Georg Trakl ist einer der bedeutendsten Vertreter des österreichischen Expressionismus. Seine Gedichte sind geprägt von Schwermut, Trauer und der Suche nach Gott. Tod, Verfall und der Untergang des Abendlandes sind zentrale Themen seiner Lyrik. Herbst und Nacht bilden die Leitmotive seiner Dichtung, voller Symbole und Metaphern.

The picture on the right is Grete Trakl, Georg's sister.

Lebenslauf

Georg Trakl wurde am 3.2.1887 als Sohn eines Eisenhändlers in Salzburg geboren. Während seines Pharmaziestudiums in Wien begann er Gedichte zu publizieren und schloß 1910 die akademische Ausbildung ab; anschließend lebte er in Innsbruck. Im 1. Weltkrieg diente Trakl als Sanitätsfähnrich. Zerbrochen am Leiden seiner Zeit, wählte er Anfang November 1914 im Lazarett von Krakau den Freitod durch eine Überdosis Kokain.

Hier sind einige seiner Gedichte:

Der Herbst des Einsamen

Der dunkle Herbst kehrt ein voll Frucht und Fülle,

Vergilbter Glanz von schönen Sommertagen.

Ein reines Blau tritt aus verfallner Hülle

Der Flug der Vögel tönt von alten Sagen.

Gekeltert ist der Wein, die milde Stille

Erfüllt von leiser Antwort dunkler Fragen.

Und hier und dort ein Kreuz auf ödem Hügel;

Im roten Wald verliert sich eine Herde.

Die Wolke wandert übern Weiherspiegel;

Es ruht des Landmanns ruhige Gebärde.

Sehr leise rührt des Abends blauer Flügel

Ein Dach von dürrem Stroh, die schwarze Erde.

Bald nisten Sterne in des Müden Brauen;

In kühle Stuben kehrt ein still Bescheiden

Und Engel treten leise aus den blauen

Augen der Liebenden, die sanfter leiden.

Es rauscht das Rohr; anfällt ein knöchern Grauen,

Wenn schwarz der Tau tropft von den kahlen Weide.

Verklärter Herbst

Gewaltig endet so das Jahr

Mit goldnem Wein und Frucht der Gärten.

Rund schweigen Wälder wunderbar

Und sind des Einsamen Gefährten.

Da sagt der Landmann: Es ist gut.

Ihr Abendglocken lang und leise

Gebt noch zum Ende frohen Mut.

Ein Vogelzug grüßt auf der Reise.

Es ist der Liebe milde Zeit.

Im Kahn den blauen Fluß hinunter

Wie schön sich Bild an Bildchen reiht -

Das geht in Ruh und Schweigen unter.

Traum des Bösen

Verhallend eines Sterbeglöckchens Klänge -

Ein Liebender erwacht in schwarzen Zimmern,

Die Wang' an Sternen, die im Fenster flimmern.

Am Strome blitzen Segel, Masten, Stränge.

Ein Mönch, ein schwangres Weib dort im Gedränge.

Guitarren klimpern, rote Kittel schimmern.

Kastanien schwül in goldnem Glanz verkümmern;

Schwarz ragt der Kirchen trauriges Gepränge.

Aus bleichen Masken schaut der Geist des Bösen.

Ein Platz verdämmert grauenvoll und düster;

Am Abend regt auf Inseln sich Geflüster.

Des Vogelfluges wirre Zeichen lesen

Aussätzige, die zur Nacht vielleicht verwesen.

Im Park erblicken zitternd sich Geschwister.

Klage

Schlaf und Tod, die düstern Adler

Umrauschen nachtlang dieses Haupt:

Des Menschen goldnes Bildnis

Verschlänge die eisige Woge

Der Ewigkeit. An schaurigen Riffen

Zerschellt der purpurne Leib

Und es klagt die dunkle Stimme

Über dem Meer.

Schwester stürmischer Schwermut

Sieh ein ängstlicher Kahn versinkt

Unter Sternen,

Dem schweigenden Antlitz der Nacht.

Im Winter

Der Acker leuchtet weiß und kalt.

Der Himmel ist einsam und ungeheuer.

Dohlen kreisen über dem Weiher

Und Jäger steigen nieder vom Wald.

Ein Schweigen in schwarzen Wipfeln wohnt.

Ein Feuerschein huscht aus den Hütten.

Bisweilen schnellt sehr fern ein Schlitten

Und langsam steigt der graue Mond.

Ein Wild verblutet sanft am Rain

Und Raben plätschern in blutigen Gossen.

Das Rohr bebt gelb und aufgeschossen.

Frost, Rauch, ein Schritt im leeren Hain.


Grodek

2. Fassung

Am Abend tönen die herbstlichen Wälder

Von tödlichen Waffen, die goldnen Ebenen

Und blauen Seen, darüber die Sonne

Düstrer hinrollt; umfängt die Nacht

Sterbende Krieger, die wilde Klage

Ihrer zerbrochenen Münder.

Doch stille sammelt im Weidengrund

Rotes Gewölk, darin ein zürnender Gott wohnt

Das vergoßne Blut sich, mondne Kühle;

Alle Straßen münden in schwarze Verwesung.

Unter goldnem Gezweig der Nacht und Sternen

Es schwankt der Schwester Schatten durch den schweigenden Hain,

Zu grüßen die Geister der Helden, die blutenden Häupter;

Und leise tönen im Rohr die dunkeln Flöten des Herbstes.

O stolzere Trauert ihr ehernen Altäre

Die heiße Flamme des Geistes nährt heute ein gewaltiger Schmerz,

Die ungebornen Enkel.

Im Schnee

NACHTERGEBUNG 1. Fassung

Der Wahrheit nachsinnen -

Viel Schmerz!

Endlich Begeisterung

Bis zum Tod.

Winternacht

Du reine Mönchin!

Blutschuld

Es dräut die Nacht am Lager unsrer Küsse.

Es flüstert wo: Wer nimmt von euch die Schuld?

Noch bebend von verruchter Wollust Süße

Wir beten: Verzeih uns, Maria, in deiner Huld!

Aus Blumenschalen steigen gierige Düfte

Umschmeicheln unsere Stirnen bleich von Schuld.

Ermattend unterm Hauch der schwülen Lüfte

Wir träumen: Verzeih uns, Maria, in deiner Huld!

Doch lauter rauscht der Brunnen der Sirenen

Und dunkler ragt die Sphinx vor unsrer Schuld,

Daß unsre Herzen sündiger wieder tönen,

Wir schluchzen: Verzeih uns, Maria, in deiner Huld!

Nachts

Die Bläue meiner Augen ist erloschen in dieser Nacht,

Das rote Gold meines Herzens. O! wie stille brannte das Licht.

Dein blauer Mantel umfing den Sinkenden;

Dein roter Mund besiegelte des Freundes Umnachtung.

Das tiefe Lied

Aus tiefer Nacht ward ich befreit.

Meine Seele staunt in Unsterblichkeit,

Meine Seele lauscht über Raum und Zeit

Der Melodie der Ewigkeit!

Nicht Tag und Lust, nicht Nacht und Leid

Ist Melodie der Ewigkeit,

Und seit ich erlauscht die Ewigkeit,

Fühl nimmermehr ich Lust und Leid!

Kaspar Hauser Lied

Er wahrlich liebte die Sonne, die purpurn den Hügel hinabstieg,

Die Wege des Walds, den singenden Schwarzvogel

Und die Freude des Grüns.

Ernsthaft war sein Wohnen im Schatten des Baums

Und rein sein Antlitz.

Gott sprach eine sanfte Flamme zu seinem Herzen:

O Mensch!

Stille fand sein Schritt die Stadt am Abend;

Die dunkle Klage seines Munds:

Ich will ein Reiter werden.

Ihm aber folgte Busch und Tier,

Haus und Dämmergarten weißer Menschen

Und sein Mörder suchte nach ihm.

Frühling und Sommer und schön der Herbst

Des Gerechten, sein leiser Schritt

An den dunklen Zimmern Träumender hin.

Nachts blieb er mit seinem Stern allein;

Sah, daß Schnee fiel in kahles Gezweig

Und im dämmernden Hausflur den Schatten des Mörders.

Silbern sank des Ungebornen Haupt hin.