Vinzenz von Paul, Jean le Vacher, Raimundus Lullus, Charles de Foucauld, Markus von Aviano, Engelbert Kolland

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Raimundus Lullus und Charles de Foucauld

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Markus von Aviano und Engelbert Kolland

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Raimundus Lullus (1232-1316) gilt als einer der größten Islam-Missionare. Ein halbes Jahrhundert lang hatte er seine ganze Kraft der Sarazenenmission geschenkt. Beständig hatte er seine Stimme für die Sacher der Mission erhoben und war auf weit ausgedehnten Reisen durch islamische Gebiete selbst als Missionar tätig gewesen. Mit 84 Jahren starb er in Bougie bei Algier unter den Händen der Sarazenen den Märtyrertod. Nach seinem Tod ergriff die Christenheit ein tiefer Pessimismus gegenüber der Sarazenenmission, und der Eifer, sich in ihrem Dienst zu opfern, verebbte sehr bald.

Charles de Foucauld (1858-1916) versuchte in der Wüste im Schweigen ein bescheidenes, aber vernehmbares Zeugnis für das Evangelium unter den islamischen Tuareg abzulegen. Foucauld wollte kleine Einsiedeleien mit einigen armen Mönchen, die sich einfach ernähren und der Buße und Anbetung des Sakramentes widmeten, die nicht predigten, aber allen Gastfreundschaft gewährten., Muslimen und Christen, um so das Evangelium auszustrahlen.

Sel. Raimundus Lullus

(1232 – 1316)

Die christliche Mission und die islamische Dava

Bereits seit den Tagen, da der Islam in die Weltgeschichte trat, musste sich die christliche Theologie mit ihm auseinandersetzen; allerdings geschah dies nicht immer mit der nötigen Sachkenntnis. An ein Missionarisches Wirken unter den Muslimen war einfach nicht zu denken, weder für die Kirche des Westens noch des Ostens. Vielmehr musste man mitansehen, wie zahlreiche christliche Länder, viele christliche Heiligtümer, vom Islam erobert und in Besitz genommen wurden, wie tausende Menschen, Juden und Christen, getötet wurden und viele aus Angst (und manchmal auch äußerer Vorteile wegen!) zum Islam übertraten. Darüber hinaus war der Westen bis ins hohe Mittelalter mit sich selbst beschäftigt: Die Sorge galt der Ausbreitung des christlichen Glaubens auf dem eigenen Kontinent. Was rundherum geschah, nahm man bloß zur Kenntnis.

Die Vorgeschichte

Als im 10. Jahrhundert die Bekehrung Europas in der Hauptsache zum Abschluss gekommen war, erlahmte vorübergehend der Missionseifer der Christenheit. Nach Ablauf des Jahrhunderts wurde die Missionsfreudigkeit durch die Bettelorden der Franziskaner und Dominikaner wieder entfacht, und die Christenheit wurde sich ihrer Sendung an die Millionen Sarazenen – so wurden im Mittelalter die Muslime allgemein genannt – bewusst.

Durch den bedeutenden Abt von Cluny, den heiligen Petrus Venerabilis (1092-1156), begann im Abendland eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Islam. Im Jahre 1142 veranlasste und finanzierte Abt Petrus Venerabilis die erste Übersetzung des Koran aus dem Arabischen ins Lateinische, durch den Engländer Robert von Ketton. Diese Übersetzung blieb 500 Jahre im Gebrauch. Erst jetzt war es der lateinischen Kirche möglich, sich intensiver mit dem Islam auseinanderzusetzen.

Petrus Venerabilis ließ nicht nur den Koran übersetzen, sondern warnte auch unermüdlich die Christen vor den Irrtümern der islamischen Lehre. Eifrig bemühte er sich, Menschen, die vom

Islam getäuscht wurden, zur Wahrheit zu führen: „Nicht mit Waffen, sondern mit Worten, nicht mit Gewalt, sondern mit der Vernunft, nicht mit Hass sondern mit Liebe.“

Obwohl in dieser Zeit Eroberung und Bekehrung noch weitgehend zusammen gesehen wurden, setzte sich jetzt immer stärker die Ansicht durch, dass eine wahre „Wortmission“ ins Werk zu setzen sei. Bestärkt wurde diese Ansicht durch die Erfahrung, dass nach dem islamischen Schariat-Gesetz zwar öffentliche Missionspredigten mit dem Tode bestraft wurden, private religiöse Disputationen aber möglich waren. Gebildete Muslime disputierten gerne und erwiesen sich als schlagfertige, philosophisch und theologisch wohl ausgerüstete Gegner. Darin sah man eine Möglichkeit für die christliche Verkündigung.

Bedeutende abendländische Theologen stellten ihre Wissenschaft in den Dienst der Sarazenenmission: so etwa Wilhelm von Tripolis („Tractatus de statu Saracenorum“, 1273), Ramon Marti („Pugio fidei contra Mauros er Judaeos“, 1278, Ricoldo da Monte Croce (Contra legem Saracenorum“). Der berühmteste unter ihnen ist Thomas von Aquin (1225-1274), der mit der „Summa contra gentiles“ und in seinem kleineren Werk „De rationibus fidei contra Saracenos“ Handbücher der Apologetik für Sarazenenmissionare schuf.

Als einer der größten Islam-Missionare dieser Epoche gilt Raimundus Lullus. Seine umfangreichen philosophischen und apologetischen Schriften verfasste er in seiner Muttersprache, in Katalanisch. Sein Werk in lateinischer Sprache umfasst 27.000 Manuskriptseiten.

Der Selige Raimundus Lullus

Raimundus Lullus (katalan. Ramón Llull) wurde 1232 in Palma auf der ostspanischen Insel Mallorca geboren. Sein Vater war ein tapferer Ritter aus Barcelona und hatte seinem König, Jakob I. von Aragon, geholfen, Mallorca den islamischen Mauren wieder zu entreißen. Wegen der wilden Schönheit dieser Insel beschloß er, hier zu bleiben und am neuen königlichen Hofe Dienste zu übernehmen.

Als Jugendlicher hielt Raimundus Lullus sich am Königshof von Aragonien in Nordspanien auf. Das gebirgige kleine Stammland in Spaniens Nordosten war schon seit hundert Jahren mit der stolzen Seefahrernation Katalanien vereint. Dazu kamen Valencia und das Roussillon mit Montpellier.

So wuchs Raimundus, der begabte und fröhliche junge Page, in einer Welt kultureller Farbigkeit heran. Er beherrschte alle ritterlichen Künste und entfaltete sich in diesen Jahren zu einem regelrechten Dichter. Eine besondere Ehre für ihn war, dass er, obwohl noch sehr jung, vom König zum Erzieher der Prinzen bestellt wurde und später sogar zum höchsten Verwalter am Hofe. 1257 schloss er den Bund der Ehe mit der adeligen Dame Blanca Picany, die ihm zwei Kinder, Dominikus und Magdalena schenkte.

In seiner Autobiographie berichtet Raumundus Lullus, dass nach sechs Jahren einer guten Ehe und eines geordneten höfischen Lebens sein Leben durch mehrere Visionen einschneidend verändert wurde. Während er gerade mit der Niederschrift eines leidenschaftlichen Liebesgedichtes beschäftigt war, erschreckte und erschütterte ihn zutiefst eine Erscheinung des gekreuzigten Christus. Der damals dreißigjährige Raimundus legte alles aus seinen Händen und versuchte, der Erscheinung zu entfliehen – doch es nutzte ihm nichts: Die Vision wiederholte sich noch viermal. Zutiefst erschüttert begriff er, dass er sein Leben

radikal verändern musste, dass er der Bekehrung bedurfte und dass Gott wollte dass er sich von ganzem Herzen, mit seinem ganzen Sein, in den Dienst Christi stellte.“

Praktisch veranlagt, wie er war, überlegte er, wie dieser Dienst Christi auszusehen habe. Dabei überkam es ihn wie ein Befehl: „Ein Buch zur Bekehrung der Ungläubigen zu schreiben, und zwar das beste der Welt.“ Mehr noch: Er erkannte, dass er sein Leben der Mission widmen solle, vorwiegend unter Muslimen und Juden.

In Absprache mit seiner Frau Blanca änderte Raimundus Lullus radikal sein Leben. Zur Vorbereitung seines missionarischen Dienstes unternahm er Pilgerfahrten und Bildungsreisen, arbeitete zehn Jahre lang eisern an sich, verbesserte sein dürftiges Latein und lernte Arabisch so gut, dass er sogar Bücher in arabischer Sprache verfasste. Neben vielen anderen Fächern studierte er sehr gründlich die Lehre des Islam.

Der Missionar

In der Auseinandersetzung mit dem Islam zeigten sich ihm drei Schwerpunkte, die es zu beachten gilt:

1. Der islamische Anspruch

In den islamisch regierten Ländern ist eine christliche Mission unter Muslimen nicht möglich, ja sogar oftmals unter Todesstrafe verboten. Der Islam entstand unter arabischen, kriegsgewohnten Beduinenstämmen, er war von Anfang an eine Religion des Schwertes. Er entstand als sozipolitisches, religiöses und militärisches Projekt. Das geht sowohl aus dem Koran wie auch aus der Sunna hervor.

Von Anfang an beanspruchen der Islam und sein Gesetz, die Scharia, universale Geltung. Kraft dieses Anspruches proklamiert der Islam seine Lebensordnung als verbindlich in allen Bereichen des persönlichen, des sozialen und des politischen Lebens für alle Gemeinschaften und Staaten. Alle Menschen sind zum islamischen Glauben und zum islamischen Gehorsam aufgerufen, nicht nur die Muslime. Um diesem unfassenden und universalen Anspruch zu genügen, hat der Islam eine bestimmte Sicht der Welt sowie ein bestimmtes Verständnis seines Missionsauftrages und seiner entsprechenden Beziehungen zu den Nicht-Muslimen entwickelt.

2. Islamisches Selbstbewusstsein

Der Koran belehrt die Muslime, dass sie „die einzig wahre, geoffenbarte Religion“ haben, und sie fühlen sich deshalb als „khair umma / die beste Gemeinschaft“ (Koran, Sure 3,110), allen anderen Religionsgemeinschaften der Welt überlegen.

Nach dem Glauben an die Exklusivität der islamischen Umma und an das Wahrheitsmonopol des Islam nehmen alle Muslime das Verhältnis Allah – Mensch als ein von Allah dominiertes Verhältnis wahr, wonach allein das Recht Allahs vorherrsche, dem sich der Gläubige zu unterwerfen habe. So ist zum Beispiel der Glaube ein Recht Allahs und kein menschlicher Akt. Vom Standpunkt des Menschen aus ist der Glaube eine Pflicht gegenüber Allah. Der Muslim, der vom Islam abfällt, verstößt deshalb gegen ein Recht Allahs.

Ziel der politischen Struktur des islamischen Staates ist, die Rechte Allahs zur Geltung zu bringen und die Rechte und Interessen der Muslime zu sichern, aber auch von allen

Untertanen Gehorsam gegen das Gesetz Allahs zu fordern und dies auch im praktischen Leben durchzusetzen. Den Regierenden ist dazu Autorität und Vollmacht gegeben, um die Herrschaft Allahs und die Vorherrschaft des Islam zu festigen und auszudehnen.

Schon sehr früh wurde aus dem Koran-Spruch: „Denn die Erde ist Allahs, er lässt sie erben, wen er will von seinen Knechten“, der Fundamentalsatz formuliert: „Die Erde gehört Allah, seinem Propheten und den Muslimen.“ Andersgläubige sind Feinde Allahs und der Muslime und müssen als solche bekämpft werden. In der Sure 9,41 werden die Muslime aufgefordert: „Rückt leichten oder schweren Herzens (zum Kampf) aus und führet mit eurem Vermögen und in eigener Person um Allahs willen Krieg!“

3. Religionsgespräch als Chance

Die Erfahrung, dass nach dem Schariat-Gesetz öffentliche Missionspredigten mit dem Tode bestraft wurden, jedoch private religiöse Gespräche möglich waren, insofern dabei keine beleidigenden Äußerungen gegen den Koran, Mohammed und den Islam gemacht wurden, ließ Raimundus Lullus eine Chance für die christliche Verkündigung erblicken.

Als einer von sehr wenigen hatte er mit Schärfe den Glaubenskrieg verurteilt. Er war davon überzeugt, dass jeder Nichtchrist durch absolut zwingende Gründe zur Annahme des christlichen Glaubens genötigt werden könne, außer der Betreffende würde bewusst auf den Gebrauch der Vernunft verzichten. Unversehens scheint Lullus – sicherlich aus missionarischen Beweggründen – in einen Vernunftglauben hinein geglitten zu sein: Er wollte sich den vernünftigen Fragestellungen der arabischen Gebildeten anpassen und war sich nicht darüber im Klaren, dass er in diesem Anpassungsstreben den Glauben in Vernunft auflöste.

Auch der heilige Thomas von Aquin schuf große theologische Werke als Handbücher der Apologetik für Sarazenenmissionare. Auch er ging von der Notwendigkeit aus, sich auf Disputationen mit Muslimen einzulassen, sah jedoch in dieser Notwendigkeit auch eine Gefahr; denn der disputierende Missionar kann sehr leicht in die Versuchung geraten, den Glauben mit zwingenden Gründen beweisen zu wollen. Deshalb führt Thomas aus, dass der christliche Glaube, weil er über den Menschengeist hinausgeht, zwar nicht durch zwingende Gründe bewiesen werden könne, jedoch ebenso wenig durch einen zwingenden Vernunftgrund bekämpft werden könne – und zwar deswegen nicht, weil unser Glaube wahr ist.

Es muss also das Bestreben des christlichen Missionars sein, sich auf die Verteidigung des Glaubens zu richten – und nicht auf den Beweis dessen, dass nichts falsch ist, was der Glaube bekennt. Thomas hatte eine echte Gefahr gespürt. Dieser Gefahr scheint der Franziskanertertiar Raimundus Lullus unterlegen zu sein.

Im Mittelpunkt seines Denkens stand die Absicht, „das beste Buch der Welt“ zu schreiben, mit dessen Hilfe es gelingen sollte, Nichtchristen gewaltlos und mit rational einsehbaren Argumenten, von der Wahrheit des Christentums zu überzeugen. Er wollte missionieren und stichhaltige Argumente für das Christentum aufzeigen.

An seiner kombinatorischen Methode, mit der er nach Art einer „Denkmaschine“ solche Argumente konstruierte, arbeitete er dreißig Jahre. In einer „Tafel der Prinzipien“ zeigt er die neun absoluten Begriffe, neun relativen Prinzipien, neun Fragestellungen, neun Subjekte, neun Tugenden und neun Laster. Diese 45 Begriffe dürfen aber nicht willkürlich miteinander kombiniert werden, sondern bedürfen der unterschiedlichsten systematischen

Herangehensweisen, aufgezeigt in vier Figuren. Die vierte Figur erlaubt durch drei bewegliche Kreisscheiben eine vielfältige aber dennoch geordnete Kombinatorik. Lullus kennt die christliche Wahrheit und diese steht außer Frage. Mit seiner „Kunst“ will er missionieren und stichhaltige Argumente für das Christentum aufzeigen, nicht aber die Möglichkeit zu neuen Kombinationen bieten, die schließlich gotteslästerlich sein könnten.

Mission oder Dava

Die Ausbreitung des Islam wird nicht wie im Christentum „Mission – Sendung“ genannt, sondern Dava – Einladung“.

Um zu verstehen, was unter dieser „Einladung zum Islam“ gemeint ist, braucht es das Wissen um das islamische Weltbild. Nach der Scharia wird die bewohnte Erde in zwei Teile geteilt, in den „Dar ul-Islam“, das Haus des Islam, und in den „Dar ul-Harb“, das Haus des Krieges. Solange nicht alle Menschen den Islam angenommen haben, wird die Pflicht der „Umma“ (der islamischen Gemeinde) zum heiligen Krieg (Dschihad) als seine ständige Pflicht betrachtet. Die Umma muss sich beständig dafür einsetzen, dass der islamische Glaube sich ausbreitet und der Machtbereich des Islam, der „Dar ul-Islam“ sich ausweitet.

Seit den Tagen Mohammeds ergeht die „Dava – Einladung“ an alle Menschen: Heiden hatten nur die Wahl zwischen Annahme der Einladung zum Islam oder Tod. Die Bekenner einer Buchreligion (ahl al-kitab) konnten dem Tod entgehen, wenn sie sich unter den „Schutz“ des Islam stellten und „Schutzbürger“ (Dschimmi) wurden, indem sie Tributzahlungen (Kopf- und Grundsteuer) entrichteten sowie sich einem demütigen „Schutzbürger-Vertrag“ unterwarfen.

Durch diese historisch tausendfach belegte beständige Erniedrigung und Unterdrückung kam es durch die Jahrhunderte zu einer ununterbrochenen Dezimierung der jüdischen und christlichen Volksgruppen (bis zu ihrer bedrängten Lage in der Gegenwart). Das Endziel ist erst erreicht, wenn kein „Unglaube“ mehr auf der Erde besteht, der „Dar ul-Harb“ verschwunden sein wird und die Nichtmuslime entweder ausgerottet sind oder sich zum Islam bekennen.

Ausbildung von Missionaren

Raimundus Lullus machte Pläne zur Bekehrung der Muslime, die er Päpsten und europäischen Fürsten vorlegte. Bei ihm trat der Glaubenskrieg deutlich hinter ein geistiges Werben um die Nichtchristen zurück. Zur Ausbildung guter Missionare sollten Studienhäuser gegründet werden, in denen die arabische Sprache, Griechisch, Hebräisch und Syrisch sowie eine tiefgreifende Missionstheologie gelehrt würden. Auch für die Universitäten schlug er die Errichtung eigener Lehrstühle für orientalische Sprachen vor. Er verlangte eine einheitliche Leitung der Missionstätigkeit durch einen Kardinal, die Vereinigung der Ritterorden und vor allem die religiöse Erneuerung des Klerus wie der Laien.

Mit der Unterstützung des Königs Jakob II., der einst als Zögling von Raimundus Lullus war, errichtete er in Miramar auf Mallorca ein Missionskolleg der Franziskaner. Zusammen mit dem Dominikaner Raimund von Penafort, ebenfalls Spanier, organisierte Lullus eine Mission unter Mauren und Juden. Raimund von Penafort gründete außerdem Studienhäuser zur Schulung von Missionaren und hatte übrigens auch Thomas von Aquin zur Abfassung der „Summa contra gentiles“ angeregt.

Raimund Lullus wandte sich mit seinen Vorschlägen auch an die Päpste: Cölstin V, (1294) und Bonifaz VIII. (1296). Sein Werk: „Liber de acquisitione Terrae Sanctae“ widmete er Clemens V. Er hatte die Genugtuung, dass das Konzil von Vienne (1311) seine Anregungen aufgriff und die Errichtung von Lehrstühlen für die orientalischen Sprachen an den bedeutendsten Universitäten zu Paris, Bologna, Oxford und Salamanca beschloss. Das Dekret kam aber nicht zur Ausführung. 1434 erinnerte das Konzil von Basel nochmals vergeblich dran.

Das Gewissen der Christenheit

In seinem nimmermüden Ringen um die Bekehrung der Muslime erscheint Raimundus Lullus trotz allem als einer der ganz großen Missionare des Mittelalters. In verschiedenen Denkschriften bemühte er sich, das Gewissen der Christenheit zu schärfen und an die Pflicht zur Mission zu erinnern. Er nutzte jede Gelegenheit, um den Missionsgeist zu fördern, neue Missionare zu gewinnen und zu begeistern.

Zwischen den Jahren 1283 und 1294 nahm er auch an allen Generalkapiteln der Franziskaner und Dominikaner teil, um die Islam-Mission ins Gespräch zu bringen. Ebenso wandte er sich wiederholt auch an weltliche Herrscher seiner Zeit, um sie für dieses dringliche Anliegen zu gewinnen. Mit großer Überzeugungskraft lehrte er zu diesem Thema an den Universitäten von Paris und Montpellier und an verschiedenen anderen Städten Europas. Gleichzeitig wirkte Raimundus Lullus unermüdlich als Missionar unter den Muslimen in Mallorca, Neapel und wiederholt in Nordafrika, sowie in Zypern und Sizilien. Er unternahm ausgedehnte Reisen durch islamische Länder, sogar tief nach Asien hinein. Kennzeichnend für die Methode seiner Islam-Mission (= über Gespräche mit islamischen Gelehrten, die als Multiplikatoren wirken konnten, die Kenntnis des Christentums zu verbreiten) ist das Religionsgespräch, das er im Jahre 1307 in Bugia (Bougie, Bidschaja; cirka 200 km östlich von Algier) führte, das arabisch protokolliert und später als „Disputation Raymundi christiani et Hamari saraceni“ ins Lateinische übersetzt wurde.

Missionstätigkeit der Kirche

Zum missionarischen Einsatz der Kirche in diesem Zeitraum lässt sich feststellen, dass im Zusammenhang mit der politischen Erschließung des baltischen Länderkreises für den Westen auch das Christentum sich dort einwurzeln konnte.

Die Begegnung mit dem Islam jedoch blieb – weil zumeist militärisch-politisch bestimmt und auch wegen der Abgeschlossenheit des Islam gegenüber jeder anderen Religion – ohne besondere Wirkung, wenn man von den katechetischen Bemühungen in den zurückeroberten Gebieten in Spanien absieht.

Zum Beginn des zwölften Jahrhunderts kam es zur Bildung des Mythos eines mächtigen, christlichen Priesterkönigs in Asien. Den Stoff dazu lieferten die in Syrien und Palästina lebenden Nestorianer, die den Kreuzfahrern von den christlichen Fürsten unter den Turko-Mongolischen Völkern erzählten. Mehrere tatsächlich in Asien existierende christliche Fürsten dienten über eine längere Zeitspanne als Hintergrundfiguren für diese vielgeglaubte Legende vom Priesterkönig Johannes.

Die Meinung, jenseits der Grenzen Europas seien im Fernen Osten starke christliche Reiche, gab den Menschen Hoffnung und Mut dort Bündnispartner gegen die drohende islamische Gefahr zu finden. So sandten Papst Innozenz IV. und König Ludwig IX. von Frankreich mehrfach Franziskaner und Dominikaner zu den Mongolen, Johannes von Piano di Carpine

(Abruzzen) ging 1245/47 über Russland nach Karakorum, der Hauptresidenz der Großkhane, Wilhelm von Rubruck (Flandern) ging über Anatolien gleichfalls dorthin (1253/55). Es ging um Erkundigung und Kontaktaufnahme, nicht um eine eigentliche Missionstätigkeit. Die tatsächlichen Erfolge waren gering. Der missionarische Vorstoß in die Länder unter mongolischer Herrschaft hatte nur Gelegenheitscharakter, mit Ausnahme der franziskanischen Mission in Peking.

Schon unter Papst Gregor IX. war die Kurie in Rom von der Gefahr der im Osten Europas eingebrochenen Mongolen unterrichtet worden. Ungarische Dominikaner waren ins Wolgagebiet gezogen, um dort Missionsmöglichkeiten zu erkunden. Sie kamen mit höchst beunruhigenden Meldungen zurück. Der Patriarch von Aquileja , Berthold von Andechs, ließ von allen Kanzeln entsprechende Warnungen vorlesen. Der Mongolensturm erreichte 1240/41 Polen und Ungarn. Die deutsche Niederlage von 1241 bei Liegnitz in Schlesien schien Schlimmstes bevorstehen zu lassen, aber gerade sie wurde zum zeitlichen Wendepunkt, denn der Tod des Mongolen-Khans Ögödai (1242) veranlasste den Rückzug der Mongolen aus Mitteleuropa nach Russland.

Der Märtyrer

Ein halbes Jahrhundert lang hatte Raimundus Lullus seine ganze Kraft der Sarazenenmission geschenkt. Beständig hatte er seine Stimme für die Sache der Mission erhoben. Er selbst reiste als Missionar in islamische Länder, geriet in Konflikt mit islamischen Behörden, wurde eingekerkert und starb 1316 mit 84 Jahren an den Folgen einer Steinigung auf der Heimreise von seiner letzten Mission in Bougie bei Algier den Märtyrertod. Seine Grabstätte befindet sich in der Basilika Sant Francese in Palma. Sein kirchlicher Gedenktag ist der 3. Juli.

Die Revision

Nach seinem Tod ergriff die Christenheit ein tiefer Pessimismus gegenüber der Sarazenenmission, und der Eifer, sich in ihrem Dienst zu opfern, verebbte sehr bald. Nachdem alle Mühen gescheitert waren, war man von der Aussichtslosigkeit der Islam-Mission durchdrungen und sagte sich, dass die Anhänger Mohammeds offenbar verstockt seien.

Der Historiker Fritz Blanke meint dazu, dass man sich die Antwort auf die Frage nach den Ursachen dieses großen Misserfolges zu leicht gemacht habe, und glaubt, drei Gründe für dieses Versagen Aufweisen zu können:

1. Dem Muslim brachte die Bekehrung zum Christentum keinen irdischen Vorteil. Für die jungen Völker Europas war die christliche Kirche die Bringerin kulturellen Fortschritts. Dagegen hatten die islamischen Staaten im Mittelalter vom Anschluss an das Christentum weder kulturelle noch wirtschaftliche oder politisch Vorteile zu erwarten, und damit fiel für sie ein mächtiges Bekehrungsmotiv aus.

2. Die christliche Lehre, die von den Missionaren verkündet wurde, widersprach oftmals dem, was Muslime von sogenannten Christen zu sehen bekamen. Zudem verringerte sich die Zahl der Christen in den islamischen Ländern ständig: durch Abfall zum Islam, und zwar wegen der unerträglichen Erniedrigungen denen die „Schutzbürger“ ausgesetzt waren.

3. Wie sah die Verkündigung des christlichen Missionars aus? Er brachte den Nichtchristen ein Gesetz. Das hatten die Muslime auch. Er verkündete das Gericht Gottes, Gerichtsverkündigung ist aber auch in der Predigt des Islam das Hauptthema. Gesetz wird jedoch nicht durch Gesetz und Gericht nicht durch Gericht überwunden.

Fritz Blanke schließt mit folgender Feststellung: „Nur diejenige christliche Predigt wird den Mohammedaner wirklich treffen, die an Stelle des Gesetzes die herrliche Freiheit der Kinder Gottes stellt und statt des Zornes Gottes die in Christus erschienene göttliche Liebe verkündigt. Diese Freiheit und diese Liebe kannte die mittelalterliche Missionspredigt nicht, und darum musste die Mohammedaner-Mission in ihrer erste Epoche versagen – wie die Mohammedaner-Mission auch heute immer versagen wird, wenn sie den Islam im Grunde mit dem Islam überwinden will. Nur dann kann die christliche Kirche dem Muselmann helfen, wenn sie ihm wirklich Evangelium, nichts als Evangelium verkündigt!“

Sel. Charles de Foucauld

(1858 – 1916)

Das Liebesgebot und die Scharia

Nach der Ermordung Charles de Foucaulds im Hoggar, in der Sahara, am 1. Dezember 1916 durch zwei fanatische Muslime schrieb der hochangesehen Führer der Tuareg, Moussa Ag Amastane, in einem Brief an Frau de Blic: „Sowie ich vom Tod unseres Freundes, Ihres Bruders Charles, erfuhr, haben sich meine Augen geschlossen; alles ist dunkel für mich; ich habe geweint, und ich habe viele Tränen vergossen, und ich bin in großer Trauer.“

Dieser große und stolze und zugleich menschliche Herrscher der Tuareg war kein Mann der Gefühle. Und doch war er zutiefst betroffen vom Tod seines Freundes. Die Tuareg sind streng gläubige Muslime. Im Koran, in der Sure 5,51 heißt es ausdrücklich: „Ihr Gläubigen! Nehmt euch nicht die Juden und die Christen zu Freunden!“ Wie also konnte Charles de Foucauld zum Freund der Tuareg werden? Mehr noch: In dem zitierten Brief wird der schlichte Eremit sogar „unser Marabout“ genannt. Wie war das möglich, wie kam es dazu?

Kindheit und Jugendjahre

Charles de Foucauld wurde als Kind reicher Eltern am 15. September 1858 in Straßburg im Elsaß geboren. Mit 6 Jahren wurde er Vollwaise und wuchs nur beim Großvater auf. Er war sehr begabt, so dass er vorzeitig seine Reifeprüfung ablegen konnte. Der intelligente Charles verschlang glaubensfeindliche Literatur, las Montaigne, Voltaire und andere Philosophen. Unter dem negativen Einfluss der leugnenden Philosophen verlor er mit 16 Jahren den Glauben.

Auf Wunsch seines Großvaters schlug er die Offizierslaufbahn ein und besuchte ab 1876 die Militärschulen von St. Cyr und Saumur, wo er das Leben eines Nichtstuers führte und mit dummen Streichen und ausgelassenen Festen seine Langeweile verscheuchen wollte. Hier wurde er ein Feinschmecker und begann ein ausschweifendes Leben zu führen. Die Militärärzte vermerkten: „Dienstuntauglich wegen Fettsucht und Muskelschlaffheit!“

Der korpulente Foucault mit dem aufgeschwemmten Gesicht kam schließlich zum Militäreinsatz nach Nordafrika und machte dort aufs neue dumme Geschichten, so dass er schließlich wegen „Ungehorsam und anstößigem Benehmen in der Öffentlichkeit“ aus der

französischen Armee entlassen wurde. Es wurde ihm nachgesagt: „Charles de Foucauld kennt weder Pflicht und Gehorsam, hat einen leeren Kopf und denkt nur ans Vergnügen – wenn er denkt“.

Nach einer Zeit des Nichtstuns trat er wieder in die Armee ein. Aus dieser Zeit gibt es die Aussage eines Kameraden: „Mitten in den Gefahren und Entbehrungen des Expeditionskorps erwies sich dieser gebildete Faulenzer als Soldat und Führer, der die härtesten Proben fröhlich auf sich nahm, sich immer mit der eigenen Person einsetzte und sich aufopfernd um seine Leute kümmerte.“

Forschungsreise durch Marokko

Doch Foucauld hielt es nicht lange aus. 1882 nahm er Abschied vom Militär, um eine wissenschaftliche Expedition nach Marokko vorzubereiten, in ein Land, das damals noch voller Gefahren und Geheimnisse war.

Charles de Foucauld war getrieben von einem unbändigen Hunger nach Leben, er suchte die Weite, die Freiheit, jenseits aller Reglementierungen. Er suchte das Abenteuer. Jetzt lernte er Arabisch und vertiefte sich in die Geographie und Ethnographie Marokkos. Da es Christen verboten war, Marokko zu betreten, verkleidete sich Foucauld 1883 als Jude und nannte sich Rabbi Joseph Aleman. Damals war er 24 Jahre alt.

Gemeinsam mit dem Rabbiner Mardochai Abi Serour, den er für diese Forschungsreise als Führer engagierte und gut bezahlte, begann er unter größten Entbehrungen, das Innere Marokkos zu erforschen. Auf Schritt und Tritt lauerten Gefahren. Abgemagert durch die endlosen Strapazen und Ängste, zog der mutige und zähe Forscher ein Jahr lang durch die Wüste und durch das Atlasgebirge und führte mit seinen wissenschaftlichen Instrumenten Messungen und Beobachtungen durch, die er dann sorgfältig in sein Tagebuch verzeichnete. Nach der Durchquerung Marokkos kehrte er mit wertvollen wissenschaftlichen Ergebnissen nach Paris zurück. Die Veröffentlichung seines geographischen Forschungsberichtes erregte in Paris großes Aufsehen und erntete hohe Hauszeichnungen. Die Französische Geographische Gesellschaft verlieh ihm eine Goldmedaille und ehrte ihn als Forscher mit großer Zukunft. Mit seinem Werk „Reconnaissance au Maroc“ reihte er sich in den Kreis der Pioniere der nordafrikanischen Geographie ein.

Der „Schutzbürger“ in Marokko

Charles de Foucauld beschrieb nicht nur die Gegenden in Marokko, sondern berichtete auch vom Schicksal der in Marokko lebenden Juden und ihrer Familien, die mit Hab und Gut muslimischen Herren zu eigen gehörten und diesen nicht entkommen konnten. Der religiös vom Koran und der islamischen Scharia (= islam. Gesetz) her motivierte Charakter dieser Leibeigenschaftübertrug sich von Generation zu Generation von den Eltern auf die Kinder, die zum Erbe des jeweiligen Herrn gehörten. Der muslimische Herr garantierte den Schutz und das Leben seiner jüdischen Leibeigenen. Hier findet man in reiner Form den arabisch-islamischen Schutzbegriff wieder, der das Prinzip des Persönlichkeitsrechtes aufhebt und ersetzt.

Das „Schutzabkommen“ hinsichtlich des rechtlichen Status von Juden und Christen im Islam beinhalten hauptsächlich die Pflichten der „Dschimmi – der Schutzbefohlenen“. Durch den Entzug von Rechten und durch zahlreiche Demütigungen sollte die Zahl der Nichtmuslime

verringert und sollten Anreize zur Konversion zum Islam geschaffen werden. Nichtmuslime, die Kopf- und Grundsteuern nicht entrichten konnten, wurden zu Sklaven gemacht.

Der islamische „Schutz“ für die tribunpflichtigen Juden in Marokko wurde durch die Leibeigenschaftgeregelt, womit die Rechte der „Schutzbürger“ noch mehr eingeschränkt wurden und sie in einem vollständigen Abhängigkeitsverhältnis leben mussten. Noch bis 1913 waren die Juden von Dadés im Hohen Atlas in Marokko Leibeigene.

Die Unterscheidung der Tributpflichtigen anhand ihrer Kleidung war eine wichtige Regel ihres sozialen Standes. Die diskriminierenden Kleidervorschriften der „Schutzbefohlenen“ durch Farben, Formen, Maße und Haartracht, die Form ihrer Turbane, ebenso wie das Aussehen ihrer Ehefrauen, ihrer Kinder, sollten sie erkenntlich machen und der Lächerlichkeit preisgeben. In Ägypten und Palästina mussten die Juden lange Zeit sogar Glöckchen mit sich tragen.

Auf der Suche

Nicht sehr lange hielt es Charles de Foucauld in Paris aus. Bald schon machte er sich erneut auf eine ausgedehnte Reise, diesmal durch Tunesien. Wieder begegnete er auf Schritt und Tritt dem Islam. Seine Beobachtungen machten ihn, der sich bislang kaum Gedanken über Religion machte, nachdenklich und ließen die Frage nach Gott neu erwachen. Später sagte er: „Der Anblick des Glaubens dieser Männer ließ mich ahnen, dass es etwas Größeres und Wahrhaftigeres gibt als unsere weltlichen Geschäfte.“

Wieder nach Paris zurückgekehrt studierte er Arabistik. Immer öfter besuchte er das Haus seiner Tante Ines und seiner Cousine Marie de Bondy, wo er auch einen katholischen Priester, Abbé Huvelin, kennenlernte. “Immer mehr schloss ich mich dieser geliebten Familie an. Ich lebte dort in einer solchen Atmosphäre von Tugend, dass mir das Leben zurückkam. In dieser milden Sonne war in mir der Abscheu vor dem Bösen und die Suche nach der Tugend gewachsen.“

Die Tugend, die er in jenem Jahr 1886 anstrebte, war „eine heidnische Tugend“, eine Tugend, die er sich selbst durch Askese und außergewöhnliche Leistungen aneignen wollte. Das Christentum blieb ihm dabei nach wie vor verschlossen, eine „Torheit“. Sein Herz jedoch trieb ihn zu seiner Cousine Marie, die eine glaubwürdige Christin war. Sie beeindruckte ihn:

„Durch ihr Schweigen, ihre Liebe, Güte und ihre Vollkommenheit verbreitete sie eine anziehende Atmosphäre“. Charles de Foucauld begann sich zu fragen: „Ist diese Religion vielleicht doch nicht absurd?“ Verzehrt von Unruhe und Sehnsucht zog er durch die Kirchen von Paris. In der Kirche Saint Augustin betete er: „Herr, mein Gott, wenn es dich gibt, so lass mich dich erkennen.“

Eines Tages traf ihn in dieser Kirche das Licht der Gnade. Charles de Foucauld begegnete hier seinem bekannten Priester, Abbé Huvelin. Als er ihm gerade sagen wollte: „Ich kann nicht glauben“, sagte ihm der Priester: „Knie dich nieder und beichte – und dann kommuniziere!“

Charles de Foucauld legte eine Lebensbeichte ab. Bei diesem Schuldbekenntnis erfuhr er die Umkehr. Er begann an Gott zu glauben. Es war ihm sofort klar, dass er von nun an lediglich für Gott leben wollte. „Wenn Freude ist im Himmel angesichts seinessreuigen Sünders, der sich bekehrt, dann hat es sie gegeben, als ich diesen Beichtstuhl betrat. Von diesem Tag an war mein ganzes Leben nichts als eine Kette von Segnungen: Das Gebet, die heilige Lesung,

der häufige Empfang der heiligen Kommunion, die häufige Beichte, die immer eingehendere Seelenführung ließen in mir das Verlangen nach dem klösterlichen Leben aufkeimen.“ In dem Verlangen, von nun an Christus radikal nachzufolgen, betete Charles de Foucauld: „Herr, was soll ich tun?“ Er hörte in seinem Herzen die Stimme Gottes. Komm und sieh!“

Der geistliche Weg

Auf den Rat von Abbé Huvelin hin unternahm Charles de Foucauld eine Pilgerfahrt ins Heilige Land. Nach seiner Rückkehr trat er im Alter von 32 Jahren in die Trappistenabtei Notre-Dame-de-Neige ein. Der ehemalige Offizier und Forscher trug jetzt die Kutte eines Trappisten und hieß nun Bruder Alberich. Nach sechs Monaten durfte er mit Erlaubnis des Abtes in das in Syrien neugegründete Trappistenkloster „Sacré Coeur“ ziehen, das bei Akbés inmitten öder Berge lag. Sieben Jahre lebte er in diesem armseligen Barackenkloster nach den strengen Regeln der „Schweigenden Mönche“, und seine Mitbrüder bewunderten ihn: „Er lebte von einem Nichts. Er schlief nur zwei Stunden. Er wachte bis Mitternacht in einer kleinen Kapelle der Krankenstation, von wo aus man das Allerheiligste sehen konnte. Um Mitternacht legte er sich ein wenig nieder und war um 2 Uhr mit der Klostergemeinschaft im Chor“. In dieser Zeit schrieb er an seine Cousine: „Mein Leben ist sehr fromm, es ist sehr streng, und doch: Es ist nicht ganz die Armut, die ich suche, nicht die Niedrigkeit, die ich erträumt hatte.“

Charles de Foucauld fühlte sich zu einer anderen Lebensform berufen, er wollte noch ärmer und mitten unter den Ärmsten der Armen leben. Sein Leitbild war das verborgene Leben Jesu in Nazaret. Charles de Foucauld legte dem Generalabt der Trappisten seine Berufung zu einer größeren Armut dar. Der Generalabt unterzog Bruder Alberich einer harten Prüfung, die von ihm totalen Gehorsam verlangte, dann aber waren seine Oberen sicher, dass die Demut Chales de Foucaulds nicht mit Stolz oder Ehrgeiz vermischt war, dass er nicht seinen eigenen Willen, sondern den Willen Gottes suchte und dass er eine besondere Berufung hatte. Deshalb lösten sie ihn von den Bindungen an den Trappistenorden. Mit dem Segen seiner Oberen verließ Foucauld im März des Jahres 1897 die Trappisten, um seiner Berufung zu folgen.

Die Reifung in Nazaret

Foucauld, der sich jetzt „Bruder Charles von Jesus“ nannte, ging nach Nazaret, um dort ein Leben in der Verborgenheit zu führen. Sein großer Wunsch war es: „Jesus so nahe wie möglich sein!“ Der Tabernakel wurde zum Magnet seines Lebens. In einem Klarissenkloster arbeitete er drei Jahre als Hausbursche, Sakristan und Gärtner. An seine Cousine schrieb er: „Was ich suchte, hat Gott mich hier finden lassen: Armut, Einsamkeit und Verborgenheit.“

Einsiedler in der Sahara

Im Jahre 1900 fuhr Charles de Foucauld nach Frankreich und wurde ein Jahr später, am

9. Juni 1901 mit 43 Jahren in Viviers zum Priester geweiht. Sein Ziel änderte sich nicht: „Das Leben Jesu von Nazareth leben“, aber jetzt in der Sahara. Er erhielt vom Bischof die Erlaubnis, sich in Beni Abbés niederzulassen. So trieb ihn der Geist Gottes für die restlichen 15 Jahre in die Wüste .

Vor seiner Abreiste hat Foucauld seine Pläne in einem Brief an seine Schwester zusammengefasst: „Ich gehe in den Süden der Provinz Oran, an die marokkanische Grenze zu einer der französischen Garnisonen, die keinen Priester hat. Das Ziel ist ein Doppeltes:

Erstens: Zu verhindern, dass unsere Soldaten an diesen Orten, wo viele dem Fieber erliegen, ohne die Sakramente sterben.

Zweitens: Vor allem der so zahlreichen und so vernachlässigten moslemischen Bevölkerung so viel Gutes wie möglich zu tun, indem ich ihnen Jesus bringe in Gestalt der Eucharistie, so wie Maria Johannes den Täufer segnete, indem sie ihm Jesus brachte“.

Am 15. Oktober 1901 nahm Bruder Charles in Algier den Zug nach Oran und Ain-Sefra. Dort wurde er von dem französischen General, der dieses Gebiet befehligte, feierlich empfangen. Er musste ein Pferd und eine kleine Eskorte bis nach Beni Abbés annehmen. Er erreichte die Oase nahe der marokkanischen Grenze am 28. Oktober. Die französische Garnison bestand aus 800 Mann, darunter 200 Franzosen. Beni Abbés ist mit 6000 Palmen die größte Oase des Gebietes, das Saura heißt. Im Westen erstreckt sich eine Steinwüste, im Osten die Sandwüste. Foucauld lässt sich in einem kleinen Seitental nieder. Die Garnison hilft ihm aus Palmenstämmen und getrockneten Backsteinen seine Eremitage zu errichten, eine Hütte mit drei Zellen, einer Gästekammer und einer kleinen Kapelle, in der er am 1. Dezember 1901 die erste heilige Messe feierte. In Beni Abbès zog er die Gandurah, das lange weiße Gewand der Landbevölkerung an und heftete darauf ein von einem Kreuz überragtes rotes Herz. Am Ledergürtel trug er den Rosenkranz. Gegen die Hitze der prallen Sonne schützte in die landesübliche Kapuze.

Die Gastfreundschaft und die Hilfsbereitschaft des seltsamen Einsiedlers, der sich selbst von Datteln und Brot ernährte, sprach sich bald herum, und er wurde täglich von cirka 70 bis 80 Besuchern, Armen, Kranken, Kindern, Sklaven, Bettlern, Durchreisenden oder von französischen Soldaten in Anspruch genommen.

So führte Bruder Charles in Beni Abbès ein Leben des Gebetes, der Arbeit und der Nächstenliebe. Er war bleichzeitig Einsiedler und Bruder aller. Ein hoher französischer Offizier berichtete von der heiligen Messe, die er in der Lehmkapelle mitfeierte: „Angesichts dieses Altares, der ein schlichter weißer Holztisch war, dieser Priestergewänder aus grobem Stoff, dieses Kruzifixes und der Zinnleuchter, angesichts dieser großen Ärmlichkeit, aber auch angesichts dieses Priesters, der mit so glühender Hingabe das Opfer darbrachte, dass davon der ganze Raum erfüllt war, überkam uns alle eine fromme Ergriffenheit, ein Gefühl von Größe, wie wir es im selben Maße in den herrlichsten Kathedralen bei aller Prachtentfaltung nie empfunden hatten.“

Der Einsiedler und Missionar

Charles de Foucauld verstand sich als Mönch und Missionar, der den Menschen in der Sahara Christus und seine Botschaft bringen wollte. Er wusste um die großen Hindernisse und Schwierigkeiten, die diesem Ziel durch den Islam entgegenwirkten. Im Schweigen der Wüste wollte er ein bescheidenes, aber vernehmbares Zeugnis für das Evangelium ablegen. Sein Programm waqr klar und einfach: „Liebe, brüderliche, universale Liebe, die den letzten Bissen Brot mit jedem Armen, jedem Gast, jedem Unbekannten teilt.“ Schon sehr bald nannten ihn die Bewohner ihren „Bruder“, seine Hütte die „Bruderschaft“. Sein Verlangen war es, allen alles zu werden. Für die Zukunft hatte er große Gedanken und Erwartungen, die er aber ganz in den Willen Gottes und seiner Vorsehung legte: Er erhoffte kleine, einfache Einsiedeleien mit einigen armen Mönchen, die sich einfach ernährten und sich der Buße und Anbetung des Sakramentes widmeten, die nicht predigten, aber allen Gastfreundschaft gewährten, Muslimen und Christen, um so das Evangelium auszustrahlen.

Zum Pfingstfest, am 31. Mai 1903 bekam Bruder Charles in Beni Abbés den Besuch seines Bischofs Monsignore Guérin. Der Besuch des Bischofs der Sahara war für ihn ein wahres

Pfingsten, ein Fest der Freude und des Trostes. Im Gespräch forderte ihn der Bischof auf, sich noch stärker der Evangelisierung der islamischen Welt zu widmen. In seiner Antwort zeigt Bruder Charles einen realistischen Missionsgeist, der für seine Zeit revolutionär war: „Die Tätigkeit eines Verkündigers der Frohbotschaft in islamischen Ländern kann nicht darin bestehen, sich bloß der Kinder (Schulen etc.) anzunehmen, vielmehr ist es nötig, sich um die Bekehrung der Erwachsenen zu kümmern. So machte es der heilige Paulus, so machten es die Apostel. Nur so wird die Aussaat des Evangeliums auch bei den Kindern Früchte tragen“. Die Evangelisierung der Erwachsenen sollte nach Bruder Charles mit viel Gebet und Geduld auch in kleinen Schritten erfolgen: „durch liebevolle Gespräche, die sich nur auf Gott und die natürliche Religion beziehen.“ Wichtig erschien ihm dazu auch die Erziehung der Einwohner zur Arbeit. Das Verständnis für die Arbeit könnte durch das Beispiel „guter und armer Mönche, die mit ihren Händen arbeiten, die das Leben Jesu von Nazareth leben“, geweckt werden.

Zur Evangelisierung würden aber auch andere Missionare gebraucht „die beständig unterwegs sind, an jedem Ort einige Tage zubringen, sich also häufig sehen lassen, mit dem einen wie mit den anderen Gespräche führen und sie so mit dem christlichen Geist bekannt machen, ihn nach und nach einwirken lassen – die natürlichen Wahrheiten zuerst, die anderen danach“.

Wie sehr Bruder Charles sich als Missionar wusste, zeigt sein klares Wort: „Sie fragen, ob ich bereit sei für die Ausbreitung des Evangeliums Beni Abbés zu verlassen: Ja, dazu bin ich bereit bis ans Ende der Welt zu gehen und bis zum Jüngsten Tag zu legen.“

Nach der Abreise von Bischof Guérin fühlt sich Bruder Charles sehr allen. Er schrieb dem Bischof: „Ich habe mich zum erstenmal seit vielen Jahren allein gefühlt, als Sie am Montag Abend allmählich im Dunkel verschwanden“. Nach diesem Besuch machte sich Bruder Charles mit noch größerem Eifer daran, nach konkreten Mitteln zu suchen, um den Menschen in der Sahara Christus zu bringen.

Unter den Tuareg

1904 verließ Bruder Charles Beni Abbés und zog noch tiefer ins Innere der Sahara, nach Tamanrasset, ins Herz des Hoggargebirges, einer kahlen und phantastischen Mondlandschaft, in der die Tuareg wohnen: reinblütige Berber, ein stolzer und edler Stamm, bei dem die Männer dunkelblaue Schleier tragen. Hier baute er aus Steinen und Schlamm eine zweite Eremitage. Bruder Charles vertiefte sich in das Tamaschek, in die reiche Sprache der Tuareg, um auch ihnen ganz nahe zu kommen.

Für die Tuareg, denen er half, wo er nur konnte, war Bruder Charles bald der „Marabout“, wie Muslime Einsiedler und Heilige nennen. Und Bruder Charles sah in den Tuareg „Waisen und verlassene Kinder“, die weder ihren Vater im Himmel, noch ihren Erlöser und Heiland Jesus Christus kennengelernt haben. Sie kenne weder sein Leben, noch seine Botschaft. Das, was Muslime im allgemeinen über die Lehre des Christentums und über Jesus Christus im besonderen hören ist falsch und stammt zumeist aus dem Koran, aus Erzählungen ihrer Familie und Verwandtschaft und erfüllt sie Christen gegenüber mit Misstrauen und Abneigung.

Bruder Charles war sich bewusst, dass zunächst das Misstrauen abgebaut werden muss, bevor man überhaupt miteinander über religiöse Themen sprechen kann. Das aber benötigt eine lange Zeit, viel Gebet und den Einsatz aller Kräfte.

Deshalb betonte er einmal: „Christus ist für jeden von ihnen gestorben. Welche Verpflichtung haben wir Seelen gegenüber, die mit Jesu Blut erkauft sind! Ich muss mein Bestes für die Seelen dieser Menschen hergeben und mich selbst völlig vergessen.“ Und in der Tat, seine natürliche, herzliche Freundlichkeit und seine Milde öffneten Bruder Charles die Herzen der Tuareg und vertieften zunehmend das Vertrauen zu seiner Person.

Sein Leben wurde unausgesprochen zu einem anschaulichen Kommentar des Evangeliums. Die Übereinstimmung von seinem Wort und seinen Taten und auch die Bereitschaft, jeden Menschen, so wie er eben ist, anzunehmen und zugleich ernst zu nehmen, weckten und förderten bei den Tuareg das Vertrauen.

Die Aufgabe eines jeden Christen, besonders des Priesters und Ordenschristen, ist es, dem Sendungsauftrag des Herrn zu gehorchen: „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“. (Mt 28, 18-20)

Bruder Charles bemühte sich durch beständiges Gebet, durch eine große selbstlose Liebe, den Wüstenbewohnern Christus sichtbar und erfahrbar zu machen. Natürlich wusste er um die großen Gegensätze zwischen Christentum und Islam; denn der islamische Monotheismus stellt sich nicht nur dem heidnischen Polytheismus, sondern auch dem christlichen Dreieinigkeitsglauben radikal entgegen und bekämpft beide als falschen Glauben, als Aberglauben und damit als Ungehorsam gegen Allahs Willen.

Die Bemühungen von Bruder Charles um die Tuareg und alle Menschen, die seine Eremitage aufsuchten, lassen sich so zusammenfassen: Durch seine Freundlichkeit, durch sein frommes und gütiges Wesen, seine Gastfreundschaft, durch sein Vertrauen, das er den Menschen auf vielfältige Weise entgegenbrachte, weckte er Vertrauen, entwickelte er Ansätze des Vertrauens weiter, stärkte es und weitete es aus. Sein Vertrauen war auf Gott gegründet; es schien unerschütterlich zu sein, auch angesichts großer Schwierigkeiten.

Zum Vertrauen auf Gott, zur Gottes- und Nächstenliebe wollte Bruder Charles die Menschen hinführen. Was die Menschen an diesem Eremiten wahrnahmen und bewunderten, ohne es zu kennen, war seine bedingungslose Nachfolge Jesu. Bruder Michael, der drei Monate sein Gefährte war, schrieb: „Das Gebet war sein höchstes Glück: es war wahrhaftig Leben und Odem seiner Seele. Den größten Teil seiner Tage und Nächte verbrachte er kniend vor dem Allerheiligsten,, anbetend, bittend, dankend, sühnend.“

Bekehrung ist Gnade und muss erbeten werden! Bruder Charles sah seinen Weg und sein Tun nicht als eine Methode zur Bekehrung der Menschen an. Er wollte nur Werkzeug sein, Christi Liebe und Botschaft leben und bezeugen und im übrigen darauf vertrauen, dass Gott sein Werk durch das Wirken des Heiligen Geistes tun wird.

Der demütige Ratgeber

Fortan pendelte Bruder Charles zwischen beiden Stationen als Wandermissionar, in der Wüste eines Landes, die vor ihm noch kein katholischer Priester betreten hatte und wo Gewalt und Sklaverei herrschten.

Anlässlich von Jahresexerzitien notierte Bruder Charles: „Wie Jesus, Maria und Joseph im Heiligen Haus in Nazareth mit Sanftmut, Demut, in Niedrigkeit und Liebe den anderen dienen. Die Wäsche der Armen waschen (besonders am Gründonnerstag) und ihr Zimmer regelmäßig, wenn irgend möglich selber reinigen. Soviel wie möglich die niedrigste Hausarbeit selber tun und sie keinem anderen überlassen; die für die Eingeborenen bestimmten Räume sauber halten; alle Dienste auf mich nehmen und Jesus ähnlich werden, der unter den Aposteln war wie jener, der dient…“

Die Folge der großen Wertschätzung und Anerkennung war ein sehr enges Vertrauensverhältnis zwischen Bruder Charles und seinen muslimischen Freunden. Öfters wurde er zum Schlichter in Streitfällen bestellt.

Ein französischer Offizier beschreibt eine solche Situation: „Er stand vor der Pforte, ein wenig zur Erde gebeugt, gekleidet in Weiß. Vor ihm in der ersten Reihe zwei riesige Tuareg, in Schwarz gekleidet, das Gesicht durch den Schleier verhüllt, in zeremonieller Kleidung, das Schwert an der Seite, den Dolch am linken Arm, die Lanze in der rechten Hand. Hinter ihnen andere Tuareg. Es handelte sich um den Diebstahl von Kamelen und um die Schläge, die ein Neger, der Sklave des Besitzers und Hüter der Herde, erhielt. Der eine klagte an, der andere leugnete…“

Der Diebstahl von Kamelen gehört zu den größten Vergehen bei den Tuareg. Wenn man das raue Leben, die Sitten dieser Wüstenbewohner und dazu die islamische Schariat-Gesetze aus dem Koran bedenkt, wird man erst die schwierige Situation von Bruder Charles als Schlichter erkennen, aber auch das große Vertrauen auf seine Hilfe, um aus der verfahrenen Situation, womöglich unbeschadet, herauszukommen.

Der Koran lehrt in Sure 5,38, dass man einem Dieb die Hand abhacken soll: „Wenn ein Mann oder eine Frau einen Diebstahl begangen hat, dann haut ihnen die Hand ab! (Das geschehe ihnen) zum Lohn für das, was sie begangen haben und als abschreckende Strafe von Seiten Allahs. Allah ist mächtig und weise.“

Dieses unbegreiflich harte Gesetz wird durch viele Stellen der Hadithen (= überlieferte Traditionen aus dem Leben Mohammeds) untermauert, aus denen hervorgeht, dass Mohammed selbst diese Strafe des Handabhackens angewandt und auf Anweisung Allahs vorgeschrieben hat. In allen Fällen, die in den Hadithen überliefert sind, wurde den Dieben keine Vergebung gewährt. Reue und freiwillige Rückerstattung sowie der Entschluss, niemals wieder zu stehlen, konnten die angeklagte Person nicht von der Strafe des Handabhackens bewahren. Bereits bei einem Geldwert, der einen Viertel-Dinar überstieg, wurde das Abhacken einer Hand angeordnet.

Für Christen, eigentlich für jeden denkenden Menschen ist ein solches Vorgehen unvorstellbar und unbegreiflich, denn gerade die Hand des Menschen ist ein göttliches Meisterwerk. Natürlich sind auch alle anderen Sinnesorgane wichtig für uns – was wären wir ohne Augen, Ohren, ohne Nase und Zunge? In seiner Freigebigkeit hat uns der Schöpfer so wunderbar vielfältig ausgestattet. Aber in gewisser Hinsicht kann doch die Hand als unser allerwichtigstes Sinnesorgan bezeichnet werden.

Das Abhacken der von Gott erschaffenen Hand kann niemals vom Schöpfer angeordnet sein. Diese Bestrafung behindert den Dieb für sein ganzes verbleibendes Leben, gefährdet seine Chancen, sich und seine Familie redlich zu ernähren. Um die elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, kann ihn gerade dieses Gebrechen zu einem neuen Diebstahl zwingen. Welch

eine Ironie! Ist der Befehl zum Handabhacken, wie der Koran es verlangt, mit der Gerechtigkeit des allwissenden Allahs vereinbar? Das Fehlen der Hand verkündet immer und überall: „Der da ist ein Dieb.“. Zu der extrem schweren Behinderung kommt noch die Schmach, die das Opfer nie mehr loswerden kann, die sich in seine Seele, in sein Gemüt tief hineinfrisst. Eine lebenslang andauernde Folter!

Der christliche Glaube lehrt, dass Gott nicht den Tod des Sünders will, sondern dass er sich bekehre und lebe. Gott ist ein verzeihender Gott. Jesus sagt: „Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, dann wird euer himmlischer Vater auch euch vergeben.“ Auch Paulus schreibt: „Ertragt euch gegenseitig und vergebt einander, wenn einer dem andern etwas vorzuwerfen hat. Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr.“ (Kol 3,13)

Von dieser vergebenden Liebe war Bruder Charles geprägt, er wollte Versöhnung, Liebe und Frieden den Menschen bringen. Und das haben die Tuareg gespürt. Dieser christliche „Marabout“ ist ein Mann des Gebetes, er lebt aus einem anderen Gesetz, aus der Liebe Gottes. Die muslimischen Streitparteien hatten das Vertrauen, dass Bruder Charles für sie richtig entscheiden würde. Es wurde ihm generell die Fähigkeit zugeschrieben, den wahren Sachverhalt zu erkennen und mit Autorität das Gute zu gebieten und das Böse zu verbieten. Sie waren sicher, dass er nicht nach ihren herkömmlichen, oft grausamen Gepflogenheiten, entscheiden, sondern sie miteinander versöhnen und ihnen eine neue Chance des Miteinanders ermöglichen würde.

Reflektiert man diese Beziehungsgeschichte, dann tritt ein scheinbares Paradox zutage: Bruder Charles hat nie interreligiöse Gespräche geführt oder organisiert. Hier zeigt sich jedoch eine tiefe Kommunikation im Glauben, in der es höchst konkret um das Rechtsein des Menschen vor Gott und dem Nächsten geht. Es ist eine Kommunikation, die tiefe Gläubigkeit voraussetzt und zu vertiefter Gläubigkeit führt. Es isst eine Kommunikation im Leben, durch das Gebet: „Ich sehe keine andere Pflicht, als für sie zu beten, ihre Liebe zu erringen, ihnen gelegentlich mit Vorsicht gute Ratschläge zu geben. Das sit sehr wenig, mehr kann man jetzt nicht tun.“

Durch seine Gegenwart wurden die Tuareg mit einem Christen und vor allem mit dem katholischen Priester, Bruder Charles, vertraut. Seltsam: Dieser schweigsame und betende Priester wurde zum Freund, zu einem geistigen Führer der Tuareg, der für den Fürsten des Hoggar, Moussa Ag Amastane, eine Lebensregel nach dem Dekalog festsetzte.

Das Weizenkorn, das in die Erde fällt…

Ob Bruder Charles ahne, dass er bald sterben würde und welcher Tod ihn erwartete? Er schrieb nämlich in sein Tagebuch: „Stell dir vor, dass du als Märtyrer sterben darfst, von allem entblößt, niedergestreckt auf dem Boden, nackt, verunstaltet, mit Blut und Wunden bedeckt, gewaltsam und schmerzhaft getötet.“

Am Freitag, dem 1. Dezember 1916, war Bruder Charles bei Einbruch der Nacht innerhalb seiner Einsiedelei allein, als ihn zwei aufständische Rebellen der Senoussi, einer fanatischen islamischen Sekte, überfielen, seine Arme von hinten an die Knöchel fesselten und ihn erschossen. Bruder Charles stirbt: ermordet von einem jener Menschen, für die er sein Leben dargeboten hatte.

Ein französischer Journalist, dem man vom Lebens des Einsiedlers der Sahara erzählte, fragte: „Wozu hat denn sein Leben gedient?, War sein Leben nicht erfolglos? Keine Bekehrungen, keine Jünger! Welche Spuren hat er in der Wüste hinterlassen?“

Doch 17 Jahre nach seinen Tod folgten viele „Kleine Brüder Jesu“ und „Kleine Schwestern Jesu“ der Ordensregel, die Charles de Foucauld schon zu seinen Lebzeiten für alle jene verfasst hatte, die sein Leben der radikalen Armut teilen würden.

Am 13. November 2005 wrude in Rom Charles de Foucauld selig gesprochen.

Mein Vater,

ich überlasse mich dir;

mach mit mir, was dir gefällt.

Was du auch mit mir tun magst,

ich danke dir.

Zu allem bin ich bereit, alles nehme ich an.

Wenn nur dein Wille sich an mir erfüllt

Und an allen deinen Geschöpfen,

so ersehne ich weiter nichts, mein Gott.

In deine Hände lege ich meine Seele.

Ich gebe sie dir, mein Gott,

mit der ganzen Liebe meines Herzens,

weil ich dich liebe

und weil diese Liebe mich treibt,

mich dir hinzugeben,

mich in deine Hände zu legen,

ohne Maß, mit einem grenzenlosen Vertrauen.

Denn du bist mein Vater.

Charles de Foucauld