Folge anfügen: die „1“. Obwohl wir zu jedem Element 7 addieren, unterscheidet sich sich das Resultat von der Ausgangsfolge nur in einer einzigen Zahl. Nach Umsortierung ist das besonders deutlich: Aus der Folge (0, 2, 4, 6, 7, 9, 11) wird die Folge (1, 2, 4, 6, 7, 9, 11). In Notennamen: (C, D, E, Fis, G, A, H) wird zu (Cis, D, E, Fis, G, A, H). Dies entspricht dem Moduswechsel von C-Lydisch zu Cis-Lokrisch. Umgekehrt kann man in (0, 7, 2, 9, 4, 11, 6) die „6“ weglassen und dafür vorn die Zahl 5 = -1 • 12 + 7 anfügen. Die Folge (5, 0, 7, 2, 9, 4, 11) wird umsortiert zu (0, 2, 4, 5, 7, 9, 11). In Notennamen (C, D, E, F, G, A, H). Dies entspricht dem Moduswechsel von C-Lydisch zu C-Ionisch. Nachstehend sind noch einmal die Stufenmuster von Lydisch und Ionisch im Vergleich abgebildet. Die Verschiebung der vierten Stufe entspricht entweder einer Vertauschung von Ganzton und Halbton bei den Schritten 3-4 und 4-5 oder aber einer zyklischen Permutation des ganzen Musters (Verschiebung um 4 Schritte nach rechts).
Um diesen Zusammenhang auf der Beschreibungsebene der Schrittmuster zu würdigen, kann man zur Illustration ein beliebiges Wort aus sieben Buchstaben nehmen und als Zyklus auffassen (d.h. nach dem letzten Buchstaben kommt wieder der erste). Einerseits kann man die Buchstaben um soundsoviele Positionenen zyklisch permutieren (7 Möglichkeiten), andereseits kann man je zwei benachbarte Buchstaben verstauschen (sieben Möglichkeiten). Bei einem Wort wie dresden führen keine dieser Permutationen zum selben Ergebnis, obgleich die Buchstaben „d“ und „e“ doppelt auftreten.
Anders verhält sich das beim Wort aabaaab, welches das Schrittmuster des Ionischen Modus repräsentiert. Hier steht der Buchstabe „a“ für Ganzton und „b“ für Halbton. Hier gibt es sieben verschiedene zyklische Permutationen (links). Nur vier der sieben Vertauschungen benachbarter Buchstaben liefern tatsächlich andere Wörter. Zwei davon wiederum stimmen mit zyklischen Vertauschungen überein: aabaaba (mixolydisch) und aaabaab (lydisch).
Derartige Betrachtungen gehören in das mathematische Gebiet der algebraischen Kombinatorik auf Wörtern. Für eine weiterführende Online-Lektüre zu deren Anwendung auf die Untersuchung der diatonischen Modi siehe:
Clampitt, David and Thomas Noll: "Modes, the Height-Width Duality, and Handschin's Tone Character", Music Theory Online, Volume 17, Number 1, March 2011.