Friedrich Hölderlin (1770-1843) wurde am 20.3.1770 in Lauffen am Neckar geboren Sein Vater war ein Klosterpfleger, die Mutter Pastorentochter. Er erhielt eine pietistische Erziehung durch Mutter Großmutter und Tante. Bis 1784 besuchte er Schulen in Nürtingen und Denkendorf. Da er von den Eltern zum Theologen bestimmt war, besuchte er das Seminar in Maulbronn, von 1788 bis 1793 studierte er am Theologischen Seminar in Tübingen. Hölderlin war mit Hegel und Schelling befreundet.

Er hatte eine wachsende Abneigung gegen den Pfarrerberuf und wurde 1793/94 auf Empfehlung von Schiller Hauslehrer bei Charlotte von Kalb in Waltershausen, Thüringen. 1794 besuchte er die Universität in Jena. Er erhielt 1796 eine Stelle als Hauslehrer bei dem Frankfurter Bankier Gontard. Die schwärmerische Liebe zu dessen Gattin Susette (die von dieser erwidert wurde) endete, weil Gontar die Trennung der beiden erzwang.

1797 Begegnung mit Goethe. 1800 Stuttgart und Nürtingen. 1802 Hauslehrer in der Schweiz. 1802 in Bordeaux; 1802-1804 völlig zerrüttet und krank bei seiner Mutter. 1804 durch Vermittlung von Isaac von Sinclair, einem langjährigen Freund, Bibliothekar in Homburg.

1806 Heilanstalt Tübingen; seit 1808 in geistiger Umnachtung, seit 1807 in Pflege des Tischlerehepaares Zimmer, wo er bis zu seinem Tode hindämmerte. Hölderlin starb am 7.6.1843 in Tübingen.


Gedichte


Wurzel alles Übels

Einig zu sein, ist göttlich und gut; woher ist die Sucht denn

Unter den Menschen, daß nur Einer und Eines nur sei?


Lebenslauf

Größers wolltest auch du, aber die Liebe zwingt

All uns nieder, das Laid beuget gewaltiger,

Doch es kehret umsonst nicht

Unser Bogen, woher er kommt.

Aufwärts oder hinab! herrschet in heil'ger Nacht,

Wo die stumme Natur werdende Tage sinnt,

Herrscht im schiefesten Orkus

Nicht ein Grades, ein Recht noch auch?

Diß erfuhr ich. Denn nie, sterblichen Meistern gleich,

Habt ihr Himmlischen, ihr Alleserhaltenden,

Daß ich wüßte, mit Vorsicht

Mich des ebenen Pfads geführt.

Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,

Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern',

Und verstehe die Freiheit,

Aufzubrechen, wohin er will.

Hälfte des Lebens

Mit gelben Birnen hänget

Und voll mit wilden Rosen

Das Land in den See,

Ihr holden Schwäne,

Und trunken von Küssen

Tunkt ihr das Haupt

Ins heilignüchterne Wasser.

Weh mir, wo nehm' ich, wenn

Es Winter ist, die Blumen, und wo

Den Sonnenschein,

Und Schatten der Erde?

Die Mauern stehn

Sprachlos und kalt, im Winde

Klirren die Fahnen.

Da ich ein Knabe war

Da ich ein Knabe war,

Rettet' ein Gott mich oft

Vom Geschrei und der Rute der Menschen,

Da spielt ich sicher und gut

Mit den Blumen des Hains,

Und die Lüftchen des Himmels

Spielten mit mir.

Und wie du das Herz

Der Pflanzen erfreust,

Wenn sie entgegen dir

Die zarten Arme strecken,

So hast du mein Herz erfreut,

Vater Helios ! und, wie Endymion,

War ich dein Liebling,

Heilige Luna !

Oh all ihr treuen

Freundlichen Götter !

Daß ihr wüßtet,

Wie euch meine Seele geliebt !

Zwar damals rief ich noch nicht

Euch mit Namen, auch ihr

Nanntet mich nie, wie die Menschen sich nennen

Als kennten sie sich.

Doch kannt ich euch besser,

Als ich je die Menschen gekannt,

Ich verstand die Stille des Aethers,

Der Menschen Worte verstand ich nie.

Mich erzog der Wohllaut

Des säuselnden Hains

Und lieben lernt ich

Unter den Blumen.

Im Arme der Götter wuchs ich groß.


Menschenbeifall

Ist nicht heilig mein Herz, schöneren Lebens voll,

Seit ich liebe? warum achtetet ihr mich mehr,

Da ich stolzer und wilder,

Wortereicher und leerer war?

Ach! der Menge gefällt, was auf den Marktplatz taugt,

Und es ehret der Knecht nur den Gewaltsamen;

An das Göttliche glauben

Die allein, die es selber sind.

Hyperions Schicksalslied

Ihr wandelt droben im Licht

Auf weichem Boden, selige Genien !

Glänzende Götterlüfte

Rühren euch leicht,

Wie die Finger der Künstlerin

Heilige Saiten.

Schicksallos, wie der schlafende

Säugling, atmen die Himmlischen;

Keusch bewahrt

In bescheidener Knospe,

Blühet ewig

Ihnen der Geist,

Und die seligen Augen

Blicken in stiller

Ewiger Klarheit.

Doch uns ist gegeben,

Auf keiner Stätte zu ruhn,

Es schwinden, es fallen

Die leidenden Menschen

Blindlings von einer

Stunde zur andern,

Wie Wasser von Klippe

Zu Klippe geworfen,

Jahr lang ins Ungewisse hinab.

An die Parzen

Nur Einen Sommer gönnt, ihr Gewaltigen !

Und einen Herbst zu reifem Gesange mir,

Daß williger mein Herz, vom süßen

Spiele gesättiget, dann mir sterbe.

Die Seele, der im Leben ihr göttlich Recht

Nicht ward, sie ruht auch drunten im Orkus nicht;

Doch ist mir einst das Heilige, das am

Herzen mir liegt, das Gedicht, gelungen,

Willkommen dann, o Stille der Schattenwelt !

Zufrieden bin ich, wenn auch mein Saitenspiel

Mich nicht hinab geleitet; Einmal

Lebt ich, wie Götter, und mehr bedarfs nicht.