Konzept des Arbeitskreis Awareness für die Demo des 8M-Bündnis am 08.März 2025
1. Was ist Awareness
Definition der Initiative Awareness:
Der englische Begriff ‚awareness‘ lässt sich mit Bewusstsein übersetzen. Im deutschsprachigen Raum steht der Begriff für eine Haltung und Praxis, die Diskriminierung und (sexualisierter) Gewalt entgegenwirkt und konsensbasiertes Handeln fördert.
Einerseits meint Awareness eine Struktur vor Ort, durch die Betroffene von Diskriminierung und Gewalt eine parteiliche Unterstützung erfahren. Gegebenenfalls können auch aufklärende Gespräche mit diskriminierenden oder gewaltausübenden Personen geführt werden. Die Basis dieser Arbeit bilden andererseits Prävention und Bildung: Veranstalter*innen, Besucher*innen, Personal und Künstler*innen bilden sich und tragen aktiv dazu bei, Gewalt und gesellschaftliche Strukturen der Ungleichheit abzubauen. Das bedeutet, dass alle an einer Veranstaltung beteiligten Personen Verantwortung für sich selbst und für den geteilten Raum übernehmen. Awareness hilft also dabei, einen bewussten Umgang mit eigenen Grenzen und Bedürfnissen zu finden und diese ebenso bei anderen wahrzunehmen und einzuhalten.
2. Minimalkonsens des Bündnis + Wertekompass
Da das 8M Bündnis aus vielen verschieden Gruppen mit teilweise verschiedenen Schwerpunkten besteht, haben wir uns auf den folgenden Minimalkonsens als Wertegrundlage geeinigt:
Wir sind ein Bündnis, das für alle kämpft, die vom Patriarchat betroffen sind und organisieren zum 8. März den feministischen Kampftag. Wir sind gegen Queer- und Transfeindlichkeit und lehnen das binäre Geschlechtersystem ab. Außerdem positioniert sich das Bündnis anti-kapitalistisch, anti-rassistisch, gegen Antisemitismus, anti-faschistisch und antikolonial und versucht Diskriminierungen in der eigenen Arbeit nicht zu reproduzieren. Dafür bemühen wir uns um einen diskriminierungssensiblen Umgang. Wir kämpfen gegen strukturelle Gewalt und Diskriminierung jeder Art.
Dabei sollen Barrieren abgebaut und Zugang zu feministischen Kämpfen ermöglicht werden.
Außerdem ist das Bündnis parteiunabhängig organisiert und sieht in der außerparlamentarischen Arbeit seine besondere Stärke.
Wir als Awareness-Arbeitskreis möchten folgende Empfehlungen zu geschlechtsdiversen Bezeichnungen aussprechen:
Wir sind ein Bündnis, das für alle kämpft, die vom Patriarchat betroffen sind,und meinen damit explizit alle FLINTA*-Personen, nicht nur Frauen. Die Abkürzung steht für Frauen, Lesben, inter*, nicht-binäre*, trans* und agender* Personen und das Sternchen für weitere, nicht explizit genannte Personen, die sich der Gruppe zugehörig fühlen. FLINTA* haben gemeinsam, dass sie von verschiedenen Formen von Sexismus betroffen sind. Das Sternchen zeigt zum einen die geschlechte Vielfalt der einzelnen genannten Geschlechtsidentitäten, zum anderen aber auch, dass die Aufzählung nicht alle von Sexismus betroffenen Geschlechtsidentitäten explizit benennt. Weil die Verwendung des Begriffs "Frauen*" als Synonym für FLINTA*-Personen Ausschlüsse produziert und diskriminierend ist, empfehlen wir,den FLINTA*-Begriff zu verwenden, wenn diese auch gemeint sind.
3. Arbeitsweise und Vorgehen des 8M Awareness-Teams
3.1 Interventionsarbeit
Als Arbeitskreis 8M haben wir uns speziell für die Demonstration zum feministischen Kampftag am 8.März zusammengeschlossen und wir sehen dort auch unseren Wirkungsbereich. Wir haben begrenzte Kapazitäten und können daher keine Präventions- oder Bildungsarbeit leisten. Unser Fokus liegt daher vor allem auf der Intervention bei konkreten Anliegen, die an das Awareness-Team auf der Demo herangetragen werden oder die wir selbst mitbekommen.
Da die Demo im öffentlichen Raum stattfindet, ist es nicht möglich, einen Safer Space anzubieten. Die Personen unseres Awareness-Teams geben ihr bestes, für Teilnehmende der Demo während Start- und Abschlusskundgebung sowie während des Demozugs sichtbar und ansprechbar zu sein.
3.2. Proaktivität
Grundsätzlich geht es nicht um Wahrheitsfindung, sondern darum, die individuelle Erfahrung Betroffener in einer Situation anzuerkennen und diese zu unterstützen. Situationen können welche sein, die vom Awareness Team selbst beobachtet werden, die von anderen Personen beobachtet und dem Awareness-Team gemeldet werden und/oder Situationen, bei denen betroffene Personen selbst um Hilfe bitten. Dadurch beschreiben wir unseren Umgang mit Situationen als ein achtsam proaktives Vorgehen. Hierbei bleibt das Prinzip der Deutungshoheit bzw. Definitionsmacht in jeder Situation bestehen, d.h. die betroffene Person bestimmt zu jedem Zeitpunkt darüber, wie sie die Situation erlebt, ob sie Unterstützungsbedarf hat sowie über potentiell weitere Handlungsmöglichkeiten.
3.3 Parteilichkeit
Die betroffene Person kann darauf vertrauen, dass wir auf auf Seiten der betroffenen Person sind. Wir richten uns nach den Entscheidungen, Bedürfnissen und Wünschen dieser Person.
3.4 Definitionsmacht
Das individuelle Wahrnehmen und Erleben von Situationen wird anerkannt. Die betroffene Person hat die Macht darüber, wie eine Situation definiert wird. Dabei ist irrelevant, wie die Situation auf uns/Dritte gewirkt hat. Nimmt die betroffene Person eine Situation als grenzüberschreitend, gewaltvoll oder diskriminierend wahr, wird dies nicht von uns in Frage gestellt.
3.5 Vertraulichkeit
Gewalt- und Diskriminierungserfahrungen sind gesellschaftlich noch immer stigmatisiert und können über das Erlebte selbst hinaus weitreichende Folgen haben. Sie können Ausschlüsse aus Gruppen erfahren, nicht mehr ernst genommen und ständig hinterfragt werden oder schlicht anders behandelt werden als zuvor. Deshalb ist es wichtig, dass betroffene Personen selbst entscheiden, welche Informationen an andere Personen weitergelangen.
3.6. Privilegien
Wenn wir Diskriminierung abbauen wollen, ist es wichtig, unsere Privilegien zu reflektieren. Privilegien sind unsichtbare und meist unverdiente Vorteile von dominanten Gruppen aufgrund der Zugehörigkeit zu bestimmten soziodemografischen Gruppen. Privilegien haben bedeutet, gesellschaftlichen Normen zu entsprechen oder die Norm definieren zu dürfen. Und oft auch zu bestimmen, was wichtig ist. Privilegien sind abhängig vom Kontext. Eine Person kann in bestimmter Hinsicht oder gegenüber bestimmten Personen privilegiert sein und dennoch in anderen Kontexten diskriminiert werden.
3.7. Transparenz
Unsere Werte und unser Awareness-Konzept sind öffentlich einsehbar. Wir sind bemüht, unser Vorgehen und Abläufe transparent und verlässlich zu halten. Wir wollen es für betroffene Personen verständlich machen, wo sie welche Unterstützung erhalten können. Wir möchten Herausforderungen offen kommunizieren.
3.8 Erreichbarkeit und Sichtbarkeit
Während der Demonstration sind wir anhand beschrifteter Warnwesten erkennbar. Das Awareness-Team stellt zwei Anlaufstellen auf der Demo zur Verfügung: einen zentralen Checkpoint am Ende des Demozugs sowie eine Kontaktstelle beim Lauti vorne am Demozug, über die Meldungen sowie Unterstützungsbedarf ans Awarenessteam weitergeleitet werden können. Zusätzlich bewegen sich Awareness-Personen frei über den Demozug verteilt und sind jederzeit ansprechbar. Außerdem sind wir vor, während und bis 2 Wochen nach der Demo erreichbar unter folgender E-Mail-Adresse: awareness.8m@posteo.de.
4. Für die Awareness-Personen: konkreter Umgang mit Personen, die sich an das Awareness-Team wenden
4.1 Allgemeines Verhalten:
Wenn es zu einer konkreten Situation kommt informiert den Checkpoint so bald wie möglich (Signal-Gruppe📱).
Bitte erscheint nüchtern zur Schicht und bleibt dies auch während der gesamten Schicht.
Der Fokus unserer Arbeit liegt während der Demo und während der Start- und Abschlusskundgebung auf der Intervention bei konkreten Anliegen. Diese können sich daraus ergeben, dass betroffene Personen auf uns zukommen, Dritte etwas beobachtet und an uns melden oder wir selbst eine Situation beobachten und eingreifen. Im Folgenden sollen Handlungsmöglichkeiten für jede der Möglichkeiten zusammengetragen werden.
4.1 Für jede Situation gilt:
Reflektiere für dich, worum es in dieser Situation geht:
wie bist du selbst zu dieser Situation positioniert? Handelt es sich um eine Situation, für die du dich (nicht) kompetent fühlst, beispielsweise aufgrund deiner Identität/deines Erfahrungshorizontes?
Hast du ausreichend Kapazitäten für die Behandlung dieser Situation? Handelt es sich um eine Situation, die deine Kapazitäten/persönlichen Grenzen/Fähigkeiten (nicht) überschreitet? Kommuniziere deine Grenzen und Möglichkeiten so transparent wie möglich.
Gehe mit der betroffenen Person aus dem Demozug heraus, sodass ihr in ruhigerer Atmosphäre reden könnt.
Nehmt ggf. eine Vertrauensperson der betroffenen Person mit, falls dies gewünscht ist.
Lass dir und der betroffenen Person Zeit (in Krisen ist "Tempo rausnehmen" sehr wichtig).
Zur Erinnerung: Wir können keinen Safer Space im öffentlichen Raum stellen!
Bleibe selbst ruhig, auch wenn die Situation/die betroffene Person es nicht ist.
Wenn die Person abwesend wirkt, nervös oder aufgebracht ist, hilf ihr, sich zu beruhigen. Dazu kannst Du z.B.: gemeinsam mit der Person ruhig (durch Nase) ein- und (Mund) ausatmen; etwas zu trinken/zu snacken anbieten; einen Sitzplatz finden; einen Stressring verwenden; ein CenterShock essen (der Reiz im Mund wirkt aktivierend, wenn eine betroffene Person abwesend wirkt)
Sei zurückhaltend mit Nähe und Körperkontakt, es sei denn, er ist von der betroffenen Person ausdrücklich gewünscht.
In diesem Fall solltest du selbst entscheiden, ob du die Nähe zulassen möchtest, indem du auch auf deine eigenen Grenzen achtest.
Leichter Körperkontakt, wie beispielsweise Handhalten, kann helfen, den Realitätsbezug der betroffenen Person zu sichern/wiederherzustellen.
Höre der betroffenen Person zu und nimm sie ernst.
Sei vorsichtig mit Fragen.
Die betroffene Person soll nicht das Gefühl bekommen, sich rechtfertigen zu müssen oder Druck empfinden, noch mehr erzählen zu müssen.
Vielleicht sind manche Details auch unangenehm, peinlich oder schmerzhaft zu berichten.
Frage nach den Bedürfnissen der betroffenen Person
Formulierungshilfen: Was brauchst Du? Was möchtest Du gerade
Handlungsoptionen: jemanden anrufen; ein Gespräch führen; Sanitäter*innen dazu holen; jemandem Bescheid geben (lassen)
Beachte die Wünsche und Bedürfnisse der betroffenen Person und stelle deine eigenen hinten an.
Es ist wichtig, dass die betroffene Person die Kontrolle über den weiteren Verlauf der Situation hat.
Das heißt nicht, dass du Sachen für die betroffene Person machen musst, zu denen du dich nicht bereit fühlst!
Wenn ein Gespräch mit der Polizei gewünscht wird, verweise auf unsere Polizei-Haltung unter Punkt 6, s.u.
Kommuniziere, wenn die Wünsche/Bedürfnisse der betroffenen Person nicht im Rahmen deiner/unserer Möglichkeiten liegen: Wir können z.B. keinen Safer Space bereit stellen. Wenn du dir unsicher bist, ob ein konkreter Wunsch möglich ist, mach keine falschen Versprechen.
Erkläre, dass in der Unterstützung nur das passiert, was die betroffene Person wünscht. Alles wird mit dieser Person abgesprochen.
Biete Möglichkeiten konkreter Unterstützung an, z.B.:
Wenn die betroffene Person auf der Demo bleiben möchte, kläre ab, was hierfür notwendig ist/gebraucht wird. Rate nicht grundlos von einer weiteren Teilnahme ab. Du kannst für eine weitere Teilnahme z.B. anbieten, dass sich die betroffene Person in der Nähe des Awareness-Teams/-CheckPoints aufhalten kann; dass die beschuldigte Person (durch das Awareness-Team) gebrieft wird; dass die beschuldigte Person darum gebeten wird, die Demo zu verlassen.
Soll die ausführende Person auf wunsch der betroffenen Person die Demo verlassen, unterstreiche die Tatsache, dass dies im öffentlichen Raum nur bedingt umsetzbar ist. Wir versuchen natürlich, diesen Ortsverweis durchzusetzen.
Biete an, dass die betroffene Person sich nicht selbst mit der beschuldigten Person auseianndersetzen muss, sondern dass dies das Awareness-Team übernimmt.
Weise auf professionelle Unterstützungsmöglichkeiten hin (s. Punkt 7 Kontakt-Liste).
Weise auf konkrete Möglichkeiten hin, wie die Person (direkt oder nach der Demo) sicher nach Hause kommen kann. Beachte hierbei, dich selbst abzugrenzen: Niemand aus dem Awareness-Team muss eine Person nach Hause begleiten (und so ggf. selbst in Gefahr geraten, Extra-Schichten leisten, etc.). Handlungsoptionen:
- s. 7. Kontakt-Liste;
- Freund*innen
- gemeinsames Uber/Taxi rufen
Formuliere keine abschließenden Bewertungen der Erzählung/Situation. Solidarisiere dich mit der betroffenen Person, mache aber keine Versprechen und ziehe keine (juristischen) Schlussfolgerungen.
4.2 Handlungsmöglichkeiten für Situationen, bei denen das Team etwas beobachtet hat oder ein Vorfall gemeldet wurde
Wir bedanken uns bei der Person, welche die Situation gemeldet hat und signalisieren, dass wir den Hinweis ernst nehmen und uns darum kümmern
Wir fragen die betroffene Person nach ihrem Befinden (Ist alles ok? Geht es dir gut mit der Situation? Können wir dir weiterhelfen?)
Wenn möglich erklären wir der betroffenen Person kurz, warum wir die Situation als „problematisch“ wahrgenommen haben
Wir beachten, dass jede Wahrnehmung verschieden ist und die betroffene Person die gemeldete/beobachtete Situation möglicherweise anders wahrgenommen hat
Wenn die betroffene Person um Hilfe bittet, unterstützen wir sie > Siehe Handlungsmöglichkeiten, wenn die betroffene Person um Unterstützung bittet
Wenn die betroffene Person keine Unterstützung wünscht, respektieren wir das. Wir bieten der Person an, dass diese uns jederzeit ansprechen kann und Unterstützung bekommt. Es bietet sich an, die Person wenn möglich dennoch ein wenig im Auge zu behalten und so schneller erreichbar zu sein, falls sie sich doch noch bei uns melden möchte.
4.3.Handlungsmöglichkeiten, wenn die betroffene Person um Unterstützung bittet
Wir hören der betroffenen Person zu und nehmen diese ernst
Wir nehmen uns Zeit für die betroffene Person, um den Druck zu reduzieren (beidseitig)
wir bieten unsere Unterstützung an, z.B. ein Gespräch, gemeinsam an den Rand der Demo oder ein Stück zur Seite zu gehen
Wir fragen die Person, ob sie eine Vertrauensperson hinzuziehen möchte
Wir sind vorsichtig mit Fragen. Die betroffene Person soll nicht das Gefühl bekommen, sich rechtfertigen zu müssen. Vielleicht ist ihr auch unangenehm oder peinlich was passiert ist.
Wir beachten die Wünsche und Bedürfnisse der betroffenen Person und fragen sie nach dem,was sie benötigt und wie wir weiter vorgehen. Alles wird mit ihr abgesprochen.
Konkrete Handlungsvorschläge können sein: Brauchst du Ruhe? Möchtest du ein Stück zur Seite/an den Rand gehen? Möchtest du oder sollen wir der ausübenden Person eine Ansage machen/ins Gespräch gehen? Möchtest du dabei sein? Sollen wir in deiner Nähe bleiben und/ oder deine Freund*innen dazu holen?
Soll die ausführende Person auf Wunsch der betroffenen Person die Demo verlassen, unterstreiche die Tatsache, dass dies im öffentlichen Raum nur bedingt umsetzbar ist. Wir versuchen natürlich, den Ortsverweis durchzuführen.
Wir bieten professionelle Unterstützungsmöglichkeiten / weiterführende Beratungsstellen an > Siehe Kontakt-Liste unter Punkt 7
Wir kümmern uns darum, dass die Person sicher nach Hause kommt (z.B. Taxi rufen, gemeinsam auf Freund*innen warten), wenn sie den Ort verlassen möchte. Beachte dabei, dich selbst abzugrenzen. Niemand aus dem Awarenessteam muss eine Person nach Hause begleiten (und so ggf. selbst in Gefahr geraten, extra Schichten leisten etc.).
5. Konfrontation von grenzüberschreitenden Person
5.1 Allgemeines Verhalten:
eine grenzüberschreitende Person wird ausschließlich dann konfrontiert, wenn die betroffene Person sich dies explizit wünscht! Die Konfrontation läuft - im Rahmen eurer persönlichen Möglichkeiten genau so ab, wie die betroffene Person sich dies wünscht.
Wünscht sich eine betroffene Person die Konfrontation der grenzüberschreitenden Person, kläre zunächst, wie diese ablaufen soll:
Möchte die betroffene Person dies selbst/in Begleitung durchführen? Möchte die btroffene Person nicht selbst sprechen/nicht dabei sein?
Gib eine realistische Einschätzung deiner eigenen Kapazitäten/Möglichkeiten.
Wenn du die Konfrontation durchführen sollst und auch möchtest, besprich kurz, welche Worte genutzt werden dürfen und ob/wie detailliert die Grenzüberschreitung thematisiert werden soll.
Konfrontiere gewaltausübende Personen nur dann, wenn du dich damit wohl und sicher fühlst. Das gilt insbesondere, wenn davon aggressivem/gewaltbereitem/weiterem übergriffigen Verhalten von der Person auszugehen ist. Du musst dich für deine eigenen Grenzen nicht rechtfertigen.
Platzverweise durchzusetzen, kann auf der Demo schwierig sein.
Rechtlich gesehen habe wir kein "Hausrecht" im öffentlichen Raum.
Einen Demoverweis kann - rechtlich gesprochen - lediglich die Veranstaltungsleitung (Verena, die ganze Demo über am Lauti) in Kooperation mit der Polizei durchführen.
Wir möchten möglichst verhindern, dass es zu solchen Maßnahmen kommt, daher:
Wenn in Demoverweis von der betroffenen Person explizit gewünscht wird, erklären wir kurz diese rechtlichen Bedingungen.
Wir konfrontieren die grenzüberschreitende Person entsprechend dieses Leitfadens und fordern sie höflich und respektvoll auf, die Demo zu verlassen.
Weigert sich die grenzüberschreitende Person, diesem Demoverweis nachzukommen, Hierbei kannst du gerne auf deine Position als aktives Mitglied des 8M-Bündnisses verweisen und auf dein "Hausrecht" verweisen (welches faktisch nicht existiert, aber bei Unwissenheit der Person ggf. hilfreich sein könnte).
Sollte es weiterhin zu keiner Einigung kommen, kannst du Ordner*innen hinzuziehen.
Nur wenn all diese Optionen nicht funktionieren, kannst du dich via der Schichtleitung an die Veranstaltungsleitung wenden, um einen Demoverweis mit der Polizei durchzusetzen.
5.2 Situation 1: Die betroffene Person möchte das Gespräch selbst führen.
Bitte die betroffene Person freundlich und rücksichtsvoll darum, sich grob an unseren Handlungsleitfaden zu halten.
Stell dich der grenzüberschreitenden Person mit Namen und als Teil des 8M-Awareness-Teams vor. Wenn die betroffene Person damit einverstanden ist, kann auch diese sich kurz vorstellen.
Bitte die grenzüberschreitende Person freundlich um ein kurzes Gespräch, verlasst zusammen den Demozug, um in ruhigerer Atmosphäre sprechen zu können.
Stellt euch so hin, dass die grenzüberschreitende Person ausweichen kann, also z.B. nicht an eine Wand oder in eine Ecke gedrängt wird. Tretet der grenzüberschreitenden Person nicht zu nahe, sodass diese genug persönlichen Raum hat. Am besten steht ihr ungefähr im 45-Grad-Winkel zu dieser Person, sodass sie nicht frontal konfrontiert, aber dennoch eindeutig addressiert ist.
Stelle dich selbst neben die betroffene Person, sodass deutlich wird, wo deine Unterstüzung liegt.
Unterbrich die Parteien nicht, wenn sie reden.
Schaue beide Parteien an, wenn sie reden und gib ihnen das Gefühl, gehört zu werden.
Kommt es zu weiteren grenzüberschreitenden Aussagen/Verhalten, sprich die betroffene Person direkt an und frage nach, was diese braucht.
Fasse die Gesprächsinhalte bei Bedarf, aber spätestens zum Ende des Gesprächs zusammen.
Achte dabei darauf, dass ein Konsens/eine Lösung formuliert wird. Diese können sehr unterschiedlich aussehen: eine der Personen verlässt die Demo (vorzugsweise die grenzüberschreitende Person!); eine Entschuldigung; eine Einigung etc.
5.3 Situation 2: Du führst das Gespräch (in Abwesenheit der betroffenen Person).
Führe das Gespräch nicht alleine, sondern mit mindestens einer weiteren Awareness-Person! Besprecht im Vorfeld, wer die Gesprächsführung hauptsächlich übernimmt.
Stellt euch der grenzüberschreitenden Person mit Namen und als Teil des 8M-Awareness-Teams vor. Bittet diese dann respektvoll und freundlich um ein kurzes Gespräch, verlasst zusammen den Demozug, um in ruhigerer Atmosphäre sprechen zu können.
Stellt euch so hin, dass die grenzüberschreitende Person ausweichen kann, also z.B. nicht an eine Wand oder in eine Ecke gedrängt wird. Tretet der grenzüberschreitenden Person nicht zu nahe, sodass diese genug persönlichen Raum hat. Am besten steht ihr ungefähr im 45-Grad-Winkel zu dieser Person, sodass sie nicht frontal konfrontiert, aber dennoch eindeutig addressiert ist.
Halte dich bei dem Gespräch an alles, was zuvor mit der betroffenen Person besprochen wurde! Erkläre zunächst, warum das Gespräch gesucht wurde, um welche Situation es sich handelt und formuliere den Wunsch, den die betroffene Person geäußert hat (z.B.: "Die Person hat sich von uns gewünscht, dass wir dich auf dein Verhalten hinweisen, damit dies nicht noch einmal passiert.").
Darauf solltest du bei der Wortwahl achten:
Formuliere die Aussagen aus der Perspektive der betroffenen Person. Beschreibe dabei z.B. die geschilderten Wahrnehmungen/Gefühle/Gedanken der Person.
Benutze auf keinen Fall die Worte "Täter*in" oder "Opfer".
Kommuniziere, dass zwar eine Grenze überschritten wurde, du die grenzüberschreitende Person deshalb jedoch nicht als "schlechte Person" bewertest.
Stelle in Aussicht, dass der Fehler entweder wieder gut gemacht werden kann, oder aus diesem gelernt werden kann, wenn die grenzüberschreitende Person zur Anerkennung des Fehlers bereit ist.
Unterbrich die Person nicht, wenn er*sie redet. Schaue die Person dabei an, um ihm*r das Gefühl zu geben, gehört zu werden.
Kommt es zu weiteren grenzüberschreitenden Aussagen/Verhalten, sprich diese möglichst direkt an und erkläre, wieso diese nicht in Ordnung sind.
Fasse die Gesprächsinhalte bei Bedarf, aber spätestens zum Ende des Gesprächs zusammen.
Achte dabei darauf, dass ein Konsens/eine Lösung formuliert wird. Diese können sehr unterschiedlich aussehen: eine der Personen verlässt die Demo (vorzugsweise die grenzüberschreitende Person!); eine Entschuldigung; eine Einigung; die Einsicht der grenzüberschreitenden Person etc.
Wünscht sich die grenzüberschreitende Person ein Gespräch mit der betroffenen Person, besprich diesen Vorschlag erst mit der betroffenen Person, die selbst entscheiden soll, ob solche Zugestädnisse gemacht werden oder nicht.
6. Haltung gegenüber der Polizei
Grundsätzlich gilt, dass jede betroffene Person selbst entscheiden darf, ob die Polizei hinzugezogen wird oder nicht! Auf Grundlage des Bündnis-Konsens haben wir als Awareness-Team aber die folgende Haltung gegenüber der Zusammenarbeit mit der Polizei:
Wenn eine Person mit Polizei-Wunsch auf uns zukommt, entscheidest du selbst, ob du sie*ihn begleitest. Das 8M-Bündnis empfiehlt, dies nicht zu tun, es bleibt aber dir überlassen.
Diese Haltung begründet sich in der Abwägung verschiedener Positionen aus dem Arbeitskreis. Bei Bedarf können die Gründe in einem gesonderten Handout nachgelesen werden: https://pad.riseup.net/p/BoiEaELxFT3cCyztt_YO-keep.
7. Kontakt-Liste für professionelle Unterstützung betroffener Personen
Besser als 110 zu wählen, könnten diese Anlaufstellen ggf. helfen.
7.1 Nach Gewalt:
- Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen: 08000 116 016
- Hilfetelefon Gewalt an Männern: 0800 123 9900
- Anonyme Spurensicherung nach Sexualstraftaten: Uni-Frauenklinik; 0221 478 4909
- Notruf und Beratung für vergewaltigte Frauen: 0221 56 20 35 (Rückruf in Kürze mit unterdrückter Nummer)
7.2 Bei Psychischen Krisen:
- Ärtzlicher Bereitschaftsdienst (gesundheitliche Notfälle): 116 117
- kirchl. Telefonseelsorge: 0800 111 0222 (kathol.); 0800 111 0111 (evang.)
- Notfallseelsorge (auch Suizidprävention): 111 011 1
- Nummer gegen Kummer (für Jugendliche): 116 111
7.3 Für den Heimweg:
- Taxi-Unternehmen: 0221 2882
- Heimwegtelefon (ab 20 Uhr): 030 1207 4182
Unser Konzept bezieht sich auf Arbeiten von ActAware, Initiative Awareness, OFT Köln; 8M Bündnis Köln; May Day Collective und Solidarity & Defense: 13 Dinge, die du tun kannst, statt die Polizei zu rufen.